August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Gedichte
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Raudener Geburtstags-Calender auf das Jahr 1866

Für das Herzogthum Ratibor und Fürstenthum Corvey

                        Victor Amalia
10. und 12. Februar.

Hoch preis' ich den Mann,
Der nur das Gute denkt und thut,
Sich edelen Wirkens bewußt,
Voll Tugendmuth und Jugendlust,
Nie rastet und ruht;
Den Glauben fest an die Menschheit hält
Und wenn ihn betröge die ganze Welt;
Der in Liebe schaltet und waltet,
Aus Liebe sein Leben gestaltet,
Und so sich verjüngt und nicht altet;
Der nichts beginnt, nichts will und wagt,
Als was ihm der Zug des Herzens sagt,
Ein Fürst voll Biederkeit und Kraft,
Ein Herzog edelster Leidenschaft.

Ihr wißt auf welchen Mann ich deute:
Der Mann er ist geboren heute.

Und weil ein Glück nicht kommt allein,
So findet sich noch ein anderes ein:
Die der Mann zur Lebensgefährtin erkoren,
Sie ward schon übermorgen geboren,
Der Frauenschaft holde Blüte
An Tugend, Mild' und Güte,
Die in Liebe schaltet und waltet,
Aus Lieb' ihr Leben gestaltet;
In Freud' und Leid
Ihr Leben dem Gatten und Kindern weiht
Und allezeit
"Für Andre das Leben zum Leben zu heben
"Nur sinnt und trachtet und innig strebt,
"Um zu leben liebt, um zu lieben lebt."
Ein Hoch ertön' in weite Ferne,
Ein Hoch dem hohen Geburtstagpaar!
O möchten Ihm des Glückes Sterne
Im reinsten Lichte hell und klar
Wie heut' erglänzen immerdar,
Noch manches, manches liebe Jahr
Überall, hie und da!
Hoch Victor und Amalia!

Victor Amadeus
6. September.

Sei mir gegrüßt am heutigen Tage!
Die Wünsche, die ich im Herzen trage,
Nimm alle freundlich an von mir:
Die Jugend, ja sie begrüß' ich in Dir!
Du bist nicht alt,
Du bist nicht kalt,
Nicht lau, nicht flau,
Nicht nüchtern, nicht schüchtern,
Nicht ohne Lebensmuth,
Nicht ohne Strebensglut,
Dein Wollen, Dein Sollen,

Es ist nicht klein,
Alttäglich, gemein,
Dein Wissen nicht flach,
Dein Können nicht schwach -
Du sollst Dir sagen
In künftigen Tagen:
"Auch ich war jung
Voll Begeisterung
Für alles Gut' und Wahre
Und Schön' und Wunderbare;
Auch mir war immer erfüllt die Brust
Von Sehnsuchtsdrang und mächtiger Luft,
Zu Schalten und walten,
Zu trachten und dichten,
Zu bau'n und gestalten,
Um auszurichten
Den hohen Beruf,
Wozu der Himmel uns schuf."
Drum bleibe treu dem Guten was Du hast
Und gönne Dir im Leben niemals Rast,
Bis daß es Dir auch wird gelingen,
Das Best' und Schönste zu erringen.

Franz
6. April.

Ich komm' aus fernen Landen,
Ich sing' Euch neue Mähr:
Der Frühling ist vorhanden
Und tritt mit mir daher,
Er bringet Blumenkränze
Und Sang und Spiel und Tänze
Und Luft und Fröhlichkeit.

Doch mehr als Blumenkränze,
Als Luft und Fröhlichkeit,
Als Sang und Spiel und Tänze
Und selbst die Frühlingszeit,
Das ist ein Wunsch für heute,
Worauf ich längst mich freute,
Der mir im Herzen ruht.

So will ich Blumen brechen
In meines Herzens Hag,
Ich will den Wunsch ansprechen
Zu diesem schönen Tag:
"Was heut' uns ist beschieden,
Das Glück, es kehr' hienieden
Für uns noch oft zurück!"

Elisabeth
27. Februar.

Ein Stern ging auf am Himmel
Und schaute so hell und rein
Mich an durch's offene Fenster
Mit seinem silbernen Schein.

Sag an, du liebes Sternlein,
Sag an, was bringest du?
Bringt du mir frohe Botschaft,
So nicke mir freundlich zu!

Da nickt' er als wollt' er sagen:
"'s Ist morgen ein Feiertag,
Den mußt du freudig begrüßen,
So gut dein Herz vermag."

"Bring deine schönsten Wünsche
Weit in die Ferne hinaus,
Und laß sie blühen und duften
In einem Frühlingsstrauß!"

"Es soll sich morgen freuen
Das liebe Geburtstagskind,
Daß Ihm auch in der Ferne
Glückwünsch' erblühet sind." -

Und was der Stern gesprochen,
Das nahm ich freudig wahr,
Und bringe mit fröhlichem Herzen
Dir meinen Glückwunsch dar.

Egon
4. Januar.

Hopp hopp!
Im Trab und Galopp
Halt fest den Zügel!
Bleib fest im Bügel!
So magst Du reiten,
So magst Du traben
Zu allen Seiten
Über Bach und Graben,
Über Brück' und Steg,
Auf holprigem Weg,
Durch Heid' und Horst,
Durch Busch und Forst,
Durch Schilf und Rohr,
Durch Sumpf und Moor,
Durch Kies und Sand,
Auf Fels und Land,
Am Strand der See,
Auf allen Wegen
Durch Kält' und Schnee,
Durch Wind und Regen,
Durch glühende Hitze,
Durch Donner und Blitze!
Frisch, lustig und munter
Über Stock und Stein
Bergauf, bergunter,
Thalaus, thalein,
Hinein in die Welt,
Ein muthiger Held!
Frisch, luftig, hopp hopp!
Im Trab und Galopp
Halt fest den Zügel!
Bleib fest im Bügel!

Maria
27. Juni.

Der Kuckuck ruft: "kuk kuk!
Hinaus nach Buk Buk Buk!"
Und alle Vögel groß und klein,
Sie stimmen alle lustig ein:
"Juchheißa! heißa! kuk kuk kuk!
Nach Buk hinaus! hinaus nach Buk!"
Kein einziger bleibt in seinem Nest,
Es ist ja heut' ein Freudenfest.
"Kuk kuk!
Hinaus nach Buk!"
Und als der frohe Ruf erschallt,
So eilet Alles, Jung und Alt
Wol mit des Festes Königin
Nach Buk zum grünen Walde hin.
Da sind schon die Vögel und hüpfen und springen
Im Kreise herum und jubeln und singen:
"Willkommen im Rosen- und Lilienschmuck,
Prinzessin Mariechen, willkommen in Buk!
Dir bringt die ganze Vogelschaar
Des Herzens innige Wünsche dar.
Wie wir in den Lüften so magst Du schweben
Gesund und frohen Sinns durch's Leben,
Und was an Freude Dein Herz begehrt,
Das sei Dir vom lieben Gott gewährt!
Nun tanze fröhlich den Ringelreih'n,
Die lieben Gespielinnen warten Dein!"
Da flogen die Vögel alsobald
Mit Jubelgeschrei zurück in den Wald.
Und in und vor der umkränzten Halle
Versammelten sich die Raudener alle.
Und als die Musik gar lustig begann,
Da hub das fröhliche Tanzen an.
Nun fand sich noch ein Vöglein ein,
Das mocht' aus weiter Ferne sein;
Es hatte zu spät wol den Kuckuck vernommen
Und konnte drum nicht eher kommen.
Es trug im Schnabel einen Kranz,
Den ließ es fallen hinein in den Tanz,
Der war von Rosen und Lilien gebunden,
Gar zierlich mit goldener Schrift durchwunden:
"Wie Ros und Lilie heute blüht
So blüh' auch immer Dein Gemüth
Den Rosen und den Lilien gleich,
An Liebe wie an Unschuld reich!"

Max
9. Februar.

Länger werden jetzt die Tage,
Länger weilt der Sonnschein,
Und so wird des Winters Plage
Bald einmal vergessen sein.

Und der Frühling kehret wieder,
Grün wird wieder Wald und Feld,
Freud' und Segen strömet nieder
In die ganze weite Welt.

Heil Dir! Heil! Du bist geboren
In so hoffnungsreicher Zeit,
So als ob Du auserkoren
Für des Frühlings Fröhlichkeit.

Jeder Frühling sei der Deine,
Mag erquicken Dich und freu'n,
Und in fernem milden Scheine
Soll Dein Leben sich erneu'n!

Ernst
10. November.

Du bist die junge Blume,
Die heute sich erschließt.
Aus ihrer Blätterhülle
Voll Jugendlust und Fülle
Ins frische Leben sprießt.

Wol ist's ein schönes Dasein,
Wenn es sich so erneut,
Nichts Trübes kennt auf Erden,
Nicht Sorgen noch Beschwerden,
Nur Lust und Freude beut.

So wie Du heut geboren,
So sei geboren oft
Für Alles was hienieden
Als Freude, Trost und Frieden
Dein Herz sich wünscht und hofft.

Carl
7. Juli.

Dir ist die Welt noch ein verschlossen Buch,
Du kennst den Einband kaum noch und den Schnitt.
Du weißt noch nicht was sie für Dich enthält,
Wie viele Müh' und Plage, Freud' und Lust.
Doch gab der Himmel Dir der Engel zwei,
Die lehren Dich, was Du in diesem Buch
Stets überschlagen oder lesen sollst.
Und wenn sie Dir auch zeigen könnten nie,
Woran Dein Herz und Auge hangen soll,
So sieh sie an, Ihr Beispiel lehrt getreu,
Wie du zum edlen Menschen werden kannst.
Das ist mein Wunsch, den bring' ich heute Dir
An einem Tage wo auch Dir wie mir,
Und wenn's auch draußen wäre trüb' und kalt,
Doch Eine Sonne fröhlich scheint und lacht.
Die Sonne, Dein erlauchter Vater soll
Dir sein in heitrer wie in trüber Zeit
Was Er den Seinen immer war und ist,
Ein lieber Vater, Eine Seel', Ein Herz!

Margareta
3. Juni.

Wenn jedes Blatt zu einer Zunge wird
Als müßt' es künden seines Daseins Luft;
Wenn jede Blüthe sich zum Kelch' erschließt,
Um Freude zu kredenzen aller Welt;
Wenn jeder Busch und Baum in Frühlingsduft
Von süßem Liederschalle wiederhallt;
Wenn Alles grünt und blüht in Wies' und Feld
Und neues Leben athmet Au und Wald:
Dann fühlt das Herz sich frei und wohlgemuth,
Vergißt des Winters kalte, trübe Zeit
Und lebt und webt in Himmelsseligkeit.
Heil Dir! Du hast das Licht der Welt erblickt
In dieser freudenreichen Frühlingszeit,
Wo uns die alte Erd' erscheinen muß
Als wie ein neues himmlisch Paradies,
Das keine Leiden, Müh'n und Sorgen kennt,
Ein unabsehbar buntes Blüthenmeer,
Umspielt von Sonnenglanz und milder Lust,
Und überwölbt vom reinstes Himmelblau.
Heil Dir, Du Frühlingsblum' im Rudathal!
Wir bringen heut' als Frühlingsboten Dir
Die schönsten Wünsch' aus unserm Herzen dar,
Und Dein Geburtstagsfest ist unser Fest.
Du sollst der Blume gleich in Herrlichkeit
Entfalten Dich, der Eltern süße Lust,
Die Per' in der Geschwister Blumenkranz!
Du Margareta, liebe Perle Du!
Im Gold der Mutterlieb' und Vatertreue
Kannst Du am Elternherzen sicher ruh'n,
Und wie Dein Glück das Ihr' hienieden ist,
Soll Dir Ihr Glück ein ew'ger Frühling sein!

 


 


 << zurück weiter >>