Richard Dehmel
Gedichte
Richard Dehmel

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Der letzte Traum

Zum Gedenken an Detlev v. Liliencron

                Es war am sechsten Abend, und Gott sprach:
Alles ist gut geworden. Alles. Nur
der Mensch: was ist der Mensch? Er träumt wie Ich.
Er möchte ewig leben, ewig träumen.
Wenn ich nur schlafen könnte! endlich schlafen! –

Es war am sechsten Abend, und ein Dichter
sprach auf dem Sterbebett: Was ist der Mensch?
Er hielt die Hand des liebsten Freunds umklammert,
er wollt ihn ansehn mit den Schöpferaugen,
sie irrten durch ihn hin wie Säuglingsaugen
durch eine fremde, unerschöpflich fremde,
traumvolle Welt – er stammelte:

Sechs Tage keinen Schlaf. Nur Träume. Hörst du?
Alles war gut. Nur Ich – was ist mit mir?
Ich seh da immer Menschenscharen ziehn –
da an der Wand – Heerscharen – Kriegerscharen –
von Land zu Land mit mir – Erobrerscharen –
von Stern zu Stern – zur Schlacht – Schlachtopferscharen –
im Traum – sie opfern sich für Gott hin – hörst du?
die ganze Welt hin – sich hin – mich hin – Gott! –
Wenn ich nur endlich schlafen könnte – schlafen – –

 


 


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