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Vorbericht.

Die Grabhügel, unter welchen unsere Lieben ruhen, mit Kränzen zu schmücken, durch Denksteine zu ehren, gilt für eine heilige Pflicht. Diese Pflicht an dem Grabe des Freundes meiner Jugend, meines durch Leyer und Schwert verbündeten Waffenbruders zu erfüllen, war mir in früheren Jahren der schmerzliche Vorzug beschieden. Nun hab' ich es im Greisenalter als eine mir beschiedene Gunst dankbar anzuerkennen, daß Geistesgegenwart und Erinnerung mir so treu geblieben sind, um Längstvergangenes in lebendigster Erscheinung mir vor die Seele zu rufen, so daß ich das Leben Theodor Körner's zu schreiben, mit freudiger Zuversicht unternehmen darf. Theodor war nur um einen Tag älter als ich; er ist am 23. Septbr. 1791, ich bin am 24. Septbr. desselben Jahres geboren.

Die bisherigen Biographen Körner's waren – mit Ausnahme des Vaters – darauf angewiesen, aus fremden Quellen ihre Nachrichten und Schilderungen zu schöpfen; ich darf es als einen Vorzug geltend machen, daß die Quelle, aus der ich schöpfe, meine eigenen Erlebnisse sind. Die von dem Vater geschriebene Biographie ist nur genügend für die Jahre der Kindheit, des Knabenalters und der ersten Jugend bis dahin, wo er siebenzehn Jahre alt das älterliche Haus verließ und die Bergakademie in Freiberg bezog. – An einen Vater von so anspruchslosem, edlem Charakter wie Körner dürfen wir nicht den Anspruch machen, daß er die Vorzüge und trefflichen Eigenschaften des Sohnes nach ihrem vollen Werthe hervorhebe, da er sich hierdurch den Vorwurf eitler Vorliebe zuzuziehen fürchten würde; ebensowenig aber ist ihm zuzumuthen, über die Fehler und Verirrungen des Sohnes ausführlichen Bericht zu erstatten.

Der Briefwechsel Theodor's mit den Aeltern und Freunden liefert allerdings für die Biographie »ein schätzbares Material«; wer aber nicht »zwischen den Zeilen« zu lesen versteht, mit den Briefstellern und mit den in den Briefen erwähnten Personen nicht persönlich befreundet oder mindestens bekannt war, wird über Vieles nur unwahr oder ungenügend berichten können. Der Verfasser gegenwärtiger Biographie stand – mit wenigen Ausnahmen – zu allen in den Briefen erwähnten Personen in näherem Verhältniß, mit einigen in vertrauterem Umgange und freundschaftlichem Verkehr. Aus einem früher veröffentlichten Aufsatze: »Meine Begegnungen mit Theodor Körner« möge Nachstehendes hier eine schickliche Stelle finden.

Meine erste Bekanntschaft mit Theodor Körner machte ich in Freiberg im August 1808, wohin ich als Primaner des Gymnasiums zu Altenburg einer Einladung meines früheren Schul-Pensionskameraden, des Bergstudenten Eduard v. Gottschalk, gefolgt war. Noch bewahre ich ein Stammbuchblatt, auf welchem Theodor in Bergmannstracht, sich mit der Guitarre begleitend, abgebildet ist, und die Freunde daneben mit Gläserklang in den Rundreim einstimmend. Mit Aufträgen und Empfehlungen an seine Aeltern ging ich nach Dresden und wurde freundlich auf dem Weinberge in Loschwitz aufgenommen. – Die Universität Leipzig feierte 1810 im Spätherbste ihr vierhundertjähriges Jubiläum; ich befand mich als Jenaischer Student bei der Deputation, welche die Universität zur Beglückwünschung abgeordnet hatte. Ich wohnte wieder bei meinem Freunde Gottschalk, welcher zugleich mit Körner die Freiberger Akademie verlassen hatte und in Leipzig Cameralia studirte, was wegen einer Anstellung in der Bergbauverwaltung erforderlich war. Mein erster Gang war zu Theodor, von dem ich mit herzlicher Brüderlichkeit – wir hatten schon m Freiberg » smollis« getrunken, – empfangen wurde. Durch eine Recension in der Jenaer Literaturzeitung war ich auf die von ihm unter dem Titel » Knospen« erschienene Gedichtsammlung aufmerksam gemacht worden und fand mich dadurch veranlaßt, ihm einige meiner Gedichte mitzutheilen. Auf die Gefahr hin, der Ruhmrednerei mich verdächtig zu machen, will ich erwähnen, daß man bereits auf dem Gymnasium bei mir Anlage zum Poeten entdeckt zu haben meinte, weshalb sich in meinem Abgangszeugniß (1809) die Bemerkung findet: »Inprimis ingenium ejus aptum fuit ad poësin sermone germano tractandam.« Auch hatte mein Lehrer und Freund, Professor Messerschmidt, welcher mit der Familie Körner befreundet war, einige meiner kleinen Gedichte in einem Almanache abdrucken lassen, welche Theodor zu Gesicht gekommen waren. Mehrmals lud er mich zu Spaziergängen in das nahe Waldgehege – das Rosenthal genannt – ein, wo wir uns, unter einem Eichbaum gelagert, unsre Gedichte vorlasen. Dann wurde nach dem nahen Gohlis gewallfahrtet, um das Haus ausfindig zu machen, in welchem Schiller »Freude, schöner Götterfunken« als Hochzeitsgedicht für Theodor's Aeltern gedichtet hatte. – Weder in Theodor's noch in meinen Gedichten war damals von Freiheit und Vaterland die Rede; wir fühlten die Schmach, welche auf dem deutschen Volke lastete, tief, aber wußten, so zu sagen, nicht wo aus? noch wo ein? Ewigen Haß und blutige Rache schwuren wir dem fremden Tyrannen, dem nicht der Ruhm genügte, die Heere Preußen's und Oestreich's in offner Feldschlacht niedergeworfen zu haben, der auch noch die Schande auf sein Haupt lud, zwölf tapfre Gefährten Schill's, den Sandwirth Hofer, den Buchhändler Palm, den Stadtkämmerer Schulz in Kyritz mit Pulver und Blei nach abgeschlossenem Frieden zu begnadigen! – Wir aber hielten an dem Glauben fest, daß die Zeit der Rache kommen werde und gelobten einander mit heiligem Eidschwur, uns bei der Erhebung der Waffen für die Befreiung des Vaterlandes in den ersten Reihen der Vorkämpfer zu treffen. – Die Erhebung Oestreich's im Jahre 1809 und die Aufregung, welche Schill und der Herzog Wilhelm von Braunschweig hervorriefen, gingen zu rasch vorüber, als daß sie die von den hervorragenden Mitgliedern des Tugendbundes beabsichtigte Erhebung des Volkes hätten bewirken können. In der Zeit, während welcher Theodor seine glänzende Laufbahn als Theaterdichter in Wien begann, blieb ich außer Verbindung mit ihm, und als ich – freilich nur vom Hörensagen – erfuhr, er habe sich in eine von dem Wiener Publikum hochgefeierte Schauspielerin verliebt und sei von ihren Netzen gänzlich umstrickt, gab ich die Erwartungen, welche ich seit unserer Begegnung in Leipzig in Betreff der Befreiung des Vaterlandes mit großer Zuversicht auf ihn gesetzt hatte, auf. Briefe, die ich 1811 im October aus Wetzlar an ihn schrieb, blieben unbeantwortet, obschon ich darin die Mittheilung machte, daß ich in der Familie des Amtmannes Buff Aufnahme gefunden und hier die Bekanntschaft mit der berühmten Lotte Werther's gemacht, welche als würdige Matrone und Gattin des Legationsrathes Kestner von Hannover aus zum Besuche im älterlichen Hause anwesend war. – Näheres über Theodor's Leben in Wien erfuhr ich von den Seinen in Dresden, wohin ich mich im Frühjahr 1812 zur Fortsetzung meiner archäologischen und kunstgeschichtlichen Studien begab. Es fügte sich damals, daß sich der langgehegte Wunsch mir erfüllte: Napoleon, den Allgewaltigen, Auge in Auge zu sehn, umgeben von all dem Gefolge kaiserlicher und königlicher Majestäten, Trabanten, die in ihm ihren Schwerpunkt hatten, fürstlicher Hoheiten, welche als Sternschnuppen sich schnäuzten, wenn er einen Blick despotischer Huld auf sie warf. Da war es wol, kein Wunder, daß wir anderen niedrig gestellten Erdensöhne »in unsres Nichts durchbohrender Verzagtheit« sehr kleinlaut wurden. – In dem Körner'schen Hause hatten die Frauen sich bereits der allgemeinen Abgötterei des Kaisers und des Franzosenwesens zugewendet; sie verkehrten zumeist in den Zirkeln des französischen Gesandten und der sächsischen Minister von Senff, Graf v. Einsiedel, v. Gersdorf und anderer Franzosenfreunde, sahen auch zumeist nur solche in ihren musikalischen Abendgesellschaften, in welchen, wie in der Mehrzahl der Kreise der höheren Stände, fast ausschließlich Französisch gesprochen wurde. Dies erklärt zum Theil die unliebsame Aeußerung Zelter's in einem Briefe an Goethe: »Körners, nämlich die Frauen, hatten das Haus neben das Fundament gebaut.« –

– Nur Körner der Vater hatte sich seine grade deutsche Gesinnung bewahrt, verleugnete sie auch nie und nahm großes Aergerniß an der servilen Fuchsschwänzerei des hochgelahrten Vorstehers des Antikencabinets, Hofrath Böttiger's. – Da ich in meinen Aeußerungen keineswegs vorsichtig war, einmal sogar mir beigehen ließ, zu äußern: ich fände in Körner's Gesichtszügen etwas, das mich an Cato's: »ceterum Napoleonem delendum esse censeo,« erinnere, erhielt ich von ihm eine wohlgemeinte Zurechtweisung, und er bat mich, während des Aufenthaltes des Kaisers in Dresden nicht an Theodor zu schreiben, auch mich einer jeden politischen Mittheilung an ihn zu enthalten, da das Briefgeheimniß weder in Dresden noch in Wien gewahrt werde.

Damals (1811, 12, 13) war ich in Dresden Zuschauer bei dem großartigsten Trauerspiele, welches jemals aufgeführt worden ist, und zwar nicht etwa auf den Bretern, welche die Weltgeschichte nur bedeuten, sondern auf dem Welttheater der Wirklichkeit. An der Spitze eines glänzenden Heerzuges von sechsmalhunderttausend wohlausgerüsteten, waffengeübten, ruhmbekränzten Kriegern sah ich den vielbewunderten Kaiser Napoleon, gleich einem zweiten Xerxes, wie dieser den Hellespont, so den Elbstrom überbrücken und überschreiten, und sah ihn dann wieder in schneedurchtobter Winternacht, erstarrt vor Frost, mit einer Begleitung von nicht mehr als zwei Gefährten nach Dresden zurückkehren, wo ich ihm beim Aussteigen aus dem Schlitten behilflich war und an Theodor nach Wien schreiben konnte, daß in jener Nacht die Last der Weltgeschichte auf meiner Schulter geruht habe. Von diesem Tage an führte ich einen nur kurzen, aber inhaltschweren Briefwechsel mit Theodor; unser Beider Entschluß war unwiderruflich gefaßt, und am 7. April schloß ich den Freund, der bereits den Waffenrock der schwarzen Jäger trug und dem Könige von Preußen den Fahneneid geschworen hatte, in meine Arme. Inniger denn je vorher schlossen wir uns an einander; ein kleines Liederheft, von mir den freiwilligen Jägern gewidmet, eingeführt mit einem Befehlworte Blücher's als Anweisung für den Drucker, der sich geweigert hatte, es zu drucken, fand bei Theodor die freundlichste Aufnahme, und als bei einer Flasche edelsten Gewächses Loschwitzer Bergweines er, ich und Fallenstein uns die neusten von uns verfaßten Kriegslieder vorlasen, äußerte Körner, der in der ihm eigenen Bescheidenheit uns ihm gleichstellte: »Nun, Einer von uns Dreien wird ja wol mit heiler Haut davonkommen und wird davon ein Lied zu singen wissen, daß wir Anderen, die wir nicht wieder heimkehren, uns brav gehalten haben.« Unter Gläserklang wurde dies Gelübde mit herzhaftem Bruderkuß besiegelt. –

Da Theodor früher als ich zum Lieutenant gewählt und von Lützow in seine Adjutantur berufen wurde, sahen wir uns nur hin und wieder einmal; doch suchte Theodor die früheren Kameraden gern auf, wozu er sich insbesondere dadurch veranlaßt fand, daß wir Freiwilligen vom zweiten Jägerbataillon einen Sängerverein, Feldkapelle genannt, errichtet hatten, dem er immer das Allerneueste, womit ihn die Muse beschenkte, brachte. Unser Kapellmeister, Lieutenant Otto Preuß, war ein trefflicher Dirigent und verstand sich darauf, die Lieder, welche Körner meist nach bekannten Melodien dichtete, vierstimmig aufzuschreiben. So feierten wir noch vor Anfang des Waffenstillstandes in Perleberg, Sandau, Havelberg und auf den umliegenden Dörfern mit Körner manchen festlichen Abend bei Gesang und Wein und einem von unsrem Dichter bereiteten Eierpunsche, Capacello genannt. Die Unternehmung Lützow's im Rücken des Feindes entführte uns unseren Körner auf längere Zeit. Theodor wurde schwer verwundet bei dem schändlichen Ueberfall während des Waffenstillstandes, der von Napoleon ausdrücklich befohlen worden war, da er das Lützow'sche Freicorps als den Brennpunkt eines allgemeinen Volksaufstandes ganz richtig erkannt und deshalb als eine Räuberbande »hors de la loi« erklärt hatte.

Bei dem Wiederbeginn des Krieges zu Anfang des August kehrte Körner, obwol ihm vom östreichischen Hauptquartier ehrenvolle Anerbietungen gemacht worden waren, zu den Lützow'schen Kameraden zurück, die ihn mit seinem unterdessen in Musik gesetzten: »Das ist Lützow's wilde verwegene Jagd!« und mit herzlichem Gruß empfingen.

Nur auf kurze Zeit war uns die Freude des Zusammenseins gegönnt. Wie der innig geliebte Freund am verhängnißvollen 26. August 1813 entseelt in meinen Armen gelegen, wird in der nachfolgenden Biographie zu lesen sein.

Nach beendetem ersten Feldzuge brachte ich den bekümmerten Aeltern im Sommer 1814 einige theure Angedenken von Theodor zurück; die Schwester, die ich früher als blühende Rose gesehen, sah ich nun als geknickte Lilie. Einen getrockneten Zweig von der Eiche, in deren Schatten wir den geliebten Bruder bestattet hatten, benetzte sie mit heißen Thränen und sprach die ahnungsvollen Worte aus: »Nur dort werde ich Ruhe finden.« Der Vater erfüllte ihren Wunsch und trat mit ihr und der Mutter die Wallfahrt nach Wöbbelin im September 1814 an. Schon im nächsten Jahre wurde der Wunsch Emma's in der zweiten Bedeutung ihrer ahnungsvollen Worte erfüllt. Sie schloß ihre schönen Augen am 15. März 1815 und fand ihre Ruhestätte neben dem Bruder unter der Eiche bei Wöbbelin.

Als ich nach beendetem Feldzuge 1815 in Berlin zum Premierlieutenant avancirt, eine Anstellung als Lehrer an der vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule erhalten hatte, war mir und meiner geliebten Frau die erhebende und beruhigende Freude beschicken, zu den verwaisten Aeltern in das innigste Freundschaftsverhältniß zu treten, ihnen, wenn auch nur in entferntester Weise, einen Ersatz für so großen Verlust bieten zu können. Wir verehrten beide Aeltern mit wahrhaft kindlicher Liebe bis zu ihrem Tode, und sie waren uns mit väterlicher Freundschaft und mütterlicher Liebe und Sorge bis an ihr spätes Lebensziel zugethan. Mir war die ehrenvolle Auszeichnung beschicken, die Leiche des am 13. Mai 1831 verstorbenen Vaters auf seinen früher gegen mich geäußerten Wunsch nach Wöbbelin zu geleiten und neben den geliebten Kindern in die Gruft zu senken, wo später auch Tante Doris, welche am 26. Mai 1832, und zuletzt die Mutter, welche am 20. August 1843 verschied, ihre Grabstätten, wie sie es gewünscht, erhalten haben.

Nach und nach war Friede und Beruhigung in die Herzen der tiefgebeugten Aeltern zurückgekehrt. Beweise so aufrichtiger Teilnahme sind wol nie einem Aelternpaare bei dem Verluste geliebter Kinder bewiesen worden, wie sie dem Vater und der Mutter Theodor's und Emma's zu Theil geworden sind. Der Vater, welcher nach der Theilung Sachsen's als Staatsrath in preußische Dienste getreten war, erhielt eine ihm sehr zusagende Anstellung als Geheimer Oberregierungsrath in dem Ministerium der Geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten, wo ihm als kenntnißreichem Musiker ein angemessener Wirkungskreis für die Hebung des musikalischen Unterrichts bei der Akademie der Künste und Förderung des Kirchengesanges und Orgelspieles von dem hochverdienten Minister Altenstein anvertraut worden war. Als Mitglied des Vorstandes der Zelter'schen Singakademie versäumte er niemals die Tage der Einübung der großen Oratorien und Passionsmusiken, bei denen er mit kräftiger, klangvoller Baßstimme bis in sein hohes Alter mitwirkte. Außerdem versammelte er bei sich allwöchentlich einmal einen ausgewählten Verein von Componisten, Sängern und Sängerinnen und dirigirte nach den vorliegenden Partituren größere und kleinere Musikstücke aus Opern und Oratorien. Für Bernhard Klein, welcher in diesem Kreise seinen Ruf gründete, schrieb er den Text zu dem Oratorium »David,« gab ihm lateinische Worte zu liturgischen Gesängen für den katholischen Ritus – Klein war Katholik – und nahm den lebhaftesten Antheil an der Composition seiner großen Oper »Dido,« Text von Rellstab, die er in dem edlen Stile Gluck's schrieb und die in Berlin mit Beifall ausgenommen wurde, zumal die Hauptpartie von der unvergeßlichen Milder-Hauptmann gesungen wurde.

Die Mutter und Tante Doris interessirten sich ebenfalls lebhaft für den genialen Componisten, welcher insbesondere die von ihm componirten Romanzen und Lieder mit dramatischem Vortrage und leidenschaftlichem Ausdrucke sang. Ihre Theilnahme bewiesen sie dem – wie es das gewöhnliche Loos der Genies ist – nicht mit Glücksgütern gesegneten jungen Künstler dadurch, daß sie ein gutes und wirksames Wort bei dem streng protestantischen Hofrath Parthey einlegten, als Klein sich um die Hand seiner einzigen liebenswürdigen Tochter Lili bewarb, welche ihm, nicht ohne Widerstreben von Seiten der Aeltern, mit innigster Zuneigung als liebende und geliebte Braut zum Altar folgte.

Tante Doris fand in Berlin, wo es damals noch kein Museum und keine Bildergallerie gab, keine Gelegenheit, ihr ausgezeichnetes Talent als Pastellmalerin so wie in Dresden zur Geltung zu bringen. Ihre trefflichen Kopien nach Raphael, Correggio, Carlo Dolce, Gimignani, Rembrandt, Rubens hatte sie durch letztwillige Verfügung dem Könige Friedrich Wilhelm III. zur Aufnahme in die Sammlung der Akademie der Künste geschenkt. Gegenwärtig sind diese in ihrer Art einzigen Gemälde in dem Kupferstichkabinet des Museums und noch dazu an ungünstigster Stelle aufgehangen.

Sie sowol als die Mutter Körner beschränkten sich darauf, Miniaturportraits auf weißen Sammet zu malen und die Freunde mit so werthvollen Geschenken zu erfreuen. Der Verf. wurde mit einem in dieser Weise gemalten Bildnisse seiner Braut – Laura Gedike – beschenkt, welche als eine ausgezeichnete Schülerin Zelter's, und von der Natur mit einer Stimme süßesten Wohllautes begabt, die Hauptstütze der musikalischen Abende in dem Körner'schen Hause war. In noch vorgerückterem Alter nahm die Mutter noch Unterricht in der Porzellanmalerei und brachte es darin zu einer so bedeutenden Vollkommenheit, daß sie Teller und Tassen geschmackvoll mit Blumen schmückte, von denen einige sogar mit der von ihrer Hand hinzugefügten Bemerkung bezeichnet sind: von Maria Körner in ihrem siebenzigsten Jahre gemalt. Sie bewahrte sich ernste Geistesgegenwart und heiterste Ruhe des Gemüthes, bis sie ihre auch im hohen Alter noch in Jugendfeuer strahlenden Augen schloß; nur Goethe's Augen waren diesen zu vergleichen. Durch die Güte der lieben, mütterlichen Freundin ist mir ein von Graff's Meisterhand gemaltes lebensgroßes Brustbild aus der Zeit, als sie Braut war, verehrt worden. Ein verwundersames Schicksal hat dieses kostbare Kleinod in unversehrter Frische erhalten. Körner gedachte seinem Vater an dessen Geburtstage vor der Hochzeit ein erfreuliches Geschenk mit dem Bildnisse seiner künftigen Schwiegertochter zu machen. Graff hatte, als Künstler von seinem Schönheitsgefühl geleitet, die ihm hier gebotene Aufgabe, die edelsten Formen hoher Frauenschönheit wiederzugeben, in einer Alle, die es sahen, entzückenden Weise erfüllt. Der Vater aber, ein gestrenger lutherischer Superintendent, weit entfernt, die allgemeine Bewunderung zu theilen, ward vor dem Bilde mit einem so unheimlichen Grauen erfüllt, wie es der heilige Antonius, als die Verführung ihn heimsuchte, nicht aufregender empfunden haben mag. Als sich die Kinder und Gäste entfernt hatten, schnitt er die Leinwand aus dem Rahmen, schlug das Gemälde wie einen Bogen Papier viermal gefaltet zusammen und versteckte es, ohne daß die Kinder erfuhren, wohin er es verborgen hatte.

Der Vater Körner hatte in seinem Testamente bestimmt, daß mir sein schriftlicher Nachlaß zu freier Benutzung anheimfallen solle; hierzu gehörte auch eine ansehnliche Sammlung handschriftlicher Partituren und musikalischer Kompositionen, sämmtlich geordnet und in größeren und kleineren Formaten zusammengeheftet und gebunden. Als ich mit Mutter Körner beschäftigt war, diesen werthvollen Nachlaß zu verzeichnen, bemerkte ich in einem Paket eine zusammengefaltete Leinwand, aus der ich, obschon deren Seiten fest an einander gebacken waren, ein Oelbild zu finden vermuthete. »O, Du mein Gott!« rief mit Verwunderung und Freude die verehrte Frau, »das ist ganz sicher mein verloren geglaubtes Portrait, von Graff gemalt, als ich Braut war, und von meinem Schwiegervater zusammengefaltet zwischen ein Paket Noten versteckt, wo es nun seit vielleicht fünfzig Jahren gelegen hat, ohne daß wir eine Ahnung davon gehabt.« Da durch eine nähere Untersuchung auf der Stelle das Bild zerstört worden wäre, rieth ich, es den geschickten Händen des bei der Bildergalerie des königlichen Museums angestellten Restaurators Xeller anzuvertrauen. Die gütige Freundin machte mir ein Geschenk mit der zusammengebackenen Leinwand, Freund Xeller bewährte seine Kunst, und gegenwärtig glänzt dies wunderschöne Bild in jugendlicher Frische an der Seite des mir ebenfalls von dem Vater testamentarisch vermachten, von Graff gemalten Bildnisses Schiller's in meinem Zimmer.

Außer diesen beiden Bildnissen befinden sich noch in meinem Besitze durch Schenkung und Vermächtniß: das lebensgroße Bildniß Emma's, Pastellbild von Tante Doris; das Portrait Theodor's, Bleistiftzeichnung von Emma, während seiner kurzen Anwesenheit in Dresden im April 1813, in der Lützow'schen Jägeruniform gezeichnet. Ein Portrait Emma's, nach dem Pastellbilde in schwarzer Kreide. Ein Miniaturbildniß Raphael's, von Emma gemalt. Ein Portrait Mozart's, Bleistiftzeichnung von Tante Doris, nach dem Leben gezeichnet. Der silberne Frühstücksbecher Schiller's aus der Zeit seines Aufenthaltes auf dem Weinberge in Loschwitz. Ein goldener Siegelring mit Schiller's Kopf in Carneol. Ferner: Eine Brieftasche Theodor's von rothem Saffian, welche ich, als er gefallen war, in seiner Rocktasche fand, darin das Gedicht »Die Eisenbraut;« zwei Wiener Zwei-Gulden-Stadtbanco-Zettel vom 1. Januar 1800; ein Brief Beethoven's; einige andere Briefe und Einladungskarten, und in einem Couvert Lorbeer- und Myrtenblätter. Der Czacko, die Feldmütze und 1 Paar Stiefeln mit Sporen, von Theodor getragen.

Einen erheblichen Werth darf der Verfasser dieser Biographie darauf legen, daß er nicht nur mit Theodor, den Aeltern, der Schwester Emma und Tante Doris viele Jahre lang in nahem und nächstem freundschaftlichem Umgange lebte; daß er auch mit allen denjenigen Personen und Familien, mit welchen Theodor und die Aeltern befreundet waren, in ein mehr oder minder nahes Verhältniß des Umganges und der Freundschaft zu kommen das Glück hatte. Hier sei nur angeführt, daß mich seit 1809 zu wiederholten Malen Einladungen der Herzogin von Kurland nach Löbichau, ihrem Landsitze bei Altenburg, führten, wo ich ihre durch Schönheit und Liebenswürdigkeit ausgezeichneten Töchter, die Herzoginnen Accerenza, Hohenzollern, Sagan und Dino kennen lernte und mit der Schwester der Herzogin, Frau Baronin Elise von der Recke und ihrem unzertrennlichen Begleiter Tiedge in nähere Beziehungen kam, welche auch, nachdem diese würdige Dame in Berlin und später in Dresden sich niedergelassen, bei wiederholten Besuchen erneut wurden. Der Braut Theodor's, der geistvollen Toni Adamberger, brachte ich noch 1816 einige Andenken von Theodor nach Wien, und als wir 1863 den fünfzigjährigen Gedenktag des Todes Theodor's an seinem Grabe bei Wöbbelin feierten, sandte mir die nun verwittwete Frau v. Arneth einen Lorbeerkranz aus Wien, um damit das Grab ihrer unvergessenen Jugendliebe zu schmücken. Bei Theodor's Freunden und Freundinnen in Wien fand ich als sein Freund herzliche Aufnahme, insbesondere bei Frau von Pereira, bei Arnstein, Gaymüller, v. Kurländer, Marianne Saling, Frau Caroline v. Pichler u. A. m. Im älterlichen Hause in Dresden und später in Berlin wurde ich mit Wilhelm und Alexander v. Humboldt, mit den Generalen v. Pfuel, Rühle v. Lilienstern, v. Wolzogen; mit Frau v. Humboldt und deren Töchtern, mit Frau Henriette Herz, Familie Parthey, v. Schönberg; mit Goethe in Weimar und dessen Familie, mit Frau Caroline v. Wolzogen in Jena, mit Ludwig Tieck, Zelter, Karl Streckfuß, Schleiermacher, A. W. Schlegel, Heinrich Steffens, de la Motte Fouqué, Achim v. Arnim, E. M. Arndt, L. Jahn in Berlin bekannt. Wollte ich alle die Freunde und Bekannten Theodor's und seiner Familie namhaft machen, mit denen ich nicht in so nahen, andauernden Beziehungen stand wie mit den oben genannten, sondern die ich nur in vorübergehender Begegnung kennen lernte, dann würde ich jenes Verzeichniß verdoppeln und verdreifachen können.

Nicht unerwähnt darf ich lassen, daß mir auch die Oertlichkeiten, Landschaften, Städte, Dörfer und Wohnungen, in welchen Theodor lebte und verkehrte, nicht unbekannt geblieben sind.

So darf ich am Schlusse dieses Vorberichtes einige der schönen Erinnerungen zurückrufen an Begegnungen mit Theodor und an so manchen mit ihm heiter verlebten Tag, an so manche munter durchschwärmte Nacht. Im Bergmannskittel, wohlversehen mit Arzleder und Grubenlicht, fuhr ich in Freiberg mit ihm an auf »Beschert Glück, Fundgrube hinter den drei Kreuzen,« wo wir auf den Fahrten des Seigerschachtes, mit Schlägel, Fäustel und Eisen bewaffnet, viele hundert Lachter in die Teufe hinabstiegen, die rauschenden Gewässer des Stollens zur Seite, rothgiltig Erz loshämmerten, den Hund in den Gängen schieben halfen, bei dem Rufe »angezündet!« uns in die Höhle flüchteten zum Schutze gegen das durch Pulver losgesprengte Gestein und mit dem Gruße: »Glück auf! macht gesund Schicht!« welches mit dem Gegengruße: »Das gebe Gott! fahren Sie gesund aus!« erwidert wurde, die Fahrt zu Tage glücklich vollbrachten. Und wie ich mit ihm in die Tiefen der Erde hinab-, so bin ich mit ihm auch auf die Höhen des Erzgebirges und die über den heiligen Hallen bei Tharandt sich erhebenden Berggipfel hinaufgestiegen. Ich saß mit ihm an der fürstlichen Tafel der Herzogin von Kurland im elegantesten Schniepelwichs und saß mit ihm und anderen flotten Burschen im Studentenflausch in Auerbach's Keller, wo uns bei den Perlen vom Rheine und dem Blute von Burgund so kannibalisch wohl wurde, wie jenen berüchtigten Fünfhundert in der Zelle, aus welcher Faust gottseligen Andenkens auf dem Weinfasse davon ritt. Unter den Eichen des Rosenthales sang Theodor mir seine schwärmerisch zärtlichen Liebeslieder, und ich stand dem wild aufbrausenden Renommisten zur Seite bei der verhängnißvollen Paukerei, in deren Folge er, flüchtig und verbannt, Leipzig mit schwerem Herzen zu verlassen sich gezwungen sah. – Ein Besuch, zu dem er mich nach Wien eingeladen hatte, mußte wegen der kriegerischen Ereignisse aufgegeben werden; wir begrüßten uns im April 1813 im Waffenrock der schwarzen Jäger im älterlichen Hause zu Dresden. Als gute Feldkameraden bauten wir uns gemeinschaftlich die Biwachthütte von Stroh, schürten das Feuer unter dem Feldkessel, und noch in der vorletzten Nacht, bevor ihn die tödtliche Kugel traf, suchte er mich im Feldlager auf; es war die letzte Flasche, die wir in froher Gemeinschaft leerten. Auf dem Wege nach der Mühle, wo er als Adjutant Lützow's im Quartier lag, wohin ich ihn begleitete, überfiel mich bei dem Abschiede von ihm eine so bange Wehmuth, daß ich den Freund mit heißen Thränen in die Arme schloß; es war dies die letzte ahnungsvolle Umarmung. Als ich ihn am zweiten Tage wieder in den Armen hielt, hatte er bereits seine edle Seele ausgehaucht. Unter einer Eiche auf der Feldflur Wöbbelin's senkten die Waffenbrüder ihn in die einsame Lagerstätte, von der ich mit tiefer Betrübniß schied, da es mir diesmal versagt war, sie mit ihm zu theilen. – Vergönnt aber war es mir, am 26. August 1863, bei der Feier des fünfzigjährigen Todestages Theodor's, eine zwar nur geringe, aber getreue Schaar von »Lützow's wilder verwegener Jagd« von Ludwigslust nach der Eiche bei Wöbbelin zu führen und an dem Grabe, welches ich mit eigenen Händen hatte graben helfen, dem Freunde und Waffenbruder einen Nachruf ehrenden Gedächtnisses zu widmen. In späteren Jahren war mir beschieden, die betrübende und doch zugleich tröstliche Kindespflicht zu üben, dem Vater (den 13. Mai 1831) und der Mutter (den 20. August 1843), als sie zum ewigen Frieden heimgegangen waren, auf dem Todbette die Augenlider zu schließen und den Abschiedskuß auf die erkaltete Stirn zu drücken.


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