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Langsam kam der Toni näher und sagte in lächelnder Ruhe: »Weswegen schreit denn der Vater so? Hab ich denn gsagt, daß ich mich wehr gegen 's Heiraten? Gott bewahr! Ich heirat ja gern. Wann's der Vater positivi haben will.«
Der Roßmooser riß Mund und Augen auf. »Ja weißt dir denn eine?«
»Wohl wohl.« Es zuckte um Toni's Mund, als könnte er ein Lachen nur mit Mühe unterdrücken.
»Jetzt da schau her!« Der Roßmooser schlug die Faust auf den Tisch. »Wie lang hast es denn schon mit ihr, du Duckmauser, du?«
»Gar nit lang. Und wenn ich das Dirndl krieg, Vater . . . ich versprich's auf Ehr und Seligkeit . . . nachher gibt's für mich im Leben kein Gamsl mehr und kein Stutzen nimmer!«
»Und was wär denn das für eine?«
»Ich mein', der Vater müßt das Dirndl kennen. Er hat mir's ja selber gschickt.«
»Was?« rief der Roßmooser staunend.
»Wohl wohl, heut in der Nacht, auf d' Almhütten auffi.«
Da sprang der Bauer in die Höhe, als wäre Feuer auf der Bank entstanden. Mit steifen Augen starrte er seinen Buben an, langsam drehte er den Kopf, und als ihm der lederne Beutel, den er im Eifer des Gefechts vergessen hatte, wieder in die Augen fiel, da schien ihm in dieser dunklen Geschichte plötzlich ein Lichtlein aufzugehen. Er stieß – war's Überraschung, Zorn oder Freude? – einen langgezogenen kreischenden Laut aus, der mit dem Schlachtgeheul eines wilden Kriegers eine entfernte Ähnlichkeit besaß. Er wollte auf seinen lachenden Buben zustürzen; aber auf halbem Wege hielt er inne, denn er sah, daß die Stubentür sich öffnete.
Mali trat ein. Sie hielt die Augen gesenkt und ließ das blasse Köpfchen hängen, als wär's eine geknickte Lilienblüte. Lautlos drückte sie hinter sich die Tür zu, nestelte an der Schürze und sagte mit leiser Stimme: »Der Bauer, hat die Zenz gesagt, tät mit mir reden wollen?«
Das war nun freilich richtig. Aber dem Roßmooser schien es die Rede verschlagen zu haben. Schweigend stand er, mit schief gehaltenem Kopf, und musterte das Mädel mit wägendem Blick von den Fußspitzen bis zum Scheitel. Dabei wurde sein Gesicht immer freundlicher, sein Mund immer breiter.
Toni lächelte. »Mir scheint, das Dirndl gfallt dem Vater?«
Beim klang dieser Stimme rann ein Zittern über Malis Glieder. In Scheu und Bangen hob sie die Augen. Und als sie an der Seite des Roßmoosers den jungen Burschen gewahrte, stockte ihr der Herzschlag. Mit zuckenden Händen griff sie in die Luft.
Sie wankte, sie drohte umzusinken, aber Toni war schon auf sie zugesprungen und fing sie auf in seinen Armen. Er führte sie unter zärtlichem Stammeln zur Ofenbank, setzte sich an ihre Seite, zog die halb Ohnmächtige an seine Brust und küßte ihr die Stirn, die Augen, die Wangen und den Mund.
Mit gespreizten Beinen, die Fäuste in die Hüften gestemmt, stand der Roßmooser inmitten der Stube und guckte mit runden Augen das Pärchen an. Durch seinen Kopf ging es wie ein Wirbel, aus dem sich nur langsam die klaren Gedanken lösen wollten. Nun wußte er, welche Bewandtnis es mit dem Kasermanndl hatte, dem er in der Weihnacht mit seiner 'übermütigen Red' das Mädel in die Arme geschickt hatte. Eine schöne Bescherung das! Ein bettelarmes Dirndl – als Schwiegertochter im Roßmooserhof! Arm? Freilich. Aber der Geldsack des Roßmoosers war groß genug und brauchte sich keinen Buckel mehr aufzuschnallen. Ein armes Dirndl! Aber kreuzbrav und bildsauber dazu! Und an der richtigen 'Schneid' fehlte es auch nicht, das hatte die Mali in der vergangenen Nacht bewiesen. Und eine, die den Teufel nicht fürchtet, die wird wohl auch mit einem Mannsbild fertig werden, dem – wie der Roßmooser meinte – mehr 'dumme Streich' im Kopf stecken als gescheite Gedanken. Und blieb die Mali im Hof, so brauchte die braune Liesl den Stall des Roßmoosers nicht zu verlassen. Und der Millirahmstrudl mit Zibeben! Der gab den Ausschlag.
Schmunzelnd ging der Bauer auf das Pärchen zu und stieß dem Buben, der mit Küssen kein Ende finden wollte, die Faust hinters Ohr. »Hörst nit auf? Schenierst dich denn gar nit vor dem Vater?«
»Schenieren soll ich mich auch noch?« lachte Toni. »Oder is mir der Vater vielleicht neidisch drum?« Er wollte seine angenehme Beschäftigung mit Eifer wieder aufnehmen.
Aber Mali wand sich aus seinen Armen. Sie schien immer nicht zu fassen, was mit ihr vorging. Ihre Lippen zuckten, Tränen hingen an ihren Wimpern, Röte und Blässe wechselten auf ihren Zügen, und mit traumverlorenen Augen starrte sie bald den Bauer an, bald wieder den 'Unheimlichen' an ihrer Seite. Und da sie aus dem Wirrsal ihrer dämmernden Gedanken keinen besseren Ausgang fand, schlug sie die Hände vor das Gesicht und brach in Schluchzen aus.
»Jesus Maria!« stotterte der Roßmooser erschrocken.
Aber Toni schob den Vater zurück, zog die Weinende an seine Brust und sagte: »Schau, Vater, sei doch gscheid! Laß mich ein bißl allein mit dem Dirndl, laß mich reden mit ihm!«
»Meintwegen, so red halt!« Der Bauer stieß die Hände in die Hosentaschen und stapfte der Türe zu. Bevor er die Stube verließ, guckte er blinzelnd noch einmal zurück. »Ein schöns Reden, das!« meinte er, als er merkte, daß die Zwiesprach seines Buben in nichts anderem bestand als in ungezählten Küssen.
Draußen, unter der offenen Haustür, blieb der Bauer stehen. Behaglich und zufrieden, als hätte er nicht nur ein gutes, sondern auch ein kluges Werk gestiftet, wiegte er sich in den Knien, schnalzte mit der Zunge und ließ sich dabei die laue Wintersonne auf das Bäuchlein scheinen.
Da sah er den Altsenn aus der Stalltür kommen. »He, du!« rief er ihm zu. »Du Weißkopfeter! Da komm her ein bißl!«
Bedächtig kam der Alte durch den Schnee einhergewatet.
»Was meinst?« fragte der Bauer mit vergnügtem Kichern. »Was meinst, wer drin is in der Stub?«
»Wer soll denn drin sein?«
»'s Kasermanndl! Mit seiner Saligen!«
Der Altsenn runzelte die Stirn. »Geh, Bauer, das weißt doch, daß ich kein Spaß nit vertrag über solchene Sachen!«
Der Bauer schmunzelte. »Wenn du's nit glaubst, so schau halt durchs Fenster eini!«
Der Alte blinzelte den Roßmooser von der Seite an und schüttelte den Kopf. Aber seine Neugier war doch größer als sein Mißtrauen. Zögernd näherte er sich dem Fenster und guckte durch die Scheibe. Betroffen fuhr er zurück. Aber gleich wieder drückte er die Nase an das Glas. Und dann brach er in lustiges Lachen aus. Er schien den Zusammenhang des Bildes, das er in die Stube gewahrte, mit dem Abenteuer der vergangenen Nacht zu ahnen. »Der Toni? Der Toni war's?«
»Ja, was sagst! Gamsjagern is er gwesen, der Hallodri!«
»Und hat ein Täuberl gfangt! Aber ein liebs, das muß ich sagen!«
»Meinst nit auch: aus der Mali wird eine richtige Bäuerin?«
»Wohl wohl! Die lauft um eine Kuh dem Teufel in' Rachen!«
Nun lachten sie alle beide.
Drin in der Stube saß Mali wortlos an der Seite des Burschen, der sich doch endlich Zeit zum Reden genommen hatte. Ihre Wangen glühten, und ihre Augen leuchteten vom Glanz des Glückes, das in ihrem jungen Herzen aufgegangen war.
»Also magst mich oder nit?« Mit dieser Frage schloß der Bursch sein sprudelndes Bekenntnis. »Aber haben mußt mich, wie ich bin, mit Haut und Haar, gut und schlecht. Bist einverstanden?«
Unter schüchternem Lächeln sah ihm Mali in die Augen. »Einverstanden?« lispelte sie. »Ich glaub, ich hätt sterben müssen an der heutigen Nacht, wenn's nit so kommen wär.«
Sie wollte noch weiter sprechen. Aber Toni umschlang sie jauchzend und schob ihren Lippen einen dauerhaften Riegel vor.
Endlich löste sie sich aus seinen Armen und erhob sich. »So viel Glück! So viel! Aber schau, Toni, jetzt hätt ich eine Bitt.«
»Was denn, Schatzl?«
»Schau, ich trau mich nit freuen von Herzen, solang ich denken muß, daß d' Mutter eine Nacht in Sorg verschlaft. Tu mir den Gfallen, Toni, geh mit mir abi zur Mutter! Magst?«
»Ja, Schatzl! Auf der Stell!«
Ein fester Kuß. Dann gingen sie Hand in Hand zur Tür.