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15. Kapitel.

Der Detektiv Kimbell war in fieberhafter Tätigkeit. Die beiden Affären, mit denen man ihn betraut hatte, zeigten gewisse Berührungspunkte. Außerdem wurde seine Arbeit ungeheuer erschwert durch die Vorschrift des Polizeipräsidenten, äußerste Delikatesse anzuwenden in Anbetracht der hohen gesellschaftlichen Beziehungen des einen Missetäters.

Einer seiner Unterbeamten hatte die Waschanstalt ausfindig gemacht, in der die in dem Weinlokal gefundenen Handschuhe gereinigt worden waren. Die Besitzerin der Handschuhe konnte nicht entdeckt werden, da kein Name angegeben war.

Kimbell begab sich in den Laden in der Kurfürstenstraße, der Filiale der in Frage kommenden Waschanstalt, wo die Handschuhe zur Reinigung übergeben waren. Die Verkäuferin entsann sich auf die Kundin, denn sie erkannte die Handschuhe, die ihr damals sofort aufgefallen waren, weil sie ausländische Fabrikstempel trugen. Ein ganzer Packen solcher Handschuhe wurde von einer tiefschwarzen, sehr eleganten Dame zur Reinigung gebracht und die Verkäuferin erinnerte sich, daß die Dame erwähnt habe, sie wohne in der Nähe im Eden-Hotel und würde die Handschuhe persönlich abholen. Nach der Aussprache zu urteilen, müßte die Dame eine Ungarin gewesen sein.

Der Detektiv bat die Verkäuferin, ihn zum Eden-Hotel zu begleiten und der Portier ließ sich umständlich das Aussehen der Dame beschreiben. Das vorzügliche Gedächtnis und die durch stetige Uebung geschärfte Physiognomik eines Hotelportiers versagt niemals. Es dauerte nicht lange, bis der Portier in seinem Gästebuch auf den Namen der Dame zeigte:

»Frau von Ahazy aus Budapest – abgereist ... nein,« verbesserte er sich, »wohnt jetzt in der Pension Mensdorf, Günzelstraße Nr. 218.«

Der Detektiv bedankte sich und notierte die Adresse.

Am selben Abend saß an der Tafel in der Pension Mensdorf ein Professor Löbel aus Leipzig und führte eine angeregte Unterhaltung mit seiner Nachbarin, der jungen Frau von Uhazy, die mit großem Geist das witzige Geplauder des neuen Tischgastes parierte.

Als aber zum Tee, den man im gemeinschaftlichen Salon dieses vornehmen Pensionates nach dem Abendessen einnahm, wobei auch ein wenig musiziert wurde, der Baron Ralsky erschien, erstaunte Professor Löbel nicht wenig. Er hatte Mühe, unter dem angeklebten Schnurrbart das Lächeln der Befriedigung zu verbergen, denn er sah sich auf dem besten Wege, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Der Polizeipräsident, dem Kimbell sofort telephonischen Bericht übermittelte, riet, nicht zu überstürzen. Jeder Skandal sollte vermieden und der Viktoria-Klub bei Leibe nicht kompromittiert werden. Auf jeden Fall möchte Kimbell am nächsten Nachmittag den sogenannten Baron Ralsky aus dem Klub holen, ihn unauffällig verhaften, nachdem seine Komplizin vorher dingfest gemacht.

Kimbell ärgerte sich über seinen Chef. Wer weiß, was bis morgen noch alles geschehen konnte. Jetzt hatte er die Beiden in der Falle und er brauchte nur zuzugreifen. Wenn sie dagegen Wind bekommen, rücken sie ihm aus und er hat dann das Nachsehen.

Am anderen Tage bereitete er die Verhaftung sorgfältig vor. Gegen vier Uhr wollte er im Viktoria-Klub erscheinen.

*

Der Generalkonsul war sehr erschüttert, als er von seinem Diener das traurige Ende des alten Sandhofer hörte.

Diese letzten Tage hatten ihm die Nichtigkeit alles menschlichen Tuns so recht vor Augen geführt. Er durfte nicht Richter sein, wo das Schicksal waltet. Seine Pflicht war es, das bedachte er nun, diesem Schicksal sich nicht entgegen zu stellen, sondern ihm die Wege zu ebnen.

»Ehe es zu spät wird ... hatte der alte Diener Fritz geraten, als er mit seinem Herrn über das grausame Los des Kassenboten sprach, den ein unglücklicher Zufall unverschuldet ins Grab gehetzt hatte.

Ja, ehe es zu spät wäre ...

Der Generalkonsul faßte den Entschluß, sofort daran zu gehen, seinen Neffen zu retten. Aus den Klauen des Spielteufels wollte er ihn ziehen, seiner Frau ein ruhiges Heim und ihm selber einen aussichtsreichen Wirkungskreis schaffen.

Werners Frau?

Der Generalkonsul dachte, daß seine Hoffnungen von seinem einzigen Erben schmählich getäuscht seien. Liddi Leitner wäre eine repräsentative Frau für diesen geworden und der Glanz der Düsseldorfer Großindustriellen hätte auch auf ihn abgestrahlt, obgleich er diese Vergoldung nicht brauchte. Der Generalkonsul galt in der Gesellschaft als reich und man schätzte ihn als vorzügliche Stütze der Hautefinanze. Um so mehr tat es ihm leid, sein großes Vermögen in eine Hand übergehen lassen zu müssen, die ihm zu locker erschien.

Nun noch diese Frau, die Werner ihm anbrachte!

Eine Tänzerin, eine Filmdiva, deren Reize vielleicht stadtbekannt waren und die auf allen Brettern und weißen Wänden der Welt für jedermann sich bloßstellten – – –

Der alte Herr, der auch heute noch Verständnis für Frauen und ihre Schönheit hatte, empfand den sozialen Zwiespalt, der durch den Eintritt dieser Frau in sein Familienleben geschaffen wurde, um so mehr, als er von der traditionellen Korrektheit der verflossenen Gesellschaftsepoche nicht loskommen konnte.

Aber er mußte sich fügen. Das sah er ein. Sonst würde das Unglück sich türmen und ihn selbst unter sich begraben.

So wollte er also selbst den ersten Schritt tun zu der Frau seines Neffen gehen. Wollte sie einladen, zu ihm in sein Haus zu kommen, um sie bei sich als Tochter aufzunehmen.

Es wurde ihm nicht leicht, dem alten Herrn.

Gleich nach dem Frühstück, das er wie gewöhnlich bei Borchardt eingenommen, fuhr er nach dem Westen zur Wohnung Werners. Es war noch immer die kleine möblierte Wohnung, die Werner als Junggeselle innehatte, in der das junge Ehepaar lebte.

Als er klingelte, wußte der Generalkonsul nicht, was er sagen sollte, denn er fürchtete das überaus Peinliche der Situation.

Mia, die ihn in tiefer Trauerkleidung empfing, trat ihm keineswegs überrascht entgegen. Sie drückte ihm herzlich die entgegengestreckte Hand und ein Lächeln dankbarer Genugtuung verklärte ihre Züge.

»Werner ist nicht zu Haus,« sagte sie, einen leichten Seufzer ausstoßend, ... er ist im Klub – – – wie immer um diese Zeit.«

Der Generalkonsul bedauerte es, seinen Neffen nicht anzutreffen. Es wären wichtige Angelegenheiten, die er besprechen müsse.

Sie plauderten jetzt über alle die Dinge, die ihnen beiden am Herzen lagen.

Immer mehr wurde der alte Herr von der liebenswürdigen Anmut der jungen Frau gefangen genommen. Und immer mehr schwanden seine Bedenken dieser »Schwiegertochter« gegenüber. Nun, da der Vater tot war, nahm dieser ja auch das Geheimnis des Diebstahls der beiden Tausendmarkscheine mit sich ins Grab.

Ein großes Hindernis war aus dem Weg geräumt.

Mia ließ Tee servieren und der Generalkonsul war entzückt über die Art, wie sie als kleine Hausfrau sich aufspielte.

»Ich werde also jetzt häufiger das Vergnügen haben, von so reizenden kleinen Händen bedient zu werden?« fragte er schalkhaft, nach Art des Kavalliers der alten Schule, seinen Oberkörper im Sessel vorbeugend.

Der Generalkonsul fühlte sich sehr wohl in der Nähe dieser Frau, von der ein ungemeiner Liebreiz ausströmte. Seine ursprüngliche Unruhe war gewichen. Er sah im Gegenteil eine angenehme Zukunft vor sich und er freute sich, den Rest seines Lebens in Gesellschaft eines so lieblichen Wesens verbringen zu können.

»Allerdings, Frau Mia, die Tanzerei auf der Bühne und das Filmen werden wir aufgeben müssen,« meinte er entschuldigend.

Mia sah ein, daß es für sie, wenn sie im Hause des Generalkonsuls lebte, weiterhin unmöglich wäre, in der Oeffentlichkeit aufzutreten.

Mit einem bedauerlichen Achselzucken stimmte sie zu.

»Wir werden Gelegenheit haben, unsere Kunst in privatem Kreise zu zeigen, kleine Mia – oder aus Wohltätigkeitsveranstaltungen – – damit die Beinchen nicht einrosten!«

Der Generalkonsul lachte.

Er stand auf und zog die Uhr aus der Tasche.

»Es ist 4 Uhr, ich werde jetzt nach dem Viktoria-Klub fahren und unseren ungetreuen Werner holen – – – Warten Sie hier auf mich, Mia, ich bringe den Jungen mit. Heute Abend müßt Ihr bei mir essen, der Fritz freut sich schon darauf ... Und morgen bezieht Ihr in der Villa das obere Stockwerk – – auf baldiges Wiedersehen, kleine Frau!«

Er küßte ihr galant die Fingerspitzen und machte eine steife feierliche Verbeugung. Dann verließ er leichten Schrittes das Zimmer.


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