Alois Essigmann
Sagen und Märchen Altindiens. 2. Band
Alois Essigmann

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Froschkönigs Tochter

Parikschit, ein König von Ajodhia, hatte einst auf der Jagd sein Gefolge verloren und irrte allein auf müdem Gaul durch das Dickicht.

Finster dehnte sich der Wald, schier ohne Ende, und brennender Durst quälte den ermatteten Reiter. Da windete das Roß ins Weite, hob munter den Kopf und trabte schneller unter den Bäumen dahin. Parikschit mußte all seine Kunst aufbieten, um nicht von einem niedrigen Ast aus dem Sattel gehoben zu werden.

Bald hielt das Roß an einem silberschimmernden Weiher, der überreich mit herrlichen Lotusblumen geschmückt war.

Der König sprang zu Boden, klopfte seinem klugen Tier in Freundschaft den Hals, und nachdem er ihm den kostbaren Sattel abgenommen und das eigene Oberkleid abgelegt hatte, schritt er mit ihm in das erfrischende Bad.

Nach dieser Erquickung streckte er sich unter den Bäumen aufs Moos und träumte in die Wipfel, während das Pferd an saftigen Lotusstengeln kaute.

Da klangen leise liebliche Töne an Parikschits Ohr. Reglos lauschte er in die Ferne und erhob sich erst, als die Weise mit einem schluchzenden Jubelton verklungen war: Ein wunderschönes Weib kam blumenpflückend durch den Wald geschritten und schien des Lauschers gar nicht zu achten.

Stumm stand der König vor dem holden Bild, bis die Schöne in nächster Nähe an ihm vorbei wollte.

»O herrliches Weib!« sprach er nun stockend, »wer bist du, und wem gehörst du an?«

»Niemandem!« erwiderte die Schöne mit schelmischer Miene. »Ich bin ein Mädchen aus dem Walde!«

»Oh, so werde die Meine!« rief der König mit Feuer, »denn endlose Liebe fühl' ich für dich, du Holde!«

»Willst du zum Pfand mir ein Versprechen geben, du Schnellbesiegter, so will ich dir als deine Gattin folgen!« erwiderte das Mädchen lachend.

»Was du verlangst, und was ich geben kann, sei dein!«

»So laß mich niemals Wasser sehen, wenn ich in Treue an dir hangen soll!« sprach sie mit einem zögernden Blick auf den Weiher.

»Nie, nie!« schwor Parikschit mit dem Eifer des Verliebten und schloß die Errötende in seine Arme.

Da klangen die Hörner durch den Wald, und das Gefolge des Königs nahte.

Auf sein Rufen kamen Sklaven und Diener herbei. Er hob die Gefundene in eine herrliche Sänfte und ritt an ihrer Seite nach Ajodhia.

Kaum war die Liebliche seine Gattin geworden, so schloß er sich mit ihr in einem Flügel seines Palastes ein und ließ hoch und niedrig von seiner Schwelle weisen.

Die Räte des Königs waren bekümmert, denn vieles bedurfte der Entscheidung des Herrschers. Der aber stand ganz unter der Herrschaft des Liebesgottes und seiner schönen Gemahlin. Keine Störung der Außenwelt konnte zu den Verliebten dringen.

Als die Ordnung im Reiche unter des Königs freiwilliger Haft zu leiden begann, entschloß sich der Kanzler, alles zu versuchen, um der verliebten Torheit seines königlichen Herrn ein Ende zu bereiten.

In dieser Absicht ging er nach dem verbotenen Flügel des Palastes.

Am Eingang fand er viele dienende Frauen, die ihm den Zutritt verwehrten. Zornig fragte er sie nach ihren Befehlen.

»Wir haben der schönsten Gebieterin aufzuwarten und müssen vor allem darauf achten, daß niemals Wasser vor ihre Augen kommt. Einlaß dürfen wir, bei Leib und Leben, niemand gewähren!« erwiderte ihre Führerin.

Kopfschüttelnd ging des Königs Rat von dannen.

»Kein Wasser!« murmelte er, »kein Tropfen Wasser? – Da steckt sicherlich ein böser Zauber dahinter! – Ich will ihn brechen!«

Nun ließ er nahe der Stadt einen prachtvollen Sommersitz anlegen: einen kleinen Palast aus edlem Gestein mit erzenem Bildschmuck; einen weiten Park, in dem sonnenhelle Wiesen an dichtbelaubte Haine grenzten, und wo Blüten, Früchte und Vogelgesang die Sinne ergötzten; endlich im schattigsten Winkel einen Teich in marmornem Becken. Der Spiegel des Wassers aber ward unter einem silberschimmernden, reich mit Perlen bestickten Gewebe verborgen, so daß die ganze Anlage aussah, wie einer der wasserlosen Schmuckteiche, die in dürren Zeiten die Gärten der Reichen zieren mußten.

Als alles bereit war, sandte der Kanzler den Plan des herrlichen Refugiums seinem Herrn und bot es ihm als Hochzeitsgabe des Volkes dar.

Erfreut nahm der König das reiche Geschenk an und zog bald darauf mit seiner Gattin nach dem neuen Heim seiner Leidenschaft.

Nun durchstreiften die Glücklichen fröhlichen Herzens den von einer hohen Mauer umgebenen Park und spielten wie Kinder in der Frühlingssonne ihrer Liebe.

Als sie einst, Schatten suchend, ein kleines Wäldchen betraten, standen sie plötzlich am Rand eines blinkenden Teiches.

Die Königin zuckte zusammen.

Parikschit aber, der nur das silberne Gewebe sah, rief seiner Gattin scherzend zu:

»Nun bade, mein holdes Lieb; hier hast du das köstlichste Wasser!«

Mit einem silberhellen Lachen, das dem König schneidend wie Hohn klang, sprang sein Weib über den Marmorrand und verschwand, das Gewebe zerreißend, im aufspritzenden Wasser.

Ängstlich rief Parikschit ihren Namen. –

Schweigend liefen Kreise über den Teich und erzählten von der versunkenen Königin.

Erschrocken sprang Parikschit ins Wasser. Es reichte ihm kaum an die Knie, aber wie sehr er auch suchte und, bald kosend, bald klagend, nach der Geliebten rief, sie blieb verschwunden.

Da eilte der König nach des Gärtners Haus: Alle Sklaven wurden zusammengerufen, und der verhängnisvolle Teich ward schnellstens ausgeschöpft.

Doch von der Verschwundenen zeigte sich keine Spur. Nur ein Fröschlein hüpfte laut quakend über den trockenen Grund des Beckens und verschwand am Ufer unter den Büschen.

Aufheulend warf Parikschit sich ins Gras.

Plötzlich sprang er mit jähem Ruck empor und schrie mit zornfunkelnden Augen:

»Die Frösche haben mein Liebstes gefressen; ich will sie dafür von der Erde tilgen! Verkündigt es in allen meinen Landen: Wer immer etwas vom König Parikschit will, muß es mit toten Fröschen bezahlen! – Nicht einer soll am Leben bleiben, so weit meine Macht reicht!«

Nun ging es zu Kosala an ein großes Fröschemorden, denn der König belohnte die eifrigsten Jäger mit Geld und Gut, mit Ämtern und Ehren.

Da klagten die Frösche Not und Verfolgung ihrem guten König Ayuscha, und dieser versprach, seinem Volke zu helfen.

Er nahm die Gestalt eines büßenden Brahmanen an und ließ sich vor Parikschits Thron führen.

Ehrfürchtig begrüßte der Herrscher des Landes den frommen Priester.

Dieser neigte sich demütig und bat:

»O unerschrockener Feindebezwinger, zügle doch deinen Zorn! – Sei gütig und töte keinen der unschuldigen Frösche mehr! – Der Himmel verschließt sich jenen, die aus Unwissenheit fehlen, und straft die, die aus Bosheit freveln! Warum läßt du harmlose Tiere verfolgen?«

»O bitte nicht für die nassen Schurken!« brauste Parikschit auf. »Mein Weib, mein einzig geliebtes Weib haben die Frösche gefressen, und darum müssen sie alle sterben!«

»Du irrst, König!« sprach der Brahmane ruhig. »Dein Weib lebt, es ist meine Tochter Suschavana, und ich bin Ayuscha, der König der Frösche! – Die Törin allein soll ihr leichtfertiges Spiel büßen!« fuhr er fort, »stets lockt sie die Besten zu heißer Liebe und verläßt sie dann kalten Herzens!«

»Ach, strafe das liebliche Kind nicht, Vater!« sprach bittend der König. »Der leichte Sinn des Weibes ist seine holdeste Anmut, und ein Blick in lachende Wunderaugen läßt tausend Tage des Schmerzes vergessen! – Gib Suschavana mir wieder, so gibst du mich mir wieder und den Deinen den Frieden in meinem Reich! Sicher seien sie künftig vor meinem Grimm!«

»Warte!« sprach Ayuscha und ging aus der Halle.

Bald darauf kam er wieder und führte sein errötendes Töchterlein an der Hand.

»Nimm sie!« sprach er zu Parikschit freundlich, seiner Tochter aber drohte er zornig:

»Du, die mit kaltem Herzen so viel Elend über das Volk der Frösche gebracht hat, sollst in heißblütigen Söhnen bestraft werden. Glühendes Begehren und überschäumender Trotz soll sie zu Feinden eines Mächtigen machen, und in dieser Feindschaft sollen sie vergehen, bis auf den letzten!«

Noch eifernd verließ er die Halle und hörte nicht, wie Parikschit ihm seinen innigsten Dank für die wiedergeschenkte Gattin nachrief.

Der König lebte mit seinem Weibe noch viele Jahre im Glück, denn Suschavana blieb ein sorglos lachendes Kind bis an ihr friedliches Ende.

Die drei Söhne aber, die sie dem Gatten geschenkt hatte, raubten einem mächtigen Heiligen seine Zauberpferde, weil sie die schnellsten Rosse im ganzen Reiche haben wollten. Bitten und Drohungen des Beraubten wiesen sie trotzig von sich.

Da sandte der Mächtige seine Diener, vier eherne Genien, gegen die Frevler, und alle drei fielen unter den vergifteten Pfeilen der Spukgestalten.

So ward den Enkeln Froschkönigs Zorn über der Tochter leichten Sinn zum Verderben.


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