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Das Jahr 1914 brachte den großen Weltbrand. Vergeblich waren alle Bemühungen, den Krieg auf Europa zu beschränken. Englische Truppen drangen in Deutsch-Südwest ein. Im Verlauf weniger Wochen war die Schutztruppe umzingelt und entwaffnet.
Nur noch selten kam Kunde von draußen zu den Farmern im Binnenlande. Hin und wieder ein Zeitungsblatt aus Kapstadt oder Kimberley, das von ungeheuren Siegen der Engländer und ihrer Verbündeten berichtete. Bisweilen irgendein schwarzer Läufer, der mündlichen Bericht über den großen Orlog brachte. So saßen die Deutschen von der Welt abgeschnitten auf ihren Farmen und sahen unruhevoll jedem neuen Tag entgegen.
Wieder waren Wochen vergangen. Ein klarer Oktobermorgen lag über dem Veldt, als eine englische Patrouille auf Krönings Hof am Riviere trabte. Vor dem Wohnhaus zügelten sie ihre Pferde. Der englische Offizier rief den erstbesten Kaffer an, wo sein Baas stecke. Dienstbeflissen lief der Schwarze, ihn zu suchen, kehrte nach einer Weile in Begleitung eines Weißen zurück.
Die Unterhaltung war nur kurz.
»You are the Baas here, Sir?«
»Yes, Sir.«
»Come along with me.«
Die englischen Soldaten veranlaßten den Baas, ein Pferd zu besteigen. Schnell wie sie gekommen, trabte die Patrouille wieder vom Hof. An ihrer Spitze zufrieden der englische Offizier. Wider Erwarten glatt hatte er den Befehl, sich Klaus Krönings zu bemächtigen, ausführen können. – – –
*
Von Pretoria aus trat Mijnheer van der Straten, ein burischer Prospektor, seine Europareise an. Über Johannisburg brachte ihn die Bahn nach Durbar, wo die englischen Dampfer anlegten. Drei Stunden später ging er an Bord der »Cyanous«.
Das Schiff war sehr mäßig besetzt. Kaufleute und Ingenieure, die aus Kapstadt nach der englischen Heimat zurückkehrten. Ein paar Portugiesen und Franzosen. Schließlich englische Offiziere und Beamte. In diesen Wochen war eine Seereise auch hier unten nicht gefahrlos.
Es wurde unter Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln und mit verdoppelten Wachen gefahren. Die »Cyanous« hielt sich stets dicht unter der Küste, um im Notfalle immer noch im letzten Augenblick in einen rettenden Hafen schlüpfen zu können. Aufregend waren diese Tage für die Schiffsbesatzung und auch für die Passagiere, so wenig sie sich's merken lassen wollten. Stunde für Stunde suchten die Wachen der »Cyanous« sorgsam den Horizont ab, ob nicht irgendwo die verdächtige Rauchfahne eines feindlichen Schiffes auftauchte.
In der allgemeinen Nervosität und Aufgeregtheit behielt Mijnheer van der Straten seine holländische Ruhe. Seine Sorgen waren ganz anderer Art, und er verhehlte sie weder dem Offizier der »Cyanous« noch den Passagieren, mit denen er ins Gespräch kam Die Fahrt der »Cyanous« ging nach Plymouth. Er aber wollte weiter nach Amsterdam. Wie von England heil über die Nordsee nach Holland kommen?
So verstrichen die Tage, Socotra und mit ihm englische Kriegsschiffe kamen in Sicht. Der gefährlichste Teil der Reise war überstanden. Vor Aden warf die »Cyanous« Anker, um frische Kohlen zu nehmen. Die Passagiere gingen an Land, um dem unendlichen Schmutz zu entgehen, der mit der Kohleneinnahme untrennbar verbunden ist. Schon hier bekamen sie einen kleinen Vorgeschmack von der Glutfahrt durch das Rote Meer, die ihrer wartete. Trostlos die Dürre in Aden, wo es durchschnittlich nur alle drei Jahre einmal regnet. Nirgends auch nur die bescheidenste Spur eines Pflanzenwuchses, überall nur in der Sonne glühender Fels, glutheißer Staub. Sehnsüchtig zählten die Passagiere die Stunden, da sie wieder an Bord konnten und die Fahrt weitergehen sollte.
Eine kleine Überraschung gab es vor der Abfahrt. Als die Reisenden über die Gangway das Deck betraten, fanden sie die »Cyanous« von einer Militärwache besetzt. Zur nochmaligen Paßrevision wurden alle Passagiere in den Smokingroom befohlen.
Eine reine Formalität, aus dieser Kriegszeit geboren, schien es zu sein. Waren doch die Pässe schon bei der Abfahrt von Kapstadt und Durbar sorgfältig geprüft worden. Schnell und glatt ging die Revision vonstatten, als plötzlich der englische Beamte zwei Franzosen beiseite treten ließ. Erregt unterhielten sich die beiden in ihrer Muttersprache über die sonderbare Maßnahme. Mijnheer van der Straten war der nächste an der Reihe. Gelassen legte er seinen Paß vor, beantwortete in einem südafrikanischen, mit burischen Brocken durchsetzten Englisch die Fragen des Kommissars. Durfte dann passieren.
Die Kontrolle war beendet. Der Beamte wandte sich an die beiden Franzosen.
»Sie bleiben in Aden, meine Herren.«
»Mais pourquoi donc, Monsieur?« Entrüstet kam die Frage französisch.
»Weil Sie deutsche Untertanen: Georg Mattäi aus Remscheid und Peter Schmidgen aus Köln sind.«
Der englische Beamte sprach auf einmal ein ganz brauchbares Deutsch. Die Franzosen überschütteten ihn mit einem Wortschwall ihrer Muttersprache, protestierten dann auf englisch, aber einem scharfen Auge konnte es nicht entgehen, daß sie bei den ersten deutschen Worten des Kommissars erblaßt waren.
»Geben Sie sich keine Mühe, meine Herren, wir sind vollkommen über Ihre Personen unterrichtet. Sie bleiben hier. An der zuständigen Stelle können Sie vorbringen, was Sie vorzubringen haben.«
Die Wache nahm die beiden als Deutsche erkannten Franzosen mit an Land. Die »Cyanous« lichtete die Anker und trat die Fahrt über die Straße von Babelmandeb in das Rote Meer an.
Vier Tage währte die Fahrt. Die Glut der Hölle war über das Schiff und seine Insassen ausgegossen. Träg, ölig glatt wie ein Spiegel lag die See. Kein Lüftchen wehte. Der schwache Fahrwind, den das Schiff sich selbst durch seine Fahrt schuf, schien erst recht geeignet, alles Lebende bis auf die letzte Faser auszudörren. Unendliche Mengen von Eiswasser und Zitronenlimonade wurden vertilgt, bis endlich Suez in Sicht kam und die Fahrt durch den Kanal begann.
Eine romantische Fahrt bei Scheinwerferlicht. Mitten durch die Wüste schien der mächtige Ozeandampfer zu fahren. Rechts und links zu beiden Seiten endlose Sandflächen, hier und da im jähen Strahl der Scheinwerfer die Silhouette eines Beduinen und seiner Kamele.
So kam die »Cyanous« nach Port Said, und wieder kamen englische Soldaten an Bord. – – –
*
»Haben Sie ihn, Sir?«
Der englische Hauptmann stellte die Frage an den Patrouillenführer, der von Krönings Hof nach Windhuk zurückkam.
»Yes, Captain! Die Sache ging glatter, als ich dachte. Da in der zweiten Reihe reitet er zwischen meinen Leuten.«
Der Hauptmann legte die Hand schattend über die Augen, blickte dorthin, rief dem Gefangenen zu.
»Hallo, Sir. Wollen Sie gefälligst etwas näher kommen.«
Der Baas ritt zu dem Hauptmann heran.
»Hier bin ich, Sir. Aus welchem Grunde lassen Sie einen friedlichen Zivilisten von seiner Arbeitsstätte wegholen?«
Der Hauptmann kniff die Lippen zusammen, um ein Lächeln zu unterdrücken.
»Weil wir besondere Gründe haben, Mr. Kröning, uns Ihrer Person zu versichern. Die Regierung der Südafrikanischen Union hat beschlossen, sich der führenden Kolonisten in Deutsch-Südwest zu bemächtigen . . .« Er hielt inne, als er das Staunen auf dem Gesicht seines Gegenübers bemerkte.
»Wie belieben Sie mich zu nennen, Sir?« fiel ihm der ins Wort.
»Einen führenden Kolonisten, Mr. Kröning.«
Der Gefangene machte eine ironische Verbeugung.
»Mr. Kröning wird über dies Kompliment sicherlich erfreut sein. Nur mich geht's leider nichts an. Mein Name ist Schmidt. Georg Schmidt . . . ich bin der erste Verwalter des Herrn Kröning.«
Erregt wandte sich der Hauptmann an den Patrouillenführer.
»Sie hatten den Auftrag, Mr. Kröning zu verhaften. Haben Sie sich nicht genau nach der Person des Gesuchten erkundigt?«
Der Leutnant stotterte eine Entschuldigung.
»Als ich auf den Hof kam, fragte ich nach dem Baas. Die Schwarzen brachten mir diesen Gentleman hier!«
Fragend schaute der Hauptmann auf den Gefangenen. Trotz seiner bedenklichen Lage konnte der ein Lachen nicht unterdrücken.
»Der Herr Leutnant ist noch neu im Lande und kennt die hiesigen Rangstufen nicht. Er hat nach dem Baas, dem Herrn, gefragt, und das bin ich. Er hätte nach dem Aubaas, dem großen Herrn, fragen müssen, wenn er Herrn Kröning zu sprechen wünschte. Ein kleiner Formfehler, Gentlemen. Auch kleine Fehler haben manchmal große Folgen.«
Der Hauptmann überlegte eine kurze Weile. Dann entschied er.
»Sie, Mr. Schmidt oder Mr. Kröning, oder wer Sie sonst sein mögen, bleiben vorläufig hier, bis Ihre Persönlichkeit sicher festgestellt ist. Sie, Herr Leutnant, mit Ihrer Patrouille halten sich bereit, sofort zum Riviere zurückzureiten, wenn es sich herausstellt, daß Sie den Falschen gegriffen haben.«
Der Administrator protestierte. Die Schwarzen seien wie Kinder. Ohne weiße Aufsicht würde auf der Farm alles drunter und drüber gehen. Vergeblich waren alle seine Einwände. Es geschah, wie der Hauptmann es befohlen hatte. – – –
An Bord des »Cyanous« in Port Said der gleiche Vorgang wie in Aden. Wieder mußten die Passagiere zur Paßkontrolle antreten. Diesmal ließ der Kommissar einen Portugiesen und zwei Engländer beiseite treten und sagte ihnen ihre deutschen Personalien auf den Kopf zu.
Verwundert betrachtete Mijnheer van der Straten die Szene. Nur eine Erklärung gab's dafür. Die Engländer mußten einen vorzüglichen Spionagedienst unterhalten, jede neue Ermittlung über verdächtige Passagiere den Schiffen sofort per Funk vorausschicken. Anders war's gar nicht möglich, daß sie jetzt nach fast zwanzigtägiger Fahrt noch Reisende verhafteten, die in Südafrika mit guten Papieren anstandslos an Bord gekommen waren, und die – das mußte man neidlos anerkennen – ihre Rollen als Franzosen oder Portugiesen täuschend getreu gespielt hatten.
Wie viele mochten wohl jetzt noch unter den Reisenden sein, denen ein ähnliches Schicksal in Gibraltar oder schließlich bei der Landung in Plymouth bevorstand. Nach den bisherigen Vorkommnissen konnte sich ja wirklich jeder unter diesen Engländern, Franzosen, Portugiesen und Holländern am Ende noch als irgendein deutscher Wehrpflichtiger entpuppen, der mit falschen Papieren der bedrohten Heimat zustrebte.
Von Port Said nahm die »Cyanous« ihren Kurs durch das Mittelmeer nach Westen. Drei Tage nur Meer und Himmel, dann kam wieder Land in Sicht. Die Ostküste von Sizilien tauchte am Horizont auf. Die »Cyanous« steuerte den Hafen von Syrakus an.
Nur ein kurzer Aufenthalt war hier vorgesehen. Das Schiff blieb auf der Reede liegen. Ein Tender kam heraus, um ein paar Italiener von Bord zu bringen. Die Gangway wurde vom Tender zum Schiff gelegt. In dichtem Gedränge umstanden die Reisenden die Laufbrücke, während die Italiener zum Tender hinuntergingen, die Stewards ihr zahlreiches Gepäck hinter ihnen herschleppten.
Auch Mijnheer van der Straten war unter den Neugierigen, verschwand vorübergehend ganz in der Schar der Stewards. – – –
Als die »Cyanous« Kap Passero an der Südspitze Siziliens ansteuerte, rief der Gong die Reisenden zum Diner. Der Platz Mijnheer van Stratens blieb bei dieser Mahlzeit leer, obwohl die See ruhig war – obwohl der Holländer während der langen bisherigen Fahrt überhaupt niemals Spuren von Seekrankheit gezeigt hatte. Am folgenden Morgen mußte der Kabinensteward dem ersten Offizier Mijnheer van der Straten als vermißt melden. Sein kleines Gepäck stand in der Kabine, sein großes Gepäck – man sah die Ladelisten durch und stellte fest, daß der Holländer in Durbar nur mit einem Handkoffer an Bord gekommen war.
Zwei Möglichkeiten gab's. War er über Bord gestürzt – oder hatte er in Syrakus das Schiff unbemerkt verlassen? – – –
Zwei Tage später im Hafen von Gibraltar. Die gleichen Szenen hier zum dritten Male. Mit einer unheimlichen Exaktheit arbeitete der englische Nachrichtendienst. Schon hatte der Kommissar sechs Passagiere zurückgehalten, ihnen gesagt, daß ihre Pässe falsch, daß sie wehrpflichtige Deutsche wären. Jetzt rief er Mijnheer van der Straten auf.
Der Holländer meldete sich nicht. Der Offizier der »Cyanous« flüsterte dem Kommissar einige Worte zu . . . vermißt . . . über Bord gefallen? . . . oder?
Der Kommissar schlug mit der Faust auf die Liste.
»Damned, Sir! Er ist uns entwischt! . . . Mr. Kröning ist in Syrakus an Land gegangen.« – – –
Als der englische Beamte in Gibraltar diese Worte sprach, fuhr Klaus schon dem Brennerpaß entgegen. Aus dem würdigen Holländer Mijnheer van der Straten war in Syrakus wieder ein braver Deutscher geworden, den die rollenden Räder des Direttissimo nicht schnell genug nach Norden bringen konnten.
Das Etschtal hinauf ging die Fahrt. Rosig grüßten im Morgensonnenschein die Schneegipfel der Dolomiten, als der Zug die Brennerhöhe erreichte. Weiter vom Brenner dann nach Innsbruck und München. So kam Klaus nach langen Jahren wieder in seine Heimat. Anders als er's sich in den langen afrikanischen Monden gedacht und geträumt. Das Vaterland, das er reich und blühend verlassen, stand im schwersten Kampf um sein Dasein.
Die erste Nacht auf deutschem Boden. Nach langer Seereise, nach mehrtägiger Eisenbahnfahrt gönnte sich Klaus den Genuß, wieder in einem feststehenden Bett zu schlafen. Am nächsten Morgen ging's weiter, der alten, thüringischen Heimat zu. In Erfurt nahm er einen Kraftwagen, um schneller nach Seehausen zu kommen. Es drängte ihn, die Eltern wiederzusehen. Mit eigenen Augen zu schauen, wie sie sich ihr Leben mit dem eingerichtet, was er ihnen in all diesen Jahren aus seinem Überfluß gespendet.
Jetzt tauchte im frühen Abendrot des Novembertages der Kirchturm von Seehausen auf. Der Wagen rollte durch die Dorfstraße, Da lagen die alten, Klaus so wohlbekannten Gebäude. Hier das Gemeindehaus, dort schräg von der Kirche weg der Krug. Aber wo stand das Haus seiner Eltern? Er wußte es nicht. Der Chauffeur mußte in den Krug gehen und danach fragen. Dann ging's weiter. Im Kruge drückten sie sich die Nasen an den Fensterscheiben platt.
Der Kraftwagen lenkte in eine Seitenstraße, die einen Hügel hinauf in die Höhe führte. Da lag das Haus, das Klaus suchte Er erkannte es nach den Zeichnungen wieder, die ihm vor Jahren nach Südwest geschickt worden waren. Ein solides, steinernes Haus, in dem die Eltern ihren Lebensabend verbrachten. Klaus sprang aus dem Wagen, eilte die Treppe hinauf – und lag in den Armen seiner Mutter.
Er hatte von München telegrafiert. Unendlich groß trotzdem die Überraschung, die Freude des Wiedersehens. Jetzt kam auch der Vater hinzu. Der war in den letzten Jahren recht klapperig geworden, pflegte den größten Teil des Tages im Lehnstuhl zu sitzen. Auch hier ein freudig bewegtes Wiedersehen nach so langer Trennung.
Eine lange Unterhaltung gab's, über die schwere Kriegszeit sprachen sie. Klaus fragte nach seinen Geschwistern. Seine beiden Brüder standen schon seit Kriegsbeginn im Felde, waren bis jetzt gesund geblieben.
Dann wollten die Alten wissen, wie es ihm in der langen Zeit im fernen Lande ergangen war. Wie er dort mit den schwarzen Menschenfressern zurechtkäme. Wie die Schwarzen lebten? . . . Wovon sie lebten? . . . Welche Sprache sie sprächen? . . . Ob sie jetzt noch Menschen fressen dürften? . . . Das waren so einige der ersten Fragen. Mit Verwunderung hörten die Alten, daß die Neger ganz brave, gutartige Menschen wären, mit denen man sich sogar deutsch unterhalten könne. Von Klippkaffern und Buschleuten, von Hereros und Ovambos erzählte ihnen Klaus, und die Alten vergaßen vor Verwunderung fast den Mund zuzumachen. Mit grenzenlosem Staunen hörten sie, daß Klaus mehrere Hundert dieser Wilden auf seinen Farmen beschäftigte, die unter der Aufsicht von einem Dutzend Weißer ihre Arbeit ordentlich und fleißig verrichteten. Sie wollten es nicht glauben, fragten immer wieder, ob er denn ohne Schießgewehr und Peitsche ausgehen könne.
Ja, das könne er, meinte Klaus. Das Gewehr nähme er nur mit, wenn er einen Springbock oder eine Antilope schießen wolle. Und eine Peitsche brauche er nur beim Reiten. Wo er sich auf den Farmen sehen ließe, kämen ihm seine schwarzen Leute, Männlein und Weiblein, vergnügt entgegen und begrüßten ihn lustig als ihren Aubaas.
Das war nun offenbar wieder ein wenig zuviel gesagt. Vater Kröning saugte gedankenvoll an seiner unvermeidlichen Pfeife. Mutter Kröning druckste, wurde verlegen . . . verhaspelte sich und platzte schließlich mit der Frage heraus, ihr Sohn Klaus würde ihr doch nicht etwa eine schwarze Schwiegertochter mit ins Haus bringen. Es dauerte eine ganze Weile, bis Klaus vor Lachen wieder reden konnte und seiner Mutter versicherte, daß etwas Derartiges nicht zu fürchten wäre.
Den nächsten Tag, einen Sonntag, verbrachte Klaus noch in Seehausen. Wohl hatte er in diesen Jahren des Aufstiegs und des Glücks auch manche schlimme Erfahrung mit Menschen gemacht. Manch einem hatte er Wohltaten erwiesen, der ihm schlecht dafür dankte. Aber doch trieb's ihn, die alten Stätten und die alten Bekannten aufzusuchen.
Fast zwanzig Jahre waren vergangen, seit er Dorf und Elternhaus verlassen. Wie ein Traum erschien ihm die Zeit. Wo waren die Jahre geblieben? Fast gestern schien's ihm zu sein, als er hier aus der Schule kam, den Baumeister Jensen kennenlernte.
Gestern? Ach nein . . . die Grabsteine auf dem Friedhof sprachen eine andere Sprache. Schon seit zehn Jahren schlief Justus Wendelmut, der alte Kantor, hier unter dem grünen Rasen. Und die Inschriften auf den benachbarten Steinen. Alles Namen, die Klaus wohl kannte, deren Träger er im Geiste noch vor sich sah. Der alte Krugwirt, dessen Sohn jetzt das Geschäft führte. Bauern und Büdner, deren Äpfeln und Birnen er mehr als einmal zu nahe gekommen war. Jetzt lagen sie hier und ruhten von allen Sorgen und Arbeiten aus. – – –
Am folgenden Tage erhielt Klaus seinen Gestellungsbefehl, am Dienstag stand er auf dem Kasernenhof. Unübersehbar die Menge, die hier zusammenströmte.
Schwere Kriegsjahre erlebte Klaus.
Die zweite Kriegsweihnacht verbrachte er im Schützengraben. Hier erhielt Klaus die ersten Briefe aus Afrika. Viele Monate waren die unterwegs gewesen, bis sie über die neutrale Schweiz nach Deutschland gelangten, durch die Feldpost in seine Hände kamen. Briefe von seinen weißen Verwaltern, Briefe von englischen Geschäftsfreunden aus Kapstadt und Johannisburg.
Schlimm genug war der Inhalt. Sein ganzes Privatvermögen beschlagnahmt. Seine Verwalter gefangengenommen. Seine Farmen aufsichtslos den Eingeborenen überlassen.
Es war nicht eben schwer, die Bilanz aus diesen Nachrichten zu ziehen. Alles, was er in jahrelanger Arbeit in Afrika aufgebaut hatte, war für ihn verloren.
Was in den Briefen aus Johannisburg stand, war noch schlimmer als das, was seine Verwalter ihm aus dem Gefangenenlager schrieben. Die Schwarzen sahen, daß die Weißen untereinander Krieg führten und verloren darüber den Respekt vor den weißen Herren. Würde es jemals möglich sein, ihnen den wieder einzuflößen? Hundert Fragen, hundert Zweifel!
Dann nahte das bittere Ende. Die Ereignisse begannen sich zu jagen. Der November kam. Ein Waffenstillstand wurde geschlossen. In Paris beriet man viele Monate hindurch über den Friedensvertrag mit Deutschland.