Max Eyth
Der Waldteufel
Max Eyth

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Dritter Akt.

1. Szene.

Wirtsgarten hinterm Hirsch. Im Hintergrund Laube, Tisch und Bänke; im Vordergrund das obere Ende einer Kegelbahn, die sich nach links hinter die Kulissen verzieht.

Blumenreich und Raufeck. (Raufeck, trinkend, schiebt während des Gesprächs hie und da eine Kugel, die er mit jenen, einem Kegler eigentümlichen Gebärden am andern Ende der Bahn zu dirigieren sucht.) In der Laube im Hintergrund Weller und Minchen in lebhaftem Gespräch.

Raufeck (lacht unmäßig, trinkt, hustet, lacht und trinkt wieder). O Blumenreich, daß mir die Götter diesen Anblick versagten!

Blumenreich. Lach nach meiner Hochzeit, ich bitt' dich; dann kann mir's gleichgültig sein, ob du an einem Schoppen erstickst. Sie schreit, wirft die Flasche ins Zimmer und fort ist sie, weg, aus dem Bereich aller vernünftigen Erklärung spurlos verschwunden.

Raufeck. Die Alte wird's ihr schon deutlich machen.

Blumenreich. Wer weiß, wie es unsere Steine verschiebt! Du kennst die Weiber nicht.

Raufeck (wieder zu lachen beginnend). Du in den Armen der älteren Fünfzigtausend! Süßer Artur! Einziger Artur! Prrr! (Er wirft eine Kugel rücklings zwischen den Beinen durch, dreht sich um und sieht ihr neugierig nach.)

Blumenreich. Und damit ist die Szene noch nicht zu Ende. Mein erster Gedanke war: Jetzt gibt's eine Ohnmacht; wer stehet mir bei, das alte Gestell auf das Sofa zu bringen? Ganz im Gegenteil. Sie fährt auf wie besessen. Statt nach Goethes Riechfläschchen schreit sie nach einem Suppenlöffel, legt sich auf alle Viere und beginnt den Wein mit dem Löffel in ein Glas zu schöpfen, »'s ist Malaga!« sagt sie entschlossen. Es lief mir eine Gänsehaut den Rücken hinauf und ich lief davon.

Raufeck. Kein Wunder, mein süßer Artur! Aber – die Sache hat zwei Seiten, du hast recht.

Blumenreich. Natürlich geb' ich ihr noch ein paar Winke in betreff des Morgens. Soweit wäre alles in Ordnung.

Raufeck. Gut, schon gut. Auch ich habe mittlerweile den Postillon ausspioniert, der heute nacht die Staatszeitung mit dem amtlichen Zertifikat deines Durchfalls von Münchingen holt. Eine ehrliche Haut und der größte Lump im Nest! Da hat's keine Not. Der Kerl ist besoffen in einer Kürze und die Waldhäuser haben die Kundgebungen ihres Landesvaters morgen aus dem Kaminrauch des goldenen Hirschs zu entziffern. Laß das mir!

Blumenreich. O ihr Sterne meiner Liebe! Wär's morgen und alles im Blei!

Raufeck. O ihr Sterne meiner Zweitausend! Wär's morgen und ich hätt' euch in der Tasche! Blumenreich! Artur! Schreibe flugs 3000! Weiß Gott, du bist mir's schuldig für die Sorgen, die du mir machst.

Blumenreich. Schreib, was du willst; aber verhilf mir zu meinem Schatz.

Raufeck. Genau, was ich zu dir sagen wollte. Gut, ich schreibe viertausend. Aber 's ist mir nur halb wohl bei der Sache.

Blumenreich (ängstlich). Warum? Du befürchtest doch nicht –

Raufeck. Warum? Du bist nicht ehrlich gegen mich.

Blumenreich. Raufeck, mein ganzes Herz liegt vor dir.

Raufeck. Gewiß, gewiß, wie eine gebadete Maus, wie ein nackter Pudel. Aber wie stehst du mit dem Engel? Dort sitzt der Haken und mir ist nur halb wohl. Auf Zerevis! Die Tante ist goldeswert. Aber sie ist nur die Hälfte der Zweimalfünfzigtausend und die unsicherere. Blumenreich (mit sichtlichem Widerstreben). Gerad' heraus, Raufeck, – das heißt, – wenn du's wissen mußt, – ich darf behaupten – (wild) – wenn die Tante nicht wäre, ich würde verzweifeln!

Raufeck (eine Kugel nachdenklich balancierend). So – hm – das klingt doch wenigstens deutsch. – Was ist sie für eine Kreatur? Ich meine, die Junge?

Blumenreich. Einen Eindruck hab' ich sicherlich auf sie gemacht, einen lebhaften Eindruck. Wer mein sechstes Binsenlied lesen kann, ohne daß es den gewaltigsten Eindruck zurückläßt, der müßte ein Dickhäuter sein wie ein Nashorn, Und sie ist ein Engel!

Raufeck. Letzteres macht mir die Situation um vieles klarer, Blumenreich. Du bist ein Kapitalkerl in Charakterschilderungen. Was sagt die Tante?

Blumenreich. Aber der Eindruck, fürcht' ich, hat noch nicht die nötige Ausdehnung, bei aller Gewalt noch nicht die das ganze Wesen durchdringende subjektive Tiefe gewonnen – (macht verlegene Bewegungen mit Händen und Armen). Ich kann mir's nicht erklären; 's steckt was dahinter; 's muß was dahinter stecken, das ich nicht sehe.

Raufeck. Richtig geraten, Poet! Das ist's, was ich fürchte. Wer dich kennt, wie du bist, dein verwaschenes Gemüt und deine amtlich geprüfte Intelligenz, und wer weiß, wo dich der Schuh drückt, mag schon eine Zeitlang hinter den Ohren kratzen, ehe er dir um den Hals fällt. Wer dich aber nimmt, wie du dich stellst, wie du heute diesen Böotiern erscheinen mußt, – Teufel alle Welt, kein Mädel mit ihren sechs Sinnen weist dir die Türe, Engel hin oder her, wenn nicht –

Blumenreich. Wenn nicht – was?

Raufeck. Ein Dritter dahintersteckt, Arturchen! Was sagt die Tante?

Blumenreich (stöhnend). »Seien Sie mir still mit dem Kind!« sagte sie. Die Tante ist ein wahrer Spartaner. Sie trifft den Nagel auf den Kopf mit jedem Schlag ihrer Zunge.

Raufeck. Das klingt schon besser. Die Alte muß es wohl wissen, wie sie mit der Jungen dran ist. Mut, Junge, Mut! (schiebt unerwartet eine Kugel, der sich Blumenreich, welcher in der Bahn steht, durch einen verzweifelten Seitensprung entzieht). Hätten wir nur 5000 geschrieben statt der lumpigen 4000, Arturchen! Zehn Prozent ist unter Geschäftsleuten, wie wir, eine wahre Bagatelle. Wenn du mir einmal zur Herausgabe meiner epischen Werke behilflich bist, sollst du 10 Prozent vom Reinertrag haben. Ich knause nie wie gewisse Dichterseelen.

Blumenreich. Weißt du, was ich tun will?

Raufeck. Was, mein süßer Knabe?

Blumenreich. Ich bring' ihr heute abend ein Ständchen. 's muß sie weicher stimmen für morgen. 's muß den Eindruck dieser verdammten Szene von heute früh verwischen.

Raufeck. Glaubst du? Wie die Eitelkeit den Menschen verblendet!

Blumenreich. Die Musik! – Du kennst nicht die Wirkung der Musik in der Abenddämmerung. Du verstehst nicht, wie tief die Klänge der Männerstimme ein Mädchenherz bewegen können.

Raufeck. Wenn dein Engel eine Henne wäre, wollt' ich's ja glauben, Mann! Was du deinen Tenor nennst, hat soviel Ähnlichkeit mit den süßen Klängen des Königs der Dunghausen –

Blumenreich (gekränkt). Manchmal muß ich unserer jahrelangen Freundschaft viel zugut halten.

Raufeck. Donnerwetter! ich wollte dich bitten, mich zu begleiten, aber –

Raufeck. Als Sancho Pansa?

Blumenreich. Als erster Baß.

Raufeck. Wenn du mir nicht vorher zwanzig Schoppen Bier eintrichterst, so sing' ich Fistel wie ein Eunuche. 's ist ein altes Gebrechen.

Blumenreich. O, mit Vergnügen! Wir singen – was singen wir gleich?

Raufeck. Was du willst, Artur: »Ich hab' den ganzen Vormittag« – oder »Krambambuli«.

Blumenreich. Alter Narr! Ah, ich hab's: mein siebentes Binsenlied ist wie gemacht für den Zweck.

Raufeck. Geht's nach der Melodie: »Ochs und Esel stritten sich beim Spaziergang um die Wette?«

Blumenreich. Nein; aber ich hab' eine Melodie dafür,– eine Melodie, sag' ich dir, – komm auf mein Zimmer, wir müssen's gleich einstudieren.

Raufeck. Sollten wir nicht die Nachbarschaft vorher warnen?

Blumenreich. 's ist schon vier Uhr! – komm! komm!

Raufeck. Mein Gott, was die Liebe einem zu tun gibt! Aber schreibe 5000, Arturchen! Du hetzest mich ab wie einen englischen Windhund in deinem Narrendienst. – Krötchen! Minna! – süßer Madonnenkopf samt dem nötigen Zubehör, erscheine!

2. Szene.

Minchen (kommt aus der Laube). Die Vorigen.

Raufeck. Wieviel Schoppen haben wir im Garten gehabt? Blas dein Posaunchen, milder Richtengel!

Minchen. Der Herr Baron zwei und Sie sieben und einen Hering.

Raufeck (feierlich). Der Herr Baron Nr. 1 – zwei, der Herr Baron Nr. 2 – sieben und den Hering, liebliche Kinderseele! Achtung ist die Schwiegermutter der Liebe. Ich muß mich in Respekt setzen. 7 und 2 tut 9. Schreiben Sie 9 auf die Rechnung des Barons Nr. 1!

Minchen. Wie Sie wünschen.

Raufeck. Auch was ich wünsche? (Will sie ins Kinn kneipen; Minchen stößt ihn derb zurück.) Hübsch pariert, mein Amazönchen! Morgen wieder auf die Mensur!

Blumenreich (Arm in Arm mit Raufeck, im Abgehen). Eine Melodie, Raufeck, und ein Text, – wenn ihr das Herz nicht im Leibe schmilzt wie Butter in der Sonne, – ha: »Königstöchterlein, hüte dich fein! Heut nacht wird dein Schlößlein gefährdet sein!« – Schad', daß das von dem ledernen Uhland ist! (Beide ab.)

3. Szene.

Minchen (Gläser abräumend). Weller (aus der Laube kommend. Gleich darauf der Affe, ein Gläschen in der Vorderpfote, mit dem er fortwährend anstoßen will, und einen Hut auf dem Kopf, der ihm hie und da über die Nase fällt.)

Minchen. Zwei Minuten hältst du's nicht allein aus, Vetter.

Weller. Vetter! Vetter! Den ganzen lieben Nachmittag: Vetter! Hast du nicht Vettern genug in allen Winkeln des Ländchens, (scharfbetonend) die du »bevettern« kannst, Base?

Minchen. Oho, soll ich dir Zucker drauf streuen?

Weller. Mit etwas Liebe, Minchen!

Minchen. Fängt der das süße Gewinsel auch an! Sag ihm, Cäsar, er soll sich schämen; sag's ihm!

Weller. Hab Geduld, Schatz! Es wird schon besser kommen. Aber in den ersten drei Stunden und zwei Minuten nach dem letzten Kuß!

Minchen. Willst du mir mein Strickzeug holen, Schlingel?

Weller. Ich hab's in der Tasche.

Minchen. So, dann setz dich hin und sei vernünftig. Wir wollen ein ordentliches Wort zusammen reden, wie Vetter und Basen sollten, und hübsch zusammensitzen vor der Leute Augen, damit sie auch was zu schwatzen bekommen, 's ist ein Akt der Mildtätigkeit in Waldhausen. Weller, Herzensmädchen, daß wir, ich und der Nimrod, die Waldhäuser so verachten konnten, wir blinde Kälber!

Minchen. Die Weiber sind so übel nicht. Aber deine Geschichte dreht mir das Herz im Leib herum. Was tun? was tun? Weller, Hast du denn Emilie gern? Würdest du ihr helfen, wenn du könntest?

Minchen. O, ich liefe durch Feuer und Wasser für sie. Und dann – pass' auf, Vetter! – dann haben wir auch ausgemacht, daß keine vor der andern heiraten soll.

Weller. Ist das ein Gebot, das zu halten ist?

Minchen. Versteht sich! Das kam so. Wir waren beide noch in der Kinderlehre, aber schon groß. Da muß ich einmal wegbleiben, weil der Vetter von Münchingen – nun, was geht's dich an, wegen was –

Weller. Aber das möcht' ich jetzt gerad' wissen, Schatz!

Minchen. Das glaub' ich dir; aber heut' noch nicht. Kurzum, ich blieb weg und damals war der strenge Amtsverweser hier. Schwarz hieß er und schwarz war er. Der schickt zum Vater und läßt ihm sagen, daß ich am nächsten Sonntag Kirchbuß' tun müsse »nach einem alten frommen Brauch«, sagt er, und herausstehen vor allen Leuten. Ich war natürlich ganz verzweifelt und weinte Tag und Nacht. Das Städtchen kam in Aufruhr. Aber der Amtsverweser wollte seinen »frommen Brauch« haben. – Was tut meine Emilie? Freitags ist wieder Kinderlehre. Anstatt auf ihrem Kirchenbänklein zu sitzen, spaziert sie wohlgemut nach Herzach. Jedermann sah sie. Was war zu machen? Des Herrn Amtsrichters Emilie konnte doch nicht Kirchenbuße tun und die eine konnte man nicht strafen und die andre loslassen, wenn's die ganze Stadt mit ansah. So hatte meine gute Emilie drei lange Predigten mit anzuhören, eine vom Amtsverweser, eine vom Dekan und eine von ihrem Vater. Das war die kürzeste und am Schluß gab er ihr einen neuen Hut. Nach mir fragte kein Mäuslein mehr; nur lachten die Leute, wie ich das nächste Mal in die Kirche kam, und freuten sich. Seit der Zeit sind wir ein Herz und eine Seele und nun weißt du's, Schatz.

Weller. So, das laß ich mir gefallen, – »Schatz!«

Minchen. Du hast dir überhaupt alles gefallen zu lassen für das nächste halbe Jahr. Merk dir das! Aber jetzt sag mir: wie kam Frank an dich?

Weller. Frag, wie kam ich an Frank, und du bist näher am Ziel. Du weißt, wie er von Waldhausen weglief.

Minchen. O ja, 's war auch wegen

Emilie. Ich weiß es nur zu gut.

Weller. Ich war ein paar Monate vor ihm in die Residenz gekommen und hatte einen Platz bekommen, –

Minchen. Als Reitknecht.

Weller. Nicht viel besser, damit du nicht zu hoffärtig wirst.

Minchen. Hat heute noch keine Not.

Weller. Es gefiel mir herzlich schlecht, und die erste Freude, die ich wieder hatte, war, als Frank mich auffand.

Minchen. Da war ein sauberes Pärchen beieinander!

Weller. Das Geld ging uns oft genug auf die Neige; der Mut nie, – ihm nie. Und kaum hatte er den Posten bei dem Prinzen bekommen, so hatte er auch einen Platz für mich in den fürstlichen Marställen aufgetrieben. Wie er's anstellte, weiß ich nicht. Aber er stellte es an.

Minchen. Ein herzensguter Mensch; man sieht's ihm wohl an.

Weller. Nachher, so oft er mit seinem Prinzen heimkam, war für mich jedesmal eine Beförderung soviel als gewiß. Voriges Jahr, als sie von Abessinien nach Indien gingen, kam aus Kairo ein Brief und ich wurde dritter Unterstallmeister. Siehst du nun, wie er an mich kam?

Minchen. Und den wollen sie um meine Emilie bringen, die Schandbuben! Und sie gewinnen's, sie gewinnen's, wenn wir nichts tun!

Weller. Das ist nur zu klar. Was hilft's auch, wenn er aus dem Loch ist? Das wäre nur der lumpige Anfang! Und heraus kommt er gewiß, irgendwie!

Minchen. Komm her, Cäsar, gutes, treues Vieh, rat uns, – hilf uns! – Weller (den Affen liebkosend). Wie das Wetter war er an der Wand hinauf. Ich weiß nicht, warum ihn Frank solange warten ließ. Aber der Bursche weiß sich zu helfen. Die Fensterscheiben flogen in Stücke und das Briefchen war drin. Trink, kleiner Saufbruder! Das Wohl deines Herrn!

Minchen. Gutes, treues Vieh! Der Affe tut mehr für ihn als wir.

Weller. Kannst du nicht Emilie warnen?

Minchen. Was hilft's? Ich will heute abend noch hinauf und ihr sagen, was für Gäste sie zu erwarten hat. Aber die Tante hält's mit den Spitzbuben und der Vater muckst nicht, wenn die Tante bst! sagt. Wehren wird sie sich, und wenn sie eine alte Jungfer drüber wird!

Weller. Minchen, habt ihr wirklich geschworen, daß keine vor der andern heiraten soll? Rat, hilf! 's geht an dein eigenes postpapierenes Hälschen!

Minchen. Ja, wenn die Männer was wären, (nachdenklich) aber die Waldhäuser sind wie Stroh, so tappig.

Weller. Minchen, wie lang war ich nicht mehr hier und gar Frank? Man lernt manches draußen. Minchen, 's ist wahr; die Leute kennen euch kaum mehr. Seid aber doch Waldhäuser! – Kannst du nicht auch den Fürsten spielen?

Weller. Minchen!

Minchen. Und mit dem Frank auf die Vogtei fahren, gerade wie die andern, oder ein wenig vorher, und sehen, wer's gewinnt?

Weller. Goldmädchen! Goldmädchen!

Minchen. Eine kleine Spitzbüberei wär's!

Weller. O gerechter Himmel! ja, ja, das wird er sagen. Er wird nie gehen. Er wird vor mich hinstehen, so lang er ist: »Weller, soll ich mich in meinen Himmel hineinlügen? 's ist dein Ernst nicht«, und damit ist's abgemacht.

Minchen. Ach, diese Männer! Aber wenn ihm das Wasser an die Seele geht, und er sieht die beiden andern anfahren?

Weller. Bah! er ist gewohnt, daß ihm das Wasser an die Seele geht. Er denkt, er schwimme immer wieder hinaus. Aber diesmal ist er nicht in Hindostan.

Minchen. Das sollte er einsehen, um Emiliens willen. Sag ihm den Plan, wenn die andern auf dem Weg sind. Lock ihn in die Vogtei und sag's ihm erst auf der Treppe, wenn er nicht mehr zurück kann.

Weller. Weiber! Weiber! Was konnte Adam tun seinerzeit, als in den sauren Apfel beißen? Aber ich gehe. Der Brief muß gewirkt haben. Vielleicht seh' ich was von ihm. Adieu, mein Schatz! Keinen Kuß mehr?

Minchen. 's ist mehr als genug für heute.

Weller. Und eine Doppelhochzeit wollen wir halten, an die unsre Kindeskinder noch denken sollen!

Minchen. Aber was soll ich denn mit meinen Liebhabern anfangen?

Weller. Hast du mehr?

Minchen. Nicht Finger genug, um sie aufzuzählen. Dort kommt einer.

Weller. Ein Dutzend nehm' ich auf mich. Die Übrigen mußt du selbst totschlagen.

Minchen. (Beide dem Gartentür im Hintergrund zugehend.) Da bewahr mich Gott davor, daß ich so was tu'! Laß mir den Affen und komm bald wieder. 's ist so ein herziges Geschöpf, so niedlich und manierlich. –

Weller. Fast wie du! (küßt sie, ab).

4. Szene.

Schnell (mit einem Blumenstrauß, sorgfältig geputzt und sehr rot).

Schnell. Was war das? Mit wem ging sie da hinaus? Da sollen doch gleich sieben siedige Donnerwetter ganz Waldhausen klaftertief in den Boden schlagen! Ruhig, Schnell, halt's Maul! Du kommst sonst aus dem Takt! – Aber länger halt' ich's nicht aus. Keinen Schlaf bei Nacht, keine Ruh bei Tag. Gestern den Gäulen nichts zu saufen gegeben, – 'raus muß es, und wenn sie mich erschießen! Rot wird sie werden! Augen wird sie machen! Aber hinstehen will ich wie ein Mann. Ich bin so fuchsteufelswild, daß ich mich lieber gleich aufknüpfen möcht' an meiner Peitschenschnur. Ich bin doch auch ein Mensch, Hab' meine geraden Glieder wie ein andrer, und Courage wie zehn. Sie sagen: ich sei ein Lump, weil ich keine Schlafmütze bin wie sie. Sapperment; ich bin soviel wert als ihrer zwölf (stürzt einen Schoppen hinunter, den ihm Hansel bringt). Und sie ist auch nur ein Mädel und wenn sie zwanzig goldene Hirsche erbt, 'raus muß es! Kann ich mich in sie vergaffen, kann sie's auch in mich. Courage, das ist – Jesus Maria, halt's Maul, Schnell! sie kommt!

5. Szene.

Minchen (mit dem Affen spielend, kommt langsam zurück). Schnell.

Minchen. Auch hier, Schnell? Immer lustig und immer durstig? Sie sind doch noch einer von denen, die ein Herz im Leib haben. Schnell. O Fräulein Minchen:

Minchen. Was soll das O vor der Titulatur? Schnell (aufblickend). Sapperlot! Wer ist denn der junge Herr?

Minchen. Einer meiner Freunde, Schnell. Geh hin, Cäsar, und gib ihm die Hand! Schnell (zurückweichend). Ist das der Wilde von gestern nacht, der meinen Alten fast totgeschlagen hat?

Minchen. Ja, ja, der ist's. Nehmen Sie sich in acht! Beleidigen Sie ihn nicht! Schnell. Versteht er deutsch?

Minchen. Wie seine Muttersprache. (Der Affe holt sich einen Stuhl und setzt sich an den Tisch an Minchens Seite.)

Schnell (ihn mit Mißtrauen betrachtend, nachdenklich). Er ist doch nur ein Vieh, Fräulein Minchen. Sehen Sie nur – die Haare! Und er sagt ja nichts.

Minchen. Er denkt um so mehr. Wenn jeder ein Vieh wäre, der nichts sagt, Schnell!

Schnell. O Fräulein Minchen!

Minchen. Was soll denn aber das O schon wieder?

Schnell. Er sieht mich an, als ob er jedes Wort verstünde.

Minchen. Ich sagt's Ihnen ja. Sein Herr ist ein Deutscher.

Schnell (verlegen). Könnten Sie ihn nicht wegschicken, nur auf drei Minuten? Er sieht mich so kurios an.

Minchen (verwundert). Kurios? Was ist mit Ihnen heut. Kommt dieser Schnell zur Gartentür herein, aufgeputzt, als ging's zu einer Hochzeit, und macht ein Gesicht wie ein Leichenbitter! Schnell, Schnell! schnell ein andres Gesicht!

Schnell (heftig gegen den Affen). Gsch! – gusch!

(Der Affe gegen Schnell.) Gsch! – gsch!

Schnell. Der Teufel: er versteht's. Aber es ist mir egal, 'raus muß es jetzt, – Minchen – Fräulein Minchen, – o Fräulein Minchen!

Minchen. Da haben wir das ABC wieder. Schnell, Freund Schnell, o Freund Schnell! 'raus soll's denn: der Affe versteht kein Deutsch. Genieren Sie sich nicht.

Schnell (wild). Sapperment! Und wenn's die ganze Welt hört, 'raus soll's! Minchen, Fräulein Minchen, ein Jahr lang hab' ich mich von Ihnen an der Nase herumführen lassen und geduldig in der Nacht in mein Kopfkissen geflucht. Hier ist der schönste Rosenstrauß, den ich auf zwanzig Meilen finden kann. Die Leute sind verrückt, die sagen, ich sei ein Lump, Aber – (er fällt auf beide Knie) aber verschießen tu' ich mich, wenn Sie mich nicht heiraten!

6. Szene.

Starker (ist bei den letzten Worten hinter Schnell getreten und packt ihn am Kragen). Die Vorigen.

Starker (sehr laut). Er ist arretiert! Ins Loch mit Ihm, fort, ins Loch mit Ihm!

Minchen. Halt, halt, halt, Herr Starker! Glauben Sie, ich lass' mir meine Liebhaber so wegfischen, und gerade, wenn sie im besten Zug sind?

Starker. Liebhaber? Was, Fräulein Minchen, –

Minchen (zu Schnell). Haben Sie mich nicht lieb, Schnell?

Schnell (wütend). Zum Totschießen! Zum Sterben!

Starker. Der Lump, der Vagabund, der Wilddieb, – der Ihr Liebhaber?

Minchen. Die Zeiten sind schlecht, ich weiß es wohl, und die Männer dazu. Aber was können wir arme Mädchen machen in dem Waldhausen?

Starker. Schlecht, Fräulein Minchen, – die Männer schlecht? o bitte sehr, Fräulein –

Minchen. Seh'n Sie, Schnell, der fängt auch mit O an.

Starker. Wenn der Lump kommen kann, kann ich's auch, Lauf Er für diesmal, Schnell, lauf Er! (Hebt Schnells Strauß auf.) Den größten Strauß, den ich finden konnte, leg' ich Ihnen zu Füßen, Fräulein Minchen; der Strauß ist ein Bild meines Herzens, das wieder erblüht ist; – O Fräulein Minchen, Sie verstehen mich schon! Aber wie der Lump sagt: »'raus muß es!« Ich liebe wieder und habe Absichten; ehrenhafte Absichten. Wenn Sie einen Mann brauchen und wenn Sie glauben, die Männer seien nichts nutz, – versuchen Sie's! Meine Alte sagte immer: »Du bist doch noch einer von den Besten«. Meine Stell' ist gut und Volk und Fürst ehrt mich; »Frau Obergerichtsdiener« ist nicht so ohne – hm? – Sapperment, die Ehre tut's, die Ehre! Jedes Kind läuft davon, wenn's mich kommen sieht. Das tut wohl. – Und wenn Sie denken, die Männer seien derzeit nichts mehr nutz, – recht haben Sie, Lumpen sind's, die Mehrzahl. Aber nehmen Sie einen Witwer aus der guten, alten Zeit; der gibt Ihnen eine Garantie. (Zu Schnell.) Hinaus mit Ihm aus dem Garten, sag' ich! Sieht Er nicht, daß Er hier nichts mehr zu tun hat?

Minchen. Aber, lieber Herr Starker, ich bin ja schon versehen!

Starker. Wa – was? Der Lump? Minchen, Soll ich Ihnen zeigen, wer von Ihnen drei mir der Liebste ist?

Starker. Drei – wie – wo – drei?

Minchen. Cäsar, bekomm' ich einen Kuß?

Starker. Ah, – der Musje ist auch da? (Der Affe springt auf den Tisch, gibt Minchen einen raschen Kuh und macht lange Nasen gegen Starker und Schnell.)

Minchen. Ja, lieber Starker, den Musje haben Sie erst zu arretieren, eh' ich Ihnen die geringste Hoffnung machen kann. Der, Freund Schnell, hat den Schlüssel zu meinem Herzkämmerlein. Sie sind mir doch nicht böse? – Komm, Kleiner, ich glaube, die Herren haben sich etwas zu sagen. (Minchen geht mit dem Affen ab, Starker retiriert rasch nach der andern Seite der Bühne, wo er hinter einem Tisch Deckung sucht.)

7. Szene.

Starker und Schnell.

Starker. Nein, nein, nein! Er kann gehen, Schnell! Ich hab' Ihm nichts zu sagen. Schnell (noch immer dem Affen nachsehend, aus seiner Betäubung allmählich erwachend). Wie ein Mensch! Wie ein Mensch! Und angesehen hat er mich, als ob er alles verstünde! Wie ein Mensch! Starker (fortwährend retirierend). Allerdings wie ein Mensch, allerdings; – das ist Ihm wohl zu rund für seinen viereckigen Kopf? Nicht wie ein Esel, nicht wie ein Vieh, nicht wie ein Lump, nicht wie ein versoffenes Spundloch, – nicht – nicht wie Er! Schnell (sich sammelnd). Dickbäuchiger Haselstock, soll ich dir den letzten Zahn in die Gurgel stoßen? (Fährt auf Starker los.)

Hansel (hereinstürzend). Es ist angespannt, Schnell. Sapperlot, wen hast du wieder am Kragen?

Starker (durch den Gartenzaun brechend). Mich, mich, Hansel! Schrei die Stadt zusammen, – schlag Sturm! Schnell. Auf deinem Kalbfell, alte Kuh! Sie dich heiraten, altes Futteral! Fort muß ich! Aber dir soll ich einmal allein begegnen hinter einem Gartenzaun! Dich soll ich einmal zwischen die Finger kriegen hinter einer Hecke! (Geht durch die Gartentüre im Hintergrund, Starker kommt über den Zaun zurück.)

Starker. Haltet ihn, haltet ihn! Er ist arretiert! Sind doch Leute auf der Straße, Hansel? – Haltet ihn! (Ab.)

8. Szene.

Zwinger vor der Vogtei. Nacht. Hoch oben am Haus, das den Hintergrund bildet, ein einziges erleuchtetes Zimmer. Blumenreich und Raufeck (sich führend).

Raufeck. Verflucht Nacht für ein Liebesabenteuer! Die Augenlust kommt schlecht weg, wenn deine Sterne nicht heller leuchten.

Blumenreich. Dort! Ich glaube dort ist ihr Fenster! Sie wacht noch. Im ganzen Hause nur noch sie, in der ganzen schlummernden Natur nur noch sie und ich.

Raufeck. Bitte, mich nicht zu übergehen. Donnerwetter, tritt auf deine Füße, wenn du deklamieren willst.

Blumenreich. Der Weg ist rauh, Raufeck.

Raufeck. Ja, ich merk's. Ich steck' in einem Loch. Hilf meinem linken Hinterfuß heraus, wenn du ein Mensch von Gefühl bist.

Blumenreich. Halt dich an mir! So. – Steh gerade! Ich bitt' dich, Raufeck, nimm dich zusammen!

Raufeck. Bitte den verdammten Weg, sich zusammenzunehmen, – alle drei Schritte eine Spalte, durch die Roß und Reiter versinken könnten. Ist's auch christlich, einen Heiden solch einen Weg zu führen, wenn's gegen Mitternacht geht und Neumond im Kalender steht?

Blumenreich. Leiser, leiser! Sie könnte dich hören.

Raufeck. Sie soll's auch. Hab' ich meinen Baß seit drei Stunden geschmiert, ums Maul zu halten? Schau denn herab, holde Süße, und sieh, wie unsre Liebe mit Hindernissen kämpft! Auf Zerevis, da liegt einer deiner Anbeter, aber nicht auf den Knien. (Raufeck sitzt ruhig auf dem Boden.)

Blumenreich. Steh auf, liebes Bierfaß, steh auf! Siehst du nicht, wir sind gerade unter ihrem Fenster!

Raufeck. Bist du auch sicher, süßer Artur? Ist's keine Spiegelfechterei der Hölle? Kennst du ihr Boudoir schon genau?

Blumenreich. In ihrem Heiligsten war ich zwar noch nie.

Raufeck. Es kommt mir so hoch vor.

Blumenreich. Auf dieser Seite ist's; und wer könnte noch wach sein als sie? Die Liebe hält uns beide wach.

Raufeck. So will ich wenigstens sitzen bleiben, »bis die Liebliche sich zeigt«. Hast du denn gar keine Praxis der Poesie im Leib?

Blumenreich (an ihm zerrend). Steh auf! Tu mir den einzigen Gefallen!

Raufeck. Hier, Freund meiner Seele, will ich sitzen und seufzen. Es klingt besser. Du siehst das nicht ein? Aber der unsterbliche Dichter des sterbenden Toggenburgs wußte: es klingt besser.

Blumenreich. So gib mir die Zündhölzchen. Ich glaube, es regt sich 'was.

Raufeck. Ich nicht. »Und so saß er« – o Ritter der himmlischen Resignation, wie begreife ich heute deine Seele! Wenn du dir nicht jenem fatalen Fenster gegenüber langsam und wehmütig die Gurgel abgesoffen hast, heiß' ich nicht Raufeck.

Blumenreich. Bei deinem stolzen Namen denn, Roderich, steh auf! Gib die Zündhölzchen!

Raufeck. Nicht umsonst beschwörst du die Geister der Gefallenen. Hier steh' ich. Was suchst du, Erdenwurm?

Blumenreich (zündet ein Licht an und hält ihm ein Noten-Heft hin). Gut denn, wollen wir – ?

Raufeck. Die Tat ist meine Sprache. (Singt.) »Nu schläfst im Moos« –

Blumenreich (hält ihm den Mund zu). Halt, halt! Ich zähle und schlag' den Takt, Nimm dich zusammen! Fall richtig ein!

Raufeck. »Um« sagt man von einem Menschen, Literat! Übrigens – schlag zu!

Blumenreich. Schwank nicht so mit dem Licht! Jetzt, Gott der Liebe, –

Raufeck. Schlag zu, eh' ich mich wieder hinsetze. Das Herz zittert mir in den Knien.

Blumenreich. Also! – Eins – zwei – drei – vier. (Sie singen.)

Nu schläfst im Moos am Teiche,
Du schläfst im Binsenried, –
So, Süße, Wonnereiche,
In stiller Mondesbleiche
Weckt dich mein leises Lied.
Der Wind in Binsenhalmen
Singt –

Raufeck (plötzlich einhaltend, leis, heftig). Bei allem, woraus man Schnaps brennt, – was der Kuckuck ist denn das?!

Blumenreich (verzweifelt). O Roderich, Roderich, du hast mein Glück gemordet!

Raufeck. Ein Bein – ein Bein!

Blumenreich. Wahnsinn! Wo? Du bist betrunken! Wo?

Raufeck. Hinauf sieh! Nach deinem Stern sieh! Zwei Beine – generis maskulini! Sieh hinauf! Geht dir ein Licht auf?

Blumenreich. Zu ihrem Fenster – zu ihrem Fenster heraus!

Raufeck. 's kommt! – Es kommt herunter! Wie ein Käfer, wie eine Katze, wenn's nicht der Satan ist. Geh aus dem Weg, Arturchen, und zieh den Hut ab. Der hat's weiter gebracht als wir.

Blumenreich. Zu ihrem Fenster heraus! Zu ihrem Fenster!

Raufeck. Fang ihn ab. Stell ein leeres Bierfaß unter und heule nachher. Donnerwetter, schon halb unten! Mir wird's ganz nüchtern!

Blumenreich (wütend). Zu ihrem Fenster! Rache, Rache, ihr Götter!

Raufeck. Er begreift die Situation endlich. Aber geh etwas aus dem Weg. Er kommt dir sonst auf den Kopf.

9. Szene.

Frank (der während des Schlusses der letzten Szene an Leintüchern, aus dem oberen Fenster herabgekommen). Die Vorigen.

Blumenreich. Steh!

Raufeck. Steh!

Frank (noch am Seil hängend). Sogleich, guter Freund, sogleich! Im Augenblick fehlt mir noch die nötige Unterlage dazu.

Blumenreich. Steh, Schurke!

Frank (auf den Boden springend). Ihr seid doch nicht wohl der Nachtwächter vom Städtchen, Freund?

Raufeck (zu Blumenreich). Du – Nachtwächter! Laß ihn feine Sünden bekennen und schlag ihn tot!

Blumenreich (zurückprallend, da Frank eine drohende Haltung, annimmt). Wo – was haben Sie hier herunterzukommen?

Raufeck. Halt! Nicht von der Stelle! Geben Sie dem Herrn Antwort! Ja, allerdings: was haben Sie hier herunterzukommen? Sie müßten denn – he. Blumenreich? –

Frank. Was haben Sie da hinaufzukrähen? Sie müßten denn –

Raufeck. Was sagt der Kerl?

Frank. – betrunken sein, sagt er. Übrigens machen Sie einen höchst unnötigen Lärm. Es wäre vielleicht nicht unpassend, wenn wir uns sämtlich entfernten.

Raufeck (zu Blumenreich). Das Ding hat Humor! Nicht von der Stelle, Herr! Haben Sie eine dunkle Idee vom Komment, oder sind Sie ein verirrter Stadtphilister?

Blumenreich. Laß ihn mir! Laß ihn mir! Du hast kein Recht an dieses Blut; Rache, ihr Götter, Rache!

Raufeck. Wollen Sie stehen bleiben? Sie haben der anstößigen Vermutung Ausdruck gegeben, als sei einer von uns ein Nachtwächter. Meinten Sie mich, Herr?

Frank. Konnte ich in der Finsternis sogleich sehen, daß Sie für den Dienst ganz untauglich sind? Platz, Herr, oder ich mache Platz!

Raufeck. Langsam, Verehrtester! Ein dummer Junge von dem alten Raufeck ist kein Kinderspiel, Warten Sie also einen Moment und spitzen Sie die Ohren! Ein so langer Bengel Sie in der Dunkelheit zu sein scheinen. Sie sind –

Frank. Ein dummer Junge, wenn ich mich länger von zweien aufhalten lasse.

Raufeck. Zieh, Artur, schlag zu, Artur! Der Kerl ist vogelfrei!

Blumenreich. Zieh – was? Schlag zu – mit was? Licht – Licht –! Beantworten Sie mir eine Frage, Herr, und gehen Sie dann zum Kuckuck, War das ihr Zimmer, aus dem Sie heruntergekommen?

Frank (erstaunt). Mein Zimmer? Wie verstehen Sie das?

Raufeck. Allerdings. Steh und gib Antwort! War es ihr Zimmer? Kommen Sie an ihren Leintüchern ihre Wand herunter? Die Leintücher seines Engels, Kamel! Versteht dieses Geschöpf noch immer nicht! Kommen Sie hier oben aus einem Privatissimo mit Fräulein Emilie Pflichterer?

Frank. Mein Herr, da Sie anfangen, Namen zu nennen, und mir die ganze Komödie deutlicher zu werden anfängt, –

Raufeck. Endlich, endlich!

Frank. – so werde ich Ihnen eine vernünftigere Antwort geben, als Sie verdienen.

Raufeck. Nochmals, meinen Sie mich?

Blumenreich. Laß ihn mir, Freund; nur diesen Augenblick laß ihn mir!

Frank. Sie meine ich auch, Herr! Vermutlich habe ich die eigentümliche Ehre, Herrn von Blumenreich unter diesen wunderlichen Umständen kennen zu leinen?

Raufeck. Er wird tragisch vor seinem Ende.

Frank. Das Zimmer war auf kurze Zeit mein Zimmer. Die Dame, welche Sie die Unverschämtheit haben, in dieses läppische Mißverständnis zu mischen, –

Raufeck. Herr, nehmen Sie sich in acht! Blumenreich, ich bin dein Sekundant.

Frank. Sie sollen mich jeden Augenblick bereit finden. (Das Fenster öffnet sich, ein Wasserkrug entleert sich über Frank, der sich pustend zurückzieht. Raufeck erhält eine zweite Ladung.)

Raufeck. Puh! Ist die Hölle los da droben? Es schmeckt nach Wasser!

Frank. Der genius loci, der gern Frieden hätte im Lande, wenn ich mich nicht täusche. Doch wiederhole ich, daß ich jeden Augenblick bereit bin, dem Herrn Genugtuung zu geben und für die Ehre der Dame –

Raufeck. Donnerwetter, was haben Sie mit der Dame zu tun? Sind Sie vielleicht –

Frank. Ich logiere im Hirsch, Nr. 7. Hier ist meine Karte.

Raufeck. Zündhölzchen, Artur!

Frank. Nicht nötig, ich heiße Frank.

Raufeck. Alles klar, alles klar! Also doch! Auf, Artur, auf! Dein Rivale steht vor dir. Ich hörte von der Geschichte. – Was der Teufel, wo kommt denn all das Wasser her? Machen wir, daß wir aus dem verfluchten Zwinger hinauskommen!

Blumenreich. Rache ist mein einziger Gedanke, Wann–?

Raufeck. Prrrr! Ich fürchte das Wasser mehr als deine Gedanken. Fort!

Frank. Morgen früh um sechs, wenn Sie Lust haben.

Raufeck. Säbel oder Pistolen? Blumenreich schießt Blattläuse von den Bäumen.

Frank. Pistolen also!

Raufeck. Sie sind ein Mann, Herr. Ihr Sekundant?

Frank. Herr Weller, im Hirsch Nr. 8! Auf Wiedersehen! – O süßer Engel da droben! Alles Wasser in der Welt löscht den Brand nicht, den du angezündet hast. (Ab.)

Raufeck (es kommen fortwährend noch Wassernüsse von oben, die Roderich treffen). Rache, Artur, Rache! Was dankst du mir nicht alles! Donnerwetter, ich bin ein wandelnder Entenpfuhl. Komm!

Blumenreich. Das Blut meines Feindes will ich gen Himmel spritzen; den Skalp meines Rivalen will ich ihr vor die Füße legen.

Raufeck. Recht so, mein Goldjunge, recht so! Laß Sturm wehen in deinen Binsenliedern und mach, daß wir weiterkommen. Puh! hast du kein Gefühl mehr für die Haut deiner Freunde? Fort!

(Beide eiligst ab, mit Zeichen steigender Bestürzung.)


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