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I. Der Beruf |
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Der Seher Gottes ist ein Menschenfreund! Er sähe gern, daß alles um ihn her Ihm lächelte, wie dieses Kind, das ab Von seiner Mutter Brust sich wendet, und Nach einer schönen Rose sieht! Allein Nicht immer lächelt alles um ihn her; Und weniges in dieser Unschuld; denn Er sieht die Himmel seines Gottes nur, Wenn sein Beruf vollendet ist, er sieht Die Menschen, seine Brüder, eifriger, Als gute Geister eines Himmels, der Erst dann für seine Spähungen sich wölbt, Wenn sein Beruf vollendet ist; und sieht – – – Ach, leider oft in seinem Eifer dann Die Menschen böser, böser als er sie Einst glaubte, da er noch an seiner Hand Zu Quellen seines Gottes einen Freund Auf Blumenwegen führte, da zu sehn Den guten Gott! die Quellen sprangen hoch, Wie die gezwungnen Wasser springen, rein Wie fliessender Crystall! ein jäher Fels Hieng über uns und gab uns Schatten; Gott, Wie gut bist du! rief ich, und meinen Freund Hört' ich das Echo seyn. Wie gut ist Gott! Erthönten Wald und Wald, und Freund und Freund Umarmten sich, und sangen unterm Fels Den guten Gott. Da, Menschen, wäret ihr Nicht böse! Zehn und sieben Jahre blieb Der Freund ein Freund, in diesen Jahren floß In allen Bächen Silber, alles lachte dem, Dem seine lieben Menschen alle noch Nicht böse waren; aber finstre Nacht Umzog den Frölichen! Sein Freund war stolz! Er gieng allein; an seines Freundes Hand Gieng er nicht mehr auf Blumenwegen gern Zu Quellen seines Gottes, da zu sehn Den guten Gott, er gieng allein, und trat Auf eine Leiter, zwanzig Stufen hoch, Und stand, und wollte nicht umarmen, war Ein Feind des Frölichen! Ihr Menschen, Nacht Umzog den Frölichen! Der Fröliche Sah auf zu seinem Himmel, suchte Licht, Und fand es alles finster um sich her! Er gieng auf seiner schönsten Blumenflur, Und fand es alles finster um sich her! Es war, als wenn die ganze Schöpfung ihm Entfärbet sey; er sahe Rosen schwarz Und Menschen schwarz, und war ein Menschenfeind, Und säß' in seiner Felsenhöle noch Wenn nicht sein Gott gerufen hätte: Hin Zu meinen Menschen! Hin zu ihnen gieng Der Menschenfeind, und Gott begnadigte Den Menschenfeind; er gieng in seinen Wald Und sah' ihn grün, an seinen Wiesenbach Und sah' ihn hell, auf seine Blumenflur Und fand es alles heiter um sich her. Er steht nun wieder mitten unter euch, Ihr Menschen! tief in seinem Gott vergnügt, Und wieder nun der Fröliche, dem ihr In jenen zehn und sieben Jahren, ach! Nicht böse wart; er fühlt in seiner Brust: Er solle Laster hassen, Menschen nicht, Und gehet er geraden Wegs, wohin Er gehen muß, und trift auf seinen Feind Und sieht ihn noch in seinem Stolz, o dann Tritt er bey Seit', und seufzt: Der arme Mann! Er ist gefallen, Gott, sein Gott woll' ihn Nicht liegen lassen! geht dem armen Mann Weit aus den Augen, daß Er still und laut Nicht etwa seines Stolzes lache, spricht: Der Seher Gottes ist ein Menschenfreund! |
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II. Gott |
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Der Einzige, der Allem alles ist, Ist unser Gott! Geschöpfe betet an! Er schuf, was ist; Geschöpfe betet an! Den nicht Erschaffenen, den Einzigen, Du seine grosse, weite, schöne Welt Zehntausend seiner Sonnen traten hin, Wer ist, den er zu seiner Werkstatt rief, Wie er es macht? Wie er den Ocean Wer ist, wie Er? Auf seiner Erde wohnt Von dir, du kleiner Ball, auf welchem wir |
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III. Der kindische Gedanke |
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Auf jenem Felsen, dessen Spitze dort Die Wolken spaltet, Bannadar Ist er genennet, saß ich, weit umher In Gottes Welt mich umzuschaun, und sah Verschwunden unter mir das Kriegesheer Des Misa-Lutt, der meiner Lebenszeit Ein Wunder ist, und sah verschwunden, sah Verschwunden – ihn und seine Sclaven, sah Verschwunden seine tausend Thürme! Gott, Wie klein ist alles unter Dir, dacht' ich! Allein es war ein kindischer Gedanke! Gott Sieht nicht mit Augen, hört mit Ohren nicht, Hat keine Sinnen! Gott ist Gott! Wer ihn Mit Menschengeist ergründen will, der ist Ein Thörichter, der einen Ocean In seine hohlen Hände fassen will! Er ist erhaben, ist vollkommen, ist Was seine herrlichsten Geschöpfe sind, Und wie der Andazull vom Bannadar (Wir wollen unsrer Menschenseele nur Den Maaßstab geben, daß sie messen kann) So weit darüber ist er dort, und dort, Und oben, oder unten, überall Das Wesen aller Wesen, das zu hoch Für meinen und für deinen Sinn, o Mensch, Nichts will von dir, als Demuth! Hast du die, Dann erst kannst du mit deinen Augen sehn, Mit deinen Ohren hören, und in Gott Andächtig seyn! Und, wenn du dann Auf jenem Felsen sitzest, und herab Auf einen König oder einen Schach, Und, ihn verschwinden siehest, dann, o dann, Dann wird das Wesen aller Wesen sich Dir offenbaren, wird in deinen Geist Ein Feuer senden, einen Blitz, und laut Wird dein Gesang erschallen: Gott ist Gott! |
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IV. Die Stimme |
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In jener fünften, schönen, hellen Nacht Des neunten Lenzen, meiner bösen Zeit Und meiner festern Anschauung, stand ich Auf jenem Kleebewachsnen Anger, den Der hohe Buchenwald Anatabis Umschattet, forschend in Gedanken tief, Und betete: »Du, Wesen, über mir In diesem Monde, der sein Silberlicht So sanft zur Erde niedersenkt, und dort In allen Buchen, hier in allem Klee Du Wesen, überall, in Dunkelheit Und Helle, grosses Wesen, alles ist, Und du bist alles!« Da, da leuchtete Von weitem Glanz, wie wenn ein rother Blitz Aus einer schwarzen Donnerwolke führ' Und plötzlich stille stehend würde, so War dieser Glanz, und eine Stimme rief: »Und Welt ist Welt, und Gott ist Gott!« – Und wie Das helle Licht des Mondes, still War es auf Anger, und in Buchenwald, Und: Welt ist Welt, und Gott ist Gott! rief es Zum zweyten und zum drittenmal' – O du Der du den armen Grübelnden zurecht Gewiesen hast, Geist Gottes oder Gott! Dein Lob sing' ich! Es ist des Jammers viel Um einen armen Grübelnden! Er geht Mit seiner Qual in seinen Hain, er geht Auf seine Trift mit seiner Qual, und sieht Dort seine Heerden ruhig weiden, und Beneidet sie! Geist Gottes oder Gott, Dein Lob sing' ich! Er ist ein Helfer, der Den Grübler unterrichtet: Gott ist Gott, Und Welt ist Welt! Und alle Welt ist sein, Und alle Welt erschallet: Gott ist Gott! |
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V. Die Seele |
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Aus meiner Seele den Gedanken, der In einer dunklen Tiefe drinnen liegt, Herauszuwinden, wer, ihr Menschen, leiht Mir eine Winde? Menschen, was es ist, Das in mir denkt, ist der Gedanke! Tief Liegt er in dem, was ist! In dem, was mein Und meines Wesens ist, in diesem Was Liegt er zu tief! Mein volles Herze pocht! Mein Alles strebt empor, hat eine Kraft, Mein Alles ist mein Leib, ist meine Seel'! Ist dieses Was, das meine Glieder lenkt. Was aber, was ist Seele, was ist Leib? Kann ichs ergrüblen, ha! so will ich mich Auf ein Gebirge betten, will in Wald Von euch, ihr meine lieben Menschen, und – Von Weib und Kind entfernen will ich mich, Und grübeln! Alle Weisen konntens nicht! Was denn? Nicht wissen wollen, was es ist, Das in mir denkt, und denken! – Gott ist Gott! Mein Alles ist von ihm, in ihm leb' ich, Durch seine Macht ward seine Sonne, ward Sein Sonnenstaub! Wenn Sonn' und Sonnenstaub Nicht denkt, dann dünk' ich mich was Besseres Als Sonn' und Sonnenstaub, ich denk' an Gott! Und, unbekümmert, Menschen, was es ist, Das in mir denkt, denk' ich an Gott, Und Gott begnadigt mich, und abgesandt Von ihm an euch, euch, seine Menschen, soll Ich euch verkündigen, daß euer Geist Und euer Leib, und beydes ungetrennt Ein eignes Gottgeliebtes Etwas ist, Das hier auf seinem Klumpen Erde nur Einfältig seyn, in seiner bessern Welt Zu bessren Thaten weiser werden, und, Wenns immer weiser gern geworden ist, In seiner besten ewig dauren soll! |
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VI. Das Gesicht |
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Wenn meine Seele sich in Gott vertieft, Dann ist der Leib, der sie umgiebt, hinweg, Dann ist sie frey, dann, o! ihr Menschen, dann Sieht sie mit Geistesaugen ihren Gott! Den Grossen, Guten Herrlichen sieht sie, Der sie mit dieser Kraft zu denken, der Mit diesem Daseyn sie begabte, den, Ihr Menschen, sieht die Seele, die vertieft In ihrem Gott, von allem Irrdischen Entfesselt ist. Ha! welche Wollust, ihn Den Grossen, Guten Herrlichen zu sehn, Den Unsichtbaren, den zu sehn, wie Er Von Geistesaugen nur gesehen wird! Euch sagen das Gesicht, ihr Menschen, das |
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VII. Die Sonne |
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Hast du die Morgendämmerung gesehn? Hast du das sanfte Roth betrachtet, das Die Wiederkunft der grossen Sonne dir Verkündigt? Wars in deinem Herzen still? In deiner Seele heiter? Da du sie Die grosse Sonne sahst, was dachtest du? O! welche Wunder meines Gottes dort In dieser einen Sonne? Herz, bet' an! Du, meine ganze Seele, voll von ihm, Sing' ihm ein Lied! In jedem Sonnenstral, (Und jeder Staub empfängt den seinigen) In jedem glänzt und leuchtet seine Macht Und seine Gnade! Singet, Menschen, ihn Den mächtigen und guten Gott! Wenn ihr In ihrem herrlichschönen Aufgang sie Betrachtet, dann, ihr Menschen, singet ihn Den mächtigen, und guten Gott! Er hat Mit dieser Schönheit sie geschmükt, er läßt Dies sanfte Roth, das euch gefällt, so sanft Aus ihren Stralen quillen, daß es euch Gefallen muß. Ihr Menschen, singet ihn Den mächtigen und guten Gott! Er stellt Dies helle Thaugewölk vor ihren Glanz, Daß euer Auge, nicht geblendet, sie Aufsteigen seh' in ihrem Pomp! Sie geht Vor euren Augen ihren stolzen Gang Und alles Finstere wird Licht. Sie steigt Im Unermeßlichen empor, und thut Den Willen ihres Gottes, Leben fließt Mit ihrem Licht in alles um sie her! In alles strömt die Gotterschaffene Wohlthaten ihres Gottes. Sehet auf, Sie stehet da! hat eines Menschen Hand Sie hingestellt? hat eines Königs Macht Die ebne Bahn, aus welcher sie nicht weicht, Ihr angewiesen? Fraget sie! sie geht Vor euren Augen ihren stolzen Gang, Und predigt ihren Schöpfer schweigend, thut Den Willen ihres Gottes, Tag für Tag Und Jahr für Jahr, ihr Menschen, singet ihn, Den mächtigen und guten Gott! Sie geht Vor euren Augen ihren stolzen Gang, Und wenn es scheint, sie gehe niedriger Vor euren Augen ihren stolzen Gang, Dann dekt ein Purpurmantel ihr Gesicht, Dann ist ein Stralenmeer um sie, dann sinkt Sie nieder, aber ruhet nicht! Sie geht Vor euren Augen ihren stolzen Gang Und um den eurigen ist Finsterniß, und dann, Dann ruhet ihr; ihr Menschen, singet ihn, Den mächtigen, und grossen, guten Gott! |
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VIII. Der Wurm |
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Gott sieht – der allgemeine Vater sieht Von seinem unsichtbaren Himmel, wo Der Mittelpunct von allen Wesen ist, In alle seine Cörper, und zugleich In alle seine Geister, sieht das Mark Des Größten, und des Kleinsten, sieht! – und sieht In Allem Alles! Wenn du es, o Mensch, Begreifen willst, dann geh' und miß – und miß Nach deinem kleinen Erdenwesen nicht Das Wesen Gottes, du, Geschöpfe, miß Nach deinem Auge nicht das Sehen des, Der aller Augen Schöpfer ist. Er sieht Mit keinem Saft und keinem Glaß! Sein Blick Ist Einer! Dieses wisse! Willst du mehr Von seinem Einem Blicke wissen? Ganz Hindurch durch deine Seele dringet er, Und alle deines Herzens Winkel sind Ihm aufgedeckt! In einem hegst du Stolz, Und hast in deinem Auge Demuth! ha! Welch' eine ungeheure Narrheit, Gott Betriegen wollen! Armer, trieg' ihn nicht, Er läßt von dir sich nicht betriegen! Ihm Ist keine Finsterniß, du täuschest ihn Mit allen deinen tausend Krümmen nicht. In deinem Blick ist Anbetung, ist Gott! In deinem Herzen Brudermord! O du, Du armer Blöder – deines Gottes Blick Sieht deine Miene sich verzerren, sieht Den Brudermord begehen! Wie so schwach Ist deine Seele, welche nicht erkennt, Daß Gott in Allem Alles sieht. Du hast In deinem Erdeleben nie gedacht: Was Gott ist; kannst du denken? Denk' es noch! Und deines niedern Stolzes wirst du dann Und deiner jämmerlichen Heucheley, Und deiner ungeheuren Narrheit auch Dich schämen! wirst den Bruder lieben, wirst Vor deinem Gott bereun, daß Du, ein Wurm Im Geisterreiche seiner Schöpfung dich Ein Etwas dünktest, welches du nicht warst, Das aber du, wenn deine Seele sich Zu Gott erhebt, und Wahrheit liebt, dereinst In seinem zehnten Himmel werden kanst. |
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IX. An Adazull |
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Auf diesen heiligen Gebürgen, Adazull, Auf welchen alle Weisere des Volks Anbeten, diesen Ersten Weisen, der Die Himmel alle prächtig über uns Gewölbet hat, in diesem stillem Hain, In welchem, abgezogen von der Macht Des Irrdischen, gesammlet, unser Geist Das Himmlische betrachten kann, in dem Bin ich mit dir am liebsten, meinen Geist Zu sättigen. Du kommst, und meine Seele spannt Die Segel ihrer besten Freuden dir Entgegen. Komm, o komm, mein Adazull, Mich dürstet! Bester! Seelendurst Ist brennender, verzehrender, als der Des armen Erdenklumpen, der um uns Geworfen ist, von unserm Gott; o komm Und lösche meinen Sonnenheissen Durst Nach deiner Weisheit, komm', ich lechze! denn Ich habe Tage schon hinaus nach dir Mich umgesehn, geseufzet Tage schon Nach deiner Stimme süssen Thönen, und Nach deinem tiefern Halladat,Halladat, ein rothes Buch, in welchem der Weise seine besten und freyesten Gedanken niederschreibt, und in seinem tiefsten Gewahrsam aufbehält, bis er einen Weisen findet, dem er ohne Sorgen alles offenbaren darf. von dem Der alle Himmel prächtig über uns Gewölbet hat. Gewaschen hab' ich mich In dem geweihten Quell Abasarit Am Thal der guten Menschen schon, und bin Hinaufgeflogen, in dem Feuer, das Die Seele läutert! Ungerechtes ist Nicht mehr darin, Beflektes nichts, und nichts, Das reiner Geister zärtliches Gefühl Erschüttern kann. Des Sinnlichen Gewalt Hat abgenommen dreißig Tage, Tag Für Tag, hat seine grobe, schädliche Gewalt nicht mehr! O komm', und laß Zu deinem Heiligsten mich ein! Thu' auf Das Vestverschloßne, das der Blindere Nicht sehen darf, weil, wenn ers sähe, Licht Ihm leuchtete, noch viel zu hell für ihn, Für sein noch nicht versöhntes stolzes Herz, Für sein noch schlafendes Gewissen, für Die Augen seines Geistes! Thu' es auf Und laß mit einem Geistesblicke heut Mit einem halben Geistesblicke nur In dieser Hinwerfung, Geliebter, mich Nur eine Tiefe deines Gottes sehn! |
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X. Der Zweifler |
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Du Trauriger am Felsen-Absturz dort! Du zweifelst, ob ein Gott vom Himmel sieht, O! sieh' hinauf! sieh' seinen Wolkenzug! Und seinen milden Regen, seinen Blitz, Und höre seinen Donner! – Wenn sein Sturm, Gehorsam seinem Willen, allen Duft Und alle seine Wolken über dir Hinweggetrieben hat, dann sieh hinauf Zu seinem hellen Himmel, und wenn dann Dein Herz nicht frölich ist, wenn dirs nicht sagt: »Von diesem Himmel sieht ein Gott herab; Ein guter, der uns alle liebt, ein Gott Der diese seine Wolken regnen ließ –« Dann, armer Blinder, steige, steige nur Auf jene Spitze dieses Felsen, wo Sein Adler nistet, und, o du, dem nicht Ein guter Gott von seinem Himmel sieht, Du, der du zweifelst, armer blinder Mann, Und armes blindes Weib, und armer Sohn Und arme Tochter, stürze, stürze dich Von dieses Felsen Spitze nur herab, Und werde wieder, was du warest, Staub, Und warte, Staub, ob etwa noch einmal Der Gott, der dort von seinem Himmel sieht, Auf eine seiner Geisterstufen dich Erheben will! Denn besser, besser ist Ein träger, todter, Seelenloser Staub Hier seyn in seiner schönen Welt, als Geist, Und zweiflen, ob ein Gott vom Himmel sieht! |
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XI. Amatabas |
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In welche Gegenden der Schöpfung ist, Von ihres grossen Schöpfers Grösse voll, In dieser hellgestirnten schönen Nacht Mein Geist verschlagen? Ungeheuer stehn In fürchterlichen Thiergestalten da, Mit offnen Rachen! – Löwenrachen sind Wie Lämmermäuler gegen diese! Gott! In welche Gegend deiner Welt? Ist nicht Auf deinem Erdenklumpen alles böse? herrscht Amatabas in deiner ganzen Welt? In deinem Andazull? in deinem Zott? In deinem Dillabi, der unserm Blick Von einem Hirsekorn die Kohle scheint? In deinen Millionen Feuerkugeln, die Wie eines Säemanns hingeworfne Saat Gesäet sind um dich herum, um Dich, Almächtiger, wenn einen Ort du hast, Du Grosser, der im Unermeßlichen Sein Wesen hat, und unveränderlich Erhaben über Raum und Zeit, Gott ist! Ha! wenn er herrscht in deiner ganzen Welt, Dann bist du nicht der Gott der Götter, nicht Der Allesmächtige, der eines Worts, Wir reden menschlich, eines Winks bedarf, So wären tausend seiner Sonnen – Nichts! So wär' in allem Raum, in aller Zeit Von nun an bis in Ewigkeit – nur Er! Dann bist du nicht der Einzige, der uns Erschaffen hat, nicht der Vollkommenste, Der keines Schöpfers nöthig hatte, nicht Der Herrscher über alles! – Aber, Gott, Du bist der Gott der Götter, Gott, du bist Der Allesmächtige, der eines Winks, Der seines Gottes-Willens nur bedarf, So wär' Amatabas hinaus, hinaus Aus seiner Welt, und doch – Er herrscht In deiner ganzen Welt Amatabas, Der Gott des Bösen! – Rama Thulides, Der Tröster der Betrübten, kam und gieng Um mich Vertieften, ungehört, herum, Und hörte meinen Hader, meinen Krieg Mit meinem Gott, und legte leise sich Zu mir an meinen Rasensiz, und sprach: »Du grübelst wieder, Armer! dieser dein |
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XII. Der Käfer |
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Du raubst dem Löwen seine Jungen, legst Dem Bär, dem Brummer, einen Ring Um seine Nase, baust gemächlich dir Ein Haus auf deinem Elephanten, Mensch! Du bist ein höheres Geschöpf, ein viel Geliebteres dem hohen Schöpfer! Sieh Von allem dem Lebendigen da hier Um dich herum, und über dir, und dort Im grossen Tap, in welchem Baraphit Zehn tausend gute Mannes Spannen lang Und tausend breit ein mächtiger Tyrann Den grossen und den kleinen Fischen ist, Was wärest du wohl lieber, als ein Mensch? Vielleicht ein Hirsch, weil er so rasch daher Ein Roß vielleicht, gestaltet, ey wie schön! |
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XIII. Das Recht des Starken |
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Dem Stärkern, sagt man, habe Gott ein Recht Des Schwächern Herrn zu seyn, gegeben! Wo? Wo gab es Gott dem Stärkern? Und, wo ist Der Stärkre? Löwe, Tiger, Wolf und Bär Stehn fertig, sich mit ihm zu messen, wenn Er Lust mit ihnen sich zu messen hat! Ein schöner Krieg! – Und, wenn nach langem Streit |
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XIV. An Idalup, den Bildhauer |
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Von deinem Gott ein Bildniß wolltest du Dir machen, Armer! Hast in deiner Hand Die Hakke noch? – Und wenn in deiner Hand Ein Meissel wäre, welcher Marmor leicht Auf deines grossen Geistes raschen Wink In eine wunderherrliche Gestalt Verwandlen könnte, dennoch rath' ich dir, Den Meissel wegzuwerfen! – Denn von Gott Ein Bildniß machen wollen ist Beweiß Von Geistes Schwäche. Daurende Gestalt Gieb seinen höhern Geistern, gieb auch dem, Der unter Menschen edle Thaten that! Dem Gottgedankten Fürsten, der die Lust Des menschlichen Geschlechts und seines Volks; Dem Patrioten, der der Steuermann Des Vaterlands, und seines Fürsten war; Dem Weisen, der, bey später Lampe, Licht In finstre Seelen seiner Brüder trug; Dem stillen Frommen, dessen Frömmigkeit Erst dann gesehn von scharfen Augen ward Als er hinaufgetragen, lange schon, In seines Gottes bessern Geisterwelt Den Lohn für seine Tugenden empfieng; Dem guten Weibe, dessen Güte spät Den Enkeltöchtern noch Exempel ist. Nur deinem Gott gieb keine! Deinen Gott Kannst du nicht schnitzen, und nicht konterfeyn; Er ist der Unsichtbare, dir zu groß! Und gäbst du ihm erhabene Gestalt, Aus welcher Allmacht und Gerechtigkeit, Erbarmung, Gnade, Liebe, Langmuth, und Die höchste Weisheit unser aller Herz Zur Anbetung auffoderten, an der Die grossen Künstler alle deine Kunst, Und deines Geistes grosses Ideal, Bewundern müßten, dennoch hättest du Den Unsichtbaren schlecht gebildet, und Nichts mehr als nur ein kleines Götzenbild In deinem Tempel hingestellt, zum Spott – Zum Spott? O! nein, zum Mittleid, Aergerniß, Und zur Verengung der beklemmten Brust Des Weisen, der in seiner Seele tief Den grossen Gott der Götter und des Wurms, Der Sonnen und der Erden, nur sich denkt, Und, hingeworfen auf dem Staub, aus dem Sein grosser Schöpfer, wenn er will, den Geist Des Menschen winket, oder Himmel wölbt, Anbetet, und in seiner Anbetung Den nahen Gott empfindet, oder ihn In seinem West, in seinem Meeressturm, In seinem Donner, und auf Fittigen Des Blitzes gegenwärtig hört, und sieht. |
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XV. Die Aussicht |
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Die Felsenspitze Belladilla reicht Bis an die Wolken! Einst stand ich darauf Und sah' ins Thal Etheremol hinab Und sah die Menschen unter mir so klein Wie Käfer kriechen! Gott, o Gott, dacht' ich, Und diese Käfer wärens, welchen du Den Himmel und die Erde schufst? und sah Den blauen Himmel über mir gewölbt; Ha! welch ein Zelt für einen Käfer! Gott Für einen Menschen! – Noch einmal sah' ich Den blauen Himmel, und aus meiner Brust Verschwand der kleine Stolz, ein Mensch zu seyn, Und nicht ein Käfer. Gott, in deiner Welt Ist alles groß, ist alles herrlich! Gott, Von diesem Hügel deiner Welt seh' ich Mit diesen meinen Menschen-Augen nur Die Oberfläche deiner Dinge, nicht Ihr ganzes Wesen; welch ein Raum von mir Bis da, wohin mein Auge seinen Blick Zu Sternen trägt! – Und dieser nicht erfüllt Mit Denkendem Erschaffnen? Meinen Gott, Den Allesmächtigen, zu preisen nicht Voll Geist und Leben? – Leerer, todter Stoff Ist Belladilla, Miridam, Gelut, Sind Klüfte, Ströme, Seen, Höhlungen Des Innersten der ganzen Erde nicht; Vielleicht, daß wir auf ihrer Borke nur In kleinen Hütten wohnen! daß hinein In ihre Mitte sehen können, uns Ein Aufschluß wäre mancher Schwierigkeit, Die unsre Weisen denken, oder auch Nur träumen! Alles aber, alles dies Aus dieser tiefen Finsterniß vor uns Herauszuforschen, hangen wir zu vest An todtem Stoff; wenn unser Geist erst los Von seinen Banden ist, dann werden wir Von unserm Belladilla weiter hin Und tiefer sehen! Schuppen fallen dann Von unsern Augen! Undurchdrungenes, In Geist und Körperwelt, wird unser Geist Mit seiner freyern Denkens-Fähigkeit Ins Innerste durchdringen! Krummes wird Gerade seyn, und Böses gut, und Gott Die unabläßige Bewunderung Des armen Sehers, der in seiner Welt Der Schmerzen und des Bösen immer mehr, Als des Vergnügens, und des Guten fand. |