Otto Ernst
Tartüff der Patriot
Otto Ernst

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Zweiter Akt.

Die Szene bleibt unverändert.

1. Szene.

Neumann. Franz.

Neumann (kommt mit seiner Mappe von vorn links).

Franz (kommt aus dem Garten). Guten Dag, Herr Neumann!

Neumann. Guten Tag, Herr Doktor.

Franz. Herr Neumann, wenn ich Sie sehe, schlägt mir das Gewissen.

Neumann. Warum?

Franz. Wenn mein Onkel dahinter kommt und Sie entläßt –

Neumann. Seien Sie ganz ruhig, junger Herr. Erstens kann ich mich dümmer stellen, als Sie ahnen – weiß ich denn, ob der Pole echt war oder nachgemacht? – und zweitens entläßt er mich nicht.

Franz. Sind sie dessen so gewiß? Sie sind Kriegskameraden, nicht wahr?

Neumann (sieht ihn forschend an, dann:) Ja, sozusagen.

Franz. Sagen Sie mal: mein Onkel redet immer so viel von seinen Kriegstaten: »Wir haben die deutsche Einheit mit unserm Blute erkauft« usw. Hat er denn geblutet?

Neumann (lacht vergnügt vor sich hin). Ja – geblutet hat er. Aber an einer merkwürdigen Stelle.

Franz. Wieso?

Neumann. Na, Ihnen kann ich's ja erzählen. Er war damals Avantageur, und eines Tages werden wir unser vier unter seiner Führung als Patrouille losgeschickt. Plötzlich brechen aus dem Gebüsch französische Dragoner hervor; na, wir schlagen natürlich an und schießen, unser Führer aber, was haste, was kannste, erklimmt eine Mauer und ist auch schon halb hinüber, da holt ein Dragoner aus und haut ihm gar nicht so übel quer über die Stelle, wissen Sie, wo die Natur ihre Gaben gehäuft hat –

Franz (lacht laut heraus).

Neumann. Der Kerl hätte auch noch mal zugehauen, wenn ich ihn nicht vom Pferd geschossen hätte. Na – er hatte Glück; wir waren lauter gute Kerle und sprachen nicht darüber, und der letzte, der außer mir dabei war, ein Buchhändler in Königsberg – ist vor kurzem gestorben.

Franz. Hahaha – und wenn man ihn reden hört: »Wir haben dem welschen Übermut die Stirn geboten!«

Neumann. Die Stirn? – na, das hat er verwechselt.

Franz. Nun ist er Ihnen natürlich dankbar –

Neumann. Solche Gefühle liegen ihm ferner. Aber er fürchtet, ich könnt' es erzählen – ich hab' es außer Ihnen noch keinem erzählt – aber er fürchtet es, und darum entläßt er mich nicht.

Franz. Und wenn er es tut – ich lasse Sie nicht im Stich.

Neumann. Hat nichts zu sagen – ich kann zur Not auch ohne Stellung leben. Übrigens müssen Sie sich nicht einbilden, daß ich die Komödie um Ihretwillen mitmache –

Franz. Nicht?

Neumann. Nein. – Ich liebe Ihre Braut.

Franz. Herrje!

Neumann. Ja, viel länger als Sie. In meiner Junggesellenstube stehen fünf Bilder von ihr nebeneinander, wie sie war im sechsten, im elften, im fünfzehnten, im achtzehnten und im einundzwanzigsten Jahre, und sehen Sie: wie nun die Alten immer reicher wurden und immer (mit Gebärde) vornehmer und immer pompöser – sie ist sich immer gleich geblieben, immer dieselbe: immer still, immer vornehm, immer zartfühlend – immer auch ein bißchen melancholisch: sie paßt nicht hierher, sie artet nach ihrer Großmutter.

Franz. Väterlicherseits.

Neumann. Ja. Sehen Sie: sie ist ein solcher Mensch, an den man unbedingt glaubt, und wenn man einmal nicht mehr an ihn glauben könnte – dann bräche die Welt über einem zusammen.

Franz (streckt ihm ergriffen die Hand hin). Lieber Herr Neumann –

Neumann (in seinen launigen Ton zurückfallend). Sie sind also nicht eifersüchtig?

Franz. – – Doch, doch bin ich eifersüchtig! Weil Ihre Liebe besser ist –

Neumann. Unsinn, so können Sie sie jetzt noch nicht lieben. Aber wenn Sie eine tüchtige Strecke zusammen gegangen sind, dann werden Sie sie so lieben.

Franz. Lieber, verehrter Herr Neumann, ich bin Ihnen von Herzen dankbar –

Neumann. Nichts da! Wofür denn? Ich muß jetzt zum Alten. Da kommt er schon.

2. Szene.

Die Vorigen. Schneidemühl.

Franz. Lieber Onkel, Herr Neumann will zwar zu Ihnen, aber vielleicht darf ich Sie vorher einen Augenblick allein sprechen.

Schneidemühl. Bitte?

Neumann (geht hinten links ab).

Franz. Ich halte es für meine Pflicht, Sie auf ein Gerücht aufmerksam zu machen, das in der Stadt umläuft. Man behauptet, Sie ständen im Begriff, Ihr Gut an einen Polen zu verkaufen.

Schneidemühl (erschrickt, faßt sich aber sofort). Wer sagt das!

Franz. Ein hiesiger Redakteur –

Schneidemühl (erschrickt abermals). Ein Redakteur?

Franz. – dessen Namen ich vorläufig nicht nennen möchte –

Schneidemühl. Was, du willst ihn nicht nennen?

Franz. Im Ernstfalle werde ich Ihnen den Mann natürlich nennen; aber einstweilen ist es besser, wenn ich den Namen verschweige.

Schneidemühl. Nun, ich nehme an, daß du diese freche Lüge sofort als solche gekennzeichnet hast.

Franz. – Natürlich.

Schneidemühl. Sage dem betreffenden Herrn, das sei eine niederträchtige Verleumdung, verstanden?

Franz. Hm.

Schneidemühl. Eine niederträchtige Verleumdung! Ein polnischer Agent hat nie mein Haus betreten.

Franz. Jawohl.

Schneidemühl (geht bis an die Tür und kehrt wieder um). Hat er sonst noch was gesagt?

Franz. Er sagte, man habe den Agenten Treumeyer bei dir ein- und ausgehen sehen, der allgemein dafür bekannt sei, daß er deutsche Güter für deutsche Strohmänner aufkaufe, die sie dann an die Polen verkaufen.

Schneidemühl (gerät mehr und mehr in Bedrängnis). »Allgemein bekannt?« Mir ist davon nicht das geringste bekannt, nicht das geringste! – Es ist ja richtig, ein Agent ist bei mir gewesen. Aber wie soll ich wissen, ob er Pole ist. Wenn er Treumeyer heißt!

Franz. Nun, das kommt ja öfters vor. Übrigens soll er einen unverkennbar polnischen Akzent haben.

Schneidemühl. Das weiß ich nicht! Ich habe kein Ohr für Dialekt! Hab' ich nie gehabt! Schon als ganz kleiner Knabe hatt' ich das nicht! (Wendet sich wieder zum Gehen, bleibt aber wieder stehen.) Übrigens – ja – richtig – der Mensch hatte eine etwas eigentümliche Aussprache – es kann sein, daß das polnisch war – du kannst also ruhig sagen: es wäre ein Pole bei mir gewesen, aber ich hätte ihn hinausgeworfen – oder sagen wir: ihm die Tür gewiesen.

Franz. Jawohl.

Schneidemühl (macht einen Schritt zum Gehen, dann:) Oder noch besser: ich hätte schroff abgelehnt. Er hätte mir eine ungeheure Summe geboten; aber ich hätte – entschieden abgelehnt.

Franz. Jawohl.

Schneidemühl (geht hinaus).

Franz (nachdenklich). Der ist noch frecher als ich.

Schneidemühl (kommt wieder). Übrigens: du brauchst nichts zu sagen von »niederträchtiger Verleumdung« und »Lüge« und dergleichen. Das ist ja nicht nötig.

Franz (trocken). Das find' ich auch.

Schneidemühl. Ich liebe diese starken Ausdrücke nicht.

Franz. Ich auch nicht.

Schneidemühl. Sag also einfach: ich hätte – abgelehnt.

Franz. Natürlich.

3. Szene.

Die Vorigen. Julchen. Diener.

Julchen (zum Diener). Sehen Sie nach, ob im Pavillon alles in Ordnung ist und führen Sie die Herrschaften, wenn sie kommen, gleich in den Garten.

Diener. Zu Befehl, gnädige Frau.

Julchen (zu den Herren). Wir wollen die Vorlesung im großen Pavillon halten, bei dem herrlichen Wetter! (Zu Franz:) Kommt er denn auch wirklich?

Franz. Ja, er kommt bestimmt.

Julchen. Entzückend! Und will er vorlesen?

Franz. Er wird die Hauptszenen seines neuen Stückes lesen und das übrige skizzieren.

Julchen. Himmlisch! Komm, dafür muß ich dir einen Kuß geben!

Franz (erträgt es).

Julchen. Ach, die Bürgermeisterin wird ja grün werden vor Neid. Sie prahlt immer damit, daß sie mal beim Diner neben Liliencron gesessen hat. (Mit dem Gefühl eines ungeheuren Abstandes:) Liliencron und Woolwood!

Franz. Ja, liebe Tante, es tut mir nur leid, daß ich nicht dabei sein kann: ich muß notwendig auf ein paar Stunden nach –

Julchen (flüchtig). Ach, das ist aber schade! (Zu ihrem Manne:) Du kommst doch auch mal hinaus?

Schneidemühl (der bis dahin nachdenklich auf- und abgegangen ist, zerstreut). Ich werde sehen – wenn ich Zeit habe.

Julchen. Na – ich will nur schnell noch einmal das Arrangement revidieren – ich habe seinen Stuhl mit Lorbeer bekränzen lassen!

Franz. Das wird ihm ungeheuer schmeichelhaft sein!

Julchen (ab).

Schneidemühl. Du kannst ihm sagen: ich hätte so getan, als wenn ich's mir überlegen wolle, hätte ihm eine aufschiebende Antwort gegeben – aber natürlich dächte ich nicht daran.

Franz. Natürlich – Übrigens: vielleicht kann ich dir den Mann einmal herschaffen, dann kannst du ihm selbst alles anseinandersetzen.

Schneidemühl. Ja, wenn du das könntest! Das wäre das allerbeste!

Franz. Ich will's versuchen. Aber jetzt entschuldigst du mich, nicht wahr?

Schneidemühl. Bitte, bitte. (Geht nach hinten in die Veranda.)

Franz (begegnet in der Tür hinten links dem Doktor Bitterich. Sehr kühle Begrüßung). Guten Tag.

Bitterich. Moign. – Ist mein Schwiegervater hier?

Franz (zerstreut). Mein Schwiegervater?

Bitterich. Nee, meiner.

Franz (besinnt sich). Ah, Pardon – natürlich – (nach der Veranda zeigend). Bitte. (Ab.)

4. Szene.

Schneidemühl. Bitterich.

Bitterich. Tag, Schwiegerpapa!

Schneidemühl. He? – Guten Tag, guten Tag.

Bitterich. Kann man mit Ihnen reden, Schwiegerpapa?

Schneidemühl. Bitte – was ist –?

Bitterich. Ihre Kinder jefallen mir nich, Schwiegerpapachen.

Schneidemühl. – Was heißt das?

Bitterich. Na – se jefallen mir nich. Aber det muß man nu sagen: Ick jefall' ihnen ooch nich.

Schneidemühl. Ich versteh' dich nicht.

Bitterich (mit stets unerschütterter Ruhe). Nehmen wir det Kleine vorweg. Wat mein Schwager in spe is, das Axelchen will sich partout zum Knoten entwickeln.

Schneidemühl. Wieso?

Bitterich. Er paukt keenen Homerum und keenen Horatium mehr. Er sagt, er will Luftschiffer werden und so'ne Sachen, un da braucht er den Mumpitz nich. »Mumpitz« sagt der lockige Knabe.

Schneidemühl. Luftschiffer? Unsinn, er soll natürlich mein Werk übernehmen.

Bitterich. Flinten machen? Da wird er die ollen Griechen und Römer erst recht schießen lassen.

Schneidemühl. Er soll sein Abiturium genau so gut machen, wie ich es gemacht habe.

Bitterich. Richtig, Sie haben ja ooch Jymnasialbildung. Aber Axelchen will nu mal nich.

Schneidemühl. Er wird nicht gefragt, ob er will.

Bitterich. Ja, Schwiegerpapa, det sagen Se so in Ihrem jugendlichen Leichtsinn. Er hat mächtige Bundesjenossen. Un damit kommen wir nu unserm Hauptthema schon, was man so nennt, näher. Da is das mir feierlichst anjelobte Fräulein Sonja; die mag ooch nich mehr. Sie meint, die Schwärmerei für die ollen Autoren is mehrschtendeels Heuchelei. Haste mich schon mal schwärmen sehn?

Schneidemühl. Nein, das kann dir niemand nachsagen.

Bitterich. Un mich mag se ooch nich mehr.

Schneidemühl. Wieso – was heißt das?

Bitterich. Sie schneidet mich. Sie behandelt mich wie'n entfernten Wurstlieferanten.

Schneidemühl. Ja, lieber Hugo, das ist schließlich deine Sache. Wenn ihr euch gezankt habt –

Bitterich. Ach nee, Papachen, die Sache liegt, wie die Philosophen zu sagen pflegen, tiefer. Un nu kommen wir erst uf den nucleus von der janzen Sache. Hinter alledem steckt der bewußte Aujust Bebel.

Schneidemühl (bleibt vor ihm stehen und sieht ihn sprachlos fragend an).

Bitterich. Ja, ja – heeßt er nich Aujust Bebel, Ihr Herr Halbneffe, der augenblicklich als Jast in Ihren Mauern weilt?

Schneidemühl. – Franz Pfeil meinst du?

Bitterich. Na ja, meinetwegen soll er Pfeil heißen.

Schneidemühl. Na, höre mal, mein lieber Hugo, du weißt, daß ich deiner bösen Zunge vieles nachsehe, daß sie mir oft Vergnügen bereitet hat – aber ich muß dich denn doch bitten, zu bedenken, daß du von meinem Neffen sprichst. Ich weiß, daß mein Neffe sehr törichte, sehr unpassende Anschauungen hat; aber ich muß mir denn doch verbitten, daß du ihn mit Krethi und Plethi zusammenwirfst.

Bitterich. Na, passen Se uf, der schmeißt noch mit Bomben. Is doch schon höchst verdächtig, daß der Sohn eines Obersten keen Korpsbruder is; 'n anständiger Mensch jehört doch einem Korps an.

Schneidemühl. Und du willst behaupten, daß Sonja im Einverständnis mit ihm –

Bitterich. Pf–t! Behaupten jarnischt. Nur warnen will ich Sie, Schwiegerpapachen. Lassen Se den Mann sein Jastspiel abbrechen, 's is besser. Ick bin ja man 'n dämlicher Altphilologe; aber als Bräutigam bin ick tiefblickend. – Na – jetzt will ick man mal in'n Jarten jehen, da wird ja woll 'n lebendiger Dichterknabe jezeigt. (Mit Gebärde:) Hat er 'ne Leyer bei sich?

Schneidemühl (zerstreut und unwirsch). Hm – Weiß nicht. –

5. Szene.

Schneidemühl. Julchen. Kammerherr v. Plockhorst. Dr. Bitterich.

Bitterich (begegnet im Abgehen Julchen und Plockhorst, begrüßt sie und geht durch die Glastür in den Garten).

Schneidemühl. Ah, mein verehrtester Herr Baron, – ich wußte ja garnicht, daß Sie schon da sind.

Julchen. Ja und denk dir, der Herr Baron muß schon wieder fort.

v. Plockhorst (Typus des blasierten, abgebrühten und zugeknöpften Hofmannes). Die Pflicht, die Pflicht. Aber es war ganz charmant, meine Gnädigste.

Julchen. Nicht wahr? Der Mann ist hinreißend!

v. Plockhorst. Hinreißend, ohne Zweifel. Aber Gnädigste sollen die Gesellschaft nicht länger Ihrer Anwesenheit berauben –

Julchen. O bitte –

v. Plockhorst. Gnädigste verlieren gewiß nicht gern etwas von der Vorlesung –

Julchen. Ja – wenn ich darf –?

v. Plockhorst. Aber ich bitte –!

Julchen. Also auf baldiges Wiedersehen, Herr Baron!

v. Plockhorst (küßt ihr die Hand). Ergebensten Dank.

Julchen (ab).

Schneidemühl. Nun, Herr Baron, wie fühlt sich denn Se. Königl. Hoheit als Bräutigam?

v. Plockhorst. Oh, ganz wohl, ganz wohl, ohne Zweifel.

Schneidemühl. Die hohe Braut ist eine recht – recht – ansehnliche Dame.

v. Plockhorst. Oh gewiß – gewiß.

Schneidemühl. Sie ist etwas älter als er, nicht wahr?

v. Plockhorst. Ohne Zweifel, ohne Zweifel.

Schneidemühl. Bleibt es dabei, daß sie am 17. kommt?

v. Plockhorst. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Ihre Hoheit schon am 12. kommt.

Schneidemühl. Teufel, da müssen wir uns ja beeilen. Wir sind natürlich in fieberhafter Tätigkeit, um einen festlichen Schmuck zu arrangieren, wie er noch nicht dagewesen ist. Das hohe Paar kommt doch sicher hier vorbei?

v. Plockhorst. Gewiß, gewiß.

Schneidemühl. Nun, ich denke, das hohe Brautpaar soll mit uns zufrieden sein.

v. Plockhorst. Ohne Zweifel, ohne Zweifel. – Ah, Sie hatten den Wunsch, im Namen des Vaterländischen Vereins einige herzliche Begrüßungsworte zu sprechen.

Schneidemühl. Allerdings.

v. Plockhorst. Sie haben ohne Zweifel die Güte, sie mir vorher zu unterbreiten – damit ich orientiert bin. (Strebt nach dem Ausgange.)

Schneidemühl. Gewiß, gewiß. – Hat Königl. Hoheit kürzlich meiner gedacht?

v. Plockhorst. Oh gewiß, gewiß. Ihr Suffolk-Gespann ist ihm aufgefallen.

Schneidemühl (entzückt). Glauben Sie, daß man es ihm zum Geschenk machen dürfte?

v. Plockhorst. Das pflegt Königl. Hoheit nicht anzunehmen. Aber wenn Sie es ihm verkaufen wollten –

Schneidemühl. Zu jedem Preise!

v. Plockhorst. Bitte, den Preis bestimmen natürlich Sie.

Schneidemühl. Nun, das wird keine Schwierigkeiten machen. – Hat Königl. Hoheit sonst noch von mir gesprochen?

v. Plockhorst. Ohne Zweifel, ohne Zweifel. Ich hab' es zwar nicht gehört; aber er kennt Ihre loyale Gesinnung, ohne Zweifel. (Strebt wieder nach dem Ausgange.)

Schneidemühl. Und glauben Sie, Herr Baron, daß ich Aussichten habe –

v. Plockhorst. Gewiß, gewiß.

Schneidemühl. Also darf ich mir Hoffnung machen auf –

v. Plockhorst. Se. Königl. Hoheit ist ein sehr selbständiger Charakter und tut nur, was er will. Aber Sie dürfen sich Hoffnung machen – ohne Zweifel, ohne Zweifel. – Hier geht es doch nach draußen, nicht wahr?

Schneidemühl. Gewiß, gewiß, Herr Baron.

v. Plockhorst. Also auf Wiedersehen!

Schneidemühl. Auf Wiedersehen, Herr Baron. Und nicht wahr: Sie legen ein Wort für mich ein – (geleitet ihn.)

v. Plockhorst (schon hinter der Szene). Gewiß, gewiß, ohne Zweifel, ohne Zweifel.

6. Szene.

Zwei Lakaien (öffnen die Tür zum Garten. Es erscheinen gruppenweise nacheinander:)

Gräfin Schildau und Generalin v. Dippenbach. Frau Oberkonsistorialrat Liekefett, gefolgt von drei Töchtern und die Bürgermeisterin, gefolgt von einer Tochter, Privatdozent Kugler und Architekt Grieben. Dr. Bitterich, Sonja und Axel, einige andere Damen und Herren, zuletzt Julchen und Franz. Später Schneidemühl.

Generalin. Ein wundervolles Stück!

Gräfin. Ja, ein sehr gutes, sehr interessantes Lustspiel.

Generalin. Ich bin einfach begeistert! So etwas können doch nur die Engländer!

Gräfin (zweifelnd). Meinen Sie wirklich?

Frau Liekefett. Nun, Kinder, war das nicht herrlich?

(Schnell nacheinander:)

Emmy. Einfach himmlisch!

Anny. Goldig!

Henny. Geliebt!

Frau Liekefett. Und wie der Mann vorgelesen hat! Mit diesem wohllautenden englischen Akzang! Bezaubernd!

(Gleichzeitig:)

Emmy. Goldig!

Anny. Geliebt!

Henny. Himmlisch!

(Sie vereinigen sich mit den anderen Damen und das Gespräch wird im Hintergrunde links fortgesetzt.)

Die Bürgermeisterin und ihre Tochter Ludmilla sind inzwischen aufgetreten.

Ludmilla (älterer Blaustrumpf). Ja, das ist wirklich ein echter Dichter! Findest du nicht, Mama, daß das Stück große Ähnlichkeit mit meiner Novelle hat?

Die Bürgermeisterin (nachdenkend). Ja – wahrhaftig – du hast recht, mein Kind!

Ludmilla (triumphierend). In beiden verliebt sich ein junger Offizier in ein junges Mädchen!

Die Bürgermeisterin. Ja freilich! Genau dasselbe! Nur in deiner Novelle ist alles – gedämpfter – dezenter gewissermaßen. (Sie schließen sich den anderen Damen an. Aus dem Kreise der Damen hört man von Zeit zu Zeit Ausrufe der Begeisterung.)

Privatdozent Kugler (im Auftreten). Sag mal – diesen Reserveoffizier mit der Strippenhose – den sollt' ich doch kennen!

Architekt Grieben. Natürlich, der war doch bei uns an der Penne!

Kugler. Rrrichtig!

Grieben. Er vertrat doch mal 'n viertel Jahr lang in der Prima unsern guten Stahl, als er krank war.

Frau Liekefett. Entzückend!

Kugler. Rrrichtig – er konnte so furchtbar schimpfen!

Grieben. Das ist er! Hast du gesehen, wie der sich mopste während der Vorlesung? Ich habe selten einen Menschen sich so leidenschaftlich mopsen sehen.

Die Bürgermeisterin. Bezaubernd!

Kugler. Na offen gestanden: ich mopsete mich auch.

Grieben. Ach nee, das will ich nicht sagen! Ich krieg ja nicht viel von Literatur zu sehen – hab' ernstere Dinge zu tun – aber diese neueren Engländer – die sind doch sehr interessant!

(Bitterich, Sonja und Axel treten auf.)

Bitterich. Na, Sonjachen, du bist ja so blaß?

Axel (der sie bei der Hand hält). Ja, und du zitterst!

Ein Fräulein Liekefett. Ge–lie–bt!!

Sonja. Es ist nichts; mir ist nicht ganz wohl. Ich muß für die Gäste sorgen. (Schnell hinten links ab.)

(Große Bewegung unter den Gästen.)

(Fast gleichzeitig:)

Die Generalin. Er kommt!

Frau Liekefett. Da ist er!

Emmy. Der Meister kommt, der Meister!

Die Bürgermeisterin. Da kommt er!

Ludmilla. Er muß meine Novelle lesen!

Julchen (erscheint am Arme) Franzens. (Dieser in der Maske eines nach preziösem Geschmack eines Dandy gekleideten Engländers in mittlerem Alter. Roter Bart und Monokel. Der englische Akzent nur leise angedeutet. Er ist sofort von allen Damen, außer der Gräfin, umringt.)

Die Damen (durcheinander). Nochmals innigsten Dank, teurer Meister – es war wunderbar – it was delightful – Sie haben hinreißend gelesen – magnificent – wir sind einfach weg – es war wonnig! (usw.)

Franz. Ooh – Sie überhäufen mich mit Güte, meine Damen – ich mit meinem unvollkommenen Deutsch –

Die Generalin. O, Sie sprechen ja großartig deutsch – besonders beim Lesen – man merkt den Ausländer überhaupt nicht!

Franz. Ich habe freilich einen großen Teil meiner Jugend in Deutschland verlebt.

Anny. Ach, erzählen Sie uns ein bißchen aus ihrem Leben – wir sind so gespannt –

Die anderen jungen Mädchen. Ja, ach ja!

Julchen. Aber meine Damen, Sie vergessen, daß unser Meister sehr erschöpft sein muß!

Mehrere Damen (schieben Stühle herbei). Hier, Mr. Woolwood, hier, hier, nehmen Sie Platz!

Julchen. Und vor allem nehmen Sie eine Erfrischung! Sonja!

Sonja (ist inzwischen wieder aufgetreten, hat einem Lakaien ein Tablett mit Erfrischungen abgenommen und diese angeboten. Als sie vor Franzen steht, zittert sie, daß die Gläser klirren).

Franz (ihr zuraunend). Mut, Mut, verrat mich nicht!

Julchen (hinzutretend). Was hast du, Darling, du zitterst ja! (Zu Franzen:) Sie ist so befangen vor Ihnen!

Franz. Ooh, das ist auch gar kein Wunder. Aber das wird noch mal ganz anders. (Er setzt sich.)

Henny (die jüngste Liekefett, dummdreist). Entschuldigen Sie, Herr Doktor, wir streiten uns, ob Sie Woolward oder Woolwood heißen. Wie heißen Sie eigentlich?

Franz. Woolwood, Jimmy Woolwood.

Henny. Wie wird das geschrieben?

Franz (sehr geschwind und eintönig). Dji, ei, döbbl em uei, döbbl juh döbbl o ell, döbbl juh döbbl o di!

Das Fräulein. Bitte, schreiben Sie mir das auf! (Reicht ihm eine Postkarte und Bleistift.)

Franz (tut es).

Die anderen Damen (immer ohne die Gräfin). Sie kriegt ein Autogramm – sie kriegt ein Autogramm!

(Die Damen bilden jetzt hinter seinem Stuhle Queue und reichen ihm eine nach der andern Karte, Album oder Fächer, damit er schreibe. Die Jungen schließen sich, nachdem sie abgefertigt sind, hinten wieder an.)

Sonja (heimlich zu Julchen). Du erlaubst wohl, daß ich mich entferne, Mama. Mir ist nicht ganz wohl.

Julchen (leise). Yes, dear, laß nur die Gesellschaft nichts merken!

Sonja (schüttelt den Kopf und entfernt sich unauffällig).

Grieben und Kugler (die bisher dem Treiben zugesehen und sich mit Axel unterhalten haben, nähern sich Bitterich im Vordergrunde rechts).

Grieben (gemütlich). Verzeihung, Herr Doktor, aber wir zwei glauben in Ihnen einen ehemaligen Lehrer zu erkennen.

Bitterich. Äh?

Grieben. Sie sind doch der Herr, der uns ein Vierteljahr lang die harmonische Welt der Griechen erschloß und bei dieser Gelegenheit erklärte, unsere ganze Klasse wäre »rammdösig wie die Winterschweine«?

Bitterich (unerschütterlich). Det is wohl möglich.

Grieben. Mir speziell sagten Sie: das Vaterland zählt uff Ihren Kopp. Wenn wir mal die englischen Panzerplatten nich durchkriegen können, denn nehmen wir Ihren Schädel.

Bitterich. Hähä.

Kugler (ebenso gemütlich). Und jetzt hat er nach dem Urteil der Sachverständigen die schönste Kirche von ganz Schlesien gebaut.

Bitterich (zu Grieben). Ja, sehn Se, wenn Se Griechisch könnten, wär' se noch viel schöner geworden.

Grieben (immer vergnüglich). Ja, Griechisch kann nun mein Freund hier. Der hat die beste Sophoklesausgabe herausgegeben.

Bitterich. Ach, der Kugler sind Se?

Kugler. Aufzuwarten.

Bitterich. Hören Se, denn muß man Respekt vor Ihnen haben.

Kugler. Das freut mich besonders. Sie sagten nämlich damals, ich verstünde so viel vom Sophokles wie der Seehund vom Billard.

Bitterich. Nu sehn Se, wie'n Mensch sich ändern kann.

Grieben u. Kugler (lachen laut auf).

Bitterich. Wissen Se übrigens, wie wir leicht feststellen können, wer von uns der Dümmste is?

(Gleichzeitig:)

Grieben. Hm?

Kugler. Und –?

Bitterich. Wir entfernen uns von diesem Jottesdienst und etablieren in irgend 'ner Ecke 'n Skat, da sollen Se mich mal kennen lernen –

Kugler (lachend). Na, das geht doch wohl nicht –

Bitterich. Mein Schwiegermamachen merkt nischt, die is entrückt –

Grieben. Nein danke, später vielleicht.

Ludmilla (hat soeben ein Autogramm empfangen, lispelnd). Ach – ich mag es gar nicht sagen.

Franz. Bitte, mein Fräulein.

Ludmilla. Ich hab' eine Novelle geschrieben.

Franz. Uas Sie sagen.

Ludmilla. Ja, in Versen. Ich hatte mir vorgenommen, Ihnen ein Kapitel daraus zu rezitieren – aber nun wag' ich es nicht.

Franz (schwer ernst). Ja, das ist auch sehr schwer. Ich würd' es niemals wagen.

Ludmilla. Oh – Sie!!

Franz. Nein nein, uirklich nicht. Das ist entsetzlich schwer! (Wendet sich der nächsten zu.)

Ludmilla (mit resignierendem Seufzer). – Ja – –

Julchen (in einer Gruppe der älteren Damen vorn links). Ja, und nach dem Diner ist natürlich Théâtre paré, selbstverständlich nur für die hohen Herrschaften und geladenes Publikum.

Frau Liekefett. Weiß man schon das Programm?

Julchen. Wir wissen es schon, ja; mein Mann hat es bei Hofe erfahren. Königl. Hoheit haben es selbst festgesetzt. Also zuerst gibt es einen Akt aus der neuen Oper von Leoncavallo, dann einen Akt aus dem »Hüttenbesitzer« von Ohnet und zum Schluß ein indisches Ballett nach einer Novelle von Rudyard Kipling.

Die Bürgermeisterin. Italienisch – französisch – englisch – ein ausgesuchtes Programm. Man sieht, Seine Königl. Hoheit ist überall zu Hause.

Gräfin. Nur nicht in der deutschen Kunst, wie es scheint.

Julchen. Wieso?

Gräfin. Mir scheint, bei einem deutschen Feste sollte das Herz deutsch reden.

Frau Liekefett. Na, Deutsches wird ja sonst genug gespielt!

Henny (präsentiert Franzen gleichzeitig ein Dutzend Karten zur Unterschrift).

Franz (besieht die Karten). Ein ganzes Dutzend Karten? Uas soll ich damit?

Henny (dreht sich in kindischer Verlegenheit und sagt nichts).

Frau Liekefett. Ach, sie will ihren Pensionsfreundinnen auch gern Ihr Autogramm schicken – sie mag es nicht sagen – sie ist noch so blöde.

Franz. Sehr blöde, ja. Eine echte deutsche Jungfrau. Morgen bekomm ich einen Kautschukstempel, der macht es viel hübscher. Heute hab' ich einen Autogrammkrampf.

Ludmilla (hat sich ihm wieder von der andern Seite genähert). Ich rezitiere sonst sehr viel; aber ich weiß wirklich nicht, ob ich es wagen darf –

Franz. Es ist rasend schwer, mein gnädiges Fräulein, ich weiß es, rasend schwer!

Grieben. Haben Sie den Stoff zu Ihrem Lustspiel selbst erfunden, Herr Woolwood?

Franz. Nein, ich habe ihn einer Novelle von Fontane entnommen.

Die Generalin. Ach so, Lafontaine!

Franz. Nein, es ist nicht Lafontaine, es ist le Fontane. Das war nämlich ein deutscher Dichter und Patriot.

Die Generalin. Ach??

Franz. Ja.

Grieben. Na ja, der Stoff ist ja schließlich Nebensache –

Frau Liekefett. Ja, den Stoff find' ich auch nicht mal so bedeutend; aber die Charaktere –

Franz. Die Charaktere sind genau so wie bei Fontane, ich habe nichts daran geändert.

Julchen. Aber Sie haben ein Drama daraus gemacht; der Aufbau des Ganzen –

Franz. Der Aufbau ergab sich nach der Novelle ganz von selbst; ich hatte keine Arbeit davon. Sie sehen also, meine Damen und Herren, es ist eigentlich ein deutsches Stück.

Julchen. Oh. Mr. Woolwood, Sie übertreiben die Bescheidenheit! Diese Sprache, dieser Dialog, diese Eleganz – so was macht man nicht in Deutschland!

Franz. Nun, meine Damen und Herren, dann will ich es Ihnen nur verraten: ich habe mir einen kleinen Scherz erlaubt; die Sprache ist auch von einem Deutschen – das ganze Stück ist überhaupt von einem Deutschen.

(Allgemeines Schweigen.)

Ich habe nämlich immer gehört, daß die Deutschen ihre Dichter bis zum 70. Geburtstag beschimpfen, und ich habe gesehen: die Deutschen übersetzen aus dem Englischen und dem Französischen jeden – wie sagt man bei Ihnen – Mist (einige Damen zeigen sich chokiert); da habe ich gewettet, daß die Deutschen auch ihre eigenen Dichter schätzen. Und ich habe gewonnen. (Blickt triumphierend um sich.)

Bitterich. Sind Se dessen so jewiß?

Franz. Darf ich es nicht?

Bitterich. Na, ich hab' ja nicht alles jehört, aber – wenn's nich von Ihnen is, kann man's ja sagen – ich hab's scheußlich jefunden.

Julchen. Aber Hugo! – Ich will ja gewiß nicht sagen, daß der Dichter ein Shakespeare ist –

Die Generalin. Nein, das ist er ganz gewiß nicht, dazu fehlt ihm die Gedankenfülle –

Frau Liekefett. – und der Witz –

Die Bürgermeisterin. – und die spannende Handlung –

Ludmilla. – und die schöne Sprache!

Die Generalin. Der Dichter ist wohl noch jung, nicht wahr?

Franz. Danke, ja.

Die Generalin. Nun, es ist eben ein Jugendwerk mit allen Fehlern eines solchen –

Frau Liekefett. Freilich, das merkt man an den Charakteren – es fehlt noch die Menschenkenntnis –

Kugler. Er hätte sich mehr an die klassischen Vorbilder halten sollen.

Grieben. Nun, man merkt eben überall den Anfänger; aber immerhin ist es doch – wie soll ich sagen –

Ein Herr aus dem Hintergrunde. Eine Talentprobe.

Grieben. Jawohl! Sehr richtig: eine Talentprobe.

Julchen. Was sagen Sie denn, Frau Gräfin, Sie sind ja so schweigsam.

Die Gräfin. Ich sage, was ich vordem sagte: Ein höchst interessantes und sehr gutes Stück. Soviel ich davon verstehe!

Franz (geht zu ihr und nimmt ihre Hand). Darf ich? (Drückt einen Kuß darauf.) Innigsten Dank!

Julchen. Meine Herrschaften, Mr. Woolwood macht sich ja lustig über uns; er ist der Dichter und kein andrer!

Die Generalin. Natürlich, man sieht's ja an seinem Lächeln!

Franz (lächelt geheimnisvoll).

Die Damen (umdrängen ihn): Gestehen Sie! – Sie sind es! – Sie sind der Verfasser – Sie haben uns nur zum besten – Natürlich sind Sie's – Gar kein Zweifel – man sieht's Ihnen ja am Gesicht ab –

Franz (tut schamhaft). Nun denn, meine Damen, – ja, ich bin der Dichter!

Alle (durcheinander). Nun also – natürlich – man sieht's ja.

Julchen. Sie sind ein schlimmer Schalk, Mr. Woolwood, man sollte Ihnen böse sein.

Franz (ergreift mit Verzeihung erflehender Gebärde ihre Hand und küßt sie).

Bitterich (zu Grieben und Kugler). Meine Herren, nu wird es Zeit, daß wir Skat spielen. (Die drei Herren gehen nach der Veranda.)

Julchen. Ich hab's ja gewußt; ich wollte nur nichts sagen! Wer die anderen Werke Mr. Woolwoods kennt – wer z. B. The stolen match gelesen hat – (zur Generalin) haben Sie's gelesen, Exzellenz?

Die Generalin. Ich hab's im Hoftheater gesehen.

Julchen. Ach, das müssen Sie in der Ursprache genießen – die Übersetzung kann das nicht wiedergeben.

Franz. O, I think you are sure to speak most excellent English!

Julchen. Wie meinen –? Oui oui – ich wollte sagen: Yes!

Franz. I am greatly delighted to hear it. I shall seize the opportunity of talking English to you as often as possible. It does one good abroad, to pour out one's soul in one's mother-tongue. Besides it is wonderful, how well Germans understand English and English litterature, sometimes better than their own. Did you make the acquaintance of my plays only by reading them, or did you see them on the London stage?

Julchen. Äh–jawohl! Yes!

Die Gräfin und Die Generalin (verbergen ihr Lächeln hinter ihrem Fächer).

Julchen. Übrigens hab' ich in der letzten Zeit so viel französisch sprechen müssen, daß ich aus dem Englischen ganz herausgekommen bin.

Franz. Ah, Madame parle français? Mais sans doute – la demande était bien impolie; vous me pardonnerez, Madame. Je ne doute pas que votre goût si délicat ne puisse apprécier à leur valeur les finesses les plus subtiles des poètes français, finesses qu'une traduction même parfaite ne rendra jamais.

Julchen. Monsieur – je lis le français – meilleur – que je le parle – et –

Schneidemühl (tritt auf).

Julchen (erlöst aufatmend). Ah, da kommt mein Mann. (Geht diesem einen Schritt entgegen, dreht sich wieder Franzen zu und sagt mit Prätension:) Mon mari!

Franz. Ah!

Julchen (vorstellend). Gestatten Sie, verehrter Meister, daß ich Sie mit meinem Manne bekannt mache – unser illüstrer Gast Mr. Woolwood.

Franz. Sehr erfreut.

Schneidemühl (mit biederem Händeschütteln). Gestatten Sie mir, Ihnen in unserm treuherzigen Deutsch ein herzliches Willkommen zu bieten. Sie haben vielleicht davon gehört, daß ich strammer Patriot bin –

Franz. Allerdings.

Schneidemühl (geschmeichelt). So, Sie wissen das – das hält mich aber nicht ab, das Große zu schätzen, woher es auch komme, und insbesondere dem künstlerischen Genie meine Bewunderung und Verehrung zu bezeugen.

Franz. Die Vorlesung ist leider vorbei.

Schneidemühl. Schon?? Ach, wie schade! Ja, die leidigen Geschäfte! Ich konnte mich nicht eher losreißen. Und ich wäre so gern dabei gewesen. Da unsere heimische Literatur leider völlig daniederliegt, so müssen wir ja doppelt dankbar sein, wenn einmal die hohe Kunst vom Auslande zu uns kommt!

Julchen (zur Gräfin). Ach, Sie wollen schon gehen, Frau Gräfin?

Die Gräfin. Es ist hohe Zeit für mich. Herzlichsten Dank.

(Allgemeiner Aufbruch.)

Julchen (tritt während des Aufbruchs zu Franzen). Aber müssen Sie denn auch schon gehen, lieber Meister?

Franz. Darf ich denn noch bleiben?

Julchen. Aber ich bitte Sie! Sie müssen mit uns soupieren!

Franz. Von Herzen gern. »Wie freut mich's, daß ich bleiben darf!«

Julchen. Sie machen uns überglücklich. (Die letzten Gäste gehen.)

7. Szene.

Franz. Schneidemühl. Julchen. Im Hintergrunde Bitterich. Später Sonja.

Julchen. Wie herrlich, daß wir Sie nun noch ein wenig für uns haben! Und nun lassen Sie mich Ihnen noch einmal danken für den unvergleichlichen Genuß!

Franz. War es wirklich ein Genuß?

Julchen. Aber lieber Meister!

Schneidemühl. Ich hörte nur eine Stimme der Begeisterung!

Franz. So.

Julchen. Ich halte Ihr Stück für das genialste Lustspiel, das ich je gehört habe.

Franz. Und glauben Sie, daß es auch dem großen Publikum gefallen wird?

Julchen. Das Stück? Ich garantiere hundert volle Häuser!

Franz. Mit 20 Bühnen multipliziert, gibt das ein Vermögen. Und da ich heiraten will, kann ich es brauchen.

Julchen. Ach, Sie wollen wieder heiraten?

Franz. Wieder? – Ach so – jawohl, jawohl

Julchen (schwärmend). Wie interessant! Nun, ein Mann wie Sie braucht gewiß kein Geld, um eine Lebensgefährtin zu finden.

Schneidemühl. Nein.

Franz. O meine Verehrte, ich habe noch andere Mängel.

Julchen. Darüber sieht man bei einem Genie hinweg.

Schneidemühl. Ja.

Franz. Die Geliebte vielleicht. Aber so ein Mädchen hat Eltern.

Julchen. Nun, ich denke, jedes Elternpaar müßte sich glücklich schätzen, solch einen Schwiegersohn zu bekommen.

Schneidemühl. Ja.

Franz. Ist das Ihre aufrichtige Meinung, gnädige Frau?

Julchen. Aber natürlich!

Franz (ruhig und trocken). Das freut mich, liebe Tante.

Julchen (zuckt zurück und starrt ihn an).

Schneidemühl. Tante?

Franz. Ja, lieber Onkel.

Bitterich (kommt langsam nach vorn).

Schneidemühl. Was heißt das?

Franz. Ich bin gar nicht Mr. Woolwood. Ich bin euer Neffe. (Bart und Perücke abnehmend.) Franz heißt die Kanaille. Die gute Tante hat in dem Lustspieldichter ein Genie erkannt. Das Genie bin ich.

Julchen (ist sprachlos).

Bitterich (zu Schneidemühl). Paß auf, jetzt schmeißt er Bomben.

Schneidemühl. Ja, was soll denn diese Komödie!

Franz. Ich wollt' euch beweisen, daß ich ein Dichter bin, der eine Zukunft hat. Ein deutscher Dichter wählt dazu am besten den Weg übers Ausland. Euer Beifall übertrifft meine kühnsten Erwartungen. Und so bitte ich euch denn: Gebt diesem genialen, zukunftreichen Manne eure Sonja zur Frau.

Julchen. Sonja –?

Schneidemühl (überzeugt). Er hat den Verstand verloren!

Bitterich (nahe vor Franzen). Sollten Sie den Herrn Verlobten des gnädigen Fräuleins nich kennen?

Franz. Ja, richtig – verzeihen Sie einen Augenblick – (eilt hinaus).

Die Übrigen (verharren eine Weile sprachlos).

Julchen. Das ist ja unglaublich!

Schneidemühl. Der Mensch ist verrückt geworden!

Julchen. Ja, das scheint mir fast auch!

Bitterich. Wat hab' ick Ihnen gesagt, Schwiegerpapa? Willem Liebknecht mit Dynamit.

Schneidemühl. Total irrsinnig!

Bitterich. Na, er is doch 'n Sohn von Ihrem Halbbruder, dem Luftjondler, he?

Schneidemühl. Ja, ja.

Bitterich. Na also (auf seine Stirn deutend).

Franz (kehrt zurück mit Sonja).

Franz. Nun, liebe Sonja, ist es Zeit, zu reden. Wen willst du zum Manne haben?

Sonja (fest und ernst). Dich. (Pause sprachlosen Erstaunens.) Verzeih, Hugo; ich muß dich bitten, mich freizugeben. Ich kann deine Frau nicht werden.

Julchen. Sonja!

Schneidemühl. Ja bist du denn – Was willst du, Hugo!

Bitterich (der sich dem Ausgang genähert hat). Pardon, Herr Jeheimrat – für einen Offizier jenügt die Erklärung des gnädigen Fräuleins vollkommen. Mahlzeit. (Ab.)

Schneidemühl. Ja, bin ich denn in einem Tollhause?

Julchen. Sonja – Franz, das ist ja unerhört –

Schneidemühl. Unerhört? Das ist eine Niedertracht, eine Infamie ist das, das ist Betrug!

Franz. Meine Herrschaften, wie behandeln Sie das Genie!

Schneidemühl. Haha, Genie!

Franz. Bitte, Sie haben meiner hohen Kunst Ihre Verehrung bezeugt, obwohl Sie nichts gehört hatten. Wenn Sie nun erst gehört hätten!

Julchen. Uns so zu hintergehen – das ist unwürdig, das ist hinterlistig –

Franz. Über solche Mängel sieht man bei einem Genie hinweg.

Schneidemühl (der fortwährend auf- und abläuft und nach Luft schnappt). W–w–wie kannst du es überhaupt wagen, deine Augen zu meiner Tochter zu erheben – (triumphierend) womit willst du denn eine Frau ernähren?

Franz (zieht sein Stück hervor und hält es hoch). Hundert volle Häuser – an einer einzigen Bühne! Übrigens braucht ein Mann wie ich gar kein Geld, um eine Lebensgefährtin zu finden; sagten Sie nicht so, liebe Tante?

Julchen (unvorsichtig). Ja, das war –

Franz. Das war Mr. Woolwood, richtig. (Auf sich deutend.) Hic Woolwood, hic salta.

Schneidemühl (wie oben). Und wenn du wissen willst, mein sauberer Neffe, warum du niemals – verstehst du – niemals meine Tochter bekommst: ein deutsches Mädchen heiratet den Mann, den ihre Eltern ihr bestimmen, und nur ein deutscher Mann bekommt meine Tochter, kein vaterlandsloser Geselle.

Sonja. Papa, wie kannst du das sagen!

Franz (umschlingt Sonja und küßt sie). Süße Sonja! Nur nicht tragisch nehmen! (zu Schneidemühl, mit leiser Ironie:) Was Sie da gesagt haben, ist allerdings ein schwerer Schimpf. Ich könnte Ihnen darauf eine gut sitzende Antwort geben; aber die würde Sie noch mehr erbosen, und das will ich nicht. Wir Deutschen sind sentimental, wie Sie wissen. Ich lege Wert auf Ihren Segen.

Schneidemühl (außer sich). Auf mein Geld, jawohl, auf mein Geld legst du Wert; aber ich versichere euch, daß ihr von mir keinen Pfennig bekommt, keinen roten Pfennig!

Franz (höchst einfach und ohne alles Pathos). Man nimmt das Mädchen, das man liebt, und wenn es arm ist wie eine Kirchenmaus. Als Patriot werden Sie das wissen. Das ist nämlich deutsch, Herr Geheimrat. Leben Sie wohl. (Er winkt Sonja einen Abschied zu und geht ab.)

Der Vorhang fällt.


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