Salomon Geßner
Der Tod Abels
Salomon Geßner

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Der
Tod Abels.

Dritter Gesang.

SIe traten izt aus der Laube hervor, Abel umarmte zærtlich seinen Bruder, und nun giengen sie, der Mond beleuchtete ihren Pfad, jedes Paar seiner Hytte zu. Abel umarmte seine Geliebte, und sprach: Was fyr Freude durchstrœmt meine Seele! Mein Bruder – – ach! mein Bruder zyrnt nicht mehr, und will mich lieben! O wie entzykten mich die Thrænen, die heute von seinen Wangen flossen. Nein, so erquiket der Thau den Fryhling nicht, wie diese Thrænen mich erquikten. Der wytende Sturm in seiner Seele hat sich geleget, und Ruh und Freude sind zu uns zurykgekommen. Der du mit unendlicher Gnade yber den Erstgeschaffenen wachetest, da sie einsam die grosse Erde bewohnten, ô befiehle du dem Ungestym, daß es nie wieder in seiner Seele erwache!

Thirza umarmt' ihn, frohes Entzyken beseelt ihre Worte; sie sprach: Ach! der sanfte Regen erquikt nicht so die versengeten Gefilde; der zurykkommende Fryhling nach dem ersten traurigen Winter, hat sie nicht so sehr entzykt, die einsam auf der Erde wohnten, als mich diese Thrænen entzykten, unsers Bruders zurykkommende Liebe! O gesegnete Stunde! Jugend und Heiterkeit kehrt auf die Stirne der Eltern zuryk, Freud und Wonne strœmt durch jeden Busen. Ach gesegnete Stunde! mir scheint die Natur schœner, und dein Licht heller, du still wandelnder Mond! – – So tœnt ihre Freude von ihren Lippen.

Indeß gieng auch Kain an seiner Mehala Seite nach der Hytte; sie blikte zærtlich ihn an, drykte seine Hand an ihre Lippen, und sprach: Geliebter! was fyr Ernst ruhet auf deiner Stirne? Vermag die zurykgekehrte Ruhe in deinem Herzen nicht Heiterkeit in deine Augen zu giessen, und die Runzeln deiner Stirne zu entfalten? Zwar hat dein ernster Verstand immer jede Freude gemildert, und in deinem Herzen verwahret. Aber, ô wie lachte die Freude und das Entzyken von jeder Wange, und ergoß sich aus jedem Auge, da, Geliebter, als du mit bryderlicher Liebe deinen Bruder umarmtest, da hat der Ewige von seinem Thron dich gesegnet, da haben die umschwebenden Engel Thrænen der Freude um uns hergeweint! Vergœnn es, Geliebter! meiner zærtlichen Liebe, vergœnn es der aufwallenden Freude, an meinen Busen dich zu dryken. Sie sprachs, und drykt' ihn inbrynstig an ihre Brust.

Kain umarmte sie, und izt sprach er: Eure yberstrœmende Freude beleidigt mich, ja sie beleidigt mich! Ists nicht, als ob sie laut zu mir sagte. Kain hat sich gebessert; vorher war er ein bœser lasterhafter Mann, ein Hæsser seines Bruders? Ich war so lasterhaft nicht, und – – læcherlich! Hab ich den Bruder gehasset, weil ich nicht immer mit meinen Thrænen und meinen Umarmungen ihn verfolgte? Ich habe den Bruder nie gehasset, nein, ich hab ihn nie gehasset; aber sein zærtliches unmænnliches Wesen, mit dem er mir jede Zuneigung stahl, das – – das beleidigte mich! Und – – Mehala! der Ernst runzelt nicht umsonst meine Stirne. Unweise hat er immer gehandelt, unser Vater, wenn er die unryhmliche Geschichte vom Fall und alle seine unseligen Folgen erzehlte. Was brauchen wirs zu wissen, und oft wiederholt zu hœren, daß wir durch seine und der Eva Schuld ein Paradies verlohren haben, durch ihre Schuld izt elend sind? Wyßten wir das nicht, dann wyrden wir unser Elend ruhiger dulden, und einen Verlust nicht bedauern, den wir dann unwissend erlitten hætten. Mehala hielt wehmythige Thrænen zuryk, und sah ihren Mann an, ob sie es wagen dyrfe ihm zu antworten; und da sprach sie mit sanften Worten: Ach zyrne nicht, Geliebter! ich kann die Thrænen nicht zurykhalten! Zyrne nicht, wenn ich dich flehe! Ach! laß jene zerstreuten Wolken des Unmuths nicht wieder yber deinem Haupte sich sammeln! heitre deine Seele auf, und sieh nicht immer nur Elend und Jammer, wo du unendliche Gnade und Erbarmen sehen solltest. Mach ihnen nicht Vorwyrfe, dem liebenden Vater und der zærtlichen Mutter, daß sie die Wunder erzehlen, die GOtt an den Gefallenen that, anbetenden Dank und vestes Vertrauen zu ihm in unsre Seelen zu pflanzen. O mach ihnen nicht Vorwyrfe! Ihnen, die jede unzufriedene Thræne, jedes Gefyhl von Elend, das sie aus unserm Betragen lesen, mit unaussprechlicher Wehmuth quælet. Kæmpfe, Geliebter! kæmpfe mit dem zurykschleichenden Gram, daß er nicht in dein Herze zurykkehre, und deine und unsere Tage mit traurigem Dunkel umhylle! Sie schwieg und sah mit bethrænten Augen zærtlich ihn an; da mischete freundliches Læcheln sich in seinen Ernst. Ich will ihn bekæmpfen, den zurykschleichenden Gram; umarme mich, Geliebte, er soll nicht mehr meine und deine Tage mit Dunkel umhyllen. So sprach er, und umarmte sie.

Lange schon hatte Anamelech (so nennt ihn die Hœlle) sein Betragen behorcht; zwar, er war von der niedrigen Classe der Geister, aber an Stolz und Ehrgeiz nicht geringer als Satan. Oft hatt' er in der Hœlle von seinen ihm veræchtlichen Gesellen ins Einsame sich hinbegeben, wo Schwefel-Bæche durch den versengeten Boden schlichen, zwischen ungeheuren dæmpfenden Felsen, die ihre schwarzen Hæupter in dem Gewœlbe træg ruhender Wetter-Wolken verbargen; der fyrchterliche Wiederschein, den jenseit der Gebyrge empor wallende Flammen in die Wolken hinstreuten, goß braune Dæmmrung auf das schwarze Dunkel seines Weges. Damals, als die Hœlle mit tobendem Getœse Triumph und Lob ihrem Kœnig zurief, als er aus der neuen Schœpfung zurykkam, und stolz von seinem Thron heruntererzehlte, wie er die Neugeschaffenen verfyhrt, und den HErrn des Himmels genœthiget habe, Tod und Fluch yber das neue Geschœpf seiner Hænde auszudonnern; da schwoll das schwarze Gift des Neides in seinem Busen. Soll er nur Ehre und Ruhm haben, und sie, die stolz um seinen Thron her sizen? Und ich soll unbemerkt unter den veræchtlichen Schaaren in dem Dunkel der Hœlle schleichen? Nein, ich will Thaten erfinden, yber die die Hœll' erstaunen soll; und dann soll – – dann soll Satan, wie der niedrigste der Hœlle mit Ehrfurcht meinen Namen nennen! So dacht' er und brytete im Einsamen, Verwystung durch die Schœpfung und Jammer und Elend unter die Menschen. Es gelang ihm auch, daß die Hœlle selbst mit Entsezen seinen Namen nennte. Er wars, der nachher jenen verruchten Kœnig vermochte, Bethlehems unschuldige Jugend zu morden; læchelnd sah ers, wie die menschlichen Satane unter den Kindern wyteten, an Blut-triefenden Mauern sie zerschmetterten, oder mit blutigem Schwerdt in den ringenden Hænden der heulenden Mutter tœdeten. Da schwebt' er læchelnd yber den hohen Zinnen der Stadt, und hœrte das Schreyen der sterbenden Kinder, und das Schluchzen untrœstlicher Mytter, sah mit hœllischer Freude, wie die kleinen Todten zerstymmelt und mit weit offenen Wunden zerstreut lagen, und unter den blutigen Sohlen daherwandelnder Mœrder knirschten, und wie die Mytter und Væter und Bryder und Schwestern mit jammerndem Winseln im unschuldigen Blute sich wælzten.

Ich will hinaufgehn, so sprach er izt, ich will hinaufgehn zur Erde, will sehen, was das ist, du sollst sterben, hingehn will ich und tœden. Da gieng er durch die Pforte der Hœlle, den Pfad hinauf, den Satan durch die alte Nacht und durch das tobende Reich des Chaos bezeichnet hatte. Ein wolgerystetes Schif, das Ræuber yber das weite Meer fyhret, fæhrt so mit ausgespanneten Segeln in der Nacht daher; bald wird es an den hesperischen Kysten landen, dann werden sie die ruhigen Bewohner irgend einer Dorfschaft yberfallen, und ihre muntre Jugend ihnen rauben; dann weinen die Eltern und Geschwister und die untrœstliche Braut, und jammern am Ufer dem sich entfernenden Raube nach. Schnell, doch lange wandelt er so im dunkeln Schœpfung-losen Reiche der Nacht. Izt leuchteten an der Grænze der Schœpfung die æussersten Sonnen ihm fernher entgegen. Wie einer, der um næchtlichen Mordens willen bey finstrer Nacht nach einer kœniglichen Stadt geht, die auf der Ebne von unzæhlichen Lichtern erhellet vor ihm ligt, furchtsam schleicht er sich hinein, und weicht jedes beleuchtende Licht aus; eben so furchtsam schlich der Verworfne durch die Schœpfung hin, zur Erde. Er schwebte nicht lang yber der Erde, den Wohn-Ort der Menschen zu suchen; sein scharfer forschender Blik fand ihn bald, und izt senkt' er sich hoch herunter, in schattigtes Gebysche. Und, so sprach er, das ist sie, die Erde, yber die er den Fluch sprach; hoch herunter hab ich das Paradiese gesehen, vom flammenden Schwerdt bewachet; es ist schœn, den Gefilden des Himmels æhnlich; das haben sie verlohren! Aber diese Erde ist doch keine Hœlle! Vielleicht haben sie durch niedertræchtig winselndes Flehen seinen Zorn gemildert; vielleicht ist ihr grœberer Cœrper Qualen und Schmerzen ausgesezt, die auf reinere Geister und ætherische Cœrper nicht wirken kœnnen; denn hier kœnnt ich glyklich seyn, folgte die Hœlle mir nicht aller Orten nach. Ich sehe Engel hier wandeln, ich muß trachten ihrer Bemerkung zu entgehen, daß sie nicht jedes meiner Vorhaben hindern. Dort, am Hygel beschæftigt, seh ich sie, die Gefallenen, doch scheinen sie nicht elend zu seyn; vielleicht geht ihr Elend erst mit dem Tod an; – – ich wills versuchen und tœden. Auch wollen wir zu Thaten sie verleiten, – – denn wie es scheint, so ist ihr Herz jeder Verfyhrung offen. Gelang es dem Satan durch leichten Betrug, da sie noch vollkommen waren, wie viel leichter wird es izt seyn! izt, da sie es nicht mehr sind, und unter dem Fluche stehen. Wir wollen zu Thaten sie verfyhren, daß die Engel mit Entsezen von der Erde fliehen, und er, der sie schuf, mit seinem Donner sie zerschmettert, oder tief in die Hœlle sie styrzet; dann wollen wir von den schwarzen Ufern es sehen, laut lachend es sehen, wie sie in den flammenden Wellen der Hœlle sich wælzen, die schœnen Bewohner der neuen Schœpfung! Dort auf dem Felde steht einer, mit finstrer gerunzelter Stirne; darf ich den Zygen seines Gesichtes trauen, so werd ich grosse Thaten durch ihn thun. Ich will hingehn, und jede seiner Neigungen, jeden seiner Gedanken ausspæhen.« Er sprach so, und wandelte schlau verborgen unter den Menschen umher, auf Verfyhrung und Morden bedacht.

Auch izt hatte der Verworfne an Kains und seines Weibes Seite geschwebt und ihre Reden behorcht. Kaum waren sie in ihre Hytte getreten, da stand er still und sprach mit hœnischem Lachen: Laß die zerstreuten Wolken des Unmuths nicht wieder yber deinem Haupte sich sammeln. Bekæmpfe den zurykschleichenden Gram – – elender Kæmpfer! das Gute wird auf deinem unwilligen Boden nicht aufkeimen, ich will es immer verwysten. Und die zerstreuten Wolken des Unmuths – – ha, dichter und schwærzer will ich yber deinem Haupte sie sammeln, dicht und schwarz, wie Wolken, die mit ewiger Finsterniß die Stirnen hœllischer Gebirge umhyllen; leichte Myhe! Du selbst sammelst sie zuryk, ich darf dir nur helfen. sysses Geschæft! ich will dir helfen yber deiner Stirn sie sammeln; dann soll Jammer und Elend, neues, den Sterblichen noch unbekanntes Elend, aus ihnen unter die Menschen hervorgehn, und dann soll ein schwærzeres Dunkel eure Tage umhyllen, schwarz wie die Nacht, die nie dæmmernd vor der Hœlle ruhet!

Die liebliche Morgen-Sonne kam izt zuryk; alles war Gesang-voll und munter. Kain nahm Sein Geræth' und wollt' aufs Feld gehn; Schon hat Abel ihn zærtlich gegryßt, und wollte seine Heerde auf die thauigte Trift leiten; und Mehala und Thirza wollten Hand in Hand in den Garten, in dessen Mitte der Altar stand, gehen, als Eva mit traurigen Geberden aus ihrer Hytte kam. Mit ængstlicher Besorgniß traten sie um die Weinende her, ach Mutter! – – du weinest, ach! warum weinest du? So fragten sie; und Eva sah mit wehmythigen, bethrænten Augen sie an, und sprach mit geschluchzeten Worten: Ach Kinder! vernahmet ihr nicht das traurige Aechzen von der Hytte her? Heftige Schmerzen haben in der Nacht euern Vater yberfallen. Und izt kæmpft er mit dem Schmerz, der alle seine Gebeine durchwyhlt, kæmpft mit jedem Seufzer, der seinem schwer athmenden Busen entrinnt, hælt jede Klage zuryk und will mich trœsten. Ach! Kinder! schwere, dunkle Besorgnisse schweben vor meinem Haupt, und mein beklommenes Herz ist jedem Troste verschlossen. Oft, wenn er stillruhend nicht seufzet, dann staunt er ernste Gedanken, dann winselt er ængstlich auf seinem Lager, Angstschweiß fließt dann von seiner Stirne, und die zurykgehaltenen Thrænen entstyrzen hæufiger seinen Augen. Ach! Ahnung, schrekenvolleste Ahnung – – du ligst wie ein fyrchterliches Gebyrg yber meiner schauernden Seele. Haltet mich, Kinder, mich Elende, und laßt uns in die Hytte gehn. Izt hienge sie weinend an der Mehala Schulter, und gieng, vom traurigen Gefolg ihrer Kinder begleitet, in die Hytte.

Sie standen traurig um das Bette des Vaters her; er lag izt ruhiger da, und sein Gesicht und seine Geberden verkyndeten, wie seine Seele in dem Tumulte quælender Schmerzen unbezwingbar herrschete. Mit zærtlichem Læcheln sah er die Trauernden an, und sprach: Geliebte! die Hand des HErrn hat Schmerzen yber meinen Staub ausgegossen, daß sie in meinem Innern toben: Gelobet sey er, der alles weislich regieret! Oder hat er diesen Schmerzen befohlen, daß sie die Bande auflœsen, die meine Seele an diesen Leib fesseln, soll der Staub in die Erde zurykgehn, ô dann will ich anbetend die schauervolle Stund erwarten, und ihn loben den HErrn des Lebens und des Todes, bis der Staub dahinsinkt; dann kann sie ihn wyrdiger loben, die Seele von dem Leibe befreyt, den der Fluch gedrykt hat. Ja, Allmæchtiger! so stolz erlaubest du der Seele des Sterblichen zu denken. Billich bin ich der erste, der den Staub der Erde zurykgiebt; aber, ô Allmæchtiger! stehe du mir bey, laß jede selige Hofnung hellglænzend vor meiner Seele schweben; verlaß, ô verlaß mich nicht! wenn die ernste Todesstunde yber meinem Haupt hingeht, und die lezten Schauer durch meine Gebeine beben! Quælet mich nicht, Eva, und ihr, geliebte Kinder, mit untrœstlichem Jammer. O – – wie ihr da steht, in tiefe, stumme Trauer gehyllet! Geliebte! – – ach! quælet mich nicht mit untrœstlichem Jammer! Vielleicht sind diese Schmerzen nur die ersten Boten des Todes, den langsam eine noch ferne Stunde daherfyhrt; vielleicht ruft der HErr diese Schmerzen aus meinen Gebeinen zuryk. Aber, bereitet eure Seelen, daß sie nicht unter dem Jammer erligen, wenn er meine Seele aus dem Staube ruft, von dieser Erde, von euch weg mich ruft. – Hier weinte der Vater, und sah sie still an, sein thrænenvoller Blik ruhete auf jedem, am længsten und wehmythigsten auf Eva; dann fuhr er fort: Zwar, ach! der Anblik des ersten Todes wird schrœklich seyn, wird euer Innerstes erschyttern, schauervoller wird das Sterben des Ersten seyn. Er steh euch bey, er, der im Elend uns nie verließ, der in der schreklichen Stunde mich nicht verlassen wird. Izt gehet hinaus, Kinder, gehet, betet; vielleicht will eine sanfte Ruhe meine myden Glieder erquiken.

Der Vater der Menschen schwieg; und die weinenden Kinder bykten sich, seine entkræftete Hand zu kyssen. Ach! Vater! so sprachen sie, wir wollen gehn und hinknien und beten; erquikende Ruhe senke sanft sich auf deine Glieder; und ach! daß unser Gebet erhœrt werde, daß, ehe du erwachest, der HErr die Schmerzen aus deinen Gliedern zurykrufe!

Leise seufzend giengen die Kinder von seinem Bette aus der Hytte; nur Eva blieb zuryk. »Izt will ich schlummern, sprach Adam, ô weine nicht, du meine theure Geliebte! oder mein erwachender Kummer verjagt die kommende Ruhe.« Und izt verbarg er sein Gesicht in verhyllende Felle; er wollte sorgsam seinem Weibe den mæchtigen Kummer verhelen, der seine geængstigte Seele durchstrœmte. »Bist du es, so dacht er leise, du schauervolle Stunde? Ja du bist es, wie schreklich schwebst du yber mir! O GOtt! ô GOtt! verlass mich Synder nicht! Aber, so schreklich du bist, so wær es Trost, lindernder Trost, wærst du auch noch schreklicher, kœnnt' ich fyr alle sterben, fyr alle in den Staub gehn! Aber sie werden mir folgen, yber jeden, den das Weib gebahr, wirst du einst deine Schreknisse, dein schauervolles Dunkel ausbreiten; denn was anders kann aus meinen Lenden hervorgehn, als sterbliche Synder? Was von mir das Leben empfængt, muß sterben! von ihnen wegsterben, die um uns her weinen, von den Geliebtesten weg, von ihnen, die dieß Leben mit tausend edeln Freuden schmykten. Eva, ô theure Geliebte! ô wie wirst du yber meinem Staube ligen und weinen! Ja, schrekliche schauervolle Aussicht! wird dann mein ruhender Staub nicht erbeben? wenn hylflose Kinder die hingesunkenen Eltern beweinen, hylflose Eltern den Trost ihres Alters, den einigen Sohn, Brydern die Schwester, das zærtliche Weib bey der Hylle des Mannes winselt, und bey der Hylle des Jynglings die Braut. O fluchet mir nicht, Kinder! fluchet meinem ruhenden Staube nicht! Billich ist er mit Schauer und Schreknissen bewafnet, der nahende Tod, billich fyhlen wir die ganze Last des Fluches, in der lezten Stunde, der Stunde, die uns aus diesem Leben der Synde ruft, ist ers gleich, der diesen zerrytteten Staub von der Seele nihmt, damit der Fluch izt aufgehebt und sie selig sey, hat sie mit ihrem Unvermœgen, mit jeder Unvollkommenheit gekæmpft, und nach der Tugend empor gestrebt. O fluchet meinem Staube nicht, Kinder! Nein, dieß Leben ist kein Leben, ein unruhiger Traum, die aufkeimende Knospe zum Leben. Weichet, ihr Gebyrge, die meine Seele niederdryken! sterb ich, ja – – dann geh ich hinyber ins Leben, erwarte sie da, wie ein zærtlicher Vater, er ist am herrlichen Fryhlings-Morgen der erst' aus dem Schlummer erwachet, und wartet bey der Morgen-Sonne, bis seine Geliebten erwachen, und in seine Umarmungen eilen.« So dacht Adam, und izt kam ein sanfter Schlummer yber ihn, mit Erquikung und Ruhe.

Eva saß indeß die Hænde ringend an seiner Seite, weinte, und sprach, leise, daß sie den Schlummernden nicht weke: O was fyhl ich! Ja mich, mich dryke mit gedoppelter Last, gieß jeden Jammer gedoppelt yber mich aus, du Folge der Synde, du Fluch! Was fyr Schmerz, was fyr Elend ihr alle duldet, das kœmmt alles von mir her! Ach! jeder Schmerz, jedes Elend, das ihr duldet, nagt mich mit doppeltem Schmerz; ich habe die erste gesyndigt! Wenn du stirbst, – – ô wie erbeb ich! welch kalter Schauer! des Todes lezter Schauer, kann er schreklicher seyn? Wenn du durch meine Schuld stirbst, Adam! ô dann, wenn die lezte Todes-Angst dich fasset, dann blike mich nicht mit zorniger Verachtung an, dann fluchet mir nicht, Kinder, fluchet mir Elendesten nicht! Zwar noch ist kein Vorwurf euern Lippen entrunnen; aber, ach! ist nicht jeder eurer Seufzer, jed' eurer Thrænen mir ein quælender Vorwurf? Allmæchtiger! hœr', ô hœre mein winselndes Flehen, rufe sie zuryk, diese Schmerzen, oder sind sie die Boten des Todes, soll sein Leib zur Erde zurykgehn, schrekliche Besorgniß! ô dann trenne mich nicht von ihm, laß mich mit ihm, an seiner Seite laß mich sterben, nihm meine Seele zuerst hin, daß ich sein Sterben nicht sehe, ich habe die erste gesyndigt!« Eva schwieg izt, und weinte untrœstlich an des Schlummernden Seite.

Kain war hinausgegangen auf sein Feld, die Thrænen auf seinen Wangen waren vertroknet; da er hingieng, da sprach er: Ich mußte weinen, bey dem Bette des Vaters, sein Seufzen und seine Rede giengen mir durch die Seele. Doch – – er wird nicht sterben, das hoff ich. O GOtt! laß den Geliebten nicht sterben! Ja weinen mußt ich; wie mein Bruder konnt' ich nicht weinen, nein, So weibisch konnt' ichs nicht. Wird man auch izt sagen, ich sey von rohem Gemythe? Auch izt, Abel liebe den Vater mehr, weil ich nicht wie er geschluchzt habe? Ich liebe den Vater, zærtlich wie er lieb ich ihn; aber meinen Thrænen kann ich nicht befehlen zu strœmen.

Abel irrte voll Wehmuth auf seine Trift hin; noch flossen die Thrænen von seinen Augen, und izt warf er sich auf die Erde, bykte seine Stirne tief zu den Blumen des Thrænen-benezten Grases, und betete so zu dem HErrn.

Sey in tiefester Demuth mir gelobet, der du mit unendlicher Gyte und Weisheit der Sterblichen Schiksal leitest! ich unterwinde mich aus unserm Jammer zu dir zu flehen, denn du hast dem Synder erlaubt, zu dir aufzuweinen; diesen lindernden Trost im Elend hast du uns erlaubt. Zwar, solltest du die Wege deiner Weisheit unterbrechen, und den Wunsch des winselnden Wurmes hœren? Weise und gut sind deine Wege, ô HErr! nur Trost und Stærkung im Elend fleh ich von dir. Aber, steht es den Wegen deiner Weisheit nicht entgegen, dann schenk uns – – ô dann schenk ihr den Mann; ihr, die untrœstlich an seiner Seite weint, schenk ihr den, der Glyk und Elend mit ihr theilte, und sein Leben mit ihrem Leben wie in eines verflochte. Schenke den jammernden Kindern den theuern Vater, verweise die Stunde seines Todes hinaus zu fernern Tagen. Dein Wink, ô HErr, befehle; dann fliehen die tobenden Schmerzen, und Freud' und Entzyken und stammelnder Dank steigt von den Hytten der Sterblichen zu dir empor. Laß ihn længer unter uns wandeln, der uns das Leben gab, længer noch unter uns deine unendliche Gnade verkynden; længer noch unsre Sœhne und Tœchtern, seine stammelnden Enkel, zu deinem Lob unterrichten! Aber, hat es deine Weisheit verhængt, daß er sterbe – – ô verzeih es meinem Schmerz, wenn die ohnmæchtige Zunge hier stammelt, und mein Innerstes erbebet! Soll mein Vater sterben! – – ô dann steh' ihm bey, in der schauervollen Stunde, wenn der Staub hinsinkt! ô dann verzeih' unserm Winseln und unserm Schmerz, und sende Trost und Stærkung in unser Elend herab! verlass in unserm Schmerz uns nicht, halte du uns, daß wir im Jammer nicht erligen, und auch im Elend deine Weisheit loben.

So betet' Abel, in tiefester Demuth auf die Erde hingeworfen; da hœrt' er rauschen, und liebliche Fryhlings-Gerych' erfylleten die Gegend; er hube sein Haupt von der Erd empor, und einer der Schuz-Engel in himmlischer Schœnheit stand vor ihm; Rosen umkrænzten seine Stirne, sein Læcheln war lieblich, wie des Fryhlings Morgen-Roth; er sprach mit syß fliessender Stimme: Freund! der HErr hat dein Gebete vernommen, und da befahl er mir, in einen dichtern Cœrper mich zu hyllen, und Trost und Hylfe in euerm Jammer euch zu bringen. Die ewige Weisheit, die immer fyr das Wohl eines jeden Geschœpfes wachet, und fyr den kriechenden Wurm sorget, wie fyr den flammenden Engel; sie hat gytig der Erde befohlen, daß sie heilende Mittel aus ihrem Schoosse hervorblyhen lasse, ihren Bewohnern zum Troste, deren Leib izt den Schmerzen geœfnet ist, und allen den wiedrigen Einflyssen, die die Natur nach dem Fluch um ihn her ausdynstet, daß er der Verwesung entgegengehe. Sieh, Freund! nihm diese Blumen und Kræuter, sie sind von diesen heilenden Mitteln, geh hin, und koche sie in klarem Wasser aus der Quelle, und gieb dem leidenden Vater Gesundheit in dem Trank

Da gab der Engel ihm die Blumen und die Kræuter, und verschwand. Voll unaussprechlichen Entzykens stand Abel da. »O GOtt! so rief er, was bin ich? ich Synder im Staube, daß du so gnædig mein Flehen hœrest! Wie kann der Sterbliche dir danken? wie kann er wyrdig deine unendliche Gnade preisen? Das kann der Sterbliche nicht, ach das kann der Lob-Gesang des Engels nicht!« Schnell eilt' er, von Freude beflygelt zu seiner Hytte zuryk, und bereitete mit verlangender Ungeduld den heilenden Trank. Izt lief er in die Hytte des Vaters, wo Eva weinend an seinem Bette saß, und Thirza und Mehala standen traurig an ihrer Seite. Erstaunt sahen sie seine geschæftige Eile, die Freude in seinen Augen, und das Læcheln auf seinen Wangen. Da sprach er: Geliebte! lobet den HErrn, troknet die Thrænen der Trauer von euern Augen; der HErr hat unser Gebet erhœrt und hat geholfen. Mir ist ein Engel erschienen, als ich auf der Trift betete; er gab mir Kræuter von heilsamer Kraft. Koche sie in klarem Wasser, so befahl er, und gieb deinem Vater Gesundheit in dem Trank. Mit entzyktem Erstaunen hœrten sie die Rede, und Lob und Dank tœnte laut von ihren Lippen. Der Vater hatt' izt den wolriechenden Trank genommen, richtete in seinem Lager sich auf, und dankte mit inbrynstiger Andacht dem HErrn, und da nahm er des Sohnes Hand, drykte zærtlich sie an seine Wangen, nezte sie mit Thrænen und sprach: O Sohn, Sohn! Sey mir gesegnet! du, durch den der HErr mir Hylfe sendet, dessen reine Tugend dem HErrn gefællt, und dessen Gebett er so gnædig erhœret, sey mir gesegnet!« Auch Eva und ihre Tœchtern kamen und umarmten ihn, durch den der HErr geholfen hatte.

Als sie so ihn umarmten, da kam Kain vom Felde zuryk. »Aengstliche Besorgnisse quælen mich, so sprach er, ich will hinaufgehn zu der Hytte des Vaters; vielleicht daß man meiner Hylfe bedarf, vielleicht, ach! daß er stirbt, und ich Elender den lezten Segen nicht von seinen Lippen hœre!« Da eilt' er vom Felde zuryk; erstaunt sah er die Freud' und die zærtlichen Umarmungen, hœrt' es wie der Vater den Sohn segnete, und izt lief Mehala freudig zu ihm hin, umarmt' ihn und erzehlte, wie der HErr durch Abel ihnen geholfen habe. Da trat Kain zum Bette des Vaters, kyßt' ihm die Hand und sprach: »Sey mir gegryßt, mein Vater! gelobet sey der HErr, der dich uns wiederschenkt! Aber, ô Vater, hast du keinen Segen fyr mich? Ihn hast du gesegnet, durch den der HErr geholfen hat; segne mich, Vater, ich bin dein Erstgebohrner!« Adam sah zærtlich ihn an, drykte des Sohnes Hand in die seine, und sprach: »O Kain, Kain! sey mir gesegnet – – du erster aus meinen Lenden! Ueber dir sey die Gnade des HErrn! Friede sey immer in deinem Herzen, und ungestœrte Ruhe in deiner Seele!« Kain gieng izt zum Bruder, umarmt' ihn, (wie durft' er anderst, da alle voll zærtlichen Entzykens ihn umarmt hatten?) und izt gieng er aus der Hytte, schlich seitwærts sich in das Dunkel eines Gebysches, stand da melancholisch still, und sprach: – – Ruhe, ungestœrte Ruhe in der Seele – – wie kann das – – ich, ruhig seyn? – – Mußt' ich nicht den Segen erbitten, der ungebeten von den Lippen floß, da er den Bruder segnete? Zwar, ich bin der Erstgebohrne; schœner Vortheil! ich Elender! ich habe das erste Vorrecht auf Elend und Verachtung. Durch ihn hat der HErr geholfen, ihm soll kein Mittel entstehen, ihn vor mir aus geliebter zu machen. Sollen sie mich achten, mich, den der HErr nicht achtet, und den die Engel nicht achten? Mir erscheinen sie nicht, mit Verachtung gehen sie neben mir voryber, wenn ich auf dem Felde meine Glieder myd' arbeite, und der Schweiß von meinem braunen Angesicht fließt, dann gehen sie mit Verachtung voryber, ihn zu suchen, der mit zarten Hænden in Blumen tændelt, oder bey den Schaafen myssig steht, oder aus dem Ueberfluß seiner Zærtlichkeit einige Thrænen weint, weil dort, wo die Sonne untergeht die Wolken izt roth sind, oder weil der Thau auf bunten Blumen flimmert. Weh mir, daß ich der Erstgeborne bin; denn wie es scheint, so sollte der Fluch allein, oder doch seine grœsseste Last nur den betreffen. Ihm læchelt die ganze Natur; ich nur esse mein Brod myd im Schweisse des Angesichts, ich nur bin elend.« So irrt' er in schwarzen melancholischen Betrachtungen im Gebysche.

Die Sonne gieng hinter das Lazur-blaue Gebyrge, und streute das Abend-Roth in die glyhenden Wolken und yber die Gegend hin; da sprach Adam: Die Sonne geht hinter die Gebyrge, ich will hinausgehn, ins gryne Gelænder vor der Hytte, ich will hinausgehn, noch ehe der Tag sich endet, und den HErrn loben, der mir geholfen hat. Und izt stand er von seinem Lager auf, jugendliche Stærke war in seine Glieder zurykgekommen, und Eva und ihre Tœchtern begleiteten ihn in das Gelænder vor der Hytte. Herrlich læchelte die Abend-Sonne yber die Gegend; und Adam kniete hin, ybersah mit entzyktem Auge die sanft-erleuchtete Gegend, und sprach mit Ehrfurcht-voller yberstrœmender Andacht: Hier, Allmæchtiger! hier lig ich wieder vor deinem Angesicht, und preise deine unendliche Gyte! Wo seyd ihr, ihr Schmerzen? Ihr habet meine Gebeine durchwyhlet, ihr habet wie Feuer mein Innerstes gesenget; aber meine Seele hub in dem Tumult sich empor, und hoft auf den HErrn; da hœrte der HErr unser Gebett, und blikte vom Himmel herab, und da tobeten die Schmerzen nicht mehr, und Munterkeit und Stærke kamen in meine Gebeine zuryk; noch sollte der Tod meinen Staub nicht hinnehmen, noch soll ich im sterblichen Leibe dich loben, noch mehr Wunder deiner unendlichen Gnad' erfahren, die du dem Menschen im Staub erweisest. O ich will dich loben Unendlicher! wenn der Morgen-Thau fællt, bis der Mond hervorgeht. Aus dieser Hylle von Staub soll meine Seele Lob und Dank dir stammeln, bis sie dahinfællt, die Hylle, dann, ô unendlich Gytiger! dann soll sie triumphierend yber dem Staube schweben, die Seele des Synders, und Leben und deine Herrlichkeit sehn. Ihr flammenden Engel, sehet herab, in die Wohnung des Synders, herab in des Todes Wohnung. Diese Erde, (ihre Berge wankten und ihr Fryhling verdarb, da als der Synder fiel, da als ihr euer Angesicht von uns wandtet,) sie ist, sie ist der Schauplaz der Wunder seiner unendlichen Gyte; sehet herab, und lobet sie wyrdiger, in heiligem Erstaunen; der Mensch, ach! er kann sein Erstaunen nur weinen, nur stammeln! sey du mir wieder gegrysst, liebliche Sonne, noch ehe du heruntergehst, sey mir gegrysst! dein Morgenstral glænzte hinter den Cedern herauf, da lag ich winselnd in Schmerzen; da er erhellend in meine Hytte kam, da gryßt ich ihn mit Seufzen; dein Abend-Stral glænzt hinter den Bergen herauf, und hingekniet dank' ich dem HErrn, der mir geholfen hat, noch eh du heruntergiengest, mir geholfen hat. Seyd mir gegrysst, ihr hohen Berge, ihr Hygel, auf den Fluren zerstreut, seyd mir gegrysst; noch soll mein Aug euch im Morgen- und Abend-Roth glyhen sehn. Euch gryß' ich lobsingende Vœgel, noch soll euer Gesang mein Ohr erquiken, und fryh zum Lobe mich aufweken. Ihr rieselnden Quellen, seyd mir gegrysst, noch sollen meine Glieder an euern blumigten Ufern ruhen, wenn euer sanftes Geræusch den erquikenden Schlummer lokt. Und ihr, ihr Haine, ihr Gebysche, ihr Lauben, in euerm Schatten werd' ich wieder wandeln, wenn ich in ernsten Betrachtungen einsam dahergeh, dann soll eure Kyhlung noch auf meinem Haupt sich ausgiessen. O sey mir gegrysst, du ganze schœne Natur! der HErr, der HErr sey gelobet; er hat die Schmerzen zurykgerufen, und hielt meinen Staub, daß er nicht hinsank.

So lobete der Vater der Menschen den HErrn; die stille Natur schien sein Gebete zu feyern, und die Geschœpfe gryßten ihn ins Leben zuryk. Lieblich schoß die Sonne noch ihre lezten Stralen durch sein Gelænder, und sank izt hinter den Berg; die Blumen gaben den jungen Winden Geryche, daß sie ihn umdyfteten; und die Vœgel sangen lieblich um ihn her, und schlypften durch die Ranken. Izt kamen Kain und Abel ins Gelænder, und sahen mit frohem Entzyken den wiedergeschenkten Vater. Er stand von seinem Gebett auf, umarmte sein Weib und seine Kinder, Freuden-Thrænen entflossen ihren Augen, und izt gieng er in seine Hytte zuryk. Da sprach Abel zu Kain: Geliebter! wie wollen wir dem HErren danken, daß er unser Flehen erhœrt hat, und uns den theuern Vater schenkt? Ich will hinausgehn zu meinem Altar, izt da der Mond dahergeht, und will das jyngste Lamm aus meinen Læmmern dem HErren opfern. Willst du, Geliebter! auch zu deinem Altar gehn, und dem HErren opfern?

Kain sah seitwærts ihn an, und sprach. Ich will auch zu meinem Altar gehn, und dem HErrn opfern, was die Armuth des Feldes mir giebt. Freundlich antwortet ihm Abel: Geliebter! der HErr achtet wenig auf das Lamm, das vor ihm brennet, wenig auf die Frychte des Feldes, die die Flamme verzehret; flammet nur reine Andacht im Herzen dessen, der opfert.

Da erwiederte Kain: Zwar schnell wird Feuer vom Himmel fallen, und dein Opfer verzehren, denn durch dich hat der HErr Hylfe gesendet, mich hat er nicht gewyrdigt. Aber, ich will hingehn und opfern. Wahrer Dank lodert in meinem Busen, der wiedergeschenkte Vater ist mir theuer wie dir. Der HErr handle mit mir Elenden nach seinem Wohlgefallen!

Izt fiel Abel zærtlich seinem Bruder um den Hals und sprach: Ach mein Bruder! Sollte Gram in deinen Busen sich sezen, weil der HErr durch mich geholfen hat? Hat er gnædig durch mich geholfen, so hat er doch allen geholfen. O Geliebter! bekæmpfe den Gram; der HErr, der unser Innerstes sieht, er sieht den unbillichen Gram, und vernihmt dein leisestes Murren. Liebe mich wie ich dich liebe! geh und opfre; aber ô laß nichts, keine unreine Leidenschaft deine Andacht befleken! dann wird der HErr gnædig dein Lob und deinen Dank annehmen, und von seinem Thron dich segnen.

Kain antwortet' ihm nicht, und gieng weg auf sein Feld: sein Bruder sah ihm bekymmert nach; und da gieng er auf seine Trift, jeder zu seinem Altar. Abel schlachtete das schœnste von seinen jungen Læmmern, legt' es yber den Altar, yberstreut' es mit wolriechenden Gestræuchen und Blumen, und entzyndete das Opfer. Da kniet' er voll heiliger Andacht vor dem Altar hin, und opferte aus reinem Herzen dem HErren Lob und Dank; indeß loderte die Opfer-Flamme hoch in die Nacht empor, der HErr hatte den Winden befohlen zu ruhen, und der Gegend still zu feyern, denn das Opfer war ihm angenehm..

Kain legte von den Frychten des Feldes auf seinen Altar, entzyndete sein Opfer, und kniete in die Nacht hin; schnell tœnte ein ængstliches Rauschen durch die Gebysche, und ein Wirbel-Wind heulte daher, verwehete das Opfer, und umhyllete den Elenden mit Flammen und Rauch. Er bebte vom Altar zuryk; und izt kam eine schrekliche Stimme aus dem schauervollen Dunkel der Nacht; sie sprach: Warum erbebest du, und warum ist Entsezen auf deinem Angesicht? Wirst du dich bessern, dann will ich deine Synde dir vergeben; besserst du dich nicht, dann werden die anklagende Synd' und ihre Strafe vor deiner Hytte wohnen. Was hæssest du deinen Bruder; warum verfolgest du den Gerechten, der dich lieb hat, und als den Erstgebohrnen dich ehrt? Izt schwieg die Stimme, und Kain bebte schauernd vom Altar weg, und gieng durch die Nacht zuryk; der tobende Wind jagt' ihm den stinkenden Opfer-Rauch nach. Sein Herz erbebte, und kalter Schweiß rann von seinen Gliedern. Da sah er zur Seite, fern yber dem Feld hin, die Opfer-Flamme seines Bruders mit sanftem Wallen hoch in die Nacht aufsteigen; er wandte sein Gesicht voll Verzweiflung weg; und da sprachen seine bebenden Lippen: Dort – – dort opfert der Liebling! ha, ich kann den Anblik nicht ausstehn! blikt ich noch einmal hin, die Hœlle sizt in mir, dann wyrd ich – – ich wyrde von bebenden Lippen ihm fluchen. Verwesung! Tod! wo muß ich euch finden? kommt yber mich, yber mich Elenden! O Vater, Vater! daß du gesyndigt hast! Soll ich gehn, vor dein Aug mich stellen, mit dieser blassen Verzweiflung im Angesicht, daß du mein æusserstes Elend sehest, das Elend deines Saamens ganz fyhlest? Nein, sey elend; aber ræche dich am Vater nicht! im kalten Entsezen wyrd er dahinsinken, dann wyrde der Anblik meinen Jammer mehren. Ja! auf mir ruhet der Zorn des HErrn, Fluch, Verachtung! ich bin das elendeste Geschœpf, das diese Erde bewohnet; die Thiere des Feldes, der kriechende Wurm sind mir beneidens werth. O GOtt! Erbarmer! woferne du, gerechter GOtt, mein Erbarmer seyn kannst! giesse von deinem Zorn nicht mehr yber mich aus, oder, ô laß mich vergehen! – – Aber – – du verruchter Elender! wenn du dich besserst, dann will er deine Synde vergeben! wehle Vergebung oder Elend, unaussprechliches ewiges Elend! Ja, ich habe gesyndigt; ja, sie steigen yber meinem Haupt empor, meine Missethaten, und fodern Rache von dir, du Gerechter! Wie gerecht ist deine Rache! je weiter von Vollkommenheit und vom Guten, je elender! drum bin ich so elend. O ich will auf meinen verkehrten Wegen zurykgehn! laß vor deinem Angesicht sie verschwinden, diese schwarzen Missethaten, die mich anklagen! Erbarme dich, GOtt! erbarme dich, lindre mein Elend, oder – – vernichte mich!

 


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