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Der verlorene Sohn

Wenn der verlorene Sohn, nach einer langen Abwesenheit und wie am Ende seiner Neigung zu sich selbst, auf dem Grunde dieser Entbehrnis, die er suchte, an das Antlitz seines Vaters denkt, an das nicht beengte Zimmer, wo seine Mutter sich über sein Bett beugte, an den Garten, getränkt von fließendem Wasser, aber umschlossen, und aus dem zu entweichen er immer begierig war, an den sparsamen älteren Bruder, den er nie geliebt hat, der aber, abwartend, noch den Teil seiner Güter zurückhält, den er, im Verschwenden, nicht los werden konnte –:

So gesteht sich der Sohn, daß er das Glück nicht gefunden hat, ja, daß er nicht einmal imstande war, jene Trunkenheit lange auszudehnen, die er an Glückes Statt suchte. Ah, denkt er, wenn mein Vater, erst so gereizt gegen mich, mich tot geglaubt hat, vielleicht, trotz meiner Sünde, war er froh, mich wiederzusehn; ah, zurückkehrend zu ihm, ganz unterwürfig, die Stirne gesenkt und Asche darauf, wenn ich, mich beugend vor ihm, sagte: »Mein Vater, ich habe gesündigt wider den Himmel und wider dich«, was würde ich tun, wenn er dann, mit der Hand mich aufhebend, antwortete: »Tritt ein in das Haus, mein Sohn?« – Und schon, andächtig, macht der Sohn sich auf. Da die Hügel fort sind, und er endlich Rauch von den Dächern des Hauses sieht, ist es Abend. Aber er erwartet die Schatten der Nacht, daß sie ein wenig sein Elend verschleiern. Er hört in der Ferne die Stimme seines Vaters; seine Kniee geben nach. Er fällt und bedeckt mit den Händen sein Gesicht, denn er schämt sich für seine Scham, im Bewußtsein, der rechtmäßige Sohn zu sein, trotzdem. Er hat Hunger; und hat höchstens in einer Falte seines zerschlissenen Mantels eine Handvoll süßer Eicheln, solche, wie sie ihm zur Nahrung wurden, genau wie den Schweinen, die er hütete. Er erkennt die Vorbereitungen zum Abendessen. Er unterscheidet seine Mutter, wie sie heraustritt auf den Vorplatz ... es hält ihn nicht länger, laufend stürzt er den Hügel hinab, tritt in den Hof, angebellt von seinem Hund, der ihn nicht erkennt. Er will zu den Leuten sprechen, die aber ziehn sich mißtrauisch zurück, gehn dem Herrn sagen ...

Kein Zweifel, er hat den verlorenen Sohn erwartet, denn er erkennt ihn sofort. Seine Arme öffnen sich; da kniet sich das Kind vor ihm hin und verbirgt mit dem einen Arm seine Stirn und schreit zu ihm und hebt, auf die Verzeihung zu, die rechte Hand empor:

»Mein Vater! Mein Vater, ich habe mich schwer vergangen gegen den Himmel und gegen dich. Ich bin nicht mehr würdig, daß du mich beim Namen nennest; aber wenigstens, als deiner Knechte einen, den letzten, in einem Winkel unseres Hauses, laß mich leben ...«

Der Vater hebt ihn auf und faßt ihn fest:

»Mein Sohn! Mein Sohn! Sei der Tag gesegnet, da du mir wiederkehrst!« Und seine Freude, aus dem Herzen überfließend, weint. Er hebt das Haupt von der Stirn seines Sohns, der geküßten, und wendet sich an die Leute:

»Bringt das schönste Kleid, tut ihm Schuhe an seine Füße und einen kostbaren Ring an seinen Finger. Sucht in den Ställen das fetteste Kalb aus und tötet es. Richtet ein Freudenfest, denn der Sohn, den ich totgesagt habe, lebt.«

Und wie die Nachricht schon herumkommt, läuft er. Er will nicht zugeben, daß ein anderer sage:

»Mutter, der Sohn, um den wir weinten, ist uns wiedergegeben.«

Die allgemeine Freude wird zur Sorge für den ältesten Sohn. Wenn er sich wirklich an den gemeinsamen Tisch setzt, so geschiehts auf die Aufforderung des Vaters hin, gedrängt von ihm, fast gezwungen. Er allein unter allen Tischgenossen (denn bis zum Geringsten, alle sind geladen) trägt Zorn zur Schau auf seiner Stirn: Warum für den reuigen Sünder mehr Ehre als für ihn, der nie gesündigt hat? Er hält von geregelter Ordnung mehr als von der Liebe. Sein Erscheinen beim Fest will nur sagen, daß er dem Bruder Kredit gibt und ihm Freude borgt für einen Abend; auch haben Vater und Mutter ihm versprochen, dem Ausbund morgen ins Gewissen zu reden, und er selbst ist entschlossen, ihn strenge vorzunehmen.

Das Mahl ist zu Ende. Die Leute haben abgeräumt. Und jetzt in der Nacht, in der nicht ein Hauch sich rührt, wird das müde Haus schlafen.


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