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Wir wollen für den Augenblick den Standpunkt verlassen, der uns weiteren Ausblick auf das eigentliche Wesen dieser Offenbarung und auf die Beweise ihrer Wahrhaftigkeit gewährte, und wollen uns weniger wichtigen Erwägungen zuwenden, die sich mir im Laufe meines Suchens aufgedrängt haben. Dieses Heim unserer Toten – so erzählen sie uns – scheint uns recht nahe zu sein, so nahe, daß wir sie beständig in unserem Schlafe besuchen. Wir alle haben gesehen, wie Leute bei dem Verlust geliebter Menschen nicht, wie wir erwartet hätten, dem Wahnsinn in die Arme getrieben, sondern in stiller Ergebung verklärt wurden. Sie haben ihre Toten wiedergesehen, und jene Verklärung und Ergebenheit ist die Frucht. Wenn auch solch Erlebnis ihres Schlafes in der Erinnerung völlig erloschen ist, so wirkt sein Segen im Unterbewußtsein weiter fort. Zwar ist die Verbindung mit dem Geisterland so gänzlich abgebrochen wie der elektrische Strom beim Ausschalten, aber manchmal wirkt irgendeine unbekannte Ursache noch weiter während des Bruchteils einer Sekunde, und dann geschieht es, daß der Schläfer zurückkehrt aus Traumland, umgeben von den Strahlen erlebter Herrlichkeit. Dann stellen sich die prophetischen Träume ein, von denen sich so viele als wahr erwiesen haben. Auch ich hatte kürzlich ein persönliches Erlebnis, das sich bisher vielleicht noch nicht in seiner ganzen Bedeutung gezeigt hat, aber immerhin auch heute schon merkwürdig genug ist. Am 4. April 1917 erwachte ich mit dem Gefühl, daß mir irgendeine Mitteilung überbracht worden sei. Aber in meiner Erinnerung war nur ein einziges Wort zurückgeblieben: das Wort »Piave«. Soviel ich weiß, hatte ich nie von diesem Worte gehört, das mir jetzt im Kopfe umherschwirrte. Da es wie der Name eines Ortes klang, begab ich mich sofort nach dem Ankleiden in mein Arbeitszimmer und schaute in meinen Atlas. Wahrhaftig, da stand es im Verzeichnis als Name eines italienischen Flusses, etwa vierzig Meilen hinter der Gefechtsfront, welche zu jener Zeit siegreich vordrängte. Ich hätte mir damals kaum etwas Unwahrscheinlicheres denken können, als daß die Front bis zum Piavefluss zurückgehen würde, und daß sich dort wichtige militärische Ereignisse abspielen könnten. Aber trotzdem war der Eindruck des Traumes so stark, daß ich ein schriftliches Protokoll aufnahm und in demselben die Behauptung aussprach, daß eine derartige Begebenheit sich vollziehen werde. Dieses Protokoll ließ ich am 4. April 1917 von meiner Frau und meinem Sekretär unterschreiben. Heute besteht die geschichtliche Tatsache, daß sechs Monate später die ganze italienische Front sich zurückziehen mußte, Stellung auf Stellung aufgebend, bis sie schließlich am Fluss Piave zum Stehen kam, und zwar in einer Position, die von der militärischen Kritik als unhaltbar bezeichnet wurde. Selbst wenn sich in Zukunft nichts Weiteres entwickeln sollte (ich schreibe heute am 20. Februar 1918), so war unter der Voraussetzung, daß ein Freund aus dem Jenseits mir prophetische Mitteilung machte – die Verkündung des Namens »Piave« durchaus gerechtfertigt.
Bei diesen Forschungen drängt sich die Frage auf, wie weit die den Geisterwesen innewohnenden Kräfte reichen. Die Leute fragen: »Wenn Geisterwesen wirklich existieren, warum tun sie nicht dieses oder jenes?« Die Antwort wird gewöhnlich sein: »Weil sie nicht können!« Wie es scheint, sind ihre Kräfte genau so begrenzt wie die unseren. Dies ging sehr klar aus der Kreuzkorrespondenz mehrerer Schreibmedien hervor, die völlig unabhängig voneinander mit der Absicht operierten, übereinstimmende, von dem Zufall unmöglich beeinflußte Resultate zu erzielen. Zwar wissen die Geisterwesen genau, wie es scheint, welche Art Meldung sie auf das Begriffsvermögen der Lebenden einwirken lassen, aber sie sind unsicher, wie weit sie ihre Absicht erreichen. Die Verbindung mit ihnen ist eine intermittierende. So fragen sie andauernd den Kreuzkorrespondenz-Experimenten: »Habt ihr verstanden?« oder »War es so richtig?« Auch diejenigen, die wie Myers und Hodgson in besonders enge Beziehung zu ihren psychischen Medien standen und das Erreichbare genau kannten, auch sie hatten Schwierigkeiten zu überwinden, wenn es sich um stoffliche Gegenstände handelte, wenn sie z. B. den Inhalt eines geschriebenen Dokumentes kennenlernen wollten. Ich glaube, daß derartige Schwierigkeiten sich nur durch Materialisation überwinden lassen und daß die Genannten die Kraft der Selbstmaterialisation wohl nicht besaßen. Aus solcher Erwägung wird einiges Licht auf den bekannten, von unseren Gegnern so oft zitierten Fall geworfen, als Myers nicht imstande war, Worte anzugeben, die sich in einem verschlossenen Behälter befanden.
In dieser Weise könnten wohl viele Irrtümer erklärt werden. Aus dem Jenseits stammt die mir vernünftig erscheinende Angabe, daß Geisterwesen zwar über die Verhältnisse ihres eigenen Zustandes mit Kenntnis und Sicherheit Angaben machen können. Wenn wir sie aber in irdische Sphären zurückzerren und, wie wir manchmal gezwungen sind, auf irdische Proben bestehen, so schaffen wir eine Lage, die weit schwieriger ist und Irrtümer veranlassen kann.
Noch ein andrer Punkt mag gegen uns angeführt werden. Die Geisterwesen können nur mit größter Schwierigkeit uns Namen übermitteln – eine Tatsache, die vielen ihrer Botschaften den Stempel des Vagen, Unsicheren aufdrückt, so daß sie wenig zufriedenstellend erscheinen. Sie reden rings um den Gegenstand herum, ohne den Namen zu packen, dessen Erwähnung doch sofort die ganze Sache ins reine bringen würde. Eine kürzlich in der Zeitschrift »Light« veröffentlichte Mitteilung gibt zu dem Gesagten die Illustration. Ein junger, kürzlich verstorbener Offizier bemühte sich, mit Hilfe der Methode der direkten Stimme, seinem Vater eine Botschaft zu übersenden. Er brachte es zwar nicht zustande, den Namen des Vaters zu übermitteln, doch konnte er verständlich machen, daß der Vater dem Dubliner Kildare Street Club angehöre. Auf diese Weise gelang es, den Vater zu finden, der seiner Aussage nach bereits in Dublin die vollständig unabhängige Meldung erhalten hatte, daß von London aus eine Anfrage kommen würde. Der Name, den wir auf Erden tragen, ist wohl nur etwas gänzlich Unwichtiges, ohne inneren Zusammenhang mit unserer Persönlichkeit und vielleicht das erste, das wir mit dem Ableben abstreifen. Vielleicht auch wird unser Verkehr mit dem Jenseits von einem Gesetze kontrolliert, das Schwierigkeiten in den Weg legt, mit dem Zweck, unsere eigene Intelligenz zur Betätigung zu zwingen.
Diese Möglichkeit, daß irgendein Gesetz die direkte Rede zugunsten der indirekten erschwert, gewinnt durch die Ergebnisse der Kreuzkorrespondenz an Wahrscheinlichkeit, denn hier tritt fortgesetzt die Umschreibung an Stelle der direkten Versicherung. Es ist, als ob ein weiser Engel im Jenseits spräche: »Macht es den Leuten auf Erden nicht zu leicht. Zwingt sie, ein klein wenig ihren eigenen Verstand zu gebrauchen. Denn sie würden bloße Automaten werden, wollten wir alles für sie tun.« Spräche solch ein Engel diese Worte, so würden sie die tatsächlichen Verhältnisse kennzeichnen. Wie auch die Erklärung sein mag, die Tatsache selbst ist der Beachtung wert.
Und noch ein anderer Punkt bedarf der Erwähnung: nämlich die Unzuverlässigkeit der Botschaften aus dem Jenseits, sobald es sich um Zeitangaben handelt. Sie sind fast immer falsch. Der irdische Zeitbegriff ist wohl ein anderer als der des Jenseits. Ich erwähnte schon, daß in meinem Hause eine Dame lebte, welche die Gabe des automatischen Schreibens entwickelte und sich in enger Verbindung mit ihren drei Brüdern befand, welche alle im Kriege getötet worden waren. Meldete sie die Botschaften ihrer Brüder, so befand sie sich kaum jemals in völligem Irrtum betreffs tatsächlicher Verhältnisse, aber fast immer in bezug auf Zeitangaben – mit einer einzigen, an und für sich charakteristischen Ausnahme. Zwar irrten sich ihre prophetischen Voraussagungen kommender Ereignisse um Wochen und Monate, doch verkündete sie einmal auf den Tag genau das Eintreffen eines Telegrammes aus Afrika. Auch verwirklichte sich ihre zuversichtliche Prophezeiung, daß ihr vierter Bruder aus deutscher Gefangenschaft entfliehen würde. Im ganzen jedoch behalte ich mir mein Urteil über Möglichkeiten und Grenzen prophetischer Gaben vor.
Abgesehen von diesen tatsächlichen Grenzen der Kraft müssen wir leider mit der kaltblütigen Lüge mutwilliger oder gar böswilliger Intelligenzen rechnen. Jeder Sucher hat, glaube ich, Beweise absichtlicher Täuschung erlebt, welche gelegentlich mit wahren, echten Mitteilungen sich mischten. Derartige Meldungen hat wohl der Apostel gemeint, als er sagte: »Geliebte, glaubet nicht jedem Geiste, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott kommen!« Diese Worte können nur bedeuten, daß die ersten Christen das, was wir unter Spiritismus verstehen, nicht nur praktisch betätigten, sondern daß sie mit denselben Schwierigkeiten wie wir zu kämpfen hatten. Nichts erscheint befremdlicher als die Tatsache, daß wir eine lange, zusammenhängende Botschaft mit allen dazugehörigen Einzelheiten erhalten können, und daß sich schließlich die ganze Mitteilung als zusammengebraute Schwindelei entpuppen mag. Und gerade hier dürfen wir nicht vergessen, daß viele verunglückte Versuche durch einen einzigen Fall aufgewogen werden, der sich als unbestreitbar echt erweist. Erreicht uns auch nur ein einziges Telegramm, so wissen wir, daß Absender und Telegraphenlinie tatsächlich existieren, gleichgültig, welche Störungen sich auf dieser Linie ereignen mögen. So ist's auch mit den Botschaften aus dem Jenseits. Allerdings bleiben Störungen verdrießlich genug und sind geeignet, Misstrauen zu erregen, bis eine Prüfung der Botschaft ihre Echtheit erwies. In den gleichen Topf gehören all die angeblichen Miltons, die vom Versmaß nichts verstehen, die Shelleys, die nicht dichten können, die Shakespeares, die nicht denken können, und all die anderen absurden Fälschungen, welche die von uns vertretene Sache in das Lächerliche zerren. Hier handelt es sich um absichtlichen Betrug, ob er nun aus dem Diesseits oder Jenseits stammt. Aber die Behauptung, daß derlei Vorkommnisse ein vernichtendes Urteil über die ganze Bewegung aussprechen, ist ebenso unsinnig wie die Verdammung unserer eigenen Welt mit der Begründung, daß manchmal recht unbequeme Leute unsere Wege kreuzen.
Die eine Tatsache kann ich mit gutem Gewissen beteuern: Trotz gelegentlicher falscher Meldungen ist mir während dieser ganzen langen Jahre niemals eine unfreundliche oder gar obszöne Botschaft zu Ohren gekommen. Derartiges ereignet sich wohl nur ganz selten. Dichtet man uns aber Wahnsinn und sonstiges Teufelswerk an, so schwelgt man in Phantastereien. Die Statistik der Irrenanstalten kann solcherlei Behauptungen nicht unterstützen. Das Durchschnittsalter der Medien entspricht dem aller übrigen Menschen. Ich weiß: die bei einer Sitzung beobachteten rituellen Formalitäten können übertrieben werden. Hat man sich erst einmal von der Wahrhaftigkeit der Phänomene überzeugt, so haben solche Sitzungen ihre Schuldigkeit getan. Wer seine Lebensaufgabe darin sucht, von Sitzung zu Sitzung zu laufen, ist in Gefahr, zum bloßen Sensationsjäger herabzusinken. Auch hier kann, wie bei allen religiösen Kulten, die äußere Form den inneren Kern überwuchern. Auch hier kann man auf der Suche nach physischen Beweisen vergessen, daß die wahrhafte Aufgabe aller dieser Erscheinungen darin besteht, uns mit Vertrauen für die Zukunft zu erfüllen, und mit seelischer Kraft in der Gegenwart, auf daß wir die Vergänglichkeit der Materie begreifen im Gegensatze zu dem, das über der Materie steht.
Und so komme ich denn nach langen Jahren, die ich auf der Suche nach der Wahrheit verbracht habe, zu dem Schluß, daß dieser spiritistischen Bewegung eine große, unerschütterliche Wahrheit zugrunde liegt – trotz gelegentlichen Betruges, den Spiritisten bedauern, und trotz wilder Phantastereien, die wir nüchtern zurückweisen, eine Wahrheit, die sich positiv und mit unendlich größerer Sicherheit beweisen läßt, als irgendein religiöses Dogma, das ich kenne.
Wie ich schon zeigte, handelt es sich bei der spiritistischen Lehre nicht um eine neue Entdeckung, sondern um die Wiederbelebung einer alten. Das kommt aber in diesem materialistischen Zeitalter auf dasselbe heraus. Die in wissenschaftlicher Forschung gereiften Anschauungen von Männern wie Crookes, Wallace, Flammarion, Charl. Richet, Lodge, Barret, Lombroso, General Drayson, General Turner, Sergeant Balantyne, W. T. Stead, Judge Edmunds, Admiral Usborne Moore, Archdeacon Wilberforce, nebst einer Heerschar anderer, – – die Anschauungen all dieser Leute können in unseren Tagen nicht mehr mit der Formel: »Blödsinn« abgetan werden. Mit Recht hat Arthur Hill gesagt, daß wir heute schon ein Stadium erreicht haben, welches die Aufbringung weiterer Beweise unsrerseits als unnötig erscheinen lässt und den Gegnern die Pflicht aufbürdet, den gegenteiligen Beweis zu erbringen. Gerade jene Leute, die ihre Forderung nach Beweisen in die Welt hinausschreien, haben sich fast niemals die Mühe gegeben, die bereits erbrachten, umfangreichen Beweise einer Prüfung zu unterziehen.
Jeder von ihnen scheint zu glauben, daß die ganze Frage von neuem aufgerollt werden müsse, weil er gerade den Wunsch ausgesprochen hat, sich zu informieren. Unsere Gegner belieben über denjenigen herzufallen, der gerade zuletzt den klaren Sachverhalt geschildert hat (im Augenblicke ist kein Geringerer als Sir Oliver Lodge diese Persönlichkeit), und dann mit ihm so zu verfahren, als sei er mit neuen, nur auf eigenen Anschauungen beruhenden Behauptungen hervorgetreten – unter völliger Nichtachtung der bestätigenden Forschung so vieler anderer, früherer, unabhängiger Zeugen. Das ist keine ehrliche Methode der Kritik, denn gerade die Übereinstimmung vieler unabhängiger Zeugen ist die Grundlage zu jeder Beweisführung. Und in unserem Falle sind viele einzelne Zeugen vorhanden, deren Aussagen an und für sich als abschließende Beweise gelten sollten. Da ist z. B. Dr. Crawford in Belfast, der sein Amateurmedium mit hochgehobenen, also vom Boden entfernten Füßen auf eine Wage setzt und die Abnahme des Gewichtes bis zu mehreren Pfund konstatiert, im Verhältnis zu den jeweilig hervorgebrachten Phänomenen. Die Untersuchungen sind mit wahrhaft wissenschaftlicher Gründlichkeit durchgeführt und mit wissenschaftlicher Genauigkeit registriert worden. Würde unsere Kenntnis okkulter Kräfte ausschließlich auf Crawfords Forschungen beruhen, so verstehe ich nicht, wie sie in ihrer Bedeutung herabgezerrt oder gar geleugnet werden könnten. O nein! Für jeden vorurteilsfreien, forschenden Verstand ist die Tatsächlichkeit dieser Phänomene seit langer Zeit unerschütterlich erwiesen, so daß die Periode bloßen Suchens vorüber ist. Die Notwendigkeit, die Ergebnisse dieser Forschung zu einem religiösen System zusammenzufügen, ist längst eine brennende geworden.
Oder sollen wir uns damit begnügen, diese neue Offenbarung anzustarren, ohne Gedanken an ihre innere Bedeutung, sollen wir den Wilden gleichen, welche vor den Apparaten drahtloser Telegraphie gaffend stehen, ohne Würdigung wirkender Kräfte uns übermittelter Botschaften? Oder wollen wir uns dazu aufraffen, das Wesen dieser inhaltsschweren Manifestationen aus dem Jenseits geistig und seelisch zu erfassen und aus ihnen ein religiöses System aufzubauen, dessen Fundamente auf irdischer menschlicher Vernunft und überirdischer Inspiration beruhen? Die Phänomene haben das Stadium des Gesellschaftsspieles durchlebt und überwunden. Auch aus dem Stadium diskutabler wissenschaftlicher Neuheit treten sie jetzt heraus und sind im Begriffe oder sollten es sein, sich zum System religiöser Weltanschauung zu gestalten, in manchen Beziehungen alte Anschauungen bekräftigend, in anderen Beziehungen gänzlich Neues offenbarend. Die grundlegenden Beweise dieser neuen Weltanschauung sind so ungeheuer umfangreiche, daß ihre Zusammenstellung eine recht ansehnliche Bibliothek füllen würde. Und zwar sind unsere Zeugen nicht schattenhafte Gestalten aus grauer Vorzeit, weit entrückt den Möglichkeiten eines Kreuzverhörs, sondern sind unsere eigenen Zeitgenossen, Männer von Charakter und geistiger Begabung, welche das Recht haben, allgemeine Achtung für sich in Anspruch zu nehmen. Man kann, meiner Ansicht nach, die Verhältnisse mit kurzer Alternative kennzeichnen: nur zwei Möglichkeiten gibt es. Entweder hat epidemischer Wahnsinn die Menschen erfasst, welche zwei Generationen hindurch in zwei großen Erdteilen lebten, und zwar eine Art Wahnsinn, welche gerade solche Menschen befällt, die in allen anderen Beziehungen einen außerordentlichen Grad von Vernunft besitzen. Oder aber es besteht die andere Möglichkeit: Aus göttlicher Quelle ist uns während der letzten Jahre eine neue Botschaft gekommen, und mit ihr das seit dem Tode Christi bedeutungsvollste religiöse Ereignis. Denn die Reformation brachte an sich keine neue Offenbarung, sondern nur die neue Zurechtlegung einer alten. Ja! Eine Botschaft ist gekommen, welche unser ganzes Denken über Tod und Menschenschicksal neu gestaltet. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten steht keine andere Annahme auf festen Füßen. Die Theorien, die von Betrug oder Selbsttäuschung faseln, setzen sich mit dem Beweismaterial in klaren Widerspruch. Nein! Es handelt sich entweder um völligen Wahnsinn oder um Umgestaltung religiöser Weltanschauung, um eine Revolution, welche uns mit absoluter Furchtlosigkeit vor dem Tode ausrüstet und uns herrliche Tröstung bringt, wenn der heilige Schleier herabfällt zwischen uns und denen, die wir lieben.
Noch ein paar Worte praktischer Anregung möchte ich hinzufügen für diejenigen, welche wissen, daß ich die Wahrheit spreche. Unsere Bewegung bedeutet die größte Fortentwickelung in der Geschichte der Menschheit. Wie sollen wir sie nutzbar machen? Wir müssen unsere eigene Überzeugung verkünden – – das verlangt Ehrenpflicht – – besonders denen, die von Kummer gebeugt sind. Und erfüllten wir diese Pflicht, so sollen wir nicht stürmisch drängen, sondern alles Weitere einer Weisheit überlassen, die höher ist als die unsere. Wir wollen niemandem seinen Glauben nehmen. Nur die im Irrtum materieller Auffassung Befangenen wollen wir zurückgewinnen, wollen sie aus den Begrenzungen ihres engen Gesichtskreises herausführen auf den Rand des Felsens, von dem aus weite Täler und Höhen ihnen entgegenleuchten im Odem reineren Hauches. Dogmatische Bekenntnisse sind im wesentlichen versteinert, verwittert und überwuchert von unkrautartigen Äußerlichkeiten, die zusammen mit den Mysterien sie erwürgen. Der Mensch bedarf all dieser Dinge nicht. Das Wesentliche ist sehr einfach und sehr sicher. Das können wir beweisen.
Laut dringt zu uns der Hilfeschrei von denen, die danach dürsten, mit lieben Toten wieder Gemeinschaft zu gewinnen. Aber auch dieser Drang bedarf der Mäßigung und Zügelung. Wenn unser Kind in fernen Ländern wohnt, so dürfen wir nicht beanspruchen, daß es dauernd seinen Beruf unterbricht, um uns ausführliche Nachrichten zu senden. Ist einmal die Verbindung mit dem Jenseits angeknüpft, so sollen wir in unseren Ansprüchen bescheiden sein. Aber wir wollen nicht eher ruhen, als bis dieser Beweis möglicher Verbindung unanfechtbar erbracht worden, und dann wollen wir uns während der kurzen Spanne Zeit gedulden, die uns noch von der Wiedervereinigung trennt. Ich habe augenblicklich mit dreizehn Müttern Fühlung, die mit ihren verstorbenen Söhnen in Verbindung stehen. Wenn der Vater lebt, bestätigt er in allen diesen Fällen die abschließende Gültigkeit der Beweise. Meinem Wissen nach hatten die Eltern nur in einem Falle vor dem Kriege Kenntnis von okkulten Dingen.
Mehrere dieser Fälle zeigen ihre besonderen Eigentümlichkeiten. In zwei Fällen erschienen die Gestalten der verstorbenen Söhne auf der Photographie neben der Mutter. In einem anderen Falle wurde die erste Botschaft der Mutter durch einen Fremden überbracht, dem die genaue Adresse übermittelt worden war. Später wurde die Verbindung mit den Söhnen eine direkte. In einem dritten Falle wurde die Botschaft dadurch übermittelt, daß auf bestimmte Seiten und Zeilen in Büchern hingewiesen wurde, die sich in entfernten Bibliotheken befanden, und, zusammengestellt, die Botschaft ausmachten. Mit diesem Verfahren sollte die Möglichkeit telepathischer Einflüsse ausgeschaltet werden. Wahrlich, kein Mittel ist unversucht gelassen worden, um die Wahrheit dieser Offenbarung zu erproben.
Und welche Wege soll der einzelne von uns einschlagen? Hier liegt die Schwierigkeit. Wir müssen behutsam vorwärtsschreiten, denn auf dem Wege treffen wir Betrüger neben Ehrlichen. Ohne Schwierigkeit können wir uns ein bezahltes Medium empfehlen lassen. Aber die Erfolge können auch mit dem besten Medium negative bleiben, denn der Boden, den sie betreten, ist schlüpfrig und schwankend. Und trotzdem mag sich das positive Ergebnis sofort einstellen. Von hüben wie von drüben wirken die Gesetze, so daß wir keine feste Regel aufstellen können. Was aber auch geschieht, muß in weihevoller, zum Gebet geneigter Stimmung geschehen, mit dem Wunsche strenger Selbstkontrolle, um gegen Selbsttäuschung gewappnet zu sein. Ausgerüstet mit dem erforderlichen Ernste werden wir unseren Weg zum Siege finden, auf die eine oder andere Weise, denn wahrscheinlich wird eine Kraft aus dem Jenseits uns Hilfe bringen.
Manche Leute widerstreben der Verbindung mit dem Jenseits, weil diese angeblich die Fortentwickelung unserer Toten hindere. Nicht der geringste Beweis lässt sich für solche Behauptung erbringen. Ganz im Gegenteil: die Geisterwesen erklären, daß die Berührung mit ihren Geliebten auf Erden sie stärke und ihnen helfe. Ich habe kaum an anderer Stelle so rührend eindringliche Sprache wiedergefunden, wie die Worte, mit denen Raymonds das Verlangen unserer gefallenen Söhne schildert, ihren Lieben Botschaften zu senden. Aber sie machen immer wieder die Erfahrung, daß Unwissenheit und Vorurteil ihnen die Wege verschließt. »Es ist so hart, an die Vernichtung der Kinder zu glauben, wie so viele Leute es tun. Und erschütternd sind die Klagen der jungen Verstorbenen, daß niemand der Lieben ihnen jemals ein Wort zukommen lasse. Das tut weh in tiefster Seele.«
Und vor allen Dingen mache dich vertraut mit dem, was über diesen Gegenstand geforscht, gedacht, geschrieben worden ist. Von Anhängern wie von Gegnern wird die Literatur viel zu sehr vernachlässigt. Lasse dich durchdringen von dieser herrlichen Wahrheit. Mache dich mit dem überwältigenden Beweismaterial bekannt. Reiße dich von der Lockung der Phänomene los und erfasse mit Geist und Seele die erhabene Lehre, die aus solchen Büchern spricht wie: »After Death« und »Spirit Teachings« von Stainton Moses. Unsere Literatur füllt eine ganze Bibliothek. Zwar sind die einzelnen Bücher von ungleicher Bedeutung, aber im Durchschnitt besitzen sie hervorragenden Wert. Vergeistige deine Gedanken und erweitere ihren Kreis. Laß sie zur köstlichen Frucht werden auf Schritt und Tritt deines täglichen Lebens. Selbstlosigkeit führt dich himmelan. Erfasse die Wahrheit unserer Lehre nicht als Glauben oder Dogma, sondern als eine Tatsache, die so wahrhaftig und beweisbar ist, wie die Straßen von London, die Wahrheit der Lehre, daß wir bald in ein anderes Leben übergehen werden, wo das Glück unser wartet, und daß kein anderer Einfluss dieses Glück beflecken oder verzögern kann, als eigene Schuld: Torheit und Selbstsucht im Laufe unseres kurzen, dahinschwindenden Erdenlebens.
Noch einmal will ich's sagen: Wenn auch diejenigen, welche mit starrer Glaubenskraft an dem Dogma christlicher Bekenntnisse krampfhaft festhalten, in unserer neuen Offenbarung den Keim der Vernichtung wittern, so übt die neue Lehre ganz anderen, gegenteiligen Einfluss auf die große Zahl derer, die im Lichte neuzeitiger Erkenntnis die ganze christliche, dogmatische Konstruktion betrachten. Die alte Offenbarung hat mit der neuen so viele Ähnlichkeiten, daß beide zweifellos aus derselben Quelle stammen. Aber im Laufe der Jahrhunderte wurde die alte Lehre entstellt, sie verwitterte, wurde durch Menschenhand verunglimpft und vom Materialismus durchseucht. Und dennoch zieht sich auch heute noch durch beide derselbe rote Faden: der Glaube an das Fortleben nach dem Tode, an höhere und niedere Geisterwesen, an die Möglichkeit künftigen Glückes, das im Verhältnis zu unserem eigenen Lebenswandel steht, an die reinigende Kraft des Leidens, an schützende Geisterwesen, an eine unbegrenzte zentrale Gewalt, an Sphären, die sich in unendlicher Folge an Sphären schließen, bis sie sich der Gegenwart des Höchsten nähern. Wiederum erscheinen alle diese Vorstellungen, und viele Zeugen bekräftigen ihre Wahrhaftigkeit. Der Anspruch auf Unfehlbarkeit und alleinseligmachende Vollkommenheit, die Götzendienerei der Theologen und ihre Engherzigkeit, das Menschenwerk ritueller Nebensächlichkeiten – sie wollen die aus Gott quellenden Gedanken erdrosseln und der Wahrheit die Larve vorbinden.
Ich kann für dieses kleine Buch keinen besseren Schluß finden, als folgende Worte, die beredter sprechen als alles, was ich selbst sagen könnte. Vor vielen Jahren sind sie aus der Feder des Denkers und Dichters Gerald Massey geflossen und lauten also:
»Der Spiritismus hat mir wie vielen anderen eine so herrliche Erweiterung des geistigen Horizontes gebracht, – – ein Emporheben in die himmlischen Regionen – – eine Läuterung des Glaubens zum tatsächlichen Wissen – – daß ich das Leben ohne diese Erkenntnis nur mit dem Leben eines Reisenden vergleichen kann, der an Bord eines Seglers unten im Schiffsraum beim Lichte einer Kerze als Gefangener vegetiert, bis er plötzlich an Deck geführt wird, in sternenklarer Nacht, auf daß er zum ersten Male erschaue, wie die Himmel erglühen voll funkelndem Feuer zur Ehre des Höchsten.«