Friedrich Gerstäcker
Australien
Friedrich Gerstäcker

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6. Der Adelaide-Distrikt.

Etwa zwei Uhr Nachmittags betrat ich die ersten Hügel des Adelaide-Distriktes. Hui, wie der Wind über die kahlen und spärlich mit ewigen unverwüstlichen Gumbäumen bewachsenen Berge herüberpfiff! Wie kalt und frostig mir der Regen in das Gesicht schlug, und wie ich mich stemmen mußte gegen den scharfen Luftzug, der mich manchmal fast in meine Bahn zurückgeschoben hätte, und mich mehr als einmal wirklich aufhielt! O wie schön sich die mattgrau und grüne Landschaft, von den grauen Wolken überhangen, von einem scharfen Südwest gepeitscht, in der früh einbrechenden Dämmerung ausnahm – es war eine wundervolle Scenerie. Doch ich will nicht ungerecht seyn: hier wuchs Gras – die Hügel waren grün. Seit langen, langen Monaten hatte das müde Auge diesen Trost eines grünen Hanges entbehrt! Dürr genug sah der Boden freilich aus, die häufigen Regen hatten ihm aber Feuchtigkeit genug gegeben, und das Gras wuchs ziemlich üppig – wenigstens kam es mir üppig vor, denn ich war gar nicht mehr gewohnt zwei Grashalme nebeneinander stehen zu sehen.

Um vier Uhr etwa, während es regnete, was vom Himmel herunter wollte, erreichte ich die ersten Häuser – Norton's public house – und befand mich jetzt etwa neun Meilen von der ersten deutschen Colonie – der Murray lag hinter mir, und ich hatte wenigstens den beschwerlichsten und gefährlichen Theil der Reise glücklich beendet.

Füglich fange ich mit diesem Distrikt einen neuen Abschnitt an, denn ich wurde schon in diesem meinem ersten Nachtquartier in den Hügeln aus meinem alten Waldleben herausgerissen, und meine ganze Umgebung verrieth, daß sich hier andere Interessen begegneten, als nur die des Schafzüchters und Stockkeepers. So langweilig mir aber auch manchmal die Unterhaltung von Rindern und Pferden, und die höchst genaue Beschreibung von gewissen einst besessenen und jetzt verloren gegangenen Zugochsen gewesen war – Beschreibungen in denen mit der größten Wichtigkeit verhandelt wurde, ob das rechte oder linke Horn heruntergebogen, ob der rechte oder linke Hinterfuß weiß gewesen wäre, und das R, womit der eine auf der »off« Hüfte gezeichnet war, nicht nach unten zu einen kleinen Haken gehabt habe u.s.w. – so hatte ich dabei doch immer gedacht, sie seyen besser als die Goldgespräche in Kalifornien, wo es wieder und wiedergekäut wurde, wenn sie heute in der, morgen in jener Ecke einen Stein aufgenommen oder einen Felsenspalt aufgebrochen hatten, und dann ein Stückchen Gold von einer viertel oder halben Unze, oder von zwei, drei oder sechs Unzen aufgefunden hatten u.s.w., und ich war wirklich froh, doch jetzt, halb in der Wildniß, wenigstens mit solchen Gesprächen verschont zu bleiben.

In dem einen Zimmer brannte ein Kaminfeuer, um das sich eine Masse Arbeiter und einige der kleinen Krämer aus den nächsten Häusern gesammelt hatten, denn es war gewissermaßen ein kleines Städtchen, in das ich heute Abend eingelaufen. Während im »Parlour« ebenfalls ein Feuer angezündet wurde, gesellte ich mich zu der »Schaar,« um mich erst einmal wieder ein bischen aufzuwärmen, und zu hören, was die Leute eigentlich zu sagen und zu erzählen hatten.

»Ein Stück von sieben Unzen haben sie in den Ophir-Diggings gefunden,« betheuerte ein alter Mann, der ein Zeitungsblatt in der Hand hielt, und sich nur eben die Brille auswischte, den neugierig ihn Umstehenden noch viel größere Wunderdinge zu erzählen.

»Californien, bei allem was da lebt,« dachte ich, mit einem leise gemurmelten Fluch, »plagt denn die Leute hier mitten in Australien der helle Teufel, daß sie von weiter nichts reden können, als dem verdammten californischen Gold?« Der Leser muß entschuldigen, daß ich so derbe Sachen dachte, es ist Einem aber zu verzeihen wenn man unwirsch wird, weil man eben aus lauter Goldgesprächen nur in lauter Unterhaltungen von unglücklichen Rindern und Schafen eingetaucht zu seyn schien, um bei den Beinen wieder mitten in Goldgesprächen herausgeholt zu werden.

»Ophir-Diggings – Ophir-Diggings« – ich hörte von weiter gar nichts, und vermuthete erst, daß es ein neu entdeckter Creek in Californien sey. Bald sollte ich aber darüber enttäuscht werden, und mit einer gewissen wehmüthigen Resignation hörte ich die alle in Feuer und Flammen setzende Nachricht, daß nun auch in Australien Gold entdeckt sey und gewaschen werde. »Darum also Räuber und Mörder,« konnte ich mit Karl Moor ausrufen – darum durch endlose Gumwälder und dürre Ebenen Hunderte von Meilen weit hiehergegangen, um zu hören, daß auch in Australien Gold gefunden würde. Mir hatte aber dafür gebangt; schon damals, als ich durch den Goulbourne-Distrikt und die Yassischen Berge mit der »königlichen Post« hindurchgerädert wurde, zeigten die dortigen Gebirge die unzweifelhaften Spuren von Gold – wenigstens glich die ganze Gegend – die Vegetation natürlich ausgenommen – ungemein jenen quarzdurchstreuten Strecken, die ich, ach zu oft, in Californien durchwandert hatte. Dieß war aber noch nicht von der Goulbourne-Gegend berichtet, und das erste Gold hatte man in Bathurst-Distrikt, nördlich von Sidney gefunden.

Den guten Leuten hier wurde es auch gleich auf eine höchst fühlbare Weise deutlich gemacht, daß sie sich in einem Goldland befänden, denn die Tonne Weizen war urplötzlich von 15 Pfd. St. für 2000 Pfund auf 30 Pfd. St. aufgeschlagen, und man befürchtet jetzt natürlich das äußerste.

Ich war froh, als ich endlich der geräuschvollen Stube entfliehen und mich in das stillere Parlour zurückziehen konnte. Beiläufig möchte ich aber hier noch bemerken, daß mir keineswegs mein Anzug den Vorzug einräumte, mit einem andern Gast, einem Mr. Scott, Stationhalter am Murray, das beste Zimmer des Hauses zu theilen – ich sah schlimmer aus als die Ochsentreiber und Schäfer, die sich im tap-room herumtrieben, der Wirth hatte aber ausgefunden, daß ich der Mann sey, von dessen Canoefahrt er schon, wie er mir sagte, in den Zeitungen gelesen, und behandelte mich jetzt auf das freundlichste. Er war früher Sergeant bei der Polizei gewesen, und gab uns an diesem Abend einige sehr interessante Skizzen aus der früheren Epoche der Colonien, wo die Polizei noch fortwährend im Kampf mit den Buschrähndschern lag, und manche Scharmützel mit ihnen und gefährliche Expeditionen hatte sie einzufangen und unschädlich zu machen.

Die Nacht regnete es in Strömen, und ich konnte mir in der That gratuliren, ein Obdach gefunden zu haben. Am nächsten Morgen saßen wir eben beim Frühstück, als ein kleiner Junge hereingesprungen kam, uns anzuzeigen, draußen habe sich eben ein schwarzer Schwan niedergelassen – allerdings ein höchst ungewöhnliches Ereigniß hier in den Hügeln. Ein Fell hatte ich erst, und da ich gern zwei mit mir nehmen wollte, so griff ich meine Büchsflinte auf und ging hinaus. Der Schwan saß wirklich kaum hundert Schritte vom Haus entfernt, und ich drückte den Büchsenlauf auf ihn ab, das nasse Wetter machte ihn aber versagen, und als der Schwan hiernach aufstieg, schoß ich ihn mit dem Schrotlauf herunter. Mit der andern Haut rollte ich dann diese zusammen in meine Decke, bezahlte meine Zeche und wanderte dem über die Hügel aus Leibeskräften herüberwehenden Südwestwind gerade in die Zähne.

Die Gegend hier war ächt australisch. Die Vegetation natürlich nichts als Gumbäume – ewige, unverwüstliche Gumbäume, das Land selber wellenförmig und mit ziemlich gutem Graswuchs bedeckt. Immer aber noch nicht die Spur von Cultur, denn die Nachbarschaft um Nortons her erhielt und unterhielt ihre Bevölkerung nur durch eine dicht dabei gelegene Kupfermine. Endlich, etwa um 11 Uhr, sah ich die ersten Fenzen die gepflügtes Land umgaben, sah ich wieder einmal braune gerade Furchen, und drüben am Hügelhang, wo das kleine niedere Häuschen aus einem dunkelgrünen Gumgebüsch freundlich vorragte, ging ein Mann – ich war noch wenigstens tausend Schritte von ihm entfernt, aber ich hätte darauf schwören wollen, daß es ein Deutscher war – bedächtig hinter seinen sechs Ochsen und einem Pflug spazieren, und eine Frau marschirte vorn und leitete alle sieben.

Ich befand mich hier an der äußersten Gränze des sogenannten Angas-Park, d. h. einem ziemlich weitläufigen Distrikt, den ein Engländer Angas ausschließlich an Deutsche verpachtet hat. Jeder hat da sein kleines Häuschen auf seine eigene Section gebaut, und ohne das Ansehen einer Dorfschaft zu haben, befindet man sich doch plötzlich in einem vollkommen angebauten Distrikt, der die Kreuz und Quer von Fenzen durchzogen ist, und beim ersten Anblick schon deutschen Fleiß und deutsche Ordnung in tausend und tausend Kleinigkeiten verräth.

Das erste Haus oder vielmehr die erste Hütte, die in meinem Weg lag, stand dicht an einer Fenzecke, von der die Fenz sich hier quer über den Weg hinüber zog, und erinnerte mich lebhaft an mein Erdzelt oder meine Köhlerwohnung, wie ich's besser nennen könnte, die ich mir damals mit dem jungen Hühne zusammen am Sacramento halb in die Erde gegraben, halb mit Zweigen überbaut hatte.

Die Frau war zu Haus, d. h. sie war eben hereingekommen, um Saatbohnen ins Feld zu holen, und schien ziemlich erstaunt, einen Deutschen in einem solchen Aufzug, mit Büchse und Messer zu sehen. Sie waren aus der Magdeburg'schen Gegend, und erst seit kurzer Zeit hier ohne weitere Mittel hergekommen; natürlich mußten sie sich kümmerlich genug durchzuhelfen suchen. Dazu kam nun noch, daß die Aussaat heuer durch die riesig hinaufgegangenen Getreidepreise für den armen Anfänger auch kaum zu erschwingen war, und mit dem ungewohnten Leben, halb in der Erde drinn, in Schmutz und Unordnung – und die Frau schien weit bessere Tage gesehen zu haben – was Wunder, daß sie mit einem schlecht unterdrückten Seufzer sagte: »Ich wollte, wir wären wieder in Deutschland. Die Nacht wären wir hier bald fortgewaschen,« meinte sie dann, und zeigte auf die eine Ecke ihres Hauses hin, an der ich die Spuren frischer Ausbesserungen erkennen konnte – »der Regen hatte die Mauer unterspült, und auf einmal kam das Wasser mit einem förmlichen Sturz herein. Sie können sich unsern Schreck denken; mein Mann hat heute Morgen nun draußen einen Graben herumgezogen, und die Wand wieder verklebt; aber wie lange wird's halten! Ach, wenn man das alles so in Deutschland wüßte, ehe man weggeht, man besänne sich doch zweimal!«

Ich sprach ihr Muth ein; der erste Auswanderer hat stets mit tausend Schwierigkeiten zu kämpfen, die er nie vorhersehen konnte, und die er selbst nicht geglaubt haben würde, hätte es ihm jemand wirklich vorhergesagt. Sie schüttelte aber mit dem Kopf, und meinte, es wäre doch in Deutschland besser. Und gewiß ist's in Deutschland besser, wenn – wenn wir nur einen Doktor fänden, der uns einmal so recht von Grund auf heilen könnte.

Die Frau bot mir, trotzdem, daß sie in Eile schien, erst freundlich etwas zu essen an, da ich aber mehrere Plätze in Angaspark besuchen und den Abend noch gern Tanunda erreichen wollte, dankte ich ihr und marschirte weiter. Etwa eine Stunde später, während ich rechts und links überall kleine freundliche Wohnungen hatte liegen sehen, kam ich an eine Farm, in die ich jedenfalls einmal hineinschauen mußte. Von außen sah sie nämlich ganz genau aus wie einer unserer kleinen deutschen Bauerhöfe mit Scheunen, Ställen, Schuppen etc., und ich blieb erst ein paar Minuten ordentlich überrascht stehen. Mir war fast, als ob ich jetzt gar nicht in Australien wäre – als ob mich ein guter Genius plötzlich in Gedankenschnelle zurück zur Heimath geführt hätte, und nun gleich – aber die verwünschten Gumbäume – ich war doch in Australien!

Auf dem Hof schirrte der eine Knecht die Pferde ein. Das war deutsches Pferdegeschirr und ein deutscher Wagen, ich hätte darauf schwören wollen, und die Magd kam aus dem Stall, und hatte eine ehrliche deutsche Mistgabel in der Hand; ich mußte jedenfalls einmal in das Haus gehen. Ich sprang über die Fenz, ging über den Hof, öffnete die Hausthür – die Klinke daran war unter keiner Bedingung in Australien gemacht, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn sich meine lieben, in dieser Hinsicht wirklich großartigen Landsleute die ganze Hausthür mit von Deutschland gebracht hätten – und klopfte an.

»Herein.« Ich stand mitten in der Stube, und hier lieber Leser, wenn du einen recht deutlichen Begriff von dem haben willst, was ich sah, mußt du mich einen Augenblick stehen lassen, und in das erste beste Bauernhaus in Deutschland, das du am Wege findest, hineingehen; so ganz akkurat, mit Aussehen und Geruch, war es in dem kleinen stillen Gemach, das ich betrat. Still nun gerade nicht so ganz, denn der eine weißhaarige, rothbäckige und äußerst schmutzige kleine Bengel, den die am Ofen sitzende alte Großmutter auf dem Knie hielt und ihm einen Löffelvoll Pappe beizubringen suchte, schrie aus Leibeskräften, und hatte sich glücklich schon sämmtliche Kleidungsstückchen bis unter das Kinn hinaufgestrampelt. Die alte Großmutter selber war aber ein so treues und vorzügliches Exemplar einer alten deutschen Bauerfrau, wie du es nur selber im Herzen von Deutschland finden könntest, und ich bin fest überzeugt, daß alles, bis auf Stecknadeln und Schuhbänder, ächt an ihr war, und noch kein englischer oder australischer Artikel, sey das von Zeug, Wäsche oder Schuhwerk, ihren Körper berührt hatte. Das aber nicht allen: Ofen, Stühle, Tische, Schränke, Fußbank, Spucknapf, irden Geschirr, eiserne Töpfe, die Teller mit Sprüchen beschrieben, die Näpfe mit Versen aus dem Gesangbuch, die großen Truhen mit den grünen Rosen und gelben Vergißmeinnicht – kurz alles, alles war deutsch, und wenn man in Sachsen oder Preußen eine wirkliche Bauerstube mit der Wurzel herausgenommen, sorgfältig in Baumwolle eingepackt und nachher wieder hier ausgesetzt hätte, nicht treuer hätte sie ihren Charakter beibehalten können.

Die Frau war in der Kammer und machte Betten, kam aber herein, als sie hörte daß ein Fremder da sey. Der Mann ackerte im Feld. Sie setzte mir gleich Thee, Brod und Schweineschmalz auf den Tisch, und ich mußte nun vor allen Dingen essen, und dann wollten sie wissen, ob ich gerade von Deutschland käme und wie es dort aussähe. Sonderbar, von allen Deutschen, die ich im Ausland – und ich verstehe hier unter Ausland nicht etwa Schleiz und Lobenstein, wie das in Deutschland selber immer der Fall ist – gefunden habe, interessiren sich die Männer nicht im mindesten für ihr altes Vaterland, nur die Frauen sind es stets, die sich darnach erkundigen. Aber, lieber Gott, ich konnte den guten Leuten selber nichts von der Heimath erzählen; seit länger als einem Jahr hatte ich keinen Brief, und die letzten Berichte, die, ich gesehen, lauteten nur eben, daß Deutschland – wollte sagen Preußen, Oesterreich, Bayern, Württemberg, Reuß-Greitz, Hannover, Sigmaringen, Sachsen etc. vollkommen ruhig wären. Damit schienen sie übrigens auch ganz zufriedengestellt, erkundigten sich aus welcher Gegend in Deutschland ich käme, und frugen mich, ob ich Schulzens in Rabegast kenne. Leider mußte ich das verneinen; wir kamen aber bald auf wirthschaftliche Gegenstände zu sprechen. Die Leute waren schon 6 oder 7 Jahre im Land, hatten ihr Grundstück, wenn ich nicht irre, 14 Jahre mit Vorkaufsrecht zu 4 Pf. Sterl. den Acker, gepachtet, und befanden sich recht wohl. Allerdings war das Land nicht so besonders, und sie hätten für das Geld an vielen Stellen weit bessern Boden und wohl auch noch günstigere Lage bekommen können. Als sie aber damals herkamen, hatten sie gar nichts, und waren froh, als ihnen Angas eben die Bedingungen stellte, unter denen sie eingetreten waren. Das nämliche habe ich an vielen der verschiedensten Stellen gehört.

Mr. Angas hat allerdings gerade die Deutschen mit seinen Landpachten vorgezogen und begünstigt, und er ist deßhalb von vielen ein »Wohlthäter« der Deutschen genannt worden. Er wußte aber recht gut warum er es that und noch thut. Die Deutschen sind ihm die besten Arbeiter – es sind jedenfalls die fleißigsten und ausdauerndsten, und durch sie kann er am festesten darauf rechnen daß er den übrigen Theil seines Landes, außer den vorzüglichen Pachten die er daraus zieht, werthvoll gemacht bekommt. Ist ihm Geld fällig, so rechnet er 15 Procent Zinsen darauf, und das Land hat er stets als Hypothek; und daß er die Zinsen einzutreiben weiß, hat er schon durch mehrfache Pfändungen bewiesen. Trotzdem ist er, wie ich fest überzeugt bin, ein Freund der Deutschen, das eigene Interesse macht ihn dazu, und das eigene Interesse regiert ja nun doch einmal, man mag dagegen sagen was man will, die Welt. Convenirten ihm die Irländer besser zu seinem Land, so könnten die Deutschen nur ruhig zusehen wo sie anders unterkämen. Das sind übrigens auch stets die festesten und besten Contracte, wo das Interesse beider Contrahenten so gleich als möglich vertreten ist – Capital und Arbeit stehen sich dann nicht mehr gegenüber, sondern reichen einander die Hand.

Noch in viele Häuser und Farmen ging ich den Tag, und obgleich hie und da einzelne über die so rasch wechselnde Witterung und die vielen Gefahren klagten denen das Getreide, besonders in den Ebenen durch heiße Winde oder zu große Dürre oder Nässe, ausgesetzt ist, so sah ich doch im Durchschnitt daß die Leute hier wenigstens ihr Fortkommen fanden, und manche sich schon ein Eigenthum gegründet hatten, das sie sich in der Zeit und mit den Mitteln in Deutschland wohl nimmer gegründet hätten. Ganz zufrieden ist der Deutsche wohl grundsätzlich nie, und Streitigkeiten mit den Nachbarn, Viehpfändungen u. s. w. kommen alle Augenblicke vor. Das Resultat blieb aber immer dasselbe – zuerst harte Arbeit, unendlich viel Schwierigkeiten zu überkommen, alte Gewohnheiten abzuwerfen, neuen Sitten sich anzufügen, dann aber auch Lohn für harte Arbeit und das späte Alter gegen Noth und Sorge gesichert. Nun fragt sich's freilich immer wie sehr das Herz eben nicht nur an alten Gewohnheiten, nein auch an alten Freunden, an seinen Lieben, vielleicht überhaupt an der alten Heimath hing, und ob es gar nicht mehr dort möglich war sich ein Fortkommen zu sichern, daß man sich so von allem was Einem lieb und theuer war losreißen, und in kalte, fremde Erde verpflanzen mußte. Manchmal – und wie oft! – wird ein etwas besseres Leben viel zu theuer gerade durch die Auswanderung erkauft, und der Mensch kehrte oft, o so gern! in die alten, selbst drückenden Verhältnisse zurück, wo er wenigstens die hatte mit denen er Leiden und Freuden theilen konnte. Das sind aber Sachen die jeder mit sich selber auszumachen hat, die aber doch bedacht werden sollten so lange es eben noch Zeit ist.

Ich besuchte an diesem Tag noch verschiedene kleine Farmen, und fand manche recht wohnlich eingerichtet. Ihr deutscher Ursprung ließ sich bei keiner verkennen. Mir aber that es unendlich wohl wieder einmal, nach so langer Zeit, die deutsche Sprache, und nicht nur an einem Ort, sondern rund um mich her zu hören; es rief gar so liebe alte Bilder wach. Das sollte ich noch mehr finden als ich Abends nach dem kleinen, fast durchaus deutschen Städtchen Tanunda kam.

Die Strecke von Nortons Platz bis Tanunda war allerdings nur 15 engl. Meilen, ein Marsch den ich recht gut in 3 ½ bis 4 Stunden zurücklegen konnte, ich hatte mich aber so lange eben in Angas Park und auf den verschiedenen Farmen aufgehalten, daß es schon Nacht wurde als ich noch wenigstens fünf Meilen von Tanunda entfernt war. Doch auch das war keine große Entfernung, und ich wanderte rüstig vorwärts.

Auf der Straße begegnete mir ein Karren mit zwei Leuten. Ich fragte den ersten auf englisch wie weit ich noch bis zu dem Städtchen hätte. Die Antwort lautete in gutem ehrlichen Deutsch: »Es wird wohl sechse sin.« Als ich Deutsch mit Deutsch erwiederte, wurde der Mann gesprächig, freute sich daß er einen Landsmann auf der Straße fand, von dem er übrigens kaum den Schatten sehen konnte, und versicherte mich, es sey bloß »drei Viertel Weges« nach Tanunda. – Ich weiß heute noch nicht wie weit das seyn sollte.

Etwa sieben Uhr Abends erreichte ich Tanunda, und konnte allerdings in stockfinsterer Nacht wenig genug von dem Ort zu sehen bekommen. Das Wirthshaus – natürlich ein deutsches – fand ich aber bald, denn wo der liebe Gott den Arm hinausstreckt – wie sie bei uns sagen – hängt der Wirth auch freundlich eine Laterne daneben.

Der Wirth in Tanunda war überhaupt ein freundlicher Mann, der ein recht gutes Wirthshaus, das Tanunda-Hotel, hielt, und gar wundersam war mir zu Muth als ich, gewissermaßen mit einem Sprung, aus dem Busch und zwischen den Blacks heraus, mitten hinein in rein deutsches Leben und Treiben zu sitzen kam.

Nach dem Abendbrod füllte sich der Raum um das im Kamin knisternde Feuer; ein junger deutscher Arzt und mehrere Kauf- und Handelsleute, der Apotheker und noch einige andere, einen kleinen Schneider nicht zu vergessen der hier mit wohnte, lauter Deutsche, kamen herein, und ein lebhaftes Gespräch über tausend Dinge, hauptsächlich über das neu entdeckte Gold, entspann sich. Ich hielt mich ziemlich zurück, ich war etwas zu abgerissen, um viel da mit einreden zu können, und fühlte mich nicht gerade aufgelegt den Leuten meine ganze Geschichte zu erzählen.

Zu viel hatte mir aber schon Dr. Behr in San Francisco und später Fritz Meyer in den Minen von dem wunderlichen Leben und Treiben in Tanunda erzählt, als daß ich mich nicht gern länger zwischen den Leuten hier aufgehalten hätte; vor allen Dingen mußte ich jetzt aber erst hinunter nach Adelaide, wo ich Briefe zu finden erwartete und meinen Koffer wußte. Nachher konnte ich immer nach Tanunda zurückkehren. Ueberhaupt gedachte ich mehrere kleine Abstecher in die deutschen Distrikte zu machen.

Den nächsten Tag hatte ich einen kurzen Marsch von 16 engl. Meilen vor mir, bis nach Gawlertown, und auf dem Weg dorthin wohnen ebenfalls wieder sehr viele Deutsche. Von Gawlertown aus ging ich am folgenden Morgen mit der Post nach Adelaide. Es sind das noch etwa 26 engl. Meilen und die Post legt sie in fünf Stunden zurück. Abends, vor Gawlertown, warf ich fröhlich meinen Wanderstab von mir, übernachtete in einem deutschen Wirthshaus, und rasselte am nächsten Vormittag, auf halsbrechend schlechten Wegen, in die Residenz des Adelaide-Distrikts – das langersehnte Adelaide hinein.

Das Land war von Tanunda aus noch ziemlich gut, Lyndock-Valley ist sogar einer der fruchtbarsten Theile von ganz Südaustralien, und hat auch – die ewigen Gumbäume als einzige Vegetation abgerechnet – eine ziemlich romantische Lage. Einige sehr hübsche Farmen sah ich unterwegs. Gegen Gawlertown zu wird der Boden aber immer schlechter, obgleich das Thal des Gawler selber noch viel gutes Land bietet. Hinter Gawlertown begann die sogenannte Gawler-Ebene – mageres Weideland ohne Bäume. Auf 18 Meilen weit konnten wir schon die Masten der noch 5 Meilen hinter Adelaide im Hafen liegenden Schiffe sehen. Die Straßen wurden nach Adelaide zu etwas besser, d. h. härter, denn die Unebenheit derselben hat ihr durch die humoristischen Kutscher den Namen der »Nußknackerstraße« gegeben; die Häusergruppen wurden dichter, links und rechts zeigten schon größere Gebäude die Nähe einer bedeutenden Stadt an, und Schlag 10 Uhr Morgens fuhren wir unter munterem Hörnerklang unseres Postbegleiters, der wirklich mit vieler Fertigkeit die »Fahnenwacht« blies, in Adelaide ein und vor die Post.

Unterwegs hatte ich unter meinen Reisegefährten einen Deutschen gefunden, der mit der etwas eigenthümlichen Mission nach Adelaide ging, seine ihm fortgelaufene Frau wieder »einzufangen«, wie er sagte. Beiläufig möchte ich hier bemerken daß mir das Weglaufen der Frauen in Australien eher einer ansteckenden Krankheit als etwas anderem zu gleichen scheint, denn wie eine Epidemie ist die Wuth von ihren Männern fortzulaufen durch das ganze Land verbreitet. Unter je drei Stationen die ich am Murray traf, hörte ich auch sicher auf einer von einer durchgebrannten Frau. In Tanunda wurden, an dem Abend wo ich dort war, drei neue Fälle erwähnt – der genannte mit unter ihnen – in Gawlertown zwei andere, und in Adelaide sollte ich bald das wunderlichste vernehmen. Es ist wahrhaftig eine gewagte Geschichte sich in Australien eine Frau zu nehmen. Wie soll das nun werden wenn erst einmal Eisenbahnen im Lande sind? Wäre ich hier verheirathet, ich würde meinen ganzen Einfluß aufbieten den Bau von Eisenbahnen zu verhindern.

Der Deutsche machte mich mit den Lokalverhältnissen der Stadt ein wenig bekannt, und ich suchte nun vor allen Dingen die Firma Meyer und Noltenius auf, dort meine Briefe und Koffer in Empfang zu nehmen. Ich schämte mich fast in dem Aufzug in dem ich mich befand in irgend ein anständiges Haus zu gehen, es konnte aber nichts helfen – in wenigen Stunden war ich im Stande das abzuändern. Ich fand auch die Firma, Hrn. Meyer wie Noltenius, aber – weder Briefe noch Koffer waren für mich eingetroffen!

Da stand ich nun zum dritten Mal, seit ich Deutschland verlassen, ohne alle Habseligkeiten. Einmal war mir das in Valparaiso geschehen, als mir der Talisman die ganze Bescheerung mit nach San Francisco genommen, einmal in San Francisco selber als ich aus den Minen zurückkam und meinen ganzen Kram ausgeplündert fand, und nun hier. Ich mußte zuletzt wahrhaftig lachen als ich mir überlegte in welch verwünschte Lage ich wieder hineingekommen. Es war aber auch kein Spaß, und doch tragikomisch. Von den beiden Herren wurde ich nichtsdestoweniger auf das herzlichste aufgenommen, und sie erboten sich in freundschaftlichster Weise alles für mich zu thun was in ihren Kräften stehe. Ich mußte mir eben vor allen Dingen neue Sachen anschaffen, und dieß geschah. Das ließ sich also ersetzen, daß ich aber keine Briefe von Deutschland fand, das ließ sich nicht ersetzen. So lange schon hatte ich keine Nachricht von dort erhalten!

Die Stadt jetzt vor allen Dingen nach neuerer Garderobe absuchend, sollte ich freilich gleich eine ihrer Schattenseiten kennen lernen; der Schmutz in den Straßen war in der That schaudererregend, und nur längere Gewohnheit konnte die Einwohner von Adelaide gegen solche zum Spazierengehen eingerichtete Schlammbäder gleichgültig machen, Adelaide ist aber freilich noch eine junge Stadt, und man darf nicht zu große Ansprüche an sie machen.

Nach einem etwas großartigen Maaßstab ist Adelaide dabei sehr weitläufig angelegt, die öffentlichen Gebäude liegen nach allen Richtungen wild durcheinander zerstreut, so daß man oft förmliche bahnlose, noch total unbebaute Strecken durchwandern muß um zu ihnen zu gelangen; dennoch hat sie bis jetzt nur eine Hauptstraße, die zur einen Hälfte den Namen Hindley und zur andern Rundlestreet führte. Selbst diese Straße hat keine Trottoirs, und wäre es nicht daß ein sehr wohlthätiges Gesetz allen Gasthäusern gebietet Nachts eine brennende Laterne vor der Thüre zu haben, und daß sehr viele Gast- oder Schenkhäuser in Adelaide sind, so würden die Straßen auch in völliger Dunkelheit liegen, denn eine Stadtbeleuchtung besitzt Adelaide nicht, weder durch Gas noch Fischthran. Auf diese Weise hat es aber der Staat sehr schlau eingerichtet, daß er nicht allein kein Geld für Beleuchtung ausgibt, nein, im Gegentheil sich durch die zahlreichen, und vielleicht gerade zu diesem Zweck ausgegebenen Schenklicenzen die Straßenbeleuchtung noch sogar bezahlen läßt. Gewiß ein eigenes Mittel durch den Spiritus oder Geist auf die Erleuchtung der Staatsbürger zu wirken!

Nichtsdestoweniger herrscht in dem kleinen Adelaide, das eigentlich seiner Entfernung von der Küste wegen kaum eine Seestadt genannt werden kann, ein besonders jetzt durch den Getreide- und Mehlhandel ziemlich belebtes Geschäft. Freilich schien sich die Handelswelt – und besonders die deutsche – eben in einer Art Krisis zu befinden, da mehrere Häuser in letzter Zeit fallirt hatten und andern eben dasselbe für die nächsten Monate prophezeit wurde. Letzteres scheint aber nicht in Erfüllung gegangen zu seyn, und ich will hoffen daß sich die Deutschen dort wieder recht bald von den allerdings ziemlich bedeutenden Verlusten, die viele von ihnen erlitten, erholen mögen. Thorheit ist übrigens was von manchen behauptet wurde: daß durch diese Bankerotte der gute Name der Deutschen untergraben würde – erstlich sind sie dazu viel zu einzeln vorgekommen, und dann ist der englische Geschäftsmann viel zu vernünftig um das was einzelne betrifft auf alle überzutragen.

Gerade damals herrschte große Aufregung durch das Steigen und Fallen der Getreidepreise, die ganz durch den Sidney-Markt beherrscht wurden, und man sah den Nachrichten von dort stets mit der größten Spannung entgegen. Der Preis des Weizens war, durch die ersten Nachrichten von Gold, zu fabelhaft hinaufgegangen um nicht den Spekulationsgeist der Kaufleute aufs äußerste anzuspornen.

Eines that mir aber wieder recht leid auch in Australien, und zwar mehr hier in Adelaide als in Sidney selber zu finden, weil es hier eben mehr dazu gab den Stoff zu nähren – die Uneinigkeit meiner Landsleute. Freilich konnte es auch nicht mehr überraschen, es war leider keine außergewöhnliche Erscheinung, und hätte mich wundern müssen, wäre es anders gewesen – aber weh thut es Einem doch und ein ordentlicher, oh recht bösartiger Fluch scheint auf unserer armen Nation zu ruhen, ihre Zerfahrenheit nicht allein zu Hause, im eigenen Neste zu hegen und zu pflegen, sondern auch noch mit wirklich ängstlicher Sorgfalt in fremde Welttheile hinüberzutragen, und hei, wie das Unkraut da wuchert auf dem fremden üppigen Boden. In Nordamerika ist der Teufel gar unter ihnen los, in Chile hacken sie auf einander, ebenso in Californien – hier sollte ich das Alles nur bestätigt finden, und der einzige Platz bisher, wo ich meine deutschen Landsleute wirklich einig gefunden habe, war auf Tahiti – dort lebte aber auch nur Einer, und ich stehe für Nichts, wenn ein Zweiter hinzu kommt.

Vor einiger Zeit fühlten die Deutschen in Adelaide einmal das Bedürfniß auch einen deutschen Leseverein zu gründen, aber es wurde dabei gleich vor allen Dingen das gethan, was am wirksamsten war einen solchen Verein von vornherein zu vernichten: es wurde eine große Committee gewählt, und man entwarf die beengendsten Statuten mit scharfer Abstimmung. Anstatt einem solchen Verein sein nothwendigstes Lebensprincip, die freie Luft, zu gönnen, daß jeder anständige Deutsche, der sich nur ordentlich im Verein betrug, Zutritt dazu haben konnte, wurde das ganze Unternehmen gleich von vornherein Parteisache, und noch dazu Sache der schwächern Partei. Das Ende konnte nicht ausbleiben; noch ehe die ersten Zeitungen eingetroffen waren, wurden sie schon wieder abbestellt, und der deutsche Leseverein starb in der Geburt.

Was nun überhaupt die deutsche Literatur in Adelaide betrifft, so bestanden, als ich dort ankam, noch zwei deutsche Zeitungen. Hrn. Dr. Otto Schomburg gebührt die Ehre, das erste deutsche Blatt am stillen Meer gegründet zu haben – die »Südaustralische Zeitung.« Mitredakteure hierzu waren Dr. Mücke von Berlin und ein Herr Dröge in Adelaide – Dr. Mücke ging aber nach Tanunda, Otto Schomburg später auf sein eigenes Land bei Gawlertown und Herr Dröge machte die Zeitung. Später gründete Herr Reimer ein anderes Blatt die »Adelaide deutsche Zeitung,« bald sahen aber Beide ein daß zwei deutsche Blätter unmöglich neben einander bestehen konnten, wo schon die Existenz eines einzigen ungewiß war und die Parteien kamen zu einem Vertrag, nach dem Herr Reimer die Südaustralische Zeitung an sich kaufte und nun allein noch die »Adelaide deutsche Zeitung« fortbestand. Die erstere war bis jetzt mit deutschen, die letztere mit lateinischen Lettern gedruckt worden, und die ersteren gingen jetzt mit auf die letztere über. Trotz einem bestimmten Vertrag mit Herrn Dröge hatte aber dieser Herr, wie ich später hörte, wieder beabsichtigt, oder auch wirklich in's Werk gesetzt – ich habe es nicht mehr erfahren können – einen Zuschuß der Regierung für Ankündigungen, der ihm früher für sein Blatt gestattet worden, und der rechtlicher und selbstverstandener Weise auf dem Verkauften hätte bleiben müssen, auf's Neue zu einem andern Blatt zu verwenden. So viel ist sicher, Herr Reimer hatte sich der Zeitung wieder erledigt, denn die letzten Nummern die ich von der Adelaider deutschen Zeitung sah waren von einem Herrn Eggers als verantwortlicher Redakteur unterzeichnet.

Sonst existirte von deutscher Literatur – die Spenersche Zeitung ausgenommen die Herr Pastor Kavel bekommt und ich glaube einem Exemplar der Weser und Kölnischen Zeitung – Nichts in Adelaide – keine Leihbibliothek oder Buchhandlung gibt es selbst, wo deutsche Bücher zu bekommen wären. Sidney hat sich denselben Vorwurf zu machen, denn auch dort wird keine deutsche Zeitung gehalten, ja dorthin dringt nicht einmal die Spenersche. Die Deutschen dort glauben allein an Gott und den Sidney-Morning-Herald.

Die einzige gesellschaftliche Verbindung die unter den Deutschen in Adelaide besteht, ist die Liedertafel. Der Gesang ist noch das einzige gute Element das sie zusammenhält. Sie haben recht tüchtige Sänger dabei, und ich will nur wünschen daß dieß Unternehmen bestehen und erfreulichen Fortgang haben möge. Ich war leider nur ein einziges Mal im Stande der offenen Liedertafel beizuwohnen, doch gehört der Abend zu den angenehmsten die ich in Adelaide verlebte, und das will viel sagen, denn ich habe recht liebe Freunde dort gefunden.

Was die Lage Adelaidens betrifft, über die einige Auswanderungsbücher so riesig gefabelt haben, so kann sie nur der Mangel an Häfen in Südaustralien entschuldigen. Adelaide liegt zwischen der sogenannten lofty range« – einer Hügelkette die sich ziemlich von Süd nach Nord in das Land hineinzieht, und der Seeküste – von beiden einige englische Meilen entfernt, in einer Ebene, und das kleine Flüßchen oder der große Bach der vorbeifließt, und dem einige so entsetzliches Unrecht gethan haben ihn schiffbar zu nennen – ja ich glaube es sind sogar schon Lithographien erschienen mit Dampfschiffen darauf – heißt der Torrens. Fünf Meilen von Adelaide entfernt liegt Port Adelaide, ein kleines Schmutzloch am Nordarm, d. h. einem Arm der See die sich hier heraufstreckt, und in den oder aus dem Schiffe nur mit einem Wind hinauskommen können. Die größten Schiffe können zwar hier einlaufen, der Transport der Waaren von hier aus aber nach Adelaide hinauf, auf Karren und im Winter, bei grundlosen Wegen, ist das traurigste was sich denken läßt, und viele Güter, die unbeschädigt eine Seereise von vier bis fünf Monaten ausgehalten hatten, haben schon in der kurzen Strecke mehr Schaden gelitten als vorher beim Einschiffen, Transportiren und Ausschiffen. Erst in ganz neuester Zeit ist eine Eisenbahn dorthin in Angriff genommen.

Die Straßen Adelaidens selber verschmähen jedes Pflaster, und so entsetzlich im Sommer, und besonders während der heißen Winde, der Staub seyn soll, so furchtbar ist in der nassen Jahreszeit der Schmutz. Freilich ist die Stadt auch noch jung, und es hat bis jetzt wohl an Geld- und Arbeitskräften gefehlt. So viel ist aber sicher: die jetzige Goldmanie Sidney's kann ihr für später nur Vortheil bringen, und der solidere Bau der ihrem Wohlstand zum Grunde liegt – die Agricultur – wird das jetzt noch freilich unbedeutende Städtchen rasche Fortschritte machen lassen.

Gerade in der Zeit in welcher ich mich in Adelaide befand, war gewissermaßen auch eine Krisis in den Verhältnissen der arbeitenden Classen eingetreten, und zwar keineswegs zu deren Gunsten, denn die Burra-Burra-Mine, die sonst Tausende von Arbeitern beschäftigte, hatte in diesem Augenblick, rückwirkend, eine Masse von Arbeitskräften in die Stadt geworfen, während die dabei so rasend unerwartet erhöhten Getreidepreise sicher nicht dazu dienten einen solchen Uebelstand weniger fühlbar zu machen. Die entsetzliche Dürre dieses Sommers hatte nämlich das Vieh, das keine Weide mehr fand, so zurückgebracht daß alle Arbeiten des Holz- und Sandholens für die Minenarbeiten, wie der Erztransport selber, aufhören mußten, und dadurch natürlich eine gewaltig große Zahl von Arbeitern brodlos wurde. Die bedeutenden Regen, die aber schon damals fielen als ich dort war, trieben das Gras mit Macht heraus, neues Vieh wurde dabei vom Murray herunter geschafft, und während oben die Arbeiten wieder angegriffen werden, zieht zugleich Sidney eine Menge von Arbeitskräften in seine Berge, dort nach Gold zu suchen. Das Mehl ist ebenfalls wieder auf einen, zwar noch ungewöhnlich hohen, aber doch zu erschwingenden Preis zurückgefallen, und der Arbeiterstand in Adelaide hat für den Augenblick sicher wieder weit bessere Aussichten. Ueberhaupt kann der Handwerker, der sich auch im schlimmsten Fall einmal der gewöhnlichen Handarbeit nicht schämt, wohl stets auf Beschäftigung rechnen, und wenn er auch nicht gleich all seine Träume realisirt findet, braucht er doch keine Angst vor Kummer und Noth zu haben.

Was die Bergwerke Südaustraliens, besonders die weltberühmte Burra-Burra-Mine betrifft, so ist darüber schon so viel von Leuten geschrieben welche die Sache verstehen, daß ich recht gut darüber schweigen kann. Der grundlosen Straßen und des schauerlichen Wetters wegen habe ich die Burra-Burra nicht einmal besucht. Es ist auch dort oben nichts was zu meinen Zwecken paßt. Den Bergbau selber versteh' ich nicht; die Gegend ist öd und trostlos, und ich hätte nur Geld und Zeit an den Besuch der etwa 180 Meilen entfernten Minen verschwenden können, ohne zu rechnen daß man auch noch außerdem auf einer australischen Post seinen Hals jedesmal in unberechenbare Gefahr bringt.

Kupfer ist übrigens nicht das einzige was Südaustralien an Metallen hervorbringt. Mr. Osmond Gilles, ein geborner Engländer zwar, aber auch Hamburger Bürger, der sich jetzt schon seit langen Jahren in Australien aufhält, besitzt eine ungemein reiche und silberhaltige Bleimine in Glen Osmond, die ihre 75 Proc. Blei und aus der Tonne Erz 25 Unzen Silber liefert. Eben auf diesem Mr. Gilles' Land, am Onkaparinga im Mount Barker, ist auch Gold gefunden und gewaschen worden, die Sache hat sich aber bis jetzt noch nicht rentirt, ich weiß nicht ob die zu großartige Anlage der Wäscherei mit den bedeutenden Nebenausgaben, oder der geringe Goldertrag selber die Ursache gewesen ist. Möglich ist das letztere, da die Adelaide-Berge nicht hoch sind, und ich kaum glaube daß sie bedeutende Goldlagen enthalten werden. Nichtsdestoweniger wird später einmal im Adelaide-Distrikt jedenfalls Gold gefunden werden, denn der Gawlerfluß, der Onkaparinga, der Torrens und mehrere andere kleine Bäche oberhalb Tanunda sind sicher goldhaltig; nur ob es die daran gewandte Arbeit bezahlen wird kommt auf den Versuch an.

Da mich das Schulwesen der Länder, die ich besucht habe, besonders interessirt, so bat ich Hrn. v. Schleinitz, der das Verdienst hat eine recht wackere deutsche Schule in Adelaide gegründet zu haben, um einige Notizen darüber, diese nachher auszuarbeiten. Herr v. S. hat mir das aber so vollständig gegeben daß ich seine eigenen Worte unmöglich verbessern kann, und sie hier folgen lasse: Unterstützung der Schule und Kirche von Seiten des Staates in Südaustralien.

Die unbegrenzte Religionsfreiheit, man könnte sagen, Ungebundenheit welche hier herrscht bedingt auch die Lehrfreiheit der Schulen in jegliger Beziehung. Von Seiten des Staates findet keinerlei Beaufsichtigung zur Zeit statt. Das Volk kann glauben was es will, und die Kinder erziehen und unterrichten lassen wie es will, die Regierung bekümmert sich nicht darum.

Die Schule ist vollkommen unabhängig von der Kirche, die Lehrfreiheit ist von Seiten des Staates gewährt bis zu den äußersten Extremen, und nur in soweit, als religiöse Congregationen innerhalb ihrer selbstgeschlossenen Disciplinen, Kirche und Schule überwachen, befindet sich die Schule, innerhalb dieser verschiedenen Kreise bald in einer größern, bald in einer kleineren Abhängigkeit von der Geistlichkeit.

Schulen die außerhalb einer solchen Religionsgesellschaft selbstständig auftreten, finden ihre Stütze nur in dem Vertrauen des Publikums.

Geldunterstützung vom Staate wird sämmtlichen Schulen, Gemeinden und Religionsgesellschaften – sogar den nicht christlichen – zum Aufbau von Gotteshäusern und Besoldung der Priester und zwar in folgender Art gewählt, wenn sie darum petitioniren.

Schule.

Die Unterstützung der Schule besteht darin, daß dem Unternehmer für jedes Kind über sechs Jahr, dessen regelmäßiger Schulbesuch nachgewiesen ist, fünf Schilling per Quartal ausgezahlt werden. Dieselbe Unterstützung wird gewährt, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, was in der Schule gelehrt wird, d. h. ob sie eine reine Elementarschule ist, oder ob die höheren ja die höchsten Wissenschaften gelehrt werden. Hierbei ist noch zu bemerken, daß die Unterstützung erst dann eintritt, wenn zwanzig Kinder die Schule regelmäßig besuchen, auch fällt sie wieder weg, so bald die Schülerzahl unter zwanzig sinkt.

Keinerlei Examen wird von dem Unternehmer oder Lehrer von Seiten des Staates verlangt, das Criterium seiner Befähigung basirt in dem öffentlichen Vertrauen.

Will Jemand eine Schule gründen, so hat er sich damit gar nicht erst an die Regierung zu wenden, sondern er kann beginnen wo und wann er will – erst dann wenn er um die staatliche Unterstützung einkommt schickt er eine von den Eltern oder Vormündern der Kinder unterzeichnete Deklaration ein, worin diese sagen daß sie ihre Kinder zur Erziehung dem Herrn so und so anvertrauen wollen. Eine Magistratsperson muß dann mit unterschreiben, daß er die Namen und Wohnorte der oben unterzeichneten Personen kennt, und daß für die also verlangte Schule die nöthigen Vorkehrungen zu einem Schulraum getroffen sind.

Von dieser Zeit an muß der Lehrer aber auch ein, in der Art ihm genau vorgeschriebenes Buch halten, worin er zuerst die Namen der Kinder aufführt, dann besonders einträgt wie viel über und wie viel unter sechs Jahr alt seine Schule besuchen und genau jeden Tag bemerkt welches Kind dem Unterricht beigewohnt und welches gefehlt hat. Zwanzig Tage wird dabei als die angenommene Zahl von Tagen für den monatlichen Schulbesuch gestellt. Aus diesem Buch muß er nach dem Schluß jeden Monats einen, von ihm unterschriebenen Auszug einschicken.

Eine hiezu besonders beauftragte Magistratsperson hat allerdings dann und wann die Schulen zu besuchen, aber es geschieht dieß auch nur deßhalb die vom Lehrer angegebene Zahl zu controliren – mit dem übrigen hat sie Nichts zu thun.

Nur ganz unfähigen Lehrern wird, wenn sich das herausstellt, die Unterstützung entzogen, Schule zu halten wird aber auch selbst diesen nicht verboten. So lange es noch Leute gibt, die einem solchen Subjekt die Kinder anvertrauen, mag die Schule bestehen, denn Schule zu halten wird als ein Geschäft, so gut wie jedes andere, betrachtet.

Unterstützung vom Staat erhalten gegenwärtig (1851), 28 englische und zwei deutsche Schulen, eine in Adelaide, die andere in Tanunda. Von den letzten verlangt die Regierung nur, daß die Kinder englisch lesen und schreiben lernen. Die englische Kirche erhält keine besondere Unterstützung für die Schule; die englischen Methodisten, die freie schottische Kirche und die deutschen altlutherischen Gemeinden verweigern grundsätzlich jede Unterstützung von Seiten des Staates für Schule und Kirche anzunehmen, um jeglichen Vorwand der Einmischung in ihre religiösen Angelegenheiten abzuschneiden.

Das gegenwärtige System ist übrigens zu unsinnig, als daß es nach Zusammentritt der neuen Kammern von langem Bestande seyn könnte. Nur Schulen mit über zwanzig Kinder erhalten, wie schon gesagt, Unterstützung vom Staat, obgleich, besonders auf dem Lande, dadurch die Eröffnung von Schulen fast unmöglich gemacht wird, denn gerade die Schulen mit kleiner Schülerzahl, bedürfen der Unterstützung am meisten, und diese erhalten Nichts.

Da, auf der anderen Seite, bei Gewährung einer Unterstützung, nicht die mindeste Rücksicht darauf genommen wird, ob die Schule eben nur eine Elementarschule ist, oder ob auch höhere Wissenschaften in ihr gelehrt werden, so zieht der Lehrer, welcher sich auf die einfachsten Anfangsgründe beschränkt, den doppelten Vortheil, daß er ohne fremde Hilfe, also ohne Kosten, die Schule leiten kann, und daß er zweitens, weil er im Stande ist das Schulgeld billiger zu stellen, auch eine größere Zahl von Schülern an sich zieht, und somit eine größere Unterstützung erzielt.

Schulzwang findet durchaus nicht statt – jeder Vater kann seine Kinder in die Schule schicken oder nicht, der Staat bekümmert sich nicht darum. Die größte Regelmäßigkeit des Schulbesuchs findet daher innerhalb der verschiedenen Gemeinden statt, wo der Geistliche einen entscheidenden Einfluß auf die Gemeindemitglieder ausübt.

Die höheren Schulen in Südaustralien sind folgendermaßen vertreten:

1) Das von der englischen Hochkirche gestiftete St. Peters-Kollegium. Ganz nach Regeln der englischen Collegien zu Oxford etc. gegründet – 45 Schüler.

2) Durch zwei englische Privaterziehungsanstalten für Knaben – etwa 80 Schüler mit 40 Pfd. St. per Jahr.

3) Durch die deutsche Schule in Adelaide nach dem Plan der höheren Bürgerschulen Deutschlands eingerichtet und zwar für Knaben und Mädchen, in zwei getrennten Klassen – mit 33 Knaben und 22 Mädchen.

4) Eine Pensionsanstalt für junge Mädchen mit 11 Pensionären, Töchter reicher Familien.

In allen anderen Schulen lernen die Kinder nur nothdürftig Lesen, Schreiben und etwas Rechnen.

Kirchenunterstützung:

Dieselbe zerfällt in zwei Momente:

a. Unterstützung zur Erbauung von Gotteshäusern. Bis zur Höhe von 300 Pfd. Sterl. erhält jede Religionsgesellschaft eben so viel Geld aus den öffentlichen Fonds, als sie selbst aus eigenen Mitteln zusammen bringt, und bei der Bank deponirt. Deponirt eine solche Gesellschaft z. B. 200 Pfd., so beträgt die Unterstützung oder der Zuschuß des Staates gerade so viel – deponirt sie aber 300 und mehr, so steigt der Zuschuß nicht über 300.

b. Zur Besoldung der Priester. Diese Unterstützung wird nach der Anzahl der in einem Gotteshause wirklich an Mitglieder der Gesellschaft vergebenen Plätze berechnet, und beträgt 15 Schilling per Platz jährlich.

Dieser letzte Punkt, der sogenannte church grant, ist gegenwärtig zur Parteifrage geworden, indem es als das Criterium eines liberalen, d. h. eines Oppositionsmitgliedes des Parlamentes für Südaustralien erachtet wird, gegen den Grant zu stimmen, dagegen aber für eine größere und besser geordnete Schulunterstützung sich auszusprechen.«

Die Wahlen der »Parlamentsmitglieder« nahmen überhaupt kurze Zeit darauf, die Aufmerksamkeit und Zeit der Stadt und Umgegend ausschließlich in Beschlag. Von allen Wirthshäusern und sogar von vielen Privatwohnungen flatterten Flaggen und Fahnen, und der church grant schien in der That die einzige Achse um die sich das für oder gegen bei den Candidaten, zu drehen schien. Sehr oft hörte man die Worte »Ja ich weiß daß der Mann eher zu irgend sonst etwas als zum Parlamentsmitglied taugt aber – er stimmt gegen den church grant. »Mr. Peacock Esqr.«, wie er sich selbst genannt haben soll, und noch mehrere Andere kamen auf diese Art ein, und besonders waren die Methodisten thätig, ihren Gemeindemitgliedern durchzulesen und sie wurden auch populär, da sie eben, ihren Religionsansichten nach, keine Einmischung des Staates in die Kirche, selbst nicht zu ihren Gunsten, dulden wollen – um sich nicht später vielleicht auch das Gegentheil müssen gefallen zu lassen.

Das Volk wollte von dem Kopfgeld, wenn ein Sitz in der Kirche eigentlich mit dem Namen belegt werden kann, nichts mehr wissen und die Aufregung bei den Wahlen war so toll wie sie nur je in England gewesen seyn kann. Ganz auf amerikanische Art gab man sich dabei nicht die geringste Mühe seinen eigenen Candidaten herauszustreichen und zu loben, dazu fehlte es auch vielleicht bei Vielen an Stoff, nein man begnügte sich mit der viel leichteren Methode den der Gegenpartei herunter zu reißen und schlecht zu machen, und hiezu schienen beide Parteien einen Ueberfluß an Material zu finden. Diese Manie des Antichurch-grants hatte denn auch die Folge daß eine Zahl von Volksvertretern gewählt wurde, deren man sich nachher schämte und von denen, schon während meines Aufenthalts dort, Mehrere aufgefordert werden sollten, freiwillig wieder auszutreten – sie werden sich aber hüten.

Von den, in der Zeitung gelieferten Wortschlachten gebe ich nur hier eine Probe, und zwar wörtlich, die Danksagung eines durchgefallenen Candidaten an die, die sich für ihn bemüht hatten.

»Meine Mit-Colonisten – ich danke Euch für die wirklich herzliche Unterstützung, die Ihr mir in dem verflossenen Kampfe geleistet habt, und obgleich Eure Bemühungen nicht mit Erfolg gekrönt wurden, so war doch die Niederlage, unter den Umständen, eher eine Ehre für uns, als eine Schande.

Ich wünschte in der That gewählt zu werden, aber auf den Schultern der arbeitenden Klasse, die ihre Freiheit eben nüchtern und vernünftig gebrauchten; mein Ehrgeiz erstreckte sich jedoch nicht so weit, meine Wahl den werthlosen Stimmen eines trunkenen Pöbelhaufens verdanken zu wollen.

Capt Hall nennt seine Wahl den »Triumph des Princips über Vorurtheil« ich nenne es den Triumph des »Biers über Gehirn«

Euer ergebener

William Giles

Die Überschrift hierzu lautete: »An die liberalen und unabhängigen Wähler des Port-Adelaide-Distrikt« und Mr. Giles sollte, in diesem Fall, gegen den Church grant stimmen. Beiläufig gesagt gehörte er natürlich einer der Gemeinden und zwar, wenn ich nicht irre, selber als Geistlicher an.

Was die Vergnügungen Südaustraliens oder vielmehr Adelaidens betrifft – denn in dieser Hinsicht concentrirt sich die geringe Kleinigkeit von Vergnügungen wirklich nur auf Adelaide – so sind sie beschränkt genug. Das Theater ist noch das einzige was darauf Anspruch machen könnte zu den Vergnügungen gerechnet zu werden, wenn man sich nicht nachher jedesmal über das weggeworfene Geld ärgern müßte. Sie haben nur zwei gute Schauspieler dort, die Herren Koppin und Lazar, die beiden Unternehmer. Mr. Koppin ist wirklich vorzüglich, kann es aber nicht allein erzwingen. Sie führen Lustspiele auf, machen aber nur zu oft Trauerspiele daraus.

Drei deutsche Gasthäuser sind in Adelaide – Brinkert, Pohlmann und Grootegut – ich wohnte im erstern, und befand mich dort so wohl wie man sich eben in einem australischen Gasthaus befinden kann. Ein anderer Deutscher, Schmidt, hat ein viertes ganz nach englischer Art eingerichtet, und wird auch fast ausschließlich nur von Engländern besucht. Englische Wirthshäuser sind in Adelaide wie Sand am Meer: man beleuchtet, wie ich schon früher einmal erwähnt habe, die Stadt mit ihnen.

Vor kurzer Zeit etablirte sich auch ein feines französisches Café, Restaurant Parisien, John Bull wollte aber davon gar nichts wissen, und der französische Restaurant mußte sein Geschäft wieder schließen. Das einzige vernünftige und ruhige Haus wo man jetzt Nachmittags oder Abends hingehen kann, ohne fürchten zu müssen von Betrunkenen belästigt zu werden, ist das Café National, von zwei Deutschen gehalten, und es erfreut sich das auch einer sehr bedeutenden Kundschaft.

Die Wahlkämpfe dauerten indessen in Adelaide fort – man sah und hörte fast von nichts weiter reden und selbst das Gold war für den Augenblick in den Hintergrund gedrückt – schimmerte aber doch durch. – Die nach Sidney bestimmten Schiffe waren voll von Passagieren.

In Adelaide machte ich übrigens, in der kurzen Zeit meines dortigen Aufenthalts, noch einige sehr interessante Bekanntschaften. Se. Excell. der Gouverneur von Südaustralien hatte wahrscheinlich durch die Zeitungsartikel, von meiner glücklichen Ankunft gehört und da er sich besonders für eine spätere Schiffbarmachung des Murray interessirte, ließ er mich zu sich rufen.

Dort lernte ich auch den Colonial-Secretär Herrn Sturt kennen, der zuerst den Murrumbidgee und Murray hinunter mit einem, besonders dazu vom Staat ausgerüsteten Zug ging, und so weit in die australische Wüste vordrang, bis sich die Blacks weigerten ihn weiter zu begleiten. Er verlor damals mehrere von seiner Partie, war selber unendlichen Beschwerden und Gefahren ausgesetzt, und soll sich dabei auf vortreffliche und ausgezeichnete Weise benommen haben. Ich freute mich sehr, seine persönliche Bekanntschaft machen zu können, und es sind das Lichtblicke auf einer so langen Wanderung wie der meinen, manchmal solchen Männern begegnen und ihnen die Hand drücken zu können.

Vom Gouverneur, den ich in Begleitung des schon früher erwähnten Mr. Scott vom Murray besuchte, wurde ich auf das freundlichste aufgenommen, und schrieb nachher, auf seine Veranlassung, einen kurzen Artikel über die mögliche Navigation des Murray im South-Australien-Register.

Sehr interessant war mir ebenfalls die Bekanntschaft eines Mr. Moorhouse, des Protectors der Adelaide-Blacks, an den ich von Hrn. Pastor Meier in Tanunda empfohlen war, und der mir auf das freundlichste nicht allein jede gewünschte Auskunft gab, sondern mich auch sogar in die Schule der Blacks einführte, dort den Lectionen beizuwohnen.

Der australische Schwarze, der allerdings die Haut des Negers aber dabei nicht wolliges sondern langes bald krauses bald glattes Haar hat, ist ebenfalls aus einer Vermischung der malayischen mit der äthiopischen Race, wenigstens dem äußeren Ansehen nach, entstanden und jetzt, in seinem Urzustand, das wildeste, schmutzigste und falscheste Wesen was ich wenigstens unter Indianerstämmen noch gefunden habe. Beim ersten Anblick scheint er auch die wenigsten geistigen Fähigkeiten zu besitzen, denn seine Wohnungen sind so primitiv, wie nur möglich – seine Waffen einfach und roh gearbeitet, seine ganze Bekleidung nur bei kaltem Wetter eine aus Opossumfellen zusammengenähte viereckige Decke. Er bedient sich nicht einmal der Bogen und Pfeile, wie fast jeder andere Stamm und kennt kein höheres Wesen zu dem er beten kann – er fürchtet bloß einen Teufel. Trotz alle dem aber glaub' ich kaum daß es einen wilden Stamm auf Gottes weiter Welt giebt der eine bessere Auffassungsgabe besitzt, als eben dieser anscheinend stumpfsinnige Wilde, oder einen der besser weiß mit solch unvollkommenen Waffen als er führt, umzugehen, und der dabei so charakterfest an seinen Sitten und Gebräuchen hält und nicht der Civilisation der Weißen sondern nur der Gewalt derselben, jeden Fuß breit ihr streitig machend, weicht.

Schon am Murray war ich zuerst erstaunt, die ungeheure Fertigkeit zu sehen, mit der sie die leichten, roh gearbeiteten Speere schleuderten, und wie sicher sie ihr Ziel trafen; dann überraschte mich wieder die Leichtigkeit, mit der sie durchgängig die englische Sprache auffassen, während die Engländer selber, die schon Jahre lang zwischen ihnen lebten, kaum einzelne Worte ihrer Sprache behalten hatten.

Hier in dieser Schule sollte ich denn auch wiederum bestätigt finden, daß diese Nation keineswegs so der Cultur verschlossen ist, als man, dem ersten Ansehen nach, glauben sollte, und wie Viele behaupten wollen.

Der Lehrer derselben war gefällig genug die verschiedenen Branchen der Erziehung mit einigen seiner besten Schüler – es waren dieß vier Knaben und ein Mädchen, vorzunehmen und er bat mich deßhalb sie lesen zu lassen. Aus einem neuen Testament das er mir reichte schlug ich zufällig das erste Capitel des Evangeliums St. Johannis auf, und sagte es dem ersten Knaben. Jedes hatte sein Buch vor sich und fand rasch die bezeichnete Stelle.

»Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort« – las der eine Knabe mit wirklich großer Fertigkeit, der zweite nahm den zweiten Vers, und so fort, das Capitel durch – die Aussprache sämmtlicher Kinder war vortrefflich; trotz dem daß in ihren Sprachen einige Buchstaben unseres Alphabets fehlen, hatten sie sich den englischen Accent schon vollkommen angeeignet und lasen sogar mit weit mehr Ausdruck als wir es in unseren Dorfschulen finden.

Ich frug den Lehrer ob die Kinder nun auch verstünden was sie läsen, und statt der Antwort begann er sie über den Sinn des Capitels zu befragen. Ich muß gestehen, ich war begierig die Auffassung des Satzes, über den Faust so lange grübelte bis endlich sogar der Pudel ungeduldig wurde, von den Lippen australischer Schwarzen erklären zu hören. Mit der Erklärung haperte es aber, und ich glaube kaum daß sich Faust damit begnügt haben würde. Die Kinder hatten übrigens recht gut behalten, was ihnen früher einmal darüber gesagt war. Das Wort bedeutete hier Christus und war, der Erklärung nach, nicht etwa eine Eigenschaft des Heilands, ein geistiger Begriff, sondern nur ein anderer Name; – wie er der Heiland, der Erlöser und Gottes Sohn hieß, so hieß er hier das Wort. Die Indianer sind Kinder und müssen mit freundlicher Hand über solch schwierige Stellen hingeleitet werden.

Unterdessen, daß einige die Bibelstellen erklärten, hatte ein anderer eine vor ihm liegende Tafel aufgenommen und malte sich einen weißen Schwan ab, der an der Wand vor ihnen abgebildet hing. Natürlich hatte er noch keine Festigkeit in der Hand, die Umrisse genau und scharf anzugeben, aber das Auge faßte jede Abweichung der Linien treu auf, und wenn auch roh, so konnte doch Jeder der die Zeichnung des Schwarzen sah, auf den ersten Blick sehen, daß das Bild einen Schwan vorstellen sollte – und das ist mehr, als sich manchmal von Bildern civilisirter Menschen sagen läßt.

Das Nachahmungstalent scheint überhaupt vorherrschend bei ihnen, und das mag ihnen auch beim Schreiben von so großem Vortheil seyn. Ich sah die Schreibbücher mehrerer Knaben, die erst wenige Jahre, und in den Jahren nur immer einige Monate, in die Schule gingen, und ein paar waren dabei, die wahrhaftig besser schrieben als ich selber – wenn ich mir noch so viel Mühe gäbe. Könnte man Knaben sowohl wie Mädchen nur auf längere Zeit an die Schule und auf immer an ein ruhiges bürgerliches Leben fesseln, ich zweifle nicht im mindesten daß sich Alles aus ihnen machen ließe, aber der eingeborene wilde Geist hat zu sehr die Obergewalt, die Cultur kann nichts dagegen ausrichten. Der Schwarze Australiens hängt überhaupt zu sehr von plötzlichen Eindrücken ab, weder Zukunft, Drohungen seiner Zauberer vielleicht ausgenommen, noch Vergangenheit kümmern ihn viel, nur was ihm der Augenblick bringt das erfaßt er, dem gibt er sich mit ganzer Seele hin und verwünscht gleichgültig scheint es ihm zu seyn, ob das dann eben zum Guten oder Bösen ist. Mögen sie daher noch so lange in der Schule gewesen seyn, noch so viel darin gelernt haben, noch so gute Fortschritte machen, zuckt ihnen einmal wieder der Gedanke an die alte Freiheit, an das frühere wilde fröhliche Buschleben durch den Kopf, so ist es mit der ganzen (Zivilisation im Nu vorbei, europäische Begriffe wie Kleider werfen sie mit einmal von sich, und springen mit tollem Jubelschrei in ihr altes wildes Leben zurück – und die Lehrer bleiben daheim und schütteln trauernd und verzweifelnd die Köpfe.

Auch Zählen und Rechnen ließ der Lehrer die Kinder, und zwar auf eine sehr praktische, leicht begreifliche und anschauliche Weise mit Kugeln, die je zu zehn auf einer gewissen Reihe von Drähten aufgezogen waren, und hin- und hergeschoben werden konnten.

Eine Menge Bildertafeln, die an den Wänden herum hingen, und zum Schulgebrauch bestimmt waren, schienen die kleine schwarze Gesellschaft übrigens am meisten und zwar ganz allgemein, zu interessiren. Es waren dieß kleine Abbildungen von Menschen und Thieren mit Unterschriften, einzelne Tafeln die den ganzen Proceß des Ackerbaues vom Urbarmachen des Feldes bis zur Ernte darstellten, andere die von Viehzucht und Jagd handelten etc., und die Kinder konnten dabei nicht allein genau das angeben was das Bild bedeute, sondern auch was die Unterschrift sey, und welche Farben es habe, und während einzelne dieß erklärten standen Andere schon ganz aus freien Stücken da, und zeichneten sich die Sachen ab, die sie am meisten interessirten.

Den Schluß dieser kleinen Prüfung machte ein Versuch in der Geographie, der aber natürlich nur höchst unvollkommen seyn konnte. Die Karte gab nur eben die Umrisse der verschiedenen Welttheile an, diese wußten sie nun allerdings zu nennen, auch anzugeben wo sie sich selber in Australien befänden, und wo Osten, Westen, Süden und Norden sey. Schwerer wurde ihnen die Angabe Sidney's und sie mußten erst nach und nach darauf hingeführt werden; doch ist das ja auch kaum von ihnen zu verlangen wo sich bisher der Begriff der ganzen Welt bei ihnen nur auf die kleine Länderstrecke beschränkt hatte, die sie selber bewohnten, und den schmalen Landstrich der rings herum daran grenzte. Wie sollten sie jetzt gleich die ungeheuere Größe und Ausdehnung der Erdkugel fassen und begreifen können. Nichtsdestoweniger ist aber damit doch ein Anfang gemacht, und sie werden schon mit der Zeit mehr und mehr darauf hingeführt werden.

Was aber ist bis jetzt das Resultat aller dieser Versuche und dieses Kostenaufwandes gewesen, die schwarzen Stämme zu civilisiren? – Leider nur ein sehr geringes, sie wollen sich einmal nicht civilisiren lassen und die Versuche bei Erwachsenen fielen nun ganz trostlos aus. Die Missionäre verließen in Verzweiflung ihre Stationen und sahen zu spät ein, daß sie eine solche enorme Anzahl von Seelen dem bösen Feind zum Opfer gebracht hätten. – Ihrer Lehre nach – ich meine eben die einzelnen unserer christlichen Sekten – sind die Wilden nämlich noch einer gewissen Seligkeit nach dem Tode fähig, so lange sie es eben nicht besser wissen; ist ihnen aber erst einmal die Lehre vom Christenthum und einem alleinigen Gott verkündet worden, nach Gottes Gebot, und haben sie dieselbe zurückgestoßen, dann verfallen sie, laut Zeugnissen von Methodisten, Baptisten und andern -isten, zur gerechten Bestrafung dem bösen Feind und sind rettungslos verloren. – Es ist doch eine wunderliche Geschichte um solche Lehren – wenn man dem glauben wollte, (und thut man's nicht so schimpfen sie Einen ungläubig) so hätte der Teufel keine besseren Agenten auf der ganzen Welt, als gerade die Missionäre, denn wie viel tausend Seelen hätten sie ihm auf diese Art nicht allein schon in Australien geliefert.

Da es mit den Erwachsenen also gar nicht ging, wurde ein Versuch mit den Kindern gemacht, und diese besuchten im Winter auch, wo sie in den Schulen warme Kleidung Decken und gutes Essen bekamen, dieselben pünktlich genug, im Sommer aber stoben sie, wieder nach allen Richtungen hinaus, und standen dann ganz unter dem alten Einfluß der alten Männer ihres Stammes, deren Worte sie mit der angeborenen Ehrfurcht lauschten.

Von den Knaben ließen sich dabei immer noch eher einige bereden, auf kürzere oder längere Zeit auszuhalten, die Mädchen aber liefen rettungslos davon, so bald sie nur einmal ein gewisses Alter erreicht hatten, und waren dann auch nie wieder zurückzubringen. Die eigene Sitte, der eigene Aberglauben, der in dem jungen Herzen zu tief Wurzel schlägt, um leicht wieder ausgerottet werden zu können, trägt hier die meiste, wenn nicht die alleinige Schuld. Das Mädchen wird, wenn noch ganz jung, oft schon bald nach der Geburt, irgend einem Mann verlobt, und bis zu ihrer Mannbarkeit ist es dem Stamm ziemlich gleichgültig wo sie sich aufhält – so bald die aber eintritt, fordert der Bräutigam seine Braut, und der Stamm ruft sie zurück, während ihr die Zauberer desselben mit augenblicklichem Tod oder mit siechender Krankheit drohen, sollte sie dem Befehl nicht Folge leisten.

Solcher Mahnung können sie dann nicht widerstehen, und mag ihr Herz für den Augenblick noch so sehr an der nach und nach zur Gewohnheit gewordenen Cultur hängen; sie werfen Alles von sich und gehorchen dem Befehl.

Ein auffallendes Beispiel hiervon erzählte mir der Lehrer. – Sie hatten ein Mädchen von klein auf in die Schule genommen – die sie vier Jahre lang regelmäßig besuchte und bedeutende Fortschritte machte. Nachher kam sie zwei Jahr zu dem Missionär in Dienst, und dann zwei Jahre in das Gouvernementsgebäude – sie wurde überall gut gehalten und freundlich behandelt, schien ihre alten Gewohnheiten total vergessen und sich dem neuen Leben angewöhnt zu haben; sie trug gern europäische Kleider und verkehrte sogar wenig mit ihrem Stamm, wenn er sich dort aufhielt. Nach acht Jahren warf dieses Mädchen aber, das vollkommen englisch sprach, die christliche Religion angenommen und Alles gelernt hatte was sie zur Haushaltung brauchte, Gewohnheiten wie Kleider zu gleicher Zeit von sich und lief wieder, wie sie Gott erschaffen, und wie sie vor acht Jahren dem Busch entnommen war, in den Busch zurück.

Es soll gerade dieser Fall alle die, die sich mit der Erziehung und Civilisation der Schwarzen beschäftigten, ungemein entmuthigt haben, und auch das steht besonders und mit so böser Einwirkung der wirklichen und dauernden Cultur aller wilden australischen Stämme entgegen, daß sie sich nicht an feste Wohnhäuser gewöhnen mögen. Wo sie ihnen selbst gebaut wurden machten sie sich nichts daraus sie zu benutzen, und sehr häufig habe ich am Murray frische indianische Lagerfeuer draußen im Freien und nur wenige hundert Schritte von verlassenen Hütten früher dort wohnender Weißen, gesehen, und das manchmal sogar bei schlechter Witterung. Mag sie Aberglauben oder Gott weiß was sonst davon zurückgehalten haben, aber sie zogen es vor lieber im Freien zu schlafen, ehe sie unter Dach und Fach gingen.

Um sich davor zu wahren, und solche Rückfälle zu verhindern, ist das Protektorat nun allerdings auf einen anderen Ausweg gefallen, der auch vielleicht, wenigstens für eine kleinere Zahl ausreichend seyn wird, ob er aber erstens mit der gewöhnlichen Humanität Stich hält und nicht eher auf eine Art europäischer Völkerbeglückung hinausläuft, mag dahingestellt bleiben.

Sobald Mädchen wie Knaben nämlich, die in der Schule ihre Erziehung erhalten, mannbares Alter erreicht haben, verheirathet man passende Paare mit einander und diese werden dann nach Lincoln Point glaub' ich heißt der Platz, hinübergeschafft, wo ihnen die Regierung eine gewisse Strecke Land und Ackerwerkzeuge gibt und ein Häuschen hinstellt, das sie nun bewohnen, und ihr Land selber bebauen sollen. Die Gegend aber wohin sie gesandt werden liegt auf einer Halbinsel und der Landweg ist ihnen durch dort wohnende feindliche Indianerstämme abgeschnitten. Sie können also nun schon einmal nicht in ihr altes Leben zurück und müssen, mögen sie wollen oder nicht, Europäer spielen. Dieß ist übrigens ein ganz neuer Versuch, der Erfolg muß erst lehren wie er ausfallen wird. Ich, meines Theils, glaube nicht gut, denn solcher Zwang kann auf die Länge der Zelt keinen günstigen Einfluß ausüben, und will der Mensch erst einmal die Fesseln abwerfen, die ihm solcher Gestalt aufgelegt sind, dann findet er auch wieder Gelegenheit dazu. Findet erste aber nicht und halten die Ketten, dann ist er eben unglücklich und die Frage ist dann, dürfen die Weißen solchen Zwang ausüben und machen sie die Indianer dadurch nicht noch viel elender, als sie in ihrer Wildniß, in ihren alten Sitten und Gebräuchen gewesen wären.

Die hier in die Schule gehenden Kinder waren, alle anständig gekleidet – die Jungen in Hemden und Hosen und die Mädchen in lange blaue Röcke – sie mußten sich natürlich auch reinlich halten, d. h. reinlicher als sie es in ihrem Urzustand gewohnt gewesen waren – aber die Nasen – die entsetzlichen Nasen.

Mr. Moorhouse war aber auch noch außerdem freundlich genug, mir zur Durchsicht und zu Auszügen sein Journal für kurze Zeit anzuvertrauen, was er seit 1839 über die Indianer und ihre Verhältnisse geführt und worin er eine Masse Notizen über ihre Sitten und Gebräuche eingezeichnet hatte. Natürlich versäumte ich nicht von der Güte desselben Gebrauch zu machen und habe viele höchst interessante Sachen darin gefunden.

Einige sehr angenehme Tage verlebte ich hier mit den Herren Noltenius und Charnock, die mich auf ihr freundliches Landhaus nach Kensington, dicht bei Adelaide, einluden, und wo ich einige Tage und die meisten Abende verbrachte; die Zeit der Abfahrt rückte aber heran, und die letzten Tage machte ich noch einen kleinen Abstecher nach Macclesfield, zwischen 25 und 30 Meilen von Adelaide entfernt, theils das dortige Land zu sehen, das ich viele hatte rühmen hören, theils einen Herrn Sutter – einen Vetter des californischen Capitäns Sutter – kennen zu lernen, der Ritt gereute mich wahrlich nicht.

Macclesfield liegt in der Hügelreihe, die sich zwischen Adelaide und dem Murray, von Süden nach Norden hinauf zieht. Diese Hügel hatten aber ungemein fruchtbares Land, zu dessen bester Gegend der nicht weit von dort entfernte Barkershill und das deutsche Dorf Hahndorf gehören. Das Land besteht aus Hügeln und Thälern und ist ziemlich dicht bewaldet – aber immer und ewig nur mit Gumbäumen; dennoch gab das Unterholz hier dem sogenannten »Busch« einige Abwechselung. Die kleinen buschigen Kirschbäume, deren Laub einige Aehnlichkeit mit dem des Nadelholzes hat, wie der kaktusähnliche Grasbaum standen an manchen Stellen ziemlich dicht, und veränderten wenigstens das sonst gar so entsetzlich monotone Grün der Gums; hie und da sproßten auch schon ein paar Blumen auf, aber eine »Gegend« wollte doch nicht zu Stande kommen; nur von der lofty range aus, über die Ebene zurück in der Adelaide liegt, mit dem Meer zum Hintergrund, bietet sich dem Auge ein lieblicher, ja wirklich großartiger Anblick.

Hier liegen noch sehr bedeutende Strecken unbebaut, das Land ist aber auch hoch genug hinaufgetrieben, und wo irgend werthvoll schon nicht mehr unter vier und fünf Pfd. Sterl. per Acker zu bekommen. Macclesfield selber ist ein kleines, erst entstandenes Landstädtchen, das sich aber, des guten Bodens wegen der es umgibt, bald heben wird. Häuser nach Häusern entstehen, mehr und mehr Menschen siedeln sich dort an und die Berge sind dort noch wenig untersucht und können noch manche mineralische Schätze enthalten.

Auch Herr Sutter hat nachgraben lassen, besonders Kohlen zu finden, die für Adelaide von wirklich unschätzbarem Werth seyn würden, bis jetzt, aber noch weiter Nichts als eine allerdings vortreffliche weißte Thonerde gefunden, aus der er jetzt ausgezeichnete und gut gezahlte Feuerziegeln brennt.

Diese Hügel bieten auch noch dadurch für den Ackerbau größere Vortheile als die Ebenen, da sie fast vollständig gegen heiße Winde geschützt liegen, wie auch nie so viel von zu großer Nässe leiden können. Ebenso ist das Trinkwasser hier besser, als in den meisten Stellen des Adelaide-Distrikts, wo es in der Nähe Tanundas sogar jetzt in der Regenzeit salzig war, und manchmal in heißen Sommern kaum genießbar seyn soll.


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