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Am vierten Tag ging der Wind wieder mehr nach Süden herum und wurde schwächer. Dadurch legte sich die See allerdings in etwas, der Boreas kam aber nun auch wieder platt vor den Wind und hiermit in so viel stärkere Bewegung. Nur in Ballast geladen, mit den Pferden im untern Raum, das Heu in das Zwischendeck gestaut, und sogar noch mit einem Dutzend Wasserfässer oben an Deck, war er etwas kopfschwer geworden, und lief allerdings ziemlich ruhig, sobald er von dem mehr schräg einstehenden Wind auf einer besonderen Seite gehalten wurde. War das aber nicht mehr der Fall, so schlingerteSchlingern heißt die nach rechts und links hinüber schaukelnde Bewegung des Fahrzeugs, stampfen dagegen das vorn Auf- und Niedergehen desselben. er so herüber und hinüber, daß die Raaenocken manchmal fast die Wogen berührten. Es sah oft aus, als ob er sich im Leben nicht wieder aufrichten würde.
Den Pferden bekam dies noch schlechter als das Stampfen des Schiffes. – Noch an dem nämlichen Tage crepirte ein viertes, und zwei hatten sich die Brust, mit der sie fortwährend gegen die Querbalken geworfen wurden, vollkommen aufgescheuert.
Capitain Oilytt war wüthend darüber; er stieg selber in den untern Raum hinunter, und als er den Zustand sah, in dem sich einige der Thiere befanden, fluchte und lärmte er auf eine entsetzliche Weise und schwur, er wolle den letzten Mann von der »Räuberbande«, die er jetzt an Bord habe, zu Tode – oder aus seiner Haut hinauspeitschen lassen, wenn auch noch einem seiner Thiere nur das »Fell geritzt würde«.
Capitain Oilytt hatte eine andere Tugend an sich – er trank. Nach dem Mittagstisch nahm er seinen »Verdauungstropfen,« wie er es nannte – ein Bierglas halb mit Brandy, halb mit heißem Wasser gefüllt und mit etwas Citronensaft versetzt – er verschmähte Zucker. Dabei blieb es aber nicht. Dem »Verdauungstropfen« folgte ein anderer und noch einer, bis sein Gesicht glühte und manchmal ordentlich Funken zu sprühen schien, und in solchem Zustand sah er sich gewöhnlich nach ein wenig »Sport« oder Vergnügen, wie er meinte, um und stieg auf Deck oder zu den Leuten hinunter. Gnade dann Gott dem, der ihm dort verkehrt in den Weg kam oder Ursache zu Mißfallen gab. Er verschmähte es oft nicht, selber Hand anzulegen, und da er ein breitschultriger, schwerer Gesell und überdem Capitain des Schiffes war, also vor Gericht stets das Recht auf seiner Seite hatte, hüteten sich die Leute auch wohl, wo sie das nur irgend vermeiden konnten, mit ihm anzubinden, und gingen ihm lieber aus dem Wege.
Es war am achten Tag ihrer Ausfahrt von Sidney. Der Wind wehte ziemlich stetig aus Süd-Südost, und der Boreas lief, jetzt einen Nord zu West Cours haltend, an der Küste Australiens vor einer herrlichen Brise hinauf. Der Capitain hoffte am nächsten Tag in Sicht der Riffe zu kommen, zwischen denen hinein er durch die Torresstraße seine Bahn suchen wollte.
Die Torresstraße ist jene, an Flächenraum ziemlich breite Straße, die im Süden von der nördlichen Küste Australiens im Norden durch die große, noch fast unbekannte Insel Neu-Guinea gebildet wird, aber dermaßen mit Inseln und Sandklippen überstreut und von Korallenriffen durchwachsen ist, daß die Passage, selbst bei günstigem Wetter immer gefährlich bleibt und die größte Umsicht erfordert, bei stürmischem Wetter aber selten oder nie gewagt wird. Hierzu kommt, daß gerade in dieser Gegend, vielleicht durch die vielen Inseln und die nahe, – so heiße australische Küste hervorgerufen, das Wetter höchst unbeständig ist, und Nebel und plötzliche Böen etwas sehr Gewöhnliches sind, vor denen sich die Schiffer dann natürlich nicht genug hüten können.
Die Riffe selbst haben einen eben so eigenthümlichen als gefährlichen Charakter. Sie bestehen einzig und allein aus Korallenfelsen, steigen aber nicht selten, und besonders an diesem Theil der australischen Küste, über tausend Fuß steil und schroff, manchmal bis an die Oberfläche, manchmal diese nicht ganz erreichend, empor, nie aber so weit über dieselben emporragend, daß mehr als das Schäumen der auf ihnen überstürzenden Brandung sichtbar wäre und dem Schiffer die Nähe seines gefährlichen Feindes verriethe. Hier und da nur ragt zu Zeiten eine schwarze Felsspitze aus dem weißen Gischt des erregten Wassers empor und kündet die Grenze irgend eines in einem schmalen Streifen vielleicht weit auszweigenden Riffs, während dicht davor, ja vielleicht selbst in dem Bogen, den das eigentliche Riff umschließt, das ganz dunkelblaue Wasser die fast unergründliche Tiefe zeigt. An vielen Stellen treten die Korallen bis an die Oberfläche empor, während dicht daneben, oder keine zwanzig Schritt davon entfernt, über zweihundert und sechzig Faden, also eintausend fünfhundert und sechzig Fuß Tiefe sind.
Mit der australischen Küste von Süden nach Norden gleichlaufend, zieht sich nun eine förmliche Mauer dieser theils mehr, theils minder steil aufschießenden Riffe bis nach Neu-Guinea hinauf, und nur hier und da laufen schmale gewundene und natürlich höchst gefährliche Eingänge in diese Riffe hinein, an denen sich das Meer in einer östlichen Strömung mit aller Kraft und Stärke bricht. In einigen Meilen Entfernung gesehen, bieten sie dem Auge auch nichts als eine einzige, ununterbrochene Kette weißen Schaumes, die sich von Süden nach Norden in schneeiger, beweglicher Linie hinaufzieht, und erst dicht hinanfahrend entdeckt der Schiffer von seiner Vorbramraae aus hier und da einen schmalen dunkeln Eingang, der zwischen den milchigen Massen hin auf die innere spiegelglatte und stille Fluth führt.
Macht aber wirklich das Schiff diesen schmalen Eingang, so ist immer noch nicht gesagt, daß es darin auch weiter kann, daß dieser nämlich eine förmliche Durchfahrt in die tiefere innere Bai gestattet. Eine starke, gewöhnlich nach Nordwesten setzende Strömung droht ihm zugleich fortwährend in dem engen Fahrwasser mit den nördlich von ihm liegenden Klippen, während es, dicht von Riffen eingeschlossen, sich vielleicht auf einer Tiefe befindet, in der seine beiden aneinander gesteckten Ketten nicht einmal Ankergrund erreichen würden.
Der Capitain war an dem Tage besonders mürrisch gewesen. Er hatte sich mit dem zweiten Steuermann, irgend einer Kleinigkeit in den Provisionen wegen, gezankt, oder diesen vielmehr einer Sache beschuldigt, die sich nachher als unwahr herausstellte, und aus Aerger darüber schien er mehr als seine gewöhnliche Zahl Verdauungstropfen zu sich nehmen zu wollen. Da fiel ihm aber möglicher Weise ein, daß er an dem zweiten Mate doch vielleicht noch einen andern Haken finden könne, da er ja auch die Aufsicht über das Füttern und Halten der Pferde hatte. Er beschloß deshalb, einmal selber in den untern Raum hinabzusteigen, und zu sehen wie sich seine Pferde befänden. Er rief den Steward, ihm mit einer Laterne zu folgen.
Jean stand am Ruder und Bill saß nicht weit davon auf dem Quarterdeck und besserte das dort ausgebreitete große Marssegel aus, das in der letzten Bö beschädigt worden war. Der zweite Mate, der bis jetzt daran mit geholfen hatte, stand auf und ging nach vorn.
Hans und François, die beiden Uebrigen auf Wache, waren gerade im untern Raum mit dem Füttern und Tränken der Thiere beschäftigt. Hans hatte sich soweit wieder erholt, daß er wenigstens herumhinken und die nothwendigsten Arbeiten mit verrichten konnte. Auch Jack war besser geworden, lag aber immer noch, zu schwach, irgend etwas anzugreifen, zu Koje.
»Na, heut Nachmittag wird's wieder 'was Schönes setzen,« meinte Jean mit halblauter Stimme zu Bill, der nicht weit von ihm saß, und nachdem er erst einen vorsichtigen Blick über Deck geworfen – der Mann am Ruder darf mit Niemand sprechen und von Niemand angeredet werden, damit er seine Aufmerksamkeit ungetheilt Compaß und Segeln zuwenden kann; – »der Alte ist in vortrefflicher Laune, und wenn er erst noch ein paar ›Tropfen‹ weggestaut hat, giebt's aller Wahrscheinlichkeit nach einen Wolkenbruch. Sollte mich gar nicht wundern, wenn er unten schon anfinge. – Dort hat er aber Niemanden. François versteht nicht, was er sagt, wenn er schimpft, und Hans muckst nicht, und wenn er dem das Leder vollschlüge.«
»Das laß gut sein,« meinte Bill kopfschüttelnd, »Hans läßt viel mit sich machen; wenn es aber zum Aeußersten kommt, trau' ich ihm gerade weniger als jedem Andern. Er hat 'was im Auge, was mir nicht gefällt, und muß seine ganz besonderen Gründe gehabt haben, in Sidney nicht mit fortzulaufen, denn aus Feigheit ist es wahrhaftig nicht geschehen.«
»Er hat Frau und Kind zu Haus,« entgegnete ihm Jean, »das wird der Grund gewesen sein.«
»Fällt ihm nicht ein,« meinte Bill kopfschüttelnd, »der hat so wenig eine Frau zu Haus wie ich und Du. Nein, ich will Dir sagen, was er mir geantwortet hat, als ich ihn deshalb fragte – er meinte, er hätte dem Capitain sein Ehrenwort gegeben, an Bord zu bleiben, und das könne er nicht brechen.«
»Den Teufel auch!« rief Jean rasch und erstaun! – »das hätt' ich Hans gar nicht zugetraut. – Er ist überhaupt ein sonderbarer Kauz, und so wenig er sich damit ausläßt, spricht er doch jedenfalls auch Französisch. Er versteht wenigstens Alles, obgleich ich ihn nie zum Antworten bringen kann. Er weicht dann immer aus und meint, die Zunge sei ihm zu schwer dazu. Ich glaub's aber nicht.«
»Manchmal kommt's mir vor, als ob er gar kein Deutscher wäre,« sagte Bill. »Obgleich er sonst nur ganz gebrochen Englisch spricht, sind ihm doch schon ein paar Mal Worte herausgefahren, die mich ganz stutzig machen, und im Schlaf neulich, will ich verdammt sein, wenn er nicht den einen Satz so rein Englisch herausbrachte wie nur je ein an den alten Kreideküsten Geborener. Nachher kam freilich eine Menge Kauderwälsch dazwischen, das ich nicht verstand, wahrscheinlich »dutch«. – Hallo, da unten geht's los – hörst Du's, Jean?«
»Ich hab's mir von vornherein gedacht,« sagte dieser gleichgültig. »Daß er dem Mate nichts anhaben konnte, war dem alten Höllenhund schon ein Dorn im Fleisch, und jetzt hat er denn richtig so lange herumgesucht, bis er sich ein anderes Vergnügen herausstöbern konnte.«
»Hm!« sagte Bill, »da unten ist's laut – hallo, da kommt der Alte zu Luft. – Donnerwetter, was er für einen rothen Kopf hat – wahrhaftig ich glaube, er blutet. Na, jetzt werden wir was Neues hören,« und mit unendlichem Fleiß, als ob er bis dahin gar nicht von seiner Arbeit aufgesehen, machte er sich wieder über das alte, von Wetter und Zeit schon arg mitgenommene Marssegel her. –
Im Raum war es indessen allerdings bunt hergegangen. Als der Capitain hinunterkam, standen Hans und François eben und tränkten die Pferde, von denen einige immer noch ungern aus dem Eimer soffen. Sie schnupperten und schnarrten und schnaubten, stießen mit der Nase nach dem Eimer, oder versuchten auch wohl mit einem Vorderhuf hineinzufühlen, wie sie einen schwanken Steg oder zu weichen Boden erst versuchen würden, ob er auch stark und sicher genug wäre, sie zu halten.
Es war natürlich sehr dunkel im untern Raum, denn das wenige Licht, was durch die schmalen Luken fiel, wurde fast total durch die beiden Windfänge gebrochen und aufgehalten, die von oben herunter niedergelassen sein mußten, um den Dunst der Pferde, der sonst nirgends Abzug hatte, hinauszutreiben und reine Luft hinabzuführen. Die Hitze war dadurch auch in der That sehr gemäßigt worden, und wenn man sich erst einmal eine kurze Zeit unten befand, gewöhnte sich das Auge eher an die Dunkelheit und konnte die Gegenstände, gegen die der eben Niedersteigende wie erblindet war, leichter unterscheiden.
Als der Capitain hinunterkam, stolperte er gleich bei den ersten Schritten über eine dort lehnende Mistgabel, mit der die Leute die Streu etwas aufgelockert und die trockene von der feuchten geschieden hatten. Der Steward, der mit der Laterne hinter ihm herkam, half ihm natürlich wenig oder gar nichts mit seinem Licht, und das Erste, was die beiden Leute unten von der Gegenwart ihres Capitains erfuhren, war ein entsetzliches Schwören und Fluchen über die erstlich, die in ihrer »verdammten Nachlässigkeit« das Werkzeug dort hatten stehen lassen, und dann über die ganze »nichtsnutzige, diebische, strickwerthe« u. s. w. Schiffsmannschaft.
»Parbleu,« sagte François leise auf Französisch zu Hans – denn die Beiden sprachen einem Verständniß gemäß, das sie unter sich getroffen, der Eine sein Französisch und der Andere sein Deutsch, womit sie vollkommen gut auskamen – »der Alte ist heut in einer besonders rosenfarbenen Laune. – Ich gäb' 'was darum, wenn er dem Fuchs da drüben ein bischen nahe käme. Er und der würden's dann bald zusammen kriegen.«
Der Fuchs, von dem François sprach, war das bösartigste Thier im ganzen Schiff und Hans der Einzige, der ihm selbst Wasser oder Futter geben durfte. Sobald sich nur ein Anderer der Leute ihm näherte und er nur eben glaubte, sie mit seinen Zähnen erreichen zu können,« fuhr er wie ein Tiger aus seiner Höhle zwischen den beiden Querbalken mit dem Kopfe durch, und Gnade Gott dann Allem, was er erwischte. Die übrigen Pferde hatten sich schon etwas mehr in die Umstände gefügt, obgleich sie trotzdem noch immer gern nach einander bissen und schlugen.
»Was Gutes hat er nicht im Sinn, wenn er Nachmittags hier herunterkommt«, erwiderte Hans, mehr jedoch mit sich selber redend, als auf die Bemerkung des Andern antwortend.
»Komm hier, Schwarzer,« rief er dann laut gegen das Pferd gewandt, an dem er gerade stand, und das nach dem jetzt näher kommenden Licht der Laterne hinüberschnupperte. Es trat ängstlich dabei so weit zurück, als es ihm das etwas kurze Seil, an dem seine feste Halfter saß, erlaubte – »komm hier, Bursche – es thut dir Niemand 'was – hier – sauf dein Wasser, daß die andern auch 'was kriegen – Steward! haltet ihm die Laterne nicht so vor die Nase,« wandte er sich jetzt aber rasch gegen diesen, der indessen mit dem Capitain ganz nahe getreten war und das Licht so hoch als möglich hielt, um selber darunter wegsehen zu können – »es scheut vor dem ungewohnten Strahl und wird die Halfter am Ende zerreißen.«
Der Steward senkte das Licht und wollte zurücktreten, der Capitain hatte aber in demselben Augenblick auch eine Schramme am Hals des Pferdes bemerkt – eine Stelle, wo es das Seil ein wenig wund gescheuert hatte, und die jetzt, da es mit dem ganzen Gewicht seines Körpers nach hinten zog, frei kam und sichtbar wurde.
»Halt, Steward – gieb mir einmal die Laterne,« sagte er rasch – »Gott verdamme mich, wenn sie mir hier unten die Thiere nicht zu Tode schinden, falls ich nicht selber dann und wann danach sehe. – Woh, Poney – woh, mein Thier – come up here, you damned son of a bitch – come up here – w-o-h – daß dich die Pest!«
Das Pferd – durch das ihm dicht vorgehaltene Licht und die fremden Laute scheu und furchtsam gemacht – drängte nur immer mehr zurück, schnürte sich fast die Kehle zu, so daß ihm die Augen weit aus dem Kopf traten, sprengte endlich, als der Capitain mit dem letzten »daß dich die Pest« den Arm mit der Laterne rasch und heftig gegen es in die Höhe stieß, das Halfterseil und stürzte auf seinen Hintertheil zurück gegen die Schiffswand. Allerdings war es noch mit einem andern Nothtau um den Hals befestigt und festgehangen, dieses aber länger als das andere, so daß es ihm mehr Raum gab. Als es deshalb wieder in die Höhe sprang, drückte es mit aller Kraft hinter die ihm zunächst stehenden Thiere hinein, die, durch den ganzen Lärm und die ungewohnten heftigen Stimmen ebenfalls scheu gemacht, ausschlugen und wieherten und stampften und einen Lärm machten, als ob sie das ganze Unterdeck auseinander reißen wollten.
Die Verwirrung hatte ihren Höhepunkt aber noch lange nicht erreicht. Das einzige Pferd nämlich, was sich bis jetzt bei der ganzen Sache vollkommen ruhig verhalten, ja nicht ein Glied gerührt, und nur vorsichtig gebückt mit zurückgezogenem Kopf, aber lebhaft und tückisch blinzelnden Augen dagestanden hatte, war eben der Fuchs gewesen, von dem François vorher gesprochen, und der geduldig ein Opfer für seinen nächsten Angriff zu erwarten schien. Der Steward war ihm der Nächste. Dieser stand, nicht das Mindeste von der ihm im Rücken drohenden Gefahr ahnend, mit der ihm vom Capitain wieder zugereichten Laterne mitten in dem Gang, der zwischen den beiden Reihen Pferden gelassen worden. Er war aber nicht drei Schritt von der Stelle ab, wo der Fuchs, mit fest zusammengebissenen Zähnen, gierig auf die nächste Bewegung seiner ausersehenen Beute lauerte.
Die sollte auch nicht lange auf sich warten lassen. Der Capitain bedeutete den Steward mit dem Licht nach hinten zu gehen, daß die Thiere sich wieder beruhigen möchten. Dieser wollte auch eben dem Befehl Folge leisten, hatte aber kaum seinen zweiten Schritt gethan, als er einen lauten Angst- und Schmerzensschrei ausstieß und die Laterne fallen ließ. Der Fuchs war nämlich ohne weitere Warnung mit dem Kopf durch seine beiden Querbalken hingefahren, und den Mann gerade über der Hüfte packend, hielt er ihm hier Hose und Fleisch ingrimmig zwischen seinen scharfen, ehernen Zähnen eingeklemmt; an Losreißen war nicht zu denken.
»Pfui, Fuchs, schäm' dich!« rief Hans, der wegen seines kranken Beines nicht gleich so schnell hinüber konnte, um den Gefangenen zu befreien. Der Fuchs aber, obgleich er sonst gewöhnlich auf seines Fütterers Wort hörte, schämte sich dieses Mal nicht und ließ den jetzt Zeter und Mord Brüllenden auch nicht eher los, bis der Capitain zusprang, ihn zu befreien; dann geschah es aber auch nur, um nach dem neuen Opfer zu schnappen. An diesem hafteten jedoch seine Zähne diesmal nicht, denn er stieß ihn so heftig mit dem Maul gegen den Leib, daß er zurücktaumelte und mit dem Kopf an den gegenüberstehenden Pfosten schlug.
Als er sich wieder in die Höhe richtete, wollte der Fuchs seinen Angriff erneuern, jetzt sprang aber Hans dazwischen und trieb das freudig und fast höhnisch wiehernde Thier in seine Grenze zurück. Der Steward aber kroch indessen wie eine Schlange in dem schmalen Gang hin und hielt nicht eher an, bis er die Leiter halb hinauf war. Dort blieb er stehen und schrie nun zurück: »das sei eine schändliche Gemeinheit, denn er habe selber gesehen, wie Hans das Thier auf ihn gehetzt hätte.«
»Tropf!« war das Einzige, was Hans halb lachend, halb verächtlich auf die Anschuldigung erwiderte, und er wandte sich dabei wieder nach dem Rappen um, diesen auf's Neue festzumachen und die anderen Thiere zu beruhigen und zu tränken. So leichten Kaufs sollte er aber bei dem Capitain nicht davonkommen, denn dieser, durch Rum, Aerger und den letzten Fall zu wahrer Wuth gebracht, schäumte fast vor innerlich kochendem Grimm und suchte nur noch ein Opfer, an dem er ihn auslassen konnte.
François merkte das und drückte sich aus dem Weg, und auch Hans fühlte, wie der Capitain nur eine Ursache suche, mit ihm anzubinden, that aber, als ob er entweder nichts merke oder sich nur wenig um die Sache bekümmere. Den ersten allgemeinen Ausbruch des Gereizten oder eigentlich sich selber erst Aufreizenden: »Ihr verdammten Halunken hier unten macht was Ihr wollt mit den Thieren, und ich muß Euch nur erst einmal die Katze zu fühlen geben,« ließ er deshalb auch unbeantwortet und machte sich mit dem Rappen zu schaffen, den er durch Zureden so weit vorn an die Stange zu bringen versuchte, daß er ihm das Halfterseil wieder anknoten konnte.
»You, Sir, there,« rief aber der Capitain, »ich spreche mit Euch – Gott verdamm' es, wollt Ihr wohl so gut sein und mir Antwort geben, wenn ich mit Euch rede? – Was ist das hier für eine Wirthschaft unten? – Ueberall liegt das Geschirr herum, daß man Hals und Beine darüber bricht – die Pferde sind wund gescheuert und liederlich angebunden, daß sie sich einander zu Schanden schlagen müssen – ich will darin Ordnung sehen, oder ich lasse Euch Alle miteinander krumm schließen und abpeitschen.«
Hans zuckte zusammen, als ob er schon Schlag empfangen hätte, und hielt einen Moment, wie unschlüssig, was er thun solle, in seinen Bewegungen ein. – Was ihm aber auch für Gedanken im Kopfe herumgegangen waren, seine Vernunft siegte.
»Geduld – Geduld,« murmelte er leise, wie eine Art Verschwörungsformel, vor sich hin und griff eine andere neben ihm liegende Mistgabel aus, um das den Pferden kurz vorher gegebene und jetzt umhergestreute Heu wieder zusammenzuschieben. Der Capitain mochte aber wohl die leise geflüsterten Worte gehört haben, denn er sprang rasch auf den Mann zu, faßte ihn am Kragen und rief wüthend:
»Was murmelt der Hund – willst Du auch noch gegen mich knurren? Einen Mucks noch, Canaille, und ich schlage Dir den tückischen Schädel bis in den Kragen hinunter!« Und er riß bei den Worten dem nicht den mindesten Widerstand Leistenden die Mistgabel aus der Hand und hob sie drohend wie zum Schlag in die Höhe.
Hans sagte kein Wort, er drehte sich nur halb nach ihm um und sah ihm starr in's Gesicht – er war todtenbleich geworden, und das kranke Bein, auf dem er zu lange gestanden, fing ihn plötzlich so an zu schmerzen, daß er sich an dem nächsten Pfeiler halten mußte.
»Faule, schuftige Bande,« schrie jetzt der Capitain in fast trunkener Wuth, ohne jedoch zuzuschlagen, denn der Mann stand ihm, ohne eine Hand aufzuheben, gegenüber – »die das Brod nicht verdienen, was sie ihrem Herrgott abstehlen. Nun, zum Donnerwetter, was steht der Lump da und hat Maulaffen feil – wird's bald? und kriegen die Pferde noch etwas zu saufen?«
Hans wandte sich um; als er aber auf sein Bein trat, knickte er zusammen und konnte sich nur mit Mühe aufrichten, suchte aber doch mit äußerster Anstrengung seinen Schmerz zu verbeißen. Er hatte dabei die Laterne umgestoßen, die neben ihm stand, nahm sie aber gleich wieder in die Höhe und hing sie in einen dazu bestimmten Haken.
»Ungeschicktes Vieh!« sagte da der Capitain und stieß ihm, noch während er damit beschäftigt war, den Stiel der Gabel gegen den Nacken.
»Capitain!« knirschte aber auch in diesem Augenblick der Gemißhandelte zwischen den fest zusammengebissenen Zähnen hindurch – »ich habe meine Schuldigkeit, so viel in meinen Kräften stand, gethan und keine Mißhandlung verdient!«
»Bestie!« schrie jetzt ordentlich jauchzend, daß er eine gegründete Ursache gegen einen Widersetzlichen hatte, der Capitain und drehte die Gabel in der Hand um, daß er das schwere Eisen nach oben schwang, – »willst Du mucksen?« und im nächsten Moment fuhr das Instrument sausend nach dem Kopfe des Matrosen – aber es traf nur den Pfosten, und während die Pferde wieder in wilder Scheu zurückschreckten und stampften, schlugen und an den Tauen rissen, griff eine eiserne Faust des Capitains Kehle und ein schwerer Schlag schmetterte ihn zu Boden.