Johann Gottlieb Fichte
Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten
Johann Gottlieb Fichte

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Ueber die einzig mögliche Störung der akademischen Freiheit.

Eine Rede beim Antritte seines Rectorats an der Universität zu Berlin, den 19. October 1811 gehalten

Erste Ausgabe: 1812.

Höchstzuverehrende Anwesende!

Und zuvörderst Sie verehrungswürdige Herren Amtsbrüder

Es würde ohne Zweifel eine grosse Anmaassung seyn, wenn ich vorauszusetzen schiene, dass meine Rede Ihnen irgend etwas, entweder an Belehrung, oder Erhebung und Begeisterung, geben könne, das Sie nicht ebensowohl aus sich selbst durch eigene Betrachtung zu erzeugen vermöchten. Ich folge darum ohne Bedenken dem mächtigsten Zuge meines Herzens in dieser Stunde, der mich zu Ihnen treibt, herzlichgeehrte inniggeliebte Jünglinge, die Sie bei uns sich den Wissenschaften widmen; der mich treibt, Sie zu begrüssen, und Sie willkommen zu heissen in dieser der Wissenschaft gewidmeten Wohnung. Diese meine Herren Amtsbrüder, Ihre Lehrer, Ihre väterlichen Freunde, so wie ich, werden sehr gern sich zu Zeugen machen dessen, was ich Ihnen sage, und zu Theilnehmern der Gesinnungen, welche in aller Namen ich vor Ihnen ausspreche.

Sie sind im Begriffe ein neues Jahr Ihrer Arbeiten zu beginnen. Was wir alle bei diesem Beginnen Ihnen am innigsten wünschen, ist volle Freiheit und Unbefangenheit des Geistes, die mit Aufgebung alles Anderen rein und ganz in die Wissenschaft sich versenke, fröhlicher Muth, freudige Zuversicht auf sich selbst und auf die Umgebungen, in denen Sie sich befinden. Indem mir der Auftrag ertheilt ist, Sie in die neu eröffnete Laufbahn gleichsam einzuführen, und Ihren ersten Schritt mit segnendem Worte zu weihen, glaube ich diesem Auftrage auf keine zweckmässigere Weise genügen zu können, als indem ich suche, diesen Muth und diese Zuversicht in Ihnen zu beleben, und alles das, was etwa die Freiheit Ihres Geistes befangen könnte, vor Ihren Augen in sein Nichts verschwinden zu lassen.

Der eigentlich belebende Odem der Universität, meine Herren, die himmlische Luft, in welcher alle Früchte derselben aufs fröhlichste sich entwickeln und gedeihen, ist ohne Zweifel die akademische Freiheit. Diese ist eben darum allen Studirenden mit Recht über alles theuer, und nichts kann ihre Liebe, Lust und Freudigkeit so niederschlagen, als wenn Sie glauben, für diese befürchten zu müssen. Ich werde darum die heitere und freudige Stimmung, mit der ich Sie für Ihre Laufbahn ausrüsten möchte, am sichersten dadurch in Ihnen erzeugen und beleben, wenn ich Ihnen zeige und sichtbarlich darthue: dass auf keiner Universität in der Welt diese akademische Freiheit mehr gesichert und fester begründet seyn könne, als gerade hier, auf dieser unserer Universität . Es wird Ihnen dies vollkommen einleuchten, wenn Sie zuvor mit mir bedenken und in Ihre Erinnerung zurückrufen, was eine Universität eigentlich sey; sodann, welches die durch das Wesen derselben geforderte akademische Freiheit sey.

Was also ist die Universität? Die Einsicht in das Wesen derselben gründet sich auf folgende Sätze. Die gesammte Welt ist lediglich dazu da, damit in ihr dargestellt werde das Ueberweltliche, die Gottheit; und zwar, damit es dargestellt werde vermittelst besonnener Freiheit. Dieses Ueberweltliche zwar offenbaret sich selbst durch sich selbst, und stellt sich dar, wie es ist, dem Vermögen der Freiheit, dem menschlichen Verstände; aber so wie dieser Verstand in sich selbst zu immer höherer Klarheit sich ausbildet, erscheint in ihm fortdauernd jenes Bild des Göttlichen gleichfalls in höherer Klarheit und Reinheit, Der ununterbrochene und stätige Fortschritt der Verstandesbildung unseres Geschlechtes ist darum die ausschliessende Bedingung, unter welcher das Ueberweltliche, als Muster der Weltbildung, immerfort in neuer und frischer Verklärung heraustreten kann in der Menschheit, und von dieser dargestellt werden kann in der Aussenwelt; diese Fortbildung des Verstandes ist das Einzige, durch welches das Menschengeschlecht seine Bestimmung erfüllt, und wodurch jedes Zeitalter seinen Platz sich verdient in der Reihe der Zeitalter. Die Universität aber ist die ausdrücklich für Sicherung der Ununterbrochenheit und Stätigkeit dieses Fortganges getroffene Anstalt, indem sie derjenige Punct ist, in welchem, mit Besonnenheit und nach einer Regel, jedes Zeitalter seine höchste Verstandesbildung übergiebt dem folgenden Zeitalter, damit auch dieses dieselbe vermehre, und in dieser Vermehrung sie übergebe seinem folgenden, und so fort bis an das Ende der Tage. Alles dieses aber lediglich in der Absicht, damit das Göttliche immerfort in frischer Klarheit heraustrete im Menschlichen, und der Zusammenhang beider, und der lebendige Einfluss des ersteren in das letztere, erhalten werde; denn ohne diesen Zweck ist sogar die Verstandesbildung, obwohl sie das Höchste ist unter dem Nichtigen, und der unmittelbare Vereinigungspunct des Nichtigen mit dem wahrhaft Seyenden, dennoch in der Thal auch nur leer und nichtig. – Ist nun die Universität dies, so ist klar, dass sie die wichtigste Anstalt und das Heiligste ist, was das Menschengeschlecht besitzt. Indem die Mittheilung auf derselben alles, was jemals Göttliches in der Menschheit herausbrach, wenigstens in seinen letzten Folgesätzen aufbehält und weiter giebt, lebt in ihr das eigentliche Wesen der Menschheit sein ununterbrochenes, über alle Vergänglichkeit hinweg gesetztes Leben, und die Universität ist die sichtbare Darstellung der Unsterblichkeit unseres Geschlechtes, indem sie nichts wahrhaft Seyendes ersterben lässt: indem über diese Mittheilung hinaus, und in dem zum Inhalte derselben neu hinzutretenden die Gottheit immerfort sich entwickelt zu einem neuen und frischen Leben, ist in der Universität alle Trennung zwischen dem Ueberweltlichen und Weltlichen aufgehoben, und sie ist die sichtbare Darstellung der Einheit der Welt, als der Erscheinung Gottes, und Gottes selbst. –

Was zur inneren Einrichtung einer Universität gehöre, geht aus der dargelegten Bestimmung derselben hervor. Von der einen Seite: die gesammte Verstandesbildung des Zeitalters und die gesammten Hülfsmittel und Gegenstände dieser Bildung müssen in der Gesammtheit der Lehrer, als den Stellvertretern desjenigen Zeitalters, welches seine Bildung übergiebt, vollständig umfasst seyn, und jeder einzelne Lehrer muss theils für sein Fach auf der Höhe der Ausbildung dieses Faches in seinem Zeitalter stehen, theils die Fähigkeit und Geschicklichkeit besitzen, sich vollständig und innigst mitzutheilen. Von der anderen Seite müssen, als die Stellvertreter desjenigen Zeitalters, welchem die höchste Bildung des gegenwärtigen übergeben wird, Lehrlinge vorhanden seyn, die zu der Stufe, auf welcher der Universitätsunterricht anhebt, und nothwendig anheben muss, wenn er in das Höchste enden soll, durch den früher erhaltenen Unterricht gehörig vorbereitet sind. Ist durch die Sammlung und Aneinanderfügung dieser beiden Grundbestandtheile die Universität erst errichtet, und wird sie von nun an immerfort in diesem ihrem wesentlichen Bestehen erhalten, so geht sie ihren zweckmässigen Gang durch sich selbst fort, und bedarf über diesen Punct hinaus keiner Nachhülfe von aussen. Vielmehr sind dergleichen äussere Einwirkungen und Eingriffe schädlich, und für den beabsichtigten Fortgang der Verstandesbildung störend. Eine Universität muss darum, falls sie ihren Zweck erreichen und in der That seyn soll, was sie zu seyn vorgiebt, von diesem Puncte aus sich selbst überlassen bleiben; sie bedarf von aussen und fordert mit Recht vollkommene Freiheit, die akademische Freiheit in der ausgedehntesten Bedeutung des Wortes.

Das gegenwärtige Zeitalter soll seine frei errungene Bildung ohne Rückhalt mittheilen dem künftigen, damit dieses auf jene fortbauen könne; es darf darum dem Lehrer durchaus keine Grenze der Mittheilung gesetzt werden, noch irgend ein möglicher Gegenstand ihm bezeichnet und ausgenommen, über den er nicht frei denke, und das frei Gedachte nicht mit derselben Unbegrenztheit dem dazu nur gehörig vorbereiteten Lehrlinge der Universität mittheile. Der Lehrling der Universität, als Stellvertreter des zweiten Zeitalters, soll ungetheilt und ganz sich hingeben der Mittheilung, die ihm geschieht; es muss ihm darum die schon als Menschen ihm zukommende persönliche Freiheit gesichert seyn, innerhalb der Schranken des Gesetzes und der guten Sitte seine äusserliche Lebensweise so sich zu bestimmen, wie er es für seinen Zweck am angemessensten findet, und innerhalb dieser Grenzen seine erst sich entwickelnde Besonnenheit auf alle «Weise zu versuchen; er muss für die Zeit seines Studirens anderer bürgerlicher Lasten und Anforderungen überhoben seyn, um Zeit und Kräfte ganz seinem nächsten hochheiligen Zwecke zu widmen; es. wird wünschenswerth seyn, dass er selbst von den Verwickelungen der strengen Rechtsform befreit, und unter einen möglichst einfachen Gerichtsstand gesetzt werde; endlich, da der letzte Zweck alles seines Studirens der ist, dass das Göttliche in ihm erscheine, und sich darstelle von irgend einer neuen Seite, dafür aber er in derjenigen sittlichen Unbefangenheit und Unverdorbenheit erhalten werden muss, in welcher allein sich abbilden kann die Gottheit, der letzte und höchste Zweck der Universität, sage ich, erfordert, dass die grundverderbenden Aergernisse und die Versuchungen, die über die Kräfte des noch Ungeübten gehen, ganz entfernt werden aus dem Wege des Studirenden. Dies sind in kurzem die wesentlichen Bestandtheile der akademischen Freiheit, welche eine Universität mit Recht fordert.

Ob unsere Universität die zuerst aufgestellten inneren und wesentlichen Eigenschaften au der Beschaffenheit ihrer Lehrer und der Gesammtheit derselben, sodann auch an der Beschaffenheit der Lehrlinge an sich trage, darüber ein Urtheil zu fällen kommt wohl schon jetzt, beim Beginnen des Werkes, am allerwenigsten uns Lehrern zu, ebensowenig als es Ihnen, meine Herren, zukommen würde, das Urtheil sich antragen zu lassen, und es zu übernehmen. Wie es damit sich verhalten habe, wird wohl am treffendsten erst nach einiger Zeit unser Werk an Ihnen aussprechen müssen; und dermalen wird in dieser Rücksicht beiden Theilen bloss die Anstrengung und das Ineinandergreifen aller ihrer Kräfte aufgelegt, damit dieses Urtheil vortheilhaft für beide Theile ausfallen möge. Dagegen, ob die äusseren Bedingungen des Gelingens gegeben seyen, ist eine leichtere, schon jetzt füglich zu beantwortende Frage, indem seit einem Jahre die Vordersätze zu ihrer Beantwortung vor unser aller Augen liegen; es ist eine Frage, an deren Beantwortung den beiden Hauptbestandteilen der Universität schon jetzt alles liegt, indem sie mit Recht, schon ehe sie an die Arbeit gehen, wissen wollen, ob sie vernünftigerweise die Hoffnung des Gelingens fassen können. Ich habe darum kein Bedenken getragen, Ihnen heute eine Untersuchung dieser Frage anzubieten, um, falls ich es vermag, die freudige Zuversicht in dieser Rücksicht, die mir wenigstens beiwohnet, über Sie alle zu verbreiten.

Dass in diesem Zeitalter, unter der Herrschaft dieses Königsstammes, und desjenigen erhabenen Zweiges dieses Stammes, den wir als unseren König verehren, bei der hellen Denkart aller derer, die zu den Höheren der Nation gehören, irgend eine Beschränkung derjenigen Mittheilung, über die es unter Menschen keine höhere giebt, der Mittheilung an Universitäten, etwa durch äussere Vorschriften des allein zu lehrenden, zu besorgen sey, hat durchaus nichts für sich, alles aber gegen sich, und ich würde meine Worte zwecklos verlieren, wenn ich eine Befürchtung heben wollte, die wohl nicht einer der Anwesenden hegt. Auch die persönliche Freiheit der Studirenden ist durch das Gesetz anerkannt und gesichert; für die einfache Pflege ihres Gerichtes ist alles festgesetzt, was geschehen konnte und sollte, ohne von einer anderen Seite der akademischen Freiheit den Schutz, dessen sie am meisten bedarf, zu entziehen. Ebenso hat sich nun auch durch die Erfahrung gezeigt, was jeder Sinnige auch unabhängig von derselben im voraus wissen konnte, dass in dieser grossen Stadt, die uns umgiebt, gegen die sittliche Herabwürdigung und Entheiligung derer, die zu Werkzeugen des Heiligsten bestimmt sind, entweder ebensogut, oder auch, wie ich glaube, noch weit besser gesorgt sey, als in kleineren Städten. Nirgend wird derjenige, der nur allein zu seyn vermag, leichter und lieber allein gelassen, als in einer recht grossen Stadt; und indem durch das lebhaftere Ringen so vieler Mitbewerber alle Stände nachdrücklicher an Ihre Geschäfte gedrängt werden, findet auch der Studirende, hier mehr als irgend wo, sich gar bald abgeschnitten, und ohne Störung von aussen auf Sein Geschäft des Studirens sich beschränkt. Dazu kommt, dass in einer grossen Stadt, so wie alle Lebensweisen, also auch das Laster seine zahlreiche geschlossene Gesellschaft schon hat, und weit weniger genöthiget ist, zu bekehren und anzuwerben; und dass darum hier das Verderben mehr aufgesucht werden muss, als dass es zu uns in unsere reine Wohnung kommen sollte.

Und so sind denn insofern die äusseren Bedingungen einer Universität allhier gegeben; für die akademische Freiheit derselben ist nicht die mindeste Gefahr zu befürchten, weder von Seiten der Regierung, die sie verbürgt hat, noch von Seiten der anderen uns umgebenden Stände, die natürlicherweise, und wenn man sie nur sich selbst überlässt, irgend eine Berührung mit uns ganz und gar nicht begehren.

Wohl aber könnte es scheinen, dass von einer anderen weit bedenklicheren Seite unserer akademischen Freiheit grosse Gefahr drohe; soll ich sagen von aussen, da ich soeben gezeigt habe, dass von aussen wir durchaus gesichert seyen, oder soll ich sagen von innen, da ich auf keine Weise zuzugeben gedenke, dass das uns bedrohende Element zur Universität gehöre? – Allerdings, meine Herren, könnte, bei Erwägung dessen, was man über den Zustand anderer Universitäten häufig vernimmt, die Gefahr, auf die ich ziele, befürchtet werden; ja es ist mir sogar bekannt, dass sie von vielen unter Ihnen wirklich befürchtet wird; dass diese meine Rede gerade an diesem Puncte erwarten, und von mir Beruhigung über ihre Besorgniss sich versprechen. Ich muss diesen gerechten Erwartungen Genüge thun.

Dasjenige Element, woran diese für ihre Freiheit Gefahr besorgen, ist jene bekannte Menschenart, die, da sie in der That nichts ist, und in den übrigen menschlichen Verhältnissen nirgends geduldet wird, sich für Studirende ausgiesst, und sich an die Universitäten anschliesst. – Indem ich diese Menschenart fürs erste zu schildern habe, muss ich, um die ruhige Fassung, mit der ich angehört zu seyn wünsche, zu sichern, noch ausdrücklich dasjenige erinnern, was sich ohnedies von selbst versteht, dass, da ich späterhin zu erweisen gedenke, es werde eine solche Menschenart unter uns niemals möglich seyn, dass, sage ich, ich eben darum auch nicht voraussetze, dass sie sich dermalen unter uns befinde; dass sonach nichts von allem, was ich über diese Art sagen werde, irgend einen, der hier gegenwärtig ist, trifft; oder wenn es doch, wie ich nicht voraussetze, einen träfe, dies ganz ohne mein Wissen und meiner klaren Absicht zuwider also geschehen würde. Oder, dass ich recht unumwunden mich ausspreche! Diejenigen, von denen ich zunächst reden werde, sind, meinem besten Wissen nach, Sie insgesammt, die Sie hier zugegen sind, nicht; so weiss ichs, und anders weiss ichs nicht, noch kann ich es meiner ganzen Lage nach anders wissen. Sollte doch irgend Einer es seyn, so thut mir dies herzlich leid; aber es würde für uns beide das Beste seyn, wenn ein solcher weder jetzt noch in Zukunft meinen Irrthum mich bemerken machte, und ich in meiner glücklichen Unwissenheit verbliebe.

Die Menschenart, die ich meine, entsteht auf folgende Weise: Indem solche, die durch eigene Erfahrung durchaus keinen Begriff sich zu machen vermögen vom Studiren, Universitäten sehen, und die mancherlei Eigenthümlichkeiten derselben erblicken, können sie, bei ihrem gänzlichen Unvermögen, alle diese Anstalten sich zu denken als das Mittel für den ihnen völlig verborgenen Zweck, dieselben nicht anders begreifen, denn als einen besonderen Stand von Studenten, der ebenso, wie etwa der Adel-, oder Bürger-, oder Bauernstand, auch in der Welt seyn müsse, aus keinem anderen Grunde, als um zu seyn, und um die Zahl der Stände voll zu machen; und welcher nun einmal, zufolge seines Daseyns, die und die Befreiungen und Privilegien von Gottes- und Rechtswegen besitze. Der eigentliche Mittelpunct und Sitz ihres Irrthumes liegt klar am Tage. Das Studiren ist ein Beruf; die Universität mit allen ihren Einrichtungen ist nur dazu da, um die Ausübung dieses Berufes zu sichern; und nur derjenige ist ein Studirender, der eben studirt. Diese aber können die Sache nur also begreifen, dass es eine besondere Gattung von Menschen gebe, die da Studenten sind, ob sie nun studiren oder nicht studiren, oder was sie treiben; und dass der Stand dieser Studenten gewisse Privilegien besitze, die durch sein blosses Daseyn gesetzt, und von demselben unabtrennlich seyen. Man setze, dass Menschen, deren Fassungskraft sich nun einmal nicht weiter erstreckt, entweder durch die Sitte der Stämme, denen sie entsprossen sind, oder durch irgend ein Bedürfniss in der Zukunft einige auf einer Universität zugebrachte Lebensjahre nachzuweisen, bewogen werden, sich selbst in diesen von ihnen also begriffenen Stand zu begeben: wie werden solche diesen ihren Grundbegriff weiter bestimmen? – Es ist ein befreiter privilegirter Stand. Wo liegen die Grenzen dieser Befreiungen? In der wahren Ansicht von der Universität haben dieselben ihren Grund, und darum auch ihren Maassstab: das Studiren, als abschliessender und einziger Beruf des Lebens, soll nicht gestört werden; so weit darum reicht die Möglichkeit der Störung, so weit reicht, keinesweges aber weiter, die Befreiung, In dieser Ansicht sind die Befreiungen schlechthin und ohne allen Grund, sie sind darum auch ohne Maass, und von unendlicher Ausdehnung. Soll diese Unendlichkeit denn doch in der Anschauung dargestellt und unter einen Grundsatz gebracht werden, so lässt sie sich nur in der Formel fassen: Der Studenten-Stand solle zu alle dem berechtigt seyn, was allen übrigen Ständen durch Gesetz und Sitte verboten ist, gerade darum, weil es ihnen verboten ist, indem nur dadurch das Ausschliessende des Rechtes dargestellt wird. Und woher stammen diese Freiheiten? Hat sie etwa der Staat verliehen, der nun auch ohne Zweifel der ursprüngliche Ausleger seines Freiheitsbriefes bleiben und das Recht behalten wird, seine Verfügungen nach den Zeitbedürfnissen abzuändern? Keinesweges, sondern sie gebühren diesem Stande durch göttliches und natürliches Recht, welches durch die Anerkennung aller Zeiten bestätigt ist, und älter ist als alle bestehende Staaten, und diese selbst bindet. Errichtet darum ein Staat eine neue Universität, so kommt es nach diesem Lehrgebäude keinesweges ihm zu, die Rechte derselben zu bestimmen. Diese sind schon bestimmt, bloss dadurch, dass das Wort Universität ausgesprochen wird; es sind die bekannten, hergebrachten. Wäre es nicht so, so wäre es ja keine Universität, sondern etwas anderes, und Ehrenmänner, wie diese, könnten in eine solche Verfassung sich nicht begeben. Und welch einen Rang mag dieser also privilegirte Stand, der zufolge natürlichen Rechtes als Berechtigung in sich aufnimmt, was alle andere Stände in sich als Verbot aufnehmen, – welch einen Rang mag er in der menschlichen Gesellschaft einnehmen? Nicht nur den höchsten, sondern einen solchen, der zu dem ganzen übrigen Menschengeschlechte gar kein Verhältniss hat; sie stellen dar das auserwählte Volk Gottes, alle Nichtstudenten aber werden befasst unter den Verworfenen. Darum müssen alle andere Stände ihnen weichen, und ihnen allenthalben, wo sie hinkommen, den Vortritt oder Alleinbesitz lassen; alle müssen von ihnen sich gefallen lassen, was ihnen gefällt denselben aufzulegen, keiner aber darf es wagen, ihnen zu misfallen; alle Nichtstudenten, ihre Lehrer und unmittelbare Obrigkeiten am wenigsten ausgenommen, müssen durch ehrerbietigen Ton, durch Reden nach dem Munde, durch sorgfältige Vermeidung alles dessen, was ihre zarten Ohren nicht gern hören, sich ihrer Geneigtheit empfehlen: das ist die Pflicht aller gegen sie; sie aber dürfen alle Menschen ohne Ausnahme aus dem Gefühl ihrer Erhabenheit und Ungebundenheit herab behandeln: das ist ihr Recht auf Alle. Dass sie unter andern auch die Berechtigung in Anspruch nehmen werden, mitten im Frieden die Waffen zu führen, und durch Krieg und Blutvergiessen des Rechtes unter einander zu pflegen, ist um so natürlicher, da sie, die ja dürfen, was ausser ihnen schlechthin Niemand darf, in dieser Rücksicht neben sich noch einen anderen Stand sehen, der aus einem gleichen natürlichen und von allen Zeiten anerkannten Rechte dasselbe thut. Da nach ihnen der Studentenstand nur dazu da ist, um diese Gerechtsame auszuüben, und darin die ganze Bestimmung desselben aufgeht, so müssen sie nothwendig wollen, dass diese Gerechtsame wirklich in einer ununterbrochenen Folge immerfort geübt werden, und dass durch sie, die gegenwärtigen Verwalter des Studenten-Lebens, als Glied in der Kette, dieselben so ungeschmälert auf die Folgezeit überliefert werden, wie sie sie erhallen haben von der Vorzeit, keinesweges aber, dass durch Nichtübung sie in Vergessenheit gerathen und verjähren; sie müssen wollen, dass Jeder, der auf den Namen des Studenten Anspruch macht, sie ausübe, indem er ja nur unter dieser Bedingung und zu diesem Zwecke ein Student ist, und ohne allen Streit derjenige nicht für einen Ehrenmann gelten kann, der sich seine Rechte auf eine feige Weise vergiebt. Und so fällt denn ganz natürlich dieser Menschenklasse, die durch Studiren oder irgend ein anderes Geschäft ungestört alle ihre Zeit diesem Zwecke widmen kann, auch noch das Zwangsrecht anheim, alle Mitbürger der Universität streng dazu anzuhalten, dass sie ihre Privilegien wirklich ausüben: dass sie, damit Regel in das Geschäft komme, an gewissen Tagen zu feierlicher Begehung der symbolischen Acte ihrer Freiheit sich versammeln, dass sie ihre Streitigkeiten durchaus auf keine andere Weise, als mit dem Degen in der Hand abmachen, und was noch sonst in der Grundverfassung des Standes liegt; alles dieses unter der gleichfalls ganz natürlichen Strafe, im Uebertretungsfalle vom Studenten-Stande ausgeschlossen, mit dem Banne belegt, und als unehrlich geachtet und behandelt zu werden. Bei der Lauigkeit und Nachlässigkeit so vieler vom Stande selbst, die auf der Universität auch noch etwas anderes, z. B. das Studiren, zu treiben haben; auch gegen die eifersüchtigen Eingriffe anderer Stände sowohl, als der Obrigkeit, müssen denn auch noch besondere, durch Eidschwüre befestigte, zu Schutz und Trutz stets bewaffnete Bündnisse, unter den Namen von Landsmannschaften oder Orden, geschlossen werden, welche durch ihre Oberen immerfort das Ganze übersehen und leiten. Es kann diesen durch ihr Herz und durch ihren äusseren Beruf eingesetzten Beschützern der Gerechtsame des Standes nicht an Begeisterung fehlen, die zu kühnen Thaten führt; indem nichts den Menschen kräftiger begeistert, als das klare Bewusstseyn seines Rechtes, diese aber bei ihrer übrigen tiefen Unwissenheit nicht anders wissen, als dass seit undenklichen, ja ewigen Zeiten dieses Alles also gegolten und bestanden, dass auch die Störer ihrer Rechte selbst dies wohl wissen, und selbst zu ihrer Zeit es genossen haben, mithin in offenbarem Unrechte, und in arger Tücke sich befinden; und es muss diese Beschützer ein mächtiger Unwille ergreifen, dass gerade während ihrer Verwaltung der Gerechtsame diese geschmälert und eben ihnen dieser Verrath an der Nachwelt aufgelegt werden solle.

Dass ein solches Lehrgebäude über das Universitäts-Leben entstehen, und bis zu der Vollständigkeit und Folgerichtigkeit, in der wir es soeben aufgestellt, sich ausbilden könne nur in äusserst verschrobenen und wissenschaftlicher Begriffe durchaus unfähigen Köpfen, ist schon erinnert, und wird vorausgesetzt: aber dennoch lässt sich dieses Lehrgebäude, nachdem es nun erfunden ist, mit einem täuschenden Scheine umgeben, der selbst den wohlgesinnten und des Höchsten nicht unfähigen Jüngling blenden kann. Die Vorstellung von einer ganz besonderen und eigenthümlichen, aller Fesseln des gewöhnlichen Erdenlebens entbundenen Lebensweise, die uns nur einmal zu Theil werde, und die schnell vorübergehe, schmeichelt dem Hange zum Wunderbaren und nicht wohl Begreiflichen. Diese Vorspiegelung des ausnehmenden Ranges, in welchen man mit Einem Sprunge durch die Zauberkraft des Universitätsbriefes eingesetzt werde, empfiehlt sich der jugendlichen Eitelkeit. Die Aussicht auf innig sich hingebende und mehrere zu vollkommener persönlicher Einheit verschmelzende Freundschaft, die Darlegung persönlicher Tapferkeit, Selbstständigkeit, festen Beruhens auf sich, spricht gerade die edelsten Regungen jugendlicher Gemüther an. Das Bild einer republicanischen Verfassung endlich, in der man sich selbst seine Gesetze gebe, und selbst über die Ausführung derselben halte, ist besonders für gewisse Zeitalter ein höchst verführerisches Spiel. Und finden sich ja noch einige Jünglinge, welche Kaltblütigkeit und Urtheil genug haben, um die Täuschung zu durchschauen; wie wenige unter diesen werden mit diesem reifen Urtheile zugleich den hohen Muth verbinden, einzeln stehend der gegen sie vereinigten Menge sich zu widersetzen, und den Schmähungen, so wie den stets sich erneuernden Angriffen derselben zu trotzen; wie wenige endlich werden mit diesem Muthe die Weisheit verbinden, in dieser aufgedrungenen Selbstvertheidigung den sie belauernden Augen aller niemals eine Blösse zu geben, und, indem sie nur sich selbst frei erhalten wollen von der allgemeinen Schuld, niemals sich selbst als Schuldige hinzustellen? So werden denn auch diese, die zwar nicht getäuscht werden konnten, hineingeschreckt in dieselbe Lebensweise, und müssen nothgedrungen eine Sitte mitmachen, die ihnen innerlich widerstrebt.

Dass durch eine solche Sitte, wenn sie überhandnimmt und herrschend wird, die akademische Freiheit in allen Puncten angegriffen und vernichtet, ja das ganze Wesen der Universität aufgehoben wird, ist unmittelbar klar. Wo ein ausgelassenes, der Sitte ins Angesicht trotzendes Leben, als einzige Bewahrheitung seines Standes als Student gefordert wird, wo Trinkgelage als ein Herkommen begangen werden müssen, wo Schlägereien als Ehrenpuncte betrachtet werden, und wo es den Gipfel des guten Namens ausmacht, für einen stets fertigen Schläger und Hand einfacher zu gelten: da könnte ein Funke sich erhalten jener kindlichen Unschuld und Reinheit, in der das Göttliche sich gestalte zu einer sicheren und unüberwindlichen Macht über alles Irdische? Wo die Ehre darein gesetzt wird, dass man, unter dem lauten Widerspruche seines inneren Gefühles, und verfolgt von dem Hohngelächter der ganzen übrigen Welt, einigen kindischen Satzungen Folge leiste, und dadurch sich den Beifall einiger Wüstlinge erwerbe, wo der Muth darein gesetzt wird, dass man durch einen kurz vorübergehenden Zweikampf die Feigheit eines ganzen in schmählicher Sklaverei und in knechtischer Furcht vor verächtlichen Menschen hingebrachten Lebens auslösche: wie möchte daneben die wahre Ehre, die die mächtigste Triebfeder ist aller grossen Thaten, und der wahre Muth, der die einzige Bedingung derselben ist, stehen bleiben? Wo jedem, der nur Mitglied der Universität wird, die Sorge für die Ausübung und Beschützung der mannigfaltigen Gerechtsame des Studenten-Standes zum ersten und Hauptberufe gemacht wird, und er zu allen den, alle Leidenschaften aufregenden, die Besonnenheit, die Klarheit und den inneren Frieden des Gemüthes störenden Geschäften, die in jener Bestimmung liegen, täglich sich aufgefordert findet: wie viele Zeit und Kraft kann ihm noch übrigbleiben für das Studiren, und wie wäre es möglich, dass alles sein Denken und Sinnen, wie es soll, versunken sey in seine Wissenschaft? Solche, denen von ihres Gleichen beträchtliche Abgaben und Contributionen aufgelegt werden, die unter Gesetzen stehen, wie die folgenden: durchaus nur mit diesen und diesen Genannten Umgang zu pflegen, ob sie nun zu ihnen irgend eine Neigung fühlen oder nicht, und schlechthin mit keinem anderen, wie sehr sie sich auch zu demselben hingezogen fühlen möchten; ihre Streitigkeiten durchaus nur mit dem Degen in der Hand abzumachen, und nicht eher sich zu vertragen, bis sie Blut gesehen haben, häufig auch fremde Streitigkeiten mit ihrem Blute zu verfechten, oft und aus geringfügigen Ursachen sich in Gefahr zu setzen gemordet zu werden, oder auch zu morden, vielleicht einen innig geliebten Freund; – und alles dieses unter keiner geringeren Strafe, denn dieser, als unrein ausgestossen und auf alle Weise, die ein hierin geübter Witz erfinden kann, gemishandelt zu werden, dem Uebel nicht einmal durch freiwillige Meidung dieser Universität entgehen zu können, indem der Bund alle deutsche Universitäten umfasst, und die Vergehungen gegen seine Gesetze dem Schuldigen überallhin nachfolgen: – können solche, die unter solchen Abgaben, solchen Gesetzen, solchen Strafen stehen, und noch unter so vielem anderen, welches die Würde und die Schamhaftigkeit dieser Rede zu erwähnen verbietet, können solche sich wohl der allermindesten persönlichen Freiheit rühmen, wie sie fast allem, was menschliches Angesicht trägt, zu Theil wird, und müssen sie nicht bekennen, dass sie in das härteste Diensthaus verkauft sind? So ist darum durch solche Universitätssitte alle sowohl menschliche als akademische Freiheit des Studirenden, als des Einen Bestandtheiles der Universität, rein ausgetilgt und vernichtet. Ja selbst die allgemeine Freiheit der ganzen Universität, die Lehrfreiheit, wird dadurch beeinträchtiget: denn es ist ja dieser Menschenklasse eingefallen, die Lehrer ohngefähr so anzusehen, als vom Staate zu ihrer Belustigung angestellte Schauspieler einer besonderen Art, die nur das sagen dürften, was solche Zuhörer gern hörten, und durchaus nichts anderes, und denen diese Zuhörer, falls sie sich vergriffen, diese Fehlgriffe durch Zeichen, die gleichfalls vom Schauspielhause entlehnt sind, nur anzuzeigen hätten. Wären die Lehrer so, wie sie dieselben voraussetzen und fordern, so würde bald der alleingültige Lehrkanon durch solche Zuhörer zu Stande gebracht seyn. –

Ich weiss nicht, meine Herren, ob die Klagen, die von mehreren Seiten, gleichwie nach einem lange gehaltenen Stillschweigen, gewaltsam ausbrechen und sich Luft machen, die Klagen, dass seit einer Reihe von Jahren die deutschen Universitäten immer tiefer verwildern; dass z. B., was freilich an sich nicht das schlimmste, aber nur ein sogar gemeinen Augen auffallendes Zeichen des Schlimmen ist, dass, sage ich, in jedem Jahre mehrere unserer studirenden Jünglinge durch das Schwert ihrer Mitstudirenden fallen, als aus eben einem so starken Heerhaufen in mancher entscheidenden Schlacht gefallen sind; – ich weiss nicht, und ich will jetzt nicht wissen, ob diese Klagen Grund haben: aber dieses sehe ich klar ein, dass, wo die geschilderte Menschenart und die beschriebene Sitte festen Fuss fasst, alles dieses nothwendig erfolgen muss, und dass es mit dem Beginnen eines jeden Halbjahres ärger werden muss. Wenn nun aber etwa jene Klagen Grund haben sollten, wie hat es doch geschehen können, dass man jenem Lehrgebäude über Universitätswesen erlaubt, Wurzel zu fassen und sich ruhig zu verbreiten? Unterscheiden wir zwei Klassen, die diese Entwickelung und diesen Fortgang des Verderbens der deutschen Universitäten hätten hindern sollen: zuerst das ganze gebildete Publicum überhaupt, welches sowohl durch seine allgemeinen Urtheile und Ansichten, als durch seine Theilnahme an anderen öffentlichen Verwaltungsbehörden, einen zwar mittelbaren, jedoch bedeutenden Einfluss auf diese Angelegenheiten hat; sodann die unmittelbaren Verwalter und Aufseher des Universitätswesens. Irre ich mich nicht, so sind unter den ersten sehr viele, die sogar unter die Geistreicheren gehören, in eine leichte, dem Ernste und der hohen Bedeutung des Gegenstandes durchaus nicht angemessene Stimmung gebracht worden durch folgenden Umstand. Es hat sich des deutschen, insonderheit des norddeutschen öffentlichen Lebens ein allgemeiner Ernst und eine feste Abgemessenheit bemächtiget, und es giebt in demselben ein öffentliches Hochkomisches eigentlich gar nicht mehr, ausser das beschriebene Studentensystem und Studentensitte; dieses allein eignet sich noch dazu, den Abgang der aus der Sitte gekommenen öffentlichen Possen zu ersetzen, und dem Volke zuweilen ein ausserdem schwer an sich zu bringendes herzliches Gelächter zu verursachen. Dieses Schauspiel mochten diejenigen, welche den Gegenstand also ansahen, dem Volke wohl gönnen; jene, die es gäben, seyen nun einmal für jede andere Geniessbarkeit verdorben; was neben ihnen noch durchkommen solle, komme doch durch; was es denn viel zu bedeuten habe, wenn alle Jahre einige Hundert von deutschen Jünglingen mehr verdürben; auch erholten sich einige noch nachher; es sey auch überhaupt mit den Universitäten nicht gar viel, was da gelehrt würde, könne man auch aus Büchern, ja noch bequemer in öffentlichen Häusern und auf Reisen durch Conversationen mit gelehrten Männern an sich bringen. Dass die tragischen Ausbrüche jener Lebensweise, durch welche diese Beobachter freilich nicht ergötzt wurden, mit den lustigen unabtrennlich zusammenhängen, und aus ihnen nothwendig erfolgen, sahen sie nicht ein, und meinten, es stehe bei den unmittelbaren Aufsehern der Universitäten, bloss die lustige Narrheit aufkommen zu lassen, der tragischen aber alsbald einen Damm entgegenzusetzen. Diese fröhliche und leichte Ansicht der Sache konnte nun freilich bei der anderen Klasse, den unmittelbaren Aufsehern der Universitäten, keinen Eingang gewinnen; denn wenn man diese Lebensweise täglich unter den Augen hat, und mit denen, die sie fahren, in den allernächsten Beziehungen steht, so ist sie keinesweges ergötzlich, sondern höchst beunruhigend und peinigend; und was in der Entfernung von einigen Meilen eine lustige Geschichte giebt, giebt oft in der Nähe einen höchst ärgerlichen Anblick. Was also konnte – immer unter der Voraussetzung, dass die angeführten Klagen Grund haben – was konnte diese Klasse bewegen, das Uebel zu dulden, und demselben nicht die ernstlichsten Maassregeln entgegenzusetzen? Wenn ich auch gerade dieses nicht sagen könnte, so vermag ich doch recht wohl zu sagen, was es sey, wovon die Vertheidiger der Studenten-Gerechtsame festiglich glauben, dass es jene bewege. Nemlich das letzte Strafmittel, welches diese Vertheidiger, in dem Falle, dass es durchaus nicht nach ihrem Sinne gehen solle, anzudrohen pflegen, ist dies, dass sie sodann alle die Universität verlassen und weiter ziehen werden. Was mag doch in dieser Drohung, der sie eine so grosse Kraft zuschreiben, das eigentlich Gebietende und Schreckende seyn? Welches mag das in ihnen ruhende Verdienst seyn, um dessen willen sie voraussetzen, dass man sich eher alles andere werde gefallen lassen, als den Verlust ihrer Gegenwart? Ihre persönlichen Liebenswürdigkeiten sind es offenbar nicht, denn dass man an diesen keinen Wohlgefallen gefunden, haben sie eben gehört. Es bleibt nichts übrig, als dass sie meinen, es sey das Geld, welches sie ausgeben.

Allerdings, meine Herren, ist es gerade dies, was sie meinen. Sie rechnen bei ihren Vorgesetzten, als auf etwas, das gar nicht anders seyn könne, auf folgende Grundsätze: der Hauptzweck, warum eine Universität errichtet worden, sey der, um dem Orte, wo dieselbige ihren Sitz hat, eine Nahrungsquelle zu eröffnen; und diesem Zwecke ordne jeder verständige Vorgesetzte alle andere Zwecke unter. Seine letzte Absicht sey, dass so viele Studirende als möglich, und diese so reich als möglich, in der Universitäts-Stadt ihr Geld verzehren; was dieser Absicht zuwiderlaufe, könne ein solcher unter keiner Bedingung thun, und falls er unvorsichtigerweise in Gefahr komme, es doch zu thun, so müsse man es ihm nur sagen, und er werde sogleich alle andere Rücksicht seinem Hauptzwecke unterordnen. Für Geld sey einer verständigen Universitäts-Verwaltung alles feil, und ein höherer Zweck denn der, Geld zu gewinnen, sey für sie gar nicht denkbar. Wer anders rechne, der sey unverständig; ein solcher Unverstand aber sey niemals und in keinem Falle vorauszusetzen.

Es gehört nicht hierher zu untersuchen, ob irgend eine deutsche Universität sich in der Lage befinde, dass eine gewissenhafte Verwaltung derselben in Vollbringung ihrer Pflicht wenigstens irre und wankend gemacht werden könne durch die gegründete Vorstellung, dass, wenn sie jeden wollen ziehen lassen, der die eigentlichen Studirenden stört, gar bald die Familienväter der Stadt kein Brot mehr für die Ihrigen haben würden. Unsere Universität wenigstens, die hier in dieser ersten Residenzstadt der preussischen Monarchie errichtete Universität, befindet sich nicht in dieser Lage. Dies ist es, geehrte und innigstgeliebte Jünglinge, die Sie lediglich in der Absicht, um hier Schätze der Weisheit und Tugend zu sammeln, sich zu uns begeben haben, und die Sie zu diesem Geschäfte unseren Schutz auffordern – dies ist es, was ich Ihnen zeigen wollte, um Ihnen dadurch darzuthun, dass das einzige Element, von welchem aus Sie eine Beeinträchtigung Ihrer akademischen Freiheit besorgen könnten, bei uns durchaus nicht aufkommen kann, indem der einzige Grund, zufolge dessen es hier oder da geduldet worden seyn mag, hier durchaus nicht stattfindet; dass sonach die akademische Freiheit auf keiner Universität in der Welt mehr gesichert und fester begründet seyn kann, als auf der unsrigen.

Der Beweis des aufgestellten Satzes lässt sich sehr kurz fassen. Das war sicherlich nicht die Absicht, der Stadt eine Nahrungsquelle zu verschaffen, um welcher willen man die Universität hierher verlegte. Die Stadt hat in sehr gutem Wohlstande geblüht, ehe an eine Universität in derselben gedacht wurde; die Stände, welche allenthalben auf ihren Erwerb zuerst sehen, haben dieselbe gar nicht gewünscht, sie haben sie vielmehr gefürchtet, vielleicht weil sie eine Universität gar nicht anders kannten, noch sich denken konnten, ausser unter dem Bilde des soeben beschriebenen wüsten und aller menschlichen Sitte ins Angesicht trotzenden Lebens, Die höchste Summe, welche durch die gesammten Studirenden in Umlauf gesetzt werden könnte, hat zu der Summe, welche durch den Königlichen Hof, durch die höchsten Landesbehörden, durch einen bedeutenden Handel und so viele höchst ausgebreitete Gewerbe, durch eine Menge begüterter Privatpersonen, die ihre Einkünfte aus den Provinzen ziehen, sich schon im Umlaufe befindet, ganz und gar kein Verhältniss und verschwindet in Nichts. Mögen in manchen anderen Universitätsstädten die Studirenden die Mehrzahl ausmachen derer, die reinen Geldgewinn bringen: hier machen sie die in Nichts verschwindende Minderzahl aus; mögen sie dort diejenigen seyn, die nach Köpfen gerechnet am meisten ausgeben: hier geben sie nach demselben Durchschnitte ganz sicherlich am allerwenigsten aus. Wenn auch hier alle Studirende ohne Ausnahme an Einem Tage zum Thore hinauszögen, wie sie wohl schon sonst an anderen Orten die Einwohner dadurch geängstigt haben, so würde dadurch kaum irgend eine merkliche Veränderung im öffentlichen Gewerbe erfolgen: was könnte denn also in dieser Rücksicht uns die Anwesenheit oder Abwesenheit Einzelner verschlagen? Wenn darum eine solche Drohung an jedem Orte in der Welt höchst verkehrt und unwürdig ist, und an keinem Orte in der Welt die Standhaftigkeit dessen zu loben ist, der sich dadurch bewegen lässt: so ist sie hier noch obendrein höchst lächerlich, und wer hier vor derselben sich fürchtete, müsste sich des Ortes im Raume, wo er lebt, gar nicht bewusst worden seyn.

Sie sehen klar, meine Herren, dass hier weder einzelne, noch auch noch so starke Verbindungen jemals durch die Summen, die sie ausgeben, uns die Bedrückungen, welche sie Ihnen aufzulegen gedenken, und die Störungen, die sie Ihrem Geschäft entgegensetzen wollen, abkaufen können; denn gesetzt, wir wären ganz so wie sie uns wollen und begehren, versunken in jene staatswirthschaftliche Ansicht, und das Geld für das einzige Gut haltend: wie viel müssten sie wohl einbringen das Jahr, wenn ihr Ertrag irgend ein Gewicht in der Wagschale abgeben sollte?

Diese Lage unserer Universität haben auch die Gesetzgeber derselben richtig durchschaut und benutzt, Sie haben uns nicht aufgelegt auf jedwede Bedingung aus allerlei Bestandtheilen einen Haufen sogenannter Studenten aufzubringen, sondern nur derjenige, dessen ausschliessender und einziger Lebensberuf dermalen das Studiren ist, kann als Mitbürger unserer Universität aufgenommen werden, und nur derjenige, welcher wirklich studirt, und in jedem Halbjahr seinen Fleiss in sichtbaren Proben nachzuweisen vermag, kann unser Mitbürger bleiben. Jene Klasse der nicht studirenden Studenten ist also, ganz unabhängig von ihrer anderweitigen Schädlichkeit oder Unschädlichkeit, schon durch den einzigen Umstand, dass sie nicht wirklich studiren, von uns ausgeschlossen, und sobald wir sie als solche kennen, wozu gar leicht zweckmässige Anstalten zu treffen sind, können wir ohne offenbaren Ungehorsam gegen den ausdrücklichen Buchstaben des Gesetzes sie gar nicht länger dulden. Wir sind darum durch den klaren Buchstaben dieses Gesetzes aller Sorge und aller Rücksicht auf die sogenannte Frequenz unserer Universität gänzlich entbunden, und auf diejenige Zahl angewiesen, die nach jenen Grundsätzen sich von selbst machen wird. Es ist uns durch dieses Gesetz dasjenige, wozu ohnedies alle für Geistesbildung und Sittlichkeit entbrannte Gemüther schon ihr Herz treibt, auch noch zur besonderen Pflicht gemacht worden, an dem Studirenden durchaus keinen anderen Werth gelten zu lassen, als seinen persönlichen, den er durch seinen Fleiss und sein sittliches Betragen sich selbst erwirbt; einem Einzigen fleissigen und sittlichen Studirenden einen höheren Werth beizulegen, als Hunderten von unfleissigen und ungesitteten, und wenn beide Theile sich nicht nebeneinander vertragen können, wie sie es denn nie können, die Hunderte dem Einzigen weichen zu lassen. An Frequenz, falls etwa dieselbe aus anderen Gründen, denn aus jenen staatswirthschaftlichen, wünschenswürdig seyn sollte, wird es uns darum, besonders wenn wir nur unsere Zeit erwarten wollen, nicht fehlen. Wenn die eben erwähnten Klagen gegründet seyn sollten, wenn es darum wahr seyn sollte, dass die Mehrzahl der deutschen Universitäten weder ihre Uebel länger zu ertragen vermag, noch das Heilmittel dagegen, so wird es allen, denen diese Angelegenheit am Herzen liegt, höchst erwünscht seyn, wenn eine solche auftritt, die wenigstens das Heilmittel muthig erträgt. Legen wir nur eine kurze Zeit vor aller Welt Augen dar unseren rechten Ernst, die Schlechten nicht unter uns zu dulden, so werden bald von allen Enden her alle Guten, die eine solche sichere Stätte schon längst gewünscht haben, sich zu uns versammeln; die Eltern, welche ungern die wissenschaftliche Bildung, die auf den gewöhnlichen Universitäten zu suchen ist, gegen die Gefahr erkaufen, ihre Geliebten auf der Universität zu begraben, oder sie am Geiste verschroben, am Leibe als Siechlinge, von derselben zurückzuerhalten, werden die Ihrigen mit Vertrauen uns übergeben; andere Universitäten, unter denen gewiss keine einzige ist, die wirklich Wohlgefallen an diesem Zustande der Dinge hätte, und welche nur entweder durch jene staatswirthschaftlichen Rücksichten, oder durch die Meinung, dass gegen dieses Uebel nun einmal nichts auszurichten sey, bisher verhindert worden, ernste Maassregeln dagegen zu ergreifen, diese anderen Universitäten werden sich mit uns vereinigen, werden, indem sie sehen, was uns möglich ist, unserem Beispiele folgen; und ehe ein Jahrzehent vergangen seyn wird, wird über den ganzen deutschen Boden hinweg diese Klasse von Studenten verschwunden seyn, indem es nirgend mehr einen Ort im Raume geben wird, wo man sie duldet; und, was nicht von geringerer Bedeutung ist, die ganze Ansicht der Nation über diesen tiefeingreifenden Gegenstand wird verändert seyn.

Sie sehen, meine Herren, Sie, mit denen wir das Werk beginnen, und von denen ich voraussetze, und nach aller meiner Kunde von Ihnen nicht anders wissen kann, als dass Sie alle noch rein und unbefleckt sind von den beschriebenen Irrsalen, Sie sehen, welche Bestimmung Ihnen zu Theil geworden, und welcher hohe Beruf an Sie ergeht. Ausser dem allgemeinen, dass auch auf Ihnen mit die Hoffnung unseres Geschlechtes beruhet, und die Zuversicht begründet ist, dass bis an das Ende der Tage das Göttliche in ungehemmter Verbindung bleiben werde mit dem Menschlichen; – ausser dem besonderen, dass Sie die Gelegenheit haben und den Beruf, denjenigen, welche ohne Zweifel die höchste geistige Bildung unserer preussischen Nation in diesem Zeitalter darstellen, dazu einer Menge mit anderen Sorgen beschäftigter Stände, unter deren Augen Sie sich befinden, immerfort die herrliche Erscheinung darzubieten solcher Gemüther, die von dem Streben nach dem Höchsten und Heiligsten innig ergriffen sind; – ausser diesem allen ergeht an Sie auch noch der eigenthümliche Beruf, dass von Ihnen aus eine ganz andere Gestalt dieser Bildungs-Schulen für das Höchste, und eine ganz andere Ansicht derselben über die ganze deutsche Nation sich verbreite. In den Gedanken der Heiligkeit dieses Berufes versenken Sie sich immer, und erfüllen Ihr Herz mit dem edlen Stolze, und mit der heiligen Werthachtung Ihrer selbst, die aus diesem Berufe hervorgehen. Nach jenem gemeinen Werthe in den statistischen Tabellen, der sich nach dem Ertrage richtet, den Sie den gewerbtreibenden Bürgern bringen, werden sie weder von uns, noch in den Gesetzen der Stiftung dieser Universität angeschlagen.

An die Erfüllung dieses erhabenen Berufes gehen Sie nun mit sicherer Festigkeit, treten Sie an mit freudigem Muthe dieses neue Jahr Ihrer Arbeiten; für Ihre Sicherheit vor allen Störungen, die Sie vielleicht in einer anderen Lage der Dinge zu besorgen hätten, für Ihre allervollkommenste persönliche Freiheit, welche die Bedingung ist jedes persönlichen Werthes, ist von allen Seiten gesorgt. Auf Wen könnten Sie, auf Wen könnten wir hiebei zuerst unsere Augen richten, als auf unseren erhabenen König, unter dessen segnendem Angesichte die , neue Universität beginnt? – und hier finden Sie denn zuerst das theuerste Unterpfand Ihrer Freiheit: des Königs eigene und persönliche Einsicht des Wahren, die mit seinem väterlichen Wohlwollen sich vereinigt. Sein erhabenes Wort, dass Er diese Stiftung ganz eigentlich als eine Pflanzschule einer besseren Zukunft ansehe, ist bekannt und vielfältig erwogen. Ferner leuchtet aus allen Anordnungen und Verfügungen, die in Beziehung auf die Universität unmittelbar von Ihm ausgegangen sind, klar hervor, dass dasjenige, was oft sogar solchen, die ihren ganzen Blick auf diese Dinge beschränken, sich verborgen zu haben scheint, die wahre Quelle aller Universitäts-Uebel, jener Traum von einem besonderen Studenten-Stande und natürlichen Vorrechten desselben vor allen anderen Menschen, dass gerade dieses Seinem über das Ganze verbreiteten Blicke nicht entgangen ist; und dass es Sein Königlicher Wille ist, keinesweges dass der Strom fliesse, und ihm nur da, wo seine Ausbrüche zu sehr beunruhigen, ein Damm entgegengesetzt werde, sondern dass die Quelle desselben verstopft, und selbst die versteckteste und leiseste Regung des eigentlichen Uebels nicht geduldet werde. Worauf könnten wir nach diesem unsere Augen zuerst richten, als auf die Männer, die in den höchsten Regierungsbehörden sitzen, und alle mittelbar oder unmittelbar auf das Wohl unserer Universität, auf Ihr Wohl, meine Herren, einfliessen; diese Männer, in denen ohne Zweifel der erleuchtete Thron die höchste Geistesbildung der Nation um sich her versammelt hat. Aber je gebildeter jemand selbst ist, desto innigeren Antheil nimmt er an dem Wachsthume der Bildung, und es ist gerade dies seine höchste Herzensangelegenheit. Dies ist ein Grundsatz, der ohne Ausnahme gilt, und welcher einen sicheren Maassstab hergiebt, um die wahre Bildung jedes Einzelnen zu schätzen. Sie können darum ganz sicher darauf rechnen, dass alle diese Männer dasjenige, was sie für Ihr Wohl und für die Beschützung Ihrer wahren Freiheit zu thun haben werden, vollbringen werden, nicht bloss als eine Pflicht, die ihnen ihr Amt auflegt, sondern als ein Bedürfniss, durch welches sie die dringendsten Wünsche ihres eigenen Herzens befriedigen. Sie dürfen nicht befürchten, dass jene leichtere Ansicht der Sache jemals dieser Männer sich bemächtige, und dass das Wohlwollen derselben getäuscht werden, und auf jene Ihre natürlichen Feinde, Widersacher und Unterdrücker sich wenden könne, weil dieselben mit Ihnen einerlei Namen führen; die unmittelbare Gegenwart wird gegen diese Täuschung Sie sichern, und dieselben werden durch den Anblick die wirklich Studirenden von denen, die bloss diesen Namen sich geben, um ihn zu entehren, sehr wohl unterscheiden lernen. Ich beklage, dass die für diese Versammlung beliebte Einrichtung mir nicht erlaubt hat, diese Männer selbst zu gegenwärtigen Zeugen zu machen des Versprechens, das ich Ihnen, meine Herren, in die Seelen derselben gebe; um aus der Freudigkeit, mit der ich dasselbe in ihrer Gegenwart gesagt haben würde, und aus der stillschweigenden Billigung, mit der sie es vielleicht angehört haben würden, Sie schliessen zu lassen, dass ich ganz richtig voraussehe, was alle thun werden.

Unter diesen allen wählen ohne Zweifel Ihre Blicke zutrauungsvoll sich aus die verehrungswürdigen Mitglieder der unmittelbar uns vorgesetzten Behörde. Ausser jener allgemeinen Theilnahme aller Gebildeten an Verbreitung der Bildung, auf welche bei diesen im allerhöchsten Grade zu rechnen schon ihre Erwählung zu diesem Amte, und ihre Annahme dieser Wahl Sie berechtigt, haben dieselben Ihnen auch noch das bestimmtere Unterpfand der durch sie selbst entworfenen und eingeleiteten Gesetzgebung dargereicht. Wäre es nicht verkehrt nach einem solchen Unterpfande von solchen Männern auch nur die Möglichkeit zu denken, dass jemals Mitleid mit der Erbärmlichkeit des Einzelnen das Erbarmen mit dem heilig zu ehrenden Ganzen, welches Sie bilden, und welches jener zu entehren oder zu verführen droht, überwiegen könnte, und dass dieselben nicht alle zu Ihrer Beschützung getroffenen Anstalten mit ihrer ganzen Kraft unterstützen sollten?

Sie richten ihre Augen auf uns, Ihre Lehrer, und auf den aus uns gebildeten akademischen Senat. Wie ich wenigstens diese Ihre Lehrer alle kenne, kann ich versichern, und ich muss hiebei freilich bitten, dass Sie meiner Versicherung einigen Glauben schenken, – ich kann versichern, dass unter ihnen kein einziger ist, der nicht sein wahres gesellschaftliches Verhältniss zu Ihnen, Ihnen väterlicher Freund zu seyn, oder auch älterer und gesetzterer Bruder, recht wohl kenne. Durch dieses Verhältniss sind nun Sie, meine Herren, zu denen ich rede, befriedigt; Ihr richtiger Verstand und Ihre natürliche Bescheidenheit ist weit davon entfernt, ein anderes zu wünschen. Nur jene Ihre natürlichen Feinde begehren ein anderes. Diese wollen an ihren Professoren Schmeichler haben, und unterwürfige Diener, die die Miene der Abhängigkeit von ihrem Wohlwollen keinen Augenblick ablegen, die ihnen nach dem Munde reden, ihre Thorheiten billigen, ihre Ausschweifungen verdecken helfen, jeden ernsthaften Beschluss, der gegen sie gefasst werden könnte, hintertreiben, unter der Einrede, dass dies alles nun einmal nicht zu ändern stehe, dass es von jeher so gewesen sey, und auch wohl so bleiben werde, und welche auf diese Weise sich zu Werkzeugen der Unterdrückung der akademischen Freiheit machen, und um Studenten-Freunde zu heissen, Feinde und Widersacher werden des Studirens selbst, und aller Studirenden. Ich wollte mich wohl dafür verbürgen, dass diese Klasse unter uns keinen, der ihren Wünschen gemäss wäre, und der ihnen Wohlgefallen könnte, antreffen würde. – Und wenn Ihnen auch nicht sonst alles dafür bürgte, so müsste es schon der Umstand, dass wir eine neue Universität beginnen. Denn diese Ueberzeugung kann sich nimmermehr verbergen, dass es im Anfange noch leicht und möglich ist, jenes Verderben abzuhalten; wo es aber einmal festen Fuss gefasst hat und eingewurzelt ist, da ist es nur noch durch Aufhebung der Universität selbst auszurotten, sowie ein verpestetes Gewand nur dadurch unschädlich zu machen ist, dass es durch das Feuer verzehrt wird. Auch würden wir, immerfort unter den Augen des Königs und der höchsten Behörden uns befindend, unseren wahren Zustand nicht lange verheimlichen, noch durch täuschende Vorspiegelungen unser inneres Elend verbergen können.

Was zuletzt mich anbetrifft, den dieser akademische Senat zum Geschäftsträger aller seiner liebevollen Gesinnungen für Sie gemacht hat, hoffen Sie, dass ich meine Kraft aufbieten werde, um dem guten Zeugnisse für mich, das er dadurch abgelegt zu haben scheint, nicht zu widersprechen.

Rechnen Sie darum mit der festesten Zuversicht auf uns alle, als auf die eifrigsten Vertheidiger Ihrer akademischen Freiheit. Nur wenn Sie selbst, was durchaus sich nicht erwarten lässt, und was keiner unter uns erwartet, nur wenn Sie selbst sich alle in das Joch schlagen liessen, ohne dass auch nur Einer laut seufzte, könnten wir vielleicht getäuscht werden. Gehen Sie darum mit Muth und Freudigkeit an die Arbeiten des neu beginnenden Lehrjahres. Sie sehen, dass wir die Wichtigkeit und hohe Bedeutung dieser Arbeiten kennen. Wir und mit uns alle verständige und gebildete Menschen wollen in Ihrem Anblicke, meine Herren, die Gegenwart vergessen und uns über dieselbe trösten; wir haben unsere theuerste Hoffnung, die, dass es besser und immer besser werde mit dem Menschengeschlechte, auf Sie niedergelegt und auf Ihre Häupter geflüchtet; wir wollen durch unser Werk an Ihnen unser Daseyn und unsere Schuld an alle vorhergehende Zeitalter bezahlen; wir wollen einst freudig sterben, in dem Bewusstseyn, dass Sie über unseren Gräbern leben werden unser verklärtes Leben. Gehen Sie hin in diesem Frieden und in dieser Freudigkeit! Der süsseste Lohn des mir aufgelegten Amtes ist mir schon in dieser Stunde zu Theil geworden, Ihr kräftiges Gedeihen im Geiste voraus zu erblicken, und unsere Hoffnungen von Ihnen, sowie die Segenswünsche für Sie, von denen um Sie herum aller Herzen schlagen, über Sie auszusprechen.


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