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Wie selig lebt ein Mann, der seine Pflichten kennt
Und, seine Pflicht zu thun, aus Menschenliebe brennt,
Der, wenn ihn auch kein Eid zum Dienst der Welt verbindet,
Beruf und Eid und Amt schon in sich selber findet!
Ihm wird des andern Wohl sein eignes Himmelreich;
Er fühlet meine Not, als träf' ihn selbst der Streich;
Und das, was ihn beherrscht, ist ein gerecht Bestreben,
So treu, als er sich lebt, der ganzen Welt zu leben.
Daß seine milde Hand dir Glück und Ruhe schafft,
Ist kein erzwungner Trieb von deiner Thränen Kraft:
Er sieht, du bist es wert, er sieht, er kann dir nützen,
Und mehr, als du gehofft, wirst du durch ihn besitzen.
Nicht macht er dich beglückt, daß du sein Sklave seist
Und aus Erkenntlichkeit ihm dein Gewissen leihst
Und, weil er dein gedacht, ihm dich auf ewig schenkest
Und, wie er denkt und glaubt, auch mit ihm glaubst und denkest.
Auch hilft dir nicht sein Herz nur bloß aus Weichlichkeit,
Indem es jede Not aus innrer Wollust scheut;
Viel minder wird er dich mit seiner Gunst beglücken,
Um, was er einmal that, dir zehnmal vorzurücken.
Nicht darum wird dein Glück von seiner Huld vermehrt,
Von seinem Arm beschützt, damit man öfters hört:
»Ich hob ihn aus dem Staub in den beglückten Orden,
Ich sprach: er werde groß! und er ist groß geworden.«
Nein, wenn der Menschenfreund sich um dein Wohl bemüht,
So glaub', er wartet nicht, bis es der Erdkreis sieht.
Er bittet dich vielmehr, die Wohlthat zu verschweigen;
Gott und sein eignes Herz sind ihm die liebsten Zeugen.
Kein Stolz noch Eigennutz wirkt seine Gütigkeit.
Was die Natur befiehlt, was die Vernunft gebeut,
Was dein Bedürfnis heischt, dies reizet seine Triebe
Auch ohne Ruhm und Lohn zu wahrer Menschenliebe.
Nie hält er sich zu schwach, dir hilfreich beizustehn;
Sein Ansehn und sein Freund, sein Stand, sein Wohlergehn
Sind Mittel deines Glücks; und kann er nicht durch Thaten,
So wird er durch Verstand und durch Erfahrung raten.
»O!« spricht er bei sich selbst, »mir gab der Allmacht Hand
Bei Gütern und Gewalt auch Willen und Verstand;
Die letzten wend' ich an, damit die ersten Gaben,
Indem sie mir genützt, der Welt genützet haben.
Was soll der reiche Schatz? Wie, soll er nur allein
Des Moders halber Raub und meine Marter sein?
Und soll ich, als ein Thor, mein Herz und mein Gewissen,
Vergnügen und Verstand zugleich mit ihm verschließen?
Welch Elend ist mein Glück, wenn ich von Unruh' voll,
Als meines Schatzes Herr, den Schatz nur hüten soll!
Bekam ich darum nur der Väter reiches Erbe,
Damit ich reicher noch als meine Väter sterbe?
Ist dies des Reichtums Frucht, daß ich, dem Geize treu,
Bei allem Überfluß selbst arm und dürftig sei:
So fluch' ich auf mein Glück und nenn' es eine Bürde
Und hielt' ein Freudenfest, wenn sie gestohlen würde.
Der, der aus seiner Hand, die ihn mit Müh' ernährt
Und noch vom Fleiße schwitzt, sein schwarzes Brot verzehrt
Und sich's zufrieden gönnt, ist's gleich das letzte Stücke,
Lebt besser ohne Glück als ich bei großem Glücke.«
Zwar seh' ich, wie Gargil sein reiches Gut gebraucht,
Wenn stets sein Speisesaal von zwanzig Schüsseln raucht;
Nie hebt die Tafel an, so zeigen neue Trachten,
Daß ihm die Väter nicht umsonst ihr Geld vermachten.
Wahr ist's, Gargil lebt wohl; komm' auch um Mitternacht!
Da kömmt kein Gast zu spät, wo stets der Mundkoch wacht.
Dich wird der liebste Wirt mit Speisen überladen,
Mit Gläsern auf dich gehn und dich mit Weine baden.
Trink' dich um den Verstand, du trinkst ihm nie zu viel.
Du taumelst, taumle recht, denn dieses wünscht Gargil;
Er lacht den andern Tag, wenn du die Stirne streichest
Und krank durch seine Huld aus seinem Hause schleichest.
So braucht Gargil sein Gut und legt der Schwelgerei,
Mit welcher er's verpraßt, der Großmut Namen bei
Und meint, er lebe klug, und lebt und schwelgt bethöret,
Bis sein Palast für Schuld der ganzen Stadt gehöret.
»O!« denkt der Menschenfreund, »Suffen mag Häuser baun
Und sich beim Leben schon durch Stein verewigt schaun;
Was nützt die stolze Wand, als daß von seinem Segen
Die Enkel einst in ihr der Wollust sanfter pflegen?
Haut ganze Wälder um, legt teure Gärten an,
Viel habt ihr für die Pracht, nichts für die Welt gethan;
Schmückt Gärten, Haus und Hof mit Bildern und mit Säulen,
Den Künstlern wird die Welt, nicht euch den Ruhm erteilen.
Ich will mit meinem Gut, das mir das Glück verliehn,
Mein reinliches Gemach nicht glänzend überziehn;
Es ist bequem genug, mich und den Freund zu fassen;
Der Freund besucht es gern und wird's nicht gern verlassen.
Den Fremden und dem Freund sei stets mein Tisch gedeckt,
Wenn ein gesund Gerücht mir und den Gästen schmeckt;
Was soll der Überfluß aus Feldern, Wald und Seen,
Dem Tisch und mir zur Last, vor meinen Augen stehen?
Macht mich ein kluger Freund durch Reden voller Geist
Bei wenig Speisen satt, so hab' ich wohl gespeist
Und tausche nicht mit dem, der hundert Schüsseln zählet
Und doch bei jeder klagt, daß ihm der Hunger fehlet.
»Die Welt hat Recht genug zu meinem Wohlergehn.
Was ich nicht selbst bedarf, muß ihr zu Dienste stehn.
Für alle schuf der Herr die Güter dieser Erden,
Für alle, die da sind und noch geboren werden.
Daß mancher Fromme darbt, manch redlich Herz verdirbt,
Und der, zum Greis versehn, vor Not als Jüngling stirbt;
Daß mancher Vater ächzt, weil er bei Fleiß und Wachen
Nicht so viel Brot erschwitzt, die Kinder satt zu machen,
Thut dieses die Natur? Gibt sie nicht reichlich g'nug?
Verschwendung, Hoffart, Geiz, List, Eigennutz, Betrug,
Dies macht den Erdkreis arm. O steinern Herz des Bösen,
Zum Retten hast du Kraft und willst doch nicht erlösen!
So lange siecht Philet von Weh' und Angst beklemmt.
Warum? weil noch bis itzt kein Samariter kömmt.
Er leidet ohne Schuld und wäre längst genesen,
Wärst du zum Mitleid nicht zu kalt und karg gewesen.«
So denkt der Menschenfreund; er denkt nicht nur, er thut;
Er teilt mit Klugheit aus und freut sich, daß sein Gut
Die Zahl der Frohen mehrt, die Zahl Entblößter mindert
Und, wenn er längst verwest, noch manches Elend hindert.
Er hilft der Wissenschaft; weil, wenn er die beschützt,
Er auch der Wahrheit hilft und auch der Tugend nützt,
Und ihrem größten Feind, der Gott und sie entehret,
Dem Sohn der Finsternis, dem Aberglauben, wehret.
Ein Kopf, dem die Natur mehr Geist als Glück verliehn,
Ist seiner Achtung wert; er sucht ihn aufzuziehn,
Durch Beispiel, durch Verstand, durch Großmut, Hülf' und Wachen,
Klug, edelmütig, treu, groß und beglückt zu machen.
Was kann er Edler's thun, als daß er für die Welt
Ein nicht von seinem Blut entspross'nes Kind erhält?
Er schenkt ihm Zucht und Kunst; der Vater gab ihm Leben;
Wer hat für diesen Sohn das Meiste hergegeben?
Er setzt das ganze Jahr gewisse Gelder aus;
Für wen? frißt sie vielleicht der Schmeichler und der Schmaus?
Erkauft er sich damit der Dichter Lorbeerreiser?
O nein! errötet nur, er baut den Witwen Häuser,
Wird zarter Waisen Gott und schätzt sich dann beglückt,
Wenn sie, durch seine Hand zum Dienst der Welt geschickt,
Den Zeiten nützlich sind. »O«, spricht er, »dieser Same
Sei, wenn ich nicht mehr bin, mein Preis und später Name!«
So wie der Wuchrer zählt, wenn itzt ein Jahr verläuft,
Wie hoch sein bares Geld sich durch die Zinsen häuft,
So zählt der Menschenfreund mit jedes Tages Ende
Den Wucher seines Guts, das Wohlthun seiner Hände.
Er lacht des eitlen Staats; für das verschmiss'ne Geld,
Wovon Marull ein Haus unnützer Diener hält,
Die ihm im Wege stehn und ihm und seinen Pferden
Am Müßiggange gleich und gleich an Geilheit werden,
Für dies verpraßte Geld weiß unser Menschenfreund
Den, der mit Jammer wacht und auf dem Lager weint,
Aus Liebe zur Natur, bewegt von sel'gen Pflichten,
Großmütig zu erfreun und göttlich aufzurichten.
Zum Prinzen fehlt ihm nichts als ein gehorchend Land.
Kommt, Völker, gebet ihm den Zepter in die Hand:
Er wird als Antonin das Ruder weislich führen,
Gelinde wie Trajan, groß wie August regieren.
Er hält nicht Glück und Volk für sich allein gemacht,
Sich hält er für die Welt von Gott hervorgebracht;
Ihm will er, als sein Bild, durch wahre Hoheit gleichen,
Durch Liebe sucht er dies und wird's durch Lieb' erreichen.
Kein Undank schreckt ihn ab, dir noch sein Herz zu weihn.
Versuch' es, sei sein Feind, du wirst's nicht lange sein;
Durch Wohlthun wird er bald Haß und Verfolgung schwächen
Und, wenn du ihn bedrängst, sich nur durch Großmut rächen.
Wo aber bleibt die Frucht von allem, was er gab?
O Freund, sprich seiner Huld nicht gleich den Nutzen ab!
Der Landmann pflegt im Herbst den Acker feist zu bauen
Und sein erspartes Korn den Hufen zu vertrauen.
Itzt sieht er keine Frucht, er sieht nach kurzer Zeit
Sein reich gestreutes Korn vergraben und verschneit,
Und doch verzagt er nicht; nach wenig Frühlingstagen
Zeigt sich sein Feld bereit, im Sommer reich zu tragen.
Das Grüne sproßt hervor, die Saat fängt an zu blühn;
Der Stengel eines Korns, so klein er erstlich schien,
Wird vielfach schon ein Halm; dann trägt in vollen Ähren
Ein einzig Korn oft Brot, dich Tage zu ernähren.
So zeigt der Wohlthat Frucht sich nicht im Augenblick;
Itzt leget sie den Grund zu eines Waisen Glück.
Dies scheint nicht viel gethan; was hilft das Glück des einen,
Wenn Tausend gegen ihn ihr Unglück noch beweinen?
Doch warte kurze Zeit, der Waise wird ein Mann,
Der durch Verstand und Kunst und Güter dienen kann.
Er hilft, er dient, er nützt, sorgt, wachet und verbessert
Und mehrt des andern Wohl, so wie man seins vergrößert.
So keimt aus einem Glück oft ganzer Häuser Heil,
Und ganzer Häuser Wohl wird ganzer Länder Teil:
So nützt des Ersten Hand, die dem das Glück gegeben,
In ihm noch oft der Welt nach eines Mannes Leben.
O, wollte doch der Mensch des Menschen Schutzgott sein,
So wär' das meiste Weh' noch unbekannte Pein!
Belebte jedes Herz der Geist der Menschenliebe,
So wären Neid und Haß noch ungezeugte Triebe.
Als Glieder schuf uns Gott, als Bürger einer Welt,
In der des einen Hand die Hand des andern hält.
Wir trennen dieses Band und bleiben fühllos stehen
Und bauen unser Glück auf andrer Untergehen.
Ein treu und redlich Herz wohnt bei Vernunft in dir;
Allein du denkst, du sprichst, du glaubst nicht so wie wir.
So siehst du deine Qual in blinder Eifrer Händen,
Die redend heilig sind und Gott durch Thaten schänden.
Aus Eifer für den Gott, der Liebe nur gebeut,
Verfolgt und drängt man dich und stößt aus Heiligkeit
Dich schäumend von sich aus und suchet durch Verheeren,
Durch Martern des Barbars dich christlich zu bekehren.
Hält nicht noch manches Land aus nie befohl'ner Pflicht,
Rechtgläubig vor dem Herrn, ein heilig Blutgericht
Zum Bau des Christentums und Ketzern zum Verderben,
Die oft weit seliger als ihre Henker sterben?
So lieblos macht der Mensch den Menschen unglücksvoll,
Statt daß er ihn als Freund mit Sanftmut tragen soll.
Komm wieder, glücklich Jahr, du goldne Zeit der Alten,
Da Wahrheit, Treu' und Recht und Menschenliebe galten! |