Eduard Devrient
Hans Heiling, Titelseite
Eduard Devrient

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Vorspiel

(Der Vorhang hebt sich bei Takt 16. Unterirdische, von röthlich trübem Licht erhellte Höhle. An den zackigen Wänden klettern Zwerge und putzen die Erdadern, tragen geschäftig Stufen und Juwelen herbei, welche sie knieend der Königin und Heiling vorzeigen. Diese sitzen in der Mitte auf einer Thronerhöhung. Heiling mit reichem Mantel und blitzender Krone, hält gedankenvoll ein goldnes Stäbchen in der Hand. Gnomen wälzen Felsblöcke, u.s.w.)

Chor (mürrisch). Rastlos geschafft
mit stätiger Kraft,
die Wasser der Tiefen
gewältigt mit Macht,
treulich bewacht.
Die Schätze, die schliefen
in ewiger Nacht,
herauf in den Schacht!
Ohne Ruh,
immer zu,
hin und wieder,
auf und nieder,
wirken wir munter,
reicher und bunter,
wonach die Menschen
ringen und werben,
zum Nutzen und Schaden,
zum Heil und Verderben.

Heiling (wirft den Mantel von der Schulter und legt Krone und Zepter ab).
Genug, beendet euer emsig Treiben.
es treibt mich fort, ich kann nicht länger bleiben,
hinauf zur liebeblüh'nden Erde wieder.

Königin. So willst du heut' auf immer von uns scheiden?
Dein goldnes Reich, die Mutter, die Mutter willst du meiden,
Entsagen der Gemeinschaft deiner Brüder?

Heiling. Ich muss es ja!
denn will ich eure Krone tragen,
muss ich der Erdenlieb' entsagen,
(der Lieb' entsagen?!)
und das, das kann ich nicht.
Seitdem ich Anna gefunden,
seit unsre Seelen verbunden,
acht' ich Kron' und Zepter nicht.

Chor. Zu der Menschen falschem Geschlecht
Willst du dich schlagen,
nimmer unsre Krone tragen?
König, ist das recht?

Königin (zu Heiling).
O bleibe hier!

Chor. O bliebe hier,
die Geister dienen
auf Wort und Mienen
willig dir!

Heiling. Fort! Ersparet dies Betheuren!
Los will ich mich von euch zählen,
nicht mehr von Anna mich stehlen
euren Sabbath hier zu feiern.

Chor. O ho! Ho ho ho ho ho ho! Wie stutzig!
Oh wie stutzig, seht, wie stolz und trutzig,
willst dich überheben,
auf der Erde leben?
Gemach, die Reu' kommt nach.
O ho! Ho ho! Wie stutzig,
ho! ho ho ho ho! seht, wie trutzig,
willst dich überheben,
auf der Erde leben, wie?
Willst dich überheben,
auf der Erde leben, wie?
nur gemach, nur gemach,
die Reue folget nach,
gemach, gemach.

Königin. So hat der Mutter Wahn sich dir vererbt,
der mich noch heut' mit bitt'rer Reue quält.
Du weisst es, dass dir das Leben
die Liebe eines Menschen hat gegeben,
dass du darum, ein unglückselig Doppelwesen,
zu ew'gen Zwiespalt bist erlesen.

Heiling. Ich weiss es, weiss es, darum lass mich fort,
damit ich auf der blüh'nden Erde
in Anna’s Armen ganz zum Menschen werde.

Königin. Das wirst du nimmermehr!
Fremd wirst du den Menschen bleiben,
und ihr enges Treiben
scheint dir niedrig bald und leer.
Bald wird dich die Reue finden
und du sehnest dich zurück. (heimlich und hastig)
Darum bewahre die magische Kraft
die Geister zu binden,
bewahre das Pfand deiner Wissenschaft.

Heiling. (unwillig einfallend). Was soll mir jenes Buch?
Was soll sein Zauberspruch,
der mir noch keinen Segen trug?!
In Annas Busen wohnt ein selig Leben,
der Liebe Zauberweben,
dem hab' ich mich allein ergeben!

Königin (bedeutend). Und bist du sicher, dass die Oberwelt
mit ihren Zaubern Treue hält?

Heiling (finster). Still, Mutter, still!
Lass meine Zweifel schlafen,
ich muss vertrauen, wenn ich leben soll.
Gieb mir den Brautschmuck, denn es drängt die Zeit.

Königin. Der Mutter letzte Gabe ist bereit.
(Zwerge bringen der Königin ein schön verziertes Kästchen; sie öffnet es.)
Schimmernde Demanten,
wie glühend hell ihr scheint;
ihr seid der Mutter Abschiedszähren,
die sie dem ungetreuen Kinde weint;
so nimm denn meine heissen Thränen
zum Brautschmuck, meine Feindin zu verschönen.
Mit meinem Jammer schmückest du dein Glück,
und ganz verlassen bleibe ich zurück!

Heiling (ist vor niedergesunken, ihre Hand heftig an Lippen und Augen drückend).
Lass ab, lass ab!
Missgönnst du mir mein Glück?
Warum erschwerst du mir den letzten Augenblick? (er will fort)

Chor (umgiebt ihn, trotzig).
Du sollst nicht entweichen,
gedenk' deiner Pflicht,
du bist unsresgleichen,
wir lassen dich nicht.

Königin. O lass dich erweichen,
verlasse uns nicht!

Chor. Du sollst nicht entweichen,
gedenk' deiner Pflicht,
du bist unsresgleichen,
wir lassen dich nicht.

Königin. O lass dich erweichen,
verlasse uns nicht!

Chor (ihn enger umkreisend).

Heiling. Wagt ihr zu droh'n?
Ihr haltet mich nicht! (schwingt gebieterisch den Zepter)
Gebt Raum! Euer König befiehlt!

Chor (stürzt vernichtet nieder und bleibt so bis Heiling abgeht).
Weh' uns, wehe! Wehe uns!

Heiling (tritt zur Königin und beugt sich knieend über ihre Hand).
Leb' wohl, du arme kinderlose Mutter!
(giebt ihr den Zepter, wendet sich dann zum Chor)
Fahrt wohl! ihr trüben, freudelosen Brüder!

Königin (ihm die Arme nachstreckend).
Mein Sohn!

Heiling. Leb‘ wohl!

Königin. Mein Sohn, kehrst du mir niemals wieder, nie?

Heiling (wendet sich um, Pause – er tritt ihr näher).
Wenn mein Kranz verblüht,
wenn das Herz mir bricht,
dann, Mutter, dann vielleicht.
O wünsch' es nicht, das, Mutter,
wünsche nicht! (Er eilt fort. Man sieht ihn über die Felszacken hinaufsteigen.)

Chor. Er eilt hinweg,
er hört uns nicht. (Ihm nachdrohend)
Wehe dem, der Treue bricht!

Königin (ist auf des Thrones Stufen hingesunken).
O arme kinderlose Mutter!

Chor (ihr nachklagend).
O arme kinderlose Mutter!

Königin (rasch aufstehend). Nein! Nein!
Nicht umsonst will ich die Macht besitzen;
ich ruhe nicht, ich will sie rastlos nützen,
den Sohn auf immer wieder zu gewinnen.

Chor. Lass, Herrin, uns dabei dir dienen,
befiehl, was sollen wir beginnen? Befiehl!

Königin (befehlend). Geduldig harren, bis mein Wort gebeut.
Jetzt eilet, euer Wirken fortzusetzen,
gehorsam, gehorsam unsern ewigen Gesetzen.

Chor (mürrisch). Gehorchen und tragen,
uns tummeln und plagen,
das ist unser Loos! (Der Chor beginnt sein geschäftiges Treiben wieder.)
Rastlos geschafft
mit stätiger Kraft.
Ohne Ruh',
immer hin und wieder,
auf und nieder,
wirken wir munter.
Ohne Ruh‘, immer zu,
hin und wieder,
auf und nieder,
ohne Ruh‘, immer zu,
hin und wieder,
auf und nieder,
wirken wir munter,
reicher und bunter,
wonach die Menschen
ringen und werben,
zum Nutzen und Schaden,
zum Heil und Verderben.

(Die Königin sitzt traurig sinnend auf dem Thron, die Geister vertheilen sich geschäftig auf der Bühne und in den Seitenhöhlen.)

(Der Vorhang fällt.)


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