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Wie einer tanzend zum Prinzen wurde, ohnmächtig einem Charlatan in die Arme sank und dann beim Abendessen an den Talenten seines Kochs zweifelte. – Liquor anodynus und großer Lärm ohne Ursache. – Ritterlicher Zweikampf der in Lieb' und Wehmut versunkenen Freunde und dessen tragischer Ausgang. – Nachteil und Unschicklichkeit des Tabakschnupfens. – Freimaurerei eines Mädchens und neu erfundener Flugapparat. Wie die alte Beatrice eine Brille aufsetzte und wieder herunternahm von der Nase.
Sie. Drehe dich, drehe dich stärker, wirble rastlos fort, lustiger toller Tanz! – Ha wie so blitzesschnell alles vorüberflieht! Keine Ruhe, kein Halt! – Mannigfache bunte Gestalten knistern auf, wie sprühende Funken eines Feuerwerks und verschwinden in die schwarze Nacht hinein. – Die Lust jagt nach der Lust und kann sie nicht erfassen, und darin besteht ja eben wieder die Lust. – Nichts ist langweiliger, als festgewurzelt in den Boden jedem Blick, jedem Wort Rede stehen zu müssen! Möcht' deshalb keine Blume sein; viel lieber ein goldner Käfer, der dir um den Kopf schwirrt und sumset, daß du vor dem Getöse deinen eignen Verstand nicht zu vernehmen vermagst! Wo bleibt aber auch überhaupt der Verstand, wenn die Strudel wilder Lust ihn fortreißen? Bald zu schwer zerreißt er die Fäden und versinkt in den Abgrund; bald zu leicht fliegt er mit auf in den dunst'gen Himmelskreis. Es ist nicht möglich, im Tanz einen recht verständigen Verstand zu behaupten; darum wollen wir ihn lieber, solange unsere Touren, unsere Pas fortdauern, ganz aufgeben. – Und darum mag ich dir auch gar nicht Rede stehen, du schmucker, flinker Geselle! – Sieh, wie dich umkreisend ich dir entschlüpfe in dem Augenblick, da du mich zu erhaschen, mich festzuhalten gedachtest! – Und nun! – und nun wieder! –
Er. Und doch! – nein, verfehlt! – Aber es kommt nur darauf an, daß man im Tanz das rechte Gleichgewicht zu beobachten, zu behalten versteht. – Darum ist es nötig, daß jeder Tänzer etwas zur Hand nehme, als Äquilibrierstange; und darum will ich mein breites Schwert ziehen und es in den Lüften schwenken – So! – Was hältst du von diesem Sprunge, von dieser Stellung, bei der ich mein ganzes Ich dem Schwerpunkt meiner linken Fußspitze anvertraue? – Du nennst das närrischen Leichtsinn; aber das ist eben der Verstand, von dem du nichts hältst, unerachtet man ohne denselben nichts versteht, und auch das Äquilibrium, das zu manchen Dingen nütze! – Aber wie? – von bunten Bändern umflattert, wie ich, auf der linken Fußspitze schwebend, das Tambourin hoch emporgehoben, verlangst du, ich solle mich begeben alles Verstandes, alles Äquilibriums? – Ich werfe dir meinen Mantelzipfel zu, damit du geblendet, strauchelnd mir in die Arme fällst! – Doch nein, nein! – sowie ich dich erfaßte, wärst du ja nicht mehr – schwändest hin in nichts! Wer bist du denn, geheimnisvolles Wesen, das aus Luft und Feuer geboren der Erde angehört und verlockend hinausschaut aus dem Gewässer! – Du kannst mir nicht entfliehen. Doch – du willst hinab, ich wähne dich festzuhalten, da schwebst du auf in die Lüfte. Bist du wirklich der wackre Elementargeist, der das Leben entzündet zum Leben? – Bist du die Wehmut, das brünstige Verlangen, das Entzücken, die Himmelslust des Seins? – Aber immer dieselben Pas – dieselben Touren! Und doch, Schönste, bleibt ewig neu dein Tanz und das ist gewiß das Wunderbarste an dir –
Das Tambourin. Wenn du, o Tänzer! mich so durcheinander klappern, klirren, klingen hörst, so meinst du entweder, ich wollte dir was weis machen mit allerlei dummem einfältigen Gewäsche, oder ich wäre ein tölpisch Ding, das Ton und Takt deiner Melodien nicht fassen könnte, und doch bin ich es allein, was dich in Ton und Takt hält. Darum horche – horche – horche auf mich!
Das Schwert. Du meinst, o Tänzerin, daß hölzern, dumpf und stumpf, takt- und tonlos, ich dir nichts nützen kann. Aber wisse, daß es nur meine Schwingungen sind, denen der Ton, der Takt deines Tanzes entschwebt. – Ich bin Schwert und Zither und darf die Luft verwunden mit Sang und Klang, Hieb und Stoß. – Und ich halte dich in Ton und Takt; darum horche – horche – horche auf mich! –
Sie. Wie immer höher der Einklang unseres Tanzes steigt! – Ei, welche Schritte, welche Sprünge! – Stets gewagter – stets gewagter und doch gelingt's, weil wir uns immer besser auf den Tanz verstehen!
Er. Ha! wie tausend funkelnde Feuerkreise uns umzingeln! Welche Lust! – Stattliches Feuerwerk, nimmer kannst du verpuffen; denn dein Material ist ewig, wie die Zeit – Doch – halt – halt; ich brenne – ich falle ins Feuer. –
Tambourin und Schwert. Haltet euch fest – haltet euch fest an uns, Tänzer!
Sie und Er. Weh mir – Schwindel – Strudel – Wirbel – erfaßt uns – hinab! –
– – So lautete Wort für Wort der wunderliche Tanz, den Giglio Fava mit der Schönsten, die doch niemand anders sein konnte, als die Prinzessin Brambilla selbst, auf die anmutigste Weise durchtanzte, bis ihm in dem Taumel der jauchzenden Lust die Sinne schwinden wollten. Das geschah aber nicht; vielmehr war es dem Giglio, da Tambourin und Schwert nochmals ermahnten, sich festzuhalten, als sänke er der Schönsten in die Arme. Und auch dieses geschah nicht; wem er an der Brust lag, war keinesweges die Prinzessin, sondern der alte Celionati.
»Ich weiß nicht,« begann Celionati, »ich weiß nicht, mein bester Prinz (denn trotz Eurer absonderlichen Vermummung habe ich Euch auf den ersten Blick erkannt), wie Ihr dazu kommt, Euch auf solch grobe Weise täuschen zu lassen, da Ihr doch sonst ein gescheuter vernünftiger Herr seid. Gut nur, daß ich gerade hier stand und Euch in meinen Armen auffing, als die lose Dirne gerade im Begriff stand, Euch, Euern Schwindel benutzend, zu entführen.«
»Ich danke Euch,« erwiderte Giglio, »ich danke Euch recht sehr für Euren guten Willen, bester Signor Celionati; aber was Ihr da sprecht von grober Täuschung, verstehe ich ganz und gar nicht und es thut mir nur leid, daß der fatale Schwindel mich verhinderte, den Tanz mit der holdesten, schönsten aller Prinzessinnen, der mich ganz glücklich gemacht hätte, zu vollenden.«
»Was sagt,« fuhr Celionati fort, »was sagt Ihr? – Glaubt Ihr denn wohl, daß das wirklich die Prinzessin Brambilla war, die mit Euch tanzte? – Nein! – Darin liegt eben der schnöde Betrug, daß die Prinzessin Euch eine Person gemeines Standes unterschob, um desto ungestörter anderm Liebeshandel nachhängen zu können.« »Wäre es möglich,« rief Giglio, »daß ich getäuscht werden konnte? –«
»Bedenkt,« sprach Celionati weiter, »bedenkt, daß, wenn Eure Tänzerin wirklich die Prinzessin Brambilla gewesen wäre, wenn Ihr glücklich Euren Tanz beendigt hättet, in demselben Augenblick der große Magus Hermod erschienen sein müßte, um Euch mit Eurer hohen Braut einzuführen in Euer Reich.«
»Das ist wahr,« erwiderte Giglio; »aber sagt mir, wie alles sich begab, mit wem ich eigentlich tanzte!«
»Ihr sollt,« sprach Celionati, »Ihr müßt alles erfahren. Doch, ist es Euch recht, so begleite ich Euch in Euern Palast, um dort ruhiger mit Euch, o fürstlicher Herr, reden zu können.«
»Seid,« sprach Giglio, »seid so gut, mich dorthin zu führen! denn gestehen muß ich Euch, daß mich der Tanz mit der vermeintlichen Prinzessin dermaßen angegriffen hat, daß ich wandle, wie im Traum, und in Wahrheit augenblicklich nicht weiß, wo hier in unserm Rom mein Palast gelegen.« »Kommt nur mit mir, gnädigster Herr!« rief Celionati, indem er den Giglio beim Arm ergriff und mit ihm von dannen schritt.
Es ging schnurgerade los auf den Palast Pistoja. Schon auf den Marmorstufen des Portals stehend, schaute Giglio den Palast an von oben bis unten, und sprach darauf zu Celionati: »Ist das wirklich mein Palast, woran ich gar nicht zweifeln will, so sind mir wunderliche Wirtsleute über den Hals gekommen, die da oben in den schönsten Sälen tolle Wirtschaft treiben und sich gebärden, als gehöre ihnen das Haus und nicht mir. Kecke Frauenzimmer, die sich herausgeputzt mit fremdem Staat, halten vornehme verständige Leute – und, mögen mich die Heiligen schützen, ich glaube, mir selbst, dem Wirt des Hauses, ist es geschehen – für den seltenen Vogel, den sie fangen müssen in Netzen, die die Feenkunst mit zarter Hand gewoben, und das verursacht denn große Unruhe und Störung. Mir ist es, als wär' ich hier eingesperrt gewesen in ein schnödes Gebauer; darum möcht' ich nicht gern wieder hinein. Wär's möglich, bester Celionati, daß für heute mein Palast anderswo liegen könnte, so würd' es mir ganz angenehm sein.«
»Euer Palast, gnädigster Herr!« erwiderte Celionati, »kann nun einmal nirgends anders liegen, als eben hier, und es würde gegen allen Anstand laufen, umzukehren in ein fremdes Haus. Ihr dürft, o mein Prinz! nur daran denken, daß alles, was wir treiben und was hier getrieben wird, nicht wahr, sondern ein durchaus erlogenes Capriccio ist und Ihr werdet von dem tollen Volke, das dort oben sein Wesen treibt, nicht die mindeste Inkommodität erfahren. Schreiten wir getrost hinein!«
»Aber sagt mir,« rief Giglio, den Celionati, der die Thüre öffnen wollte, zurückhaltend, »aber sagt mir, ist denn nicht die Prinzessin Brambilla mit dem Zauberer Ruffiamonte und einem zahlreichen Gefolge an Damen, Pagen, Straußen und Eseln hier eingezogen?«
»Allerdings,« erwiderte Celionati; »doch kann das Euch, der Ihr doch den Palast wenigstens ebensogut besitzt, wie die Prinzessin, nicht abhalten, ebenfalls einzukehren, geschieht es auch vor der Hand in aller Stille. Ihr werdet Euch bald darin ganz heimatlich befinden.«
Damit öffnete Celionati die Thüre des Palastes und schob den Giglio vor sich hinein. Es war im Vorsaal alles ganz finster und grabesstill; doch erschien, als Celionati leise an eine Thüre klopfte, bald ein kleiner sehr angenehmer Pulcinell mit brennenden Kerzen in den Händen.
»Irr' ich nicht,« sprach Giglio zu dem Kleinen, »irr' ich nicht, so habe ich schon die Ehre gehabt, Euch zu sehn, bester Signor, auf dem Kutschendeckel der Prinzessin Brambilla.« »So ist es,« erwiderte der Kleine; »ich war damals in den Diensten der Prinzessin, bin es gewissermaßen noch jetzt, doch vorzüglich der unwandelbare Kammerdiener Eures gnädigsten Ichs, bester Prinz!«
Pulcinella leuchtete den beiden Ankömmlingen hinein in ein prächtiges Zimmer und zog sich dann bescheiden zurück, bemerkend, daß er überall, wo und wenn es der Prinz befehle, auf den Druck einer Feder sogleich hervorspringen werde; denn, unerachtet er hier im untern Stock der einzige in Liverei gesteckte Spaß sei, so ersetze er doch eine ganze Dienerschaft vermöge seiner Keckheit und Beweglichkeit.
»Ha!« rief Giglio, sich in dem reich und prächtig geschmückten Zimmer umschauend, »ha! nun erkenne ich erst, daß ich wirklich in meinem Palast, in meinem fürstlichen Zimmer bin. Mein Impressario ließ es malen, blieb das Geld schuldig und gab dem Maler, als er ihn mahnte, eine Ohrfeige, worauf der Maschinist den Impressario mit einer Furienfackel abprügelte! – Ja! – ich bin in meiner fürstlichen Heimat! – Doch Ihr wolltet mich wegen des Tanzes aus fürchterlicher Täuschung reißen, bester Signor Celionati. Redet, ich bitte, redet! Aber nehmen wir Platz!« –
Nachdem beide, Giglio und Celionati, auf weichen Polstern sich niedergelassen, begann dieser: »Wißt mein Fürst, daß diejenige Person, die man Euch unterschob statt der Prinzessin, niemand anders ist, als eine artige Putzmacherin, Giacinta Soardi geheißen!«
»Ist es möglich?« rief Giglio. – »Aber mich dünkt, dies Mädchen hat zum Liebhaber einen miserablen bettelarmen Komödianten, Giglio Fava?« »Allerdings,« erwiderte Celionati; »doch könnt Ihr es Euch wohl denken, daß eben diesem miserablen bettelarmen Komödianten, diesem Theaterprinzen die Prinzessin Brambilla nachläuft auf Stegen und Wegen und eben nur darum Euch die Putzmacherin entgegenstellt, damit Ihr vielleicht gar in tollem wahnsinnigen Mißverständnis Euch verlieben in diese und sie abwendig machen sollt dem Theaterhelden?«
»Welch ein Gedanke,« sprach Giglio, »welch ein freveliger Gedanke! – Aber glaubt es mir, Celionati, es ist nur ein böser dämonischer Zauber, der alles verwirrt und toll durcheinander jagt, und diesen Zauber zerstöre ich mit diesem Schwert, das ich mit tapfrer Hand führen und jenen Elenden vernichten werde, der sich untersteht, es zu dulden, daß meine Prinzessin ihn liebt.«
»Thut das,« erwiderte Celionati mit schälkischem Lachen, »thut das, bester Prinz! Mir selbst ist viel daran gelegen, daß der alberne Mensch je eher, desto besser, aus dem Wege geräumt wird.«
Jetzt dachte Giglio an Pulcinella und an die Dienste, zu denen er sich erboten. Er drückte daher an irgend eine verborgene Feder; Pulcinella sprang alsbald hervor und da er, wie er versprochen, eine ganze Zahl der unterschiedlichsten Dienerschaft zu ersetzen wußte, so war Koch, Kellermeister, Tafeldecker, Mundschenk beisammen und ein leckeres Mahl in wenigen Sekunden bereitet.
Giglio fand, nachdem er sich gütlich gethan, daß man doch, was Speisen und Wein betreffe, gar zu sehr spüre, wie alles nur Einer bereitet, herbeigeholt und aufgetragen; denn alles käme im Geschmack auf eins heraus. Celionati meinte, die Prinzessin Brambilla möge vielleicht eben deshalb Pulcinella zur Zeit aus ihrem Dienste entlassen haben, weil er in vorschnellem Eigendünkel alles selbst und allein besorgen wolle, worüber er schon oft mit Arlecchino in Streit geraten, der sich dergleichen ebenfalls anmaße. –
In dem höchst merkwürdigen Originalcapriccio, dem der Erzähler genau nacharbeitet, befindet sich hier eine Lücke. Um musikalisch zu reden, fehlt der Übergang von einer Tonart zur andern, so daß der neue Accord ohne alle gehörige Vorbereitung losschlägt. Ja man könnte sagen, das Capriccio bräche ab mit einer unaufgelösten Dissonanz. Es heißt nämlich, der Prinz (es kann kein andrer gemeint sein, als Giglio Fava, der dem Giglio Fava den Tod drohte) sei plötzlich von entsetzlichem Bauchgrimmen heimgesucht worden, welches er Pulcinellas Gerichten zugeschrieben, dann aber, nachdem ihn Celionati mit Liquor anodynus bedient, eingeschlafen, worauf ein großer Lärm entstanden. – Man erfährt weder, was dieser Lärm bedeutet, noch wie der Prinz, oder Giglio Fava, nebst Celionati aus dem Palast Pistoja gekommen.
Die fernere Fortsetzung lautet ungefähr wie folgt:
Sowie der Tag zu sinken begann, erschien eine Maske im Korso, die die Aufmerksamkeit aller erregte, ihrer Seltsamkeit und Tollheit halber. Sie trug auf dem Haupt eine wunderliche, mit zwei hohen Hahnfedern geschmückte Kappe, dazu eine Larve mit elefantenrüsselförmiger Nase, auf der eine große Brille saß, ein Wamms mit dicken Knöpfen, dazu aber ein hübsches himmelblauseidnes Beinkleid mit dunkelroten Schleifen, rosenfarbene Strümpfe, weiße Schuhe mit dunkelroten Bändern und ein schönes spitzes Schwert an der Seite.
Der geneigte Leser kennt diese Maske schon aus dem ersten Kapitel und weiß daher, daß dahinter niemand anders stecken kann, als Giglio Fava. Kaum hatte aber diese Maske den Korso ein paar Mal durchwandelt, als ein toller Capitan Pantalon Brighella, wie er auch schon oftmals in diesem Capriccio sich gezeigt, hervor und mit zornfunkelnden Augen auf die Maske zusprang, schreiend: »Treffe ich dich endlich, verruchter Theaterheld! – schnöder weißer Mohr! – Nicht entgehen sollst du mir jetzt! – Zieh dein Schwert, Hasenfuß, verteidige dich, oder ich stoße dir mein Holz in den Leib!«
Dabei schwenkte der abenteuerliche Capitan Pantalon sein breites hölzernes Schwert in den Lüften; Giglio geriet indessen über diesen unerwarteten Anfall nicht im mindesten außer Fassung, sondern sprach vielmehr ruhig und gelassen: »Was ist denn das für ein ungeschlachter Grobian, der sich mit mir hier duellieren will, ohne das geringste davon zu verstehen, was echte Rittersitte heißt? Hört, mein Freund! erkennt Ihr mich wirklich an, als den weißen Mohren, so müßt Ihr ja wissen, daß ich Held und Ritter bin, wie einer, und daß nur wahre Courtoisie mich heißt einherzugehen in himmelblauen Beinkleidern, Rosastrümpfen und weißen Schuhen. Es ist der Ballanzug in König Arthurs Manier. Dabei blitzt aber mein gutes Schwert an meiner Seite und ich werde Euch ritterlich stehen, wenn Ihr ritterlich mich angreift und wenn Ihr was Rechtes seid und kein ins Römische übersetzter Hanswurst!« –
»Verzeiht,« sprach die Maske, »verzeiht, o weißer Mohr, daß ich auch nur einen Augenblick außer Augen setzte, was ich dem Helden, dem Ritter schuldig bin! Aber so wahr fürstliches Blut in meinen Adern fließt, ich werde Euch zeigen, daß ich mit eben solchem Nutzen vortreffliche Ritterbücher gelesen, als Ihr.«
Darauf trat der fürstliche Capitan Pantalon einige Schritte zurück, hielt sein Schwert in Fechterstellung dem Giglio entgegen und sprach mit dem Ausdruck des innigsten Wohlwollens: »Ist es gefällig?« – Giglio riß, seinen Gegner zierlich grüßend, den Degen aus der Scheide und das Gefecht hub an. Man merkte bald, daß beide, der Capitan Pantalon und Giglio, sich auf solch ritterliches Beginnen gar gut verstanden. Fest in dem Boden wurzelten die linken Füße, während die rechten bald stampfend ausschritten zum kühnen Anfall, bald sich zurückzogen in die verteidigende Stellung. Leuchtend fuhren die Klingen durcheinander, blitzschnell folgte Stoß auf Stoß. Nach einem heißen bedrohlichen Gange mußten die Kämpfer ruhen. Sie blickten einander an und es ging mit der Wut des Zweikampfs solch eine Liebe in ihnen auf, daß sie sich in die Arme fielen und sehr weinten. Dann begann der Kampf aufs neue mit verdoppelter Kraft und Gewandtheit. Aber als nun Giglio einen wohlberechneten Stoß seines Gegners wegschleudern wollte, saß dieser fest in der Bandschleife des linken Beinkleids, so daß sie ächzend hinabfiel. »Halt!« schrie der Capitan Pantalon. Man untersuchte die Wunde und fand sie unbedeutend. Ein paar Stecknadeln reichten hin, die Schleife wieder zu befestigen. »Ich will,« sprach nun der Capitan Pantalon, »mein Schwert in die linke Hand nehmen, weil die Schwere des Holzes meinen rechten Arm ermattet. Du kannst deinen leichten Degen immer in der rechten Hand behalten.« »Der Himmel sei vor,« erwiderte Giglio, »daß ich dir solche Unbill anthue! Auch ich nehme meinen Degen in die linke Hand; denn so ist es recht und nützlich da ich dich so besser treffen kann.« »Komm an meine Brust, guter edler Kamerad,« rief der Capitan Pantalon. Die Kämpfer umarmten sich wiederum und heulten und schluchzten ungemein vor Rührung über die Herrlichkeit ihres Beginnens und fielen sich grimmig an. »Halt!« schrie nun Giglio, als er bemerkte, daß sein Stoß saß in der Hutkrempe des Gegners. Dieser wollte anfangs von keiner Verletzung was wissen; da ihm aber die Krempe über die Nase herabhing, mußte er wohl Giglios edelmütige Hülfleistungen annehmen. Die Wunde war unbedeutend; der Hut, nachdem ihn Giglio zurecht gerückt, blieb noch immer ein nobler Filz. Mit vermehrter Liebe blickten sich die Kämpfer an, jeder hatte den andern als rühmlich und tapfer erprobt. Sie umarmten sich, weinten, und hoch flammte die Glut des erneuerten Zweikampfs. Giglio gab eine Blöße, an seine Brust prallte des Gegners Schwert und er fiel entseelt rücklings zu Boden.
Des tragischen Ausgangs unerachtet schlug doch das Volk, als man Giglios Leichnam wegtrug, ein Gelächter auf, vor dem der ganze Korso erbebte, während der Capitan Pantalon kaltblütig sein breites hölzernes Schwert in die Scheide stieß und mit stolzen Schritten den Korso hinabwandelte. –
»Ja,« sprach die alte Beatrice, »ja es ist beschlossen, den Weg weise ich dem alten häßlichen Charlatan, dem Signor Celionati, wenn er sich wieder hier blicken läßt und meinem süßen holden Kinde den Kopf verrücken will. Und am Ende ist auch Meister Bescapi einverstanden mit seinen Narrheiten.« – Die alte Beatrice mochte in gewisser Art recht haben; denn seit der Zeit, daß Celionati es sich angelegen sein ließ, die anmutige Putzmacherin, Giacinta Soardi, zu besuchen, schien ihr ganzes Innres wie umgekehrt. Sie war wie im ewig fortdauernden Traum befangen und sprach zuweilen solch abenteuerliches verwirrtes Zeug, daß die Alte um ihren Verstand besorgt wurde. Die Hauptidee Giacintas, um die sich alles drehte, war, wie der geneigte Leser schon nach dem vierten Kapitel vermuten kann, daß der reiche herrliche Prinz Cornelio Chiapperi sie liebe und um sie freien würde. Beatrice meinte dagegen, daß Celionati, der Himmel wisse warum, darauf ausgehe, der Giacinta was weis zu machen; denn, hätte es seine Richtigkeit mit der Liebe des Prinzen, so sei gar nicht zu begreifen, warum er nicht schon längst die Geliebte aufgesucht in ihrer Wohnung, da die Prinzen darin sonst gar nicht so blöde. Und dann wären doch auch die paar Dukaten, die Celionati ihnen zusteckte, durchaus nicht der Freigebigkeit eines Fürsten würdig. Am Ende gäb' es gar keinen Prinzen Cornelio Chiapperi; und gäb' es auch wirklich einen, so habe ja der alte Celionati selbst, sie wisse es, auf seinem Gerüst vor S. Carlo dem Volke verkündigt, daß der assyrische Prinz, Cornelio Chiapperi, nachdem er sich einen Backzahn ausreißen lassen, abhanden gekommen und von seiner Braut, der Prinzessin Brambilla, aufgesucht würde.
»Seht Ihr wohl,« rief Giacinta, indem ihr die Augen leuchteten, »seht Ihr wohl? da habt Ihr den Schlüssel zum ganzen Geheimnis, da habt Ihr die Ursache, warum der gute edle Prinz sich so sorglich verbirgt. Da er in Liebe zu mir ganz und gar glüht, fürchtet er die Prinzessin Brambilla und ihre Ansprüche, und kann sich doch nicht entschließen, Rom zu verlassen. Nur in der seltsamsten Vermummung wagt er es sich im Korso sehen zu lassen und eben der Korso ist es, wo er mir die unzweideutigsten Beweise seiner zärtlichsten Liebe gegeben. Bald geht aber ihm, dem teuern Prinzen, und mir der goldne Glücksstern auf in voller Klarheit. – Erinnert Ihr Euch wohl eines geckenhaften Komödianten, der mir sonst den Hof machte, eines gewissen Giglio Fava?«
Die Alte meinte, daß dazu eben kein besonderes Gedächtnis gehöre, da der arme Giglio, der ihr noch immer lieber sei, als ein eingebildeter Prinz, erst vorgestern bei ihr gewesen und sich das leckere Mahl, das sie ihm bereitet, wohl schmecken lassen.
»Wollt,« fuhr Giacinta fort, »wollt Ihr's wohl glauben, Alte, daß die Prinzessin Brambilla diesem armseligen Schlucker nachläuft? – So hat es Celionati mir versichert. Aber so wie sich der Prinz noch scheut, öffentlich aufzutreten als der Meinige, so trägt die Prinzessin noch allerlei Bedenken, ihrer vorigen Liebe zu entsagen und den Komödianten Giglio Fava zu erheben auf ihren Thron. Doch in dem Augenblick, wenn die Prinzessin dem Giglio ihre Hand reicht, empfängt der Prinz hochbeglückt die meinige.«
»Giacinta,« rief die Alte, »was für Thorheiten, was für Einbildungen!«
»Und was,« sprach Giacinta weiter, »und was Ihr davon sagt, daß der Prinz es bis jetzt verschmäht hat, die Geliebte aufzusuchen in ihrem eigenen Kämmerlein, so ist das grundfalsch. Ihr glaubt es nicht, welcher anmutigen Künste sich der Prinz bedient, um mich unbelauscht zu sehen. Denn Ihr müßt wissen, daß mein Prinz nebst andern löblichen Eigenschaften und Kenntnissen, die er besitzt, auch ein großer Zauberer ist. Daß er einmal zur Nacht mich besuchte, so klein, so niedlich, so allerliebst, daß ich ihn hätte aufessen mögen, daran will ich gar nicht denken. Aber oft erscheint er ja, selbst wenn Ihr zugegen, plötzlich hier mitten in unserem kleinen Gemach und es liegt nur an Euch, daß Ihr weder den Prinzen, noch all' die Herrlichkeiten erblickt, die sich dann aufthun. Daß unser enges Gemach sich dann ausdehnt zum großen herrlichen Prachtsaal mit Marmorwänden, golddurchwirkten Teppichen, damastnen Ruhebetten, Tischen und Stühlen von Ebenholz und Elfenbein, will mir noch nicht so gefallen, als wenn die Mauern gänzlich schwinden, wenn ich mit dem Geliebten Hand in Hand wandle in dem schönsten Garten, wie man ihn sich nur denken mag. Daß du, Alte, die himmlischen Düfte nicht einzuatmen vermagst, die in diesem Paradiese wehen, wundert mich gar nicht, da du die häßliche Gewohnheit hast, dir die Nase mit Tabak vollzustopfen und nicht unterlassen kannst, selbst in Gegenwart des Prinzen dein Döschen herauszuziehen. Aber das Backentuch solltest du wenigstens wegthun von den Ohren, um den Gesang des Gartens zu vernehmen, der den Sinn gefangen nimmt ganz und gar und vor dem jedes irdische Leid schwindet und auch der Zahnschmerz. Du kannst es durchaus nicht unschicklich finden, wenn ich es dulde, daß der Prinz mich auf beide Schultern küßt; denn du siehst es ja, wie dann mir augenblicklich die schönsten, buntesten, gleißendsten Schmetterlingsflügel herauswachsen und wie ich mich emporschwinge hoch – hoch, in die Lüfte. – Ha! – das ist erst die rechte Lust, wenn ich mit dem Prinzen so durch das Azur des Himmels segle. – Alles, was Erd' und Himmel Herrliches hat, allen Reichtum, alle Schätze, die, verborgen im tiefsten Schacht der Schöpfung, nur geahnet wurden, gehen dann auf vor meinem trunknen Blick und alles – alles ist mein! – Und du sagst, Alte, daß der Prinz karg sei und mich in Armut lasse, unerachtet seiner Liebe? – Aber du meinst vielleicht nur, wenn der Prinz zugegen, sei ich reich; und auch das ist nicht einmal wahr. Sieh, Alte, wie in diesem Augenblick, da ich nur von dem Prinzen rede und von seiner Herrlichkeit, sich unser Gemach so schön geschmückt hat. Sieh diese seidnen Vorhänge, diese Teppiche, diese Spiegel, vor allen Dingen aber jenen köstlichen Schrank, dessen Äußeres würdig ist des reichen Inhalts! Denn du darfst ihn nur öffnen und die Goldrollen fallen dir in den Schooß. Und was meinst du zu diesen schmucken Hofdamen, Zofen, Pagen, die mir der Prinz indessen, ehe der ganze glänzende Hofstaat meinen Thron umgiebt, zur Bedienung angewiesen hat?«
Bei diesen Worten trat Giacinta vor jenen Schrank, den der geneigte Leser schon im ersten Kapitel geschaut hat und in dem sehr reiche, aber auch sehr seltsame abenteuerliche Anzüge hingen, die Giacinta auf Bescapis Bestellung ausstaffiert hatte und mit denen sie jetzt ein leises Gespräch begann.
Die Alte schaute kopfschüttelnd dem Treiben Giacintas zu, dann begann sie: »Gott tröste Euch, Giacinta! aber Ihr seid befangen in argem Wahn und ich werde den Beichtvater holen, damit er den Teufel vertreibe, der hier spukt. – Aber ich sag' es, alles ist die Schuld des verrückten Charlatans, der Euch den Prinzen in den Kopf gesetzt, und des albernen Schneiders, der Euch die tollen Maskenkleider in Arbeit gegeben hat. – Doch nicht schelten will ich! – Besinne dich, mein holdes Kind, meine liebe Giacintinetta, komm zu dir, sei artig, wie zuvor!«
Giacinta setzte sich schweigend in ihren Sessel, stützte das Köpfchen auf die Hand und schaute sinnend vor sich nieder!
»Und wenn,« sprach die Alte weiter, »und wenn unser guter Giglio seine Seitensprünge läßt – Doch halt – Giglio! – Ei! indem ich dich so anschaue, Giacintchen, kommt mir in den Sinn, was er uns einmal vorlas aus dem kleinen Buche – Warte – warte – warte – das paßt auf dich vortrefflich.« – Die Alte holte aus einem Korbe unter Bändern, Spitzen, Seidenlappen und andern Materialien des Putzes, ein kleines saubergebundenes Büchelchen hervor, setzte ihre Brille auf die Nase, kauerte nieder vor Giacinta und las:
»War es an dem einsamen Moosufer eines Waldbachs, war es in einer duftenden Jasminlaube? – Nein – ich besinne mich jetzt, es war in einem kleinen freundlichen Gemach, das die Strahlen der Abendsonne durchleuchteten, wo ich sie erblickte. Sie saß in einem niedrigen Lehnsessel, den Kopf auf die rechte Hand gestützt, so daß die dunklen Locken mutwillig sich sträubten und hervorquollen zwischen den weißen Fingern. Die Linke lag auf dem Schooße und zupfte spielend an dem seidnen Bande, das sich losgenestelt von dem schlanken Leib, den es umgürtet. Willkürlos schien der Bewegung dieser Hand das Füßchen zu folgen, dessen Spitze nur eben unter dem faltenreichen Gewande hervorkuckte und leise leise auf- und niederschlug. Ich sag' es Euch, so viel Anmut, so viel himmlischer Liebreiz war über ihre ganze Gestalt hingegossen, daß mir das Herz bebte vor namenlosem Entzücken. Den Ring des Gyges wünscht' ich mir: sie sollte mich nicht sehen; denn von meinem Blick berührt würde sie, fürchtete ich, in die Luft verschwinden, wie ein Traumbild! – Ein süßes holdseliges Lächeln spielte um Mund und Wange, leise Seufzer drängten sich durch die rubinroten Lippen und trafen mich wie glühende Liebespfeile. Ich erschrak; denn ich glaubte, ich hätte laut ihren Namen gerufen im jähen Schmerz inbrünstiger Wonne! – Doch, sie gewahrte mich nicht, sie sah mich nicht. – Da wagt' ich es ihr in die Augen zu blicken, die starr auf mich gerichtet schienen und in dem Wiederschein dieses holdseligen Spiegels ging mir erst der wundervolle Zaubergarten auf, in den das Engelsbild entrückt war. Glänzende Luftschlösser öffneten ihre Thore und aus diesen strömte ein lustiges buntes Volk, das fröhlich jauchzend der Schönsten die herrlichsten reichsten Gaben darbrachte. Aber diese Gaben waren ja eben alle Hoffnungen, alle sehnsüchtigen Wünsche, die aus der innersten Tiefe des Gemüts heraus ihre Brust bewegten. Höher und heftiger schwollen, gleich Lilienwogen, die Spitzen über dem blendenden Busen und ein schimmerndes Inkarnat leuchtete auf den Wangen. Denn nun erst wurde das Geheimnis der Musik wach und sprach in Himmelslauten das Höchste aus – Ihr könnet mir glauben, daß ich nun wirklich selbst im Wiederschein jenes wunderbaren Spiegels, mitten im Zaubergarten stand.« –
»Das ist,« sprach die Alte, indem sie das Buch zuklappte und die Brille von der Nase nahm, »das ist alles nun sehr hübsch und artig gesagt; aber du lieber Himmel, was für ausschweifende Redensarten, um doch eigentlich weiter nichts auszudrücken, als daß es nichts Anmutigeres, und für Männer von Sinn und Verstand nichts Verführerischeres giebt, als ein schönes Mädchen, das in sich vertieft dasitzt und Luftschlösser baut. Und das paßt, wie gesagt, sehr gut auf dich, meine Giacintina und alles, was du mir da vorgeschwatzt hast vom Prinzen und seinen Kunststücken, ist weiter nichts, als der lautgewordene Traum, in den du versunken.«
»Und,« erwiderte Giacinta, indem sie sich vom Sessel erhob und wie ein fröhliches Kind in die Händchen klatschte, »und wenn es denn wirklich so wäre, gliche ich denn nicht eben deshalb dem anmutigen Zauberbilde, von dem Ihr eben laset? – Und daß Ihr's nur wißt, Worte des Prinzen waren es, die, als Ihr aus Giglios Buch etwas vorlesen wolltet, willkürlos über Eure Lippen flossen.«
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