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Der fünfte Matrose: Wir ließen heute nacht den Hafen.
Ich hatte Wache
und hörte dem Abschied eines Mannes zu
von einem unsrer Kadetten.
So war er:
die Worte sind wie in Fels in mich gemeißelt:
Geh hin, geh hin, mein Junge.
Ich weiß, du kehrst nicht mehr zurück.
Schon wogt dort draußen eine Welle
unruhvoll auf und ab
und Tod für dich heran.
Schon liegt bereit ein Eisen, dem es nicht graust
in deinem Fleisch zu meißeln.
Du kehrst nicht mehr zurück.
Doch wär auch nur ein Tag gewesen zwischen uns
– es waren viele –,
so wie die Sonne geht
mit uns durch unsre Zeit
und Sterne wandern mit uns
durch die angstvolle Nacht,
so wirkte dieser Tag,
und so wirst du mit mir durchs Leben gehn
bis Zeit für mich vorbei ist.
Du kennst die Pflichten eines edlen Leibs.
Gelassen sterben – wenns sein muß –
ist nur der kleinste Teil davon.
Stirb denn gelassen!
Stirb ohne Wahn!
O hätten alle doch
nur einem Tage von uns zugesehen,
sie würden bekehrt von ihrem Irrtum!
Froh sterben, laß die Besessenen!
Gedenke dessen, was zwischen uns all war.
Dessen, was sein kann zwischen Mensch und Mensch!
Gedenke sein im letzten Augenblick.
Nicht Hoffnung und nicht Götter
nehmen dem Tod das Grauen.
Nur dies:
Gedenken dessen,
was war und sein kann zwischen Mensch und Mensch.
Und wenn – wie ich nicht glaube –
hinter dieser neue Welten für uns rollen
und uns erreichbar:
Dieser Gedanke ist der Sprung dorthin:
Was sein kann zwischen Mensch und Mensch.
Der erste Matrose: So sprachen diese beiden? So?
Der fünfte Matrose: Sie sprachen leiser noch zusammen.
Ich hörte den Älteren dem Jüngern
Rat erteilen.
Ich hörte Dinge von so verwandtem Klang,
Dinge, so nah, so licht,
daß ich weglief aus Furcht
zu schlecht zu wachen.
Der erste Matrose: So sprachen sie?
Der fünfte Matrose: Mir war es, diese lebten schon
was ich erst ahnte!
Und hielten Leben der höchsten Mühe wert.
Als hätten sie ein etwas aber
in diesem Leben selbst,
das sie erhaben machte über Tod und Leben.
Der erste Matrose: Wenn du so reich den Menschen machst,
stirbt Gott von selbst.
Der fünfte Matrose: Wenn unter mir
das Meer zu Feuer geworden wäre,
wär ich nicht mehr erschrocken,
wie als ich dies vernahm.
Nun werde ich nicht Tod
noch Schande scheuen!
Der erste Matrose: Wie sagst du:
Tod und Schande?
Der fünfte Matrose: Nun da ich dieses weiß,
will ich nicht Tod noch Schande scheuen.
Der erste Matrose: Wie meinst du das?
Wohin zielst du? Was ist?
Der fünfte Matrose: Schande und Tod sind sicher mir.
Der erste Matrose: Seeschlacht bedeutet Tod.
Der fünfte Matrose: Wie bist du blind!
Der erste Matrose: Wenn es zur Schlacht kommt,
werden alle sterben!
Der fünfte Matrose: Und ich auch,
wenn es nicht zur Schlacht kommt.
Der erste Matrose: Mann, Mann, was sinnst du?
Laß dich warnen.
Weißt du, was Tod ist!
Der fünfte Matrose: Ein Wort. Ein Ding, über das
längst ward hinausgelebt.
Der erste Matrose: Was sinnst du?
Mann wehe, was sinnst du schon?
Der fünfte Matrose: Was mir gemäß ist.
Der erste Matrose: Welchen Weg?
Der fünfte Matrose: Den mir gemäßen.
Der erste Matrose: Kann ich nicht mitgehen?
Der fünfte Matrose: Du mitgehen?
Der erste Matrose: Einer, der mitginge?
Allein geht keiner gern.
Doch mancher muß.
(In diesem Augenblick beginnen die schlafenden Matrosen in ihren Träumen wieder laut zu werden.)
Der dritte Matrose: Nichts.
Der zweite Matrose: Strichchen?
Der dritte Matrose: Nichts.
Der zweite Matrose: Strichchen!
Der dritte Matrose: Bugschaum, weiß, fern!
Bugschaum!
Der zweite Matrose: Wie!
Der dritte Matrose: Nichts.
Der zweite Matrose: Strichchen!
Der dritte Matrose: Schiffe, Schiffe!
Der zweite Matrose: Schiffe! Schiffe!
Der dritte Matrose: Schlacht! Schlacht!
Der zweite Matrose: Schlacht! Schlacht!
Der dritte Matrose: Die langen Rohre schwenken.
Der zweite Matrose: Heben ihr Maul zum Himmel.
Der dritte Matrose: Die kriegerischen Flaggen wehen.
Der zweite Matrose: Die Würfel heben sich – Still – fallen.
Feuer, Dampfgewölk! Still!
Schaut auf das Meer.
Der dritte Matrose: Tod tastet langfingrig die Schiffe ab.
Schiffe, blind, vernichten sich. Sind fort.
Der zweite Matrose: Feuer, Blitz, Dampfgewölk!
Dran! Dran!
Wir werden für Tod gemästet.
Schneller. Schneller.
Schluckts runter, es hat nicht Geschmack.
Der dritte Matrose: Die Stunde ist nur einmal, diese hier.
Der vierte Matrose: Hilf einer mir erwachen.
Hilf einer doch erwachen mir!
Wir träumen nur,
merkt ihr denn nicht,
wir träumen nur!
Der erste Matrose: Welch Lärm!
Freund, was ist dir? Wo bist du jetzt?
Der zweite Matrose: Splitter, Qualm, Feuer.
Der erste Tatzenhieb!
Der dritte Matrose: Ankündigung des zweiten!
Haut, haut!
Der zweite Matrose: Seid tödlich sicher!
Der dritte Matrose: Wir sind, wofür wir hielten uns.
Der zweite Matrose: Gebt ihnen den Rest!
Der dritte Matrose: Den Rest! Den Rest!
Der zweite Matrose: Den Rest! Hahahaha!
Der dritte Matrose: Den Rest! Hahaha!
(Sie lachen im Traum.)
Der zweite Matrose: Haben sie nun den Rest?
Der dritte Matrose: Sie haben ihn.
Der zweite Matrose: Dann ruhig jetzt!
(Die Leute sind ruhig geworden.)
Der erste Matrose: Das war der Traum von Schlacht.
Der fünfte Matrose: Was für ein Stoff in ihnen!
Der erste Matrose: Wie sie lachten im Traum!
Der fünfte Matrose: Welch guter Stoff!
Der erste Matrose: Wie sie lachten!
Der fünfte Matrose: Das richtige Stichwort bloß fehlt ihnen. Kamerad,
wenn es zur Schlacht jetzt kommt,
was wirst du tun?
Der erste Matrose: Gehorchen. Was denn anders? Und du?
Der fünfte Matrose: Diesen das Stichwort geben!
Der erste Matrose: Es bleibt wohl keinem anderes,
als gehorchen, gut gesinnt sein
und untergehen. Im übrigen
was man auch täte,
es reißt uns mit hinab.
Der fünfte Matrose: Wer nicht gehorcht, kann doch gehorchen!
Der erste Matrose: Wahnsinniger! Du denkst doch nicht –!
Der fünfte Matrose: Gehorche dem, was höher ist.
Der erste Matrose: Wahnsinniger! Wahnsinniger!
Freund, Bruder, Kamerad,
hör mich, hör was ich sage!
Der fünfte Matrose: Nicht wahr, wir alle fühlen es.
Der erste Matrose: Gegen die unbarmherzigste Gewalt,
gegen ein Ding, dem alles sich unterwirft,
vor dem sich alle beugen,
was auch sonst sie bewegt,
gegen das keiner aufsteht –
Der fünfte Matrose: Einmal muß es zerbrechen!
Der erste Matrose: Nicht hier, Mann!
Nicht hier auf dem Schiff,
das in die Schlacht fährt.
In diesem Gefüge von Stahl und Mensch,
wo willst du da die schwache Stelle finden.
Der fünfte Matrose: So wenig also hast du mich
verstanden vorhin?
Der erste Matrose: Selbstmörder!
Du sündigst an dir selbst!
Der fünfte Matrose: Mörder eurer Selbst seid ihr alle!
Der erste Matrose: Wahnsinniger!
Gegen dich allein rast du!
Der fünfte Matrose: Sagtest du nicht selbst vorhin –
Der erste Matrose: Sprach nur davon.
Erwog nicht Taten.
Der fünfte Matrose: Erinnre dich und sei ein Mann.
Der erste Matrose: Was wird geschehen, o Himmel, was wird hier geschehen!
Der fünfte Matrose: Ermanne dich!
Der erste Matrose: Scheue Tat!
Der fünfte Matrose: Ward ich nicht Mann dazu!
Der erste Matrose: Tat ist immer ein Schlag in die Nacht.
Der fünfte Matrose: Funken schlagt sie heraus.
Der erste Matrose: Gewaltsam handeln
ist eines Blinden Schlag in die Nacht.
Mein Kamerad!
Mein Freund! O höre!
Was mein Leben gesehen hat,
ist wenig, doch dies weiß ich:
Tun ist verflucht immer.
Laß werden! Warte, wie es von selbst kommt.
Durch Tun zerstörst du immer,
was an den Dingen groß und wertvoll ist.
Der fünfte Matrose: Schwaches Gejammer!
Der erste Matrose: Bedenke nicht vorher,
was du tun wirst!
Wisse nicht, wie du sein wirst.
Es wissen wollen, das ist auch eine Art von Schwäche.
Versprich mir, Kamerad:
Warte, wie es von selbst kommt.
Warte, warte!
Der fünfte Matrose: Wenn es zur Schlacht kommt, gut, wirst du gehorchen.
Ich aber nicht.
Nun weißt du es.
(Der zweite, dritte und vierte Matrose sind erwacht und hören das Folgende.)
Der erste Matrose: O käme es dann nicht dazu!
Ginge der Tag vorbei!
Wäre das noch möglich.
Der dritte Matrose: Hörst du? Hast du gehört?
Der zweite Matrose: Wir sind doch schon ganz wach?
Der fünfte Matrose: Auch wenn es nicht zur Schlacht kommt,
werde ich nicht gehorchen mehr.
Der dritte Matrose: Da hast dus. Es steht fest.
Der zweite Matrose: Es ward gesagt!
Der dritte Matrose: Fassen wir ihn schon?
Der zweite Matrose: Fassen wir ihn!
Der dritte Matrose: Meutrer! He! Meutrer! Nehmt ihn fest!
Der zweite Matrose: Meutrer! Meutrer!
Der erste Matrose: Wer?
Der dritte Matrose: Ihr.
Der zweite Matrose: Ihr beide!
Der erste Matrose: Ich?
Der fünfte Matrose: Dieser nicht!
Leute, ich schwör euch:
Sein Gewissen ist rein.
Der dritte Matrose: Hast du nicht eben gesagt,
daß du nicht mehr gehorchen willst,
hast du nicht diesen verführen wollen?
Wer weiß, was du noch plantest.
Der fünfte Matrose: Ihr kennt mich doch schon lange,
wie ich euch auch.
Seid ihr Bluthunde geworden plötzlich!
Der zweite Matrose: Ob du getan hast, was wir fragen?
Der fünfte Matrose: Was ich gesagt habe,
geht mich allein an.
Was ich jetzt sagen will,
da paßt auf, das geht euch an.
Der erste Matrose (an der Luke):
Noch hat er nichts getan
und schon ist es über ihm.
Rette ihn, rette ihn, Himmel!
Hilf uns allen!
Was ist dort? Was ist da?
Augen, o meine Augen!
Der dritte Matrose: Uns geht nur an, ob du
zugibst.
Der erste Matrose (an der Luke):
Was steht da jetzt am Horizont?
O Kameraden! Kameraden!
Der fünfte Matrose: Wer schrie da so?
Der zweite Matrose: Ob du zugibst?
Der fünfte Matrose: Ich gebe zu. Noch mehr:
Ich werde handeln nach meinen Worten.
Der erste Matrose (an der Luke):
Kameraden, Kameraden!
Was ist das, was sich da gegenüber zeigt?
Lebe wohl! Lebe wohl Alles!
Der fünfte Matrose: Wer singt da so?
Der dritte Matrose: Gehen wir mit ihm zum Kommandanten!
Der vierte Matrose (der bisher beobachtet hat, erhebt sich):
Nicht so rasch, nicht zu hitzig, Leute!
Der erste Matrose (an der Luke):
Skagerrak! Skagerrak! Letzter Mai!
Siegestag! Jammertag!
Lebt wohl Heimat, Land, Alles, Alles.
Der zweite Matrose: Ein Meutrer, hast du gehört.
Der dritte Matrose: Ein Meutrer, wir hörten es.
Der vierte Matrose: Ich hörte auch.
Der zweite Matrose: Und stehst so ruhig!
Der dritte Matrose: Und stehst so ruhig!
Der vierte Matrose: Tut die Hand von ihm!
Der zweite Matrose: Das ist unerhört.
Der vierte Matrose: Gebt ihn frei!
Der zweite Matrose: Machst du Narren aus uns?
Der dritte Matrose: Was willst du tun? will ich wissen.
Der zweite Matrose: Wieder nichts? meinst du so?
Der vierte Matrose: Laßt ihn los!
Der dritte Matrose: Die Welt geht linksrum!
Der zweite Matrose: Einfacher Verstand genügt nicht mehr.
Der erste Matrose (an der Luke):
Sie sind es!
O Siegestag. O Jammertag!
Letzter, letzter Mai.
Wendepunkt, Ende!
Schiffe, Schiffe, sie sind es.
Der vierte Matrose: Glaubt nicht zu sehr an das,
was ihr gelernt habt, Leute.
Die Dinge sind Lehrer ihrer selbst.
Von ihnen lernt.
Kennen wir den seit heute erst?
Wißt ihr, was Worte sind!
Nehmt doch nicht jeden Spatz so wichtig.
Euer »Ernstnehmen« ist ein übles Wort.
Was einer redet, mag ganz schön klingen.
Wenn es ans Tun geht, ist einer wie der andere.
Ruhe, Meutrer! Im Wesentlichen, versteht sich.
Macht doch nicht so viel Getu mit Nebensachen!
Seid doch nicht umständlicher als der liebe Gott
mit seinen sieben Schöpfungstagen.
Welch ein Umstand!
Kennt ihr den Mann seit heute erst?
Habt ihr nicht einige Pfeifen Tabak mit ihm verraucht?
Und jetzt nach zwei Worten
schnellt ihr auf ihn und wenig fehlt,
ihr risset ihn auseinander.
Laßt aber mal Horn und Trommel kommen!
laßt ihm den Klang ins Blut springen,
lasst ihn mal lauschen,
die Ohren spitzen, das Altgewohnte hören!
Mein Kopf: er tut, was er gelernt hat.
Ruhe, Mann! Keiner kränkt dich.
Was dich treibt, ist Voreingenommenheit,
du wirst es sehen.
Der fünfte Matrose: Du wirst der erste sein –
Der vierte Matrose: Der erste ist keiner.
Das ist all Unsinn.
Solang du noch groß und klein,
stumpf und fein
und wer weiß was scheidest,
sitzst du noch auf der Schulbank,
bildlich gesprochen.
Der erste Matrose (an seiner Luke):
Kameraden! Kameraden! Es ist so weit!
Schiffe. Schiffe.
Sie sind jetzt deutlich!
Kommt her. Schiffe. Schiffe.
Es ist so weit.
Der zweite Matrose: Himmel, was schreit einer da!
Der dritte Matrose: Was für Unsinn schreit einer da!
Der zweite Matrose: Mann, das ist doch nicht Wahnbild wieder,
wie die am blauen Himmel?
Der dritte Matrose: Schiffe will er sehen? Schiffe?
Der vierte Matrose: Männer, ja da sind sie.
Schiffe, Schatten von Schiffen,
die nur Kriegsschiffe sein können!
Dort drüben! Seht hin! Seht genau!
Männer, die Stunde ist da!
Der zweite Matrose: Schlacht heißt das!
Der dritte Matrose: Jungens! Blaujacken! Jungens!
Der zweite Matrose: Schlacht heißt das ja.
Der dritte Matrose: Was mein ist, das ist euer!
Der vierte Matrose: Eure Stunde ist gekommen, Männer!
Der zweite Matrose: Schlacht also doch. Heute noch!
Der dritte Matrose: Engel seid ihr, Engel!
Was kann ich euch kaufen?
Hold wie Rosen!
Kommt laßt euch kriegen!
Der zweite Matrose: Wir werden verrückt.
Der dritte Matrose: Schlacht! Seeschlacht! Messen!
Probe, wer besser ist und meerhafter!
(In diesem Augenblick ertönen Trommel und Horn.)
Der zweite Matrose: Horcht! Trommel und Horn!
Horcht! Trommel und Horn!
Der dritte Matrose: Klar Schiff zu Gefecht.
Wer nun Mann ist, jauchzt mit!
Der fünfte Matrose: Was tun sie? Was sehe ich?
Was geht mit ihnen vor?
Fängt es so an?
Der vierte Matrose: Sie umarmen sich und tanzen!
Der fünfte Matrose: Beginnt so Schlacht?
Was ist das: Schlacht?
Der vierte Matrose: Sieh es dir an. Sei kein Esel.
Sieh es dir an erst!
Dann kannst du noch immer tun,
was du mußt.
Unsinn hat immer seine Zeit!
Der fünfte Matrose: Blitze versengen mich. Blitze.
Was ist Schlacht! Was geht vor?
Sind wir noch, die wir waren?
Der vierte Matrose: Das letzte kommt nun zum Vorschein,
das was ist, Knabe!
Der zweite Matrose: Komm mit uns, Bruder!
Der zweite Matrose: Komm! Lebe!
Der dritte Matrose: Komm mit uns, Bruder!
Komm! Siege!
Der vierte Matrose: Komm einfach mit uns sterben, Junge!
Der fünfte Matrose: Mit euch? Mit euch?
Himmel, Kerls, wie erscheint ihr mir!
Was packt mich?
Der zweite Matrose: Wir und die Schlacht!
Der dritte Matrose: Die Schlacht und wir alle!
Der fünfte Matrose: Ich schwöre, ich schwöre
das Andere –
Der vierte Matrose: Wird kommen, wird auch kommen!
(Trommel und Horn ertönen zum zweiten Mal.)
Der zweite Matrose: Hört ihr! Hört ihr!
Der fünfte Matrose: Welcher froher Ton!
Der zweite Matrose: Komm mit! Lebe!
Der dritte Matrose: Komm mit! Siege!
Der vierte Matrose: Kommt sterben alle!
Der fünfte Matrose: Schlacht! Schlacht! Wohin führt uns die Schlacht!
(Alle ab. Einen Augenblick bleibt der Turm leer. Dann kehren die Leute zurück. Von nun an wechseln die aufgezeichneten Worte mit den Rufen und Befehlen ihrer Tätigkeit während des Kampfes.)
Der zweite Matrose: Vier gegen vier.
Der dritte Matrose: Die Flotte beiderseits dahinter sollt ihr sehen.
Der zweite Matrose: Wird kein Spaß werden.
Der dritte Matrose: Jungens! Jungens! Blaujacken!
Der vierte Matrose: Ruhe. Keine Erregung!
Alles in Ordnung?
Daß alles klappt!
Daß keiner patriotisch wird!
Daß keiner schwatzt!
Daß keiner ungeduldig wird!
Daß keiner hierin was andres sieht,
als seine Arbeit!
Daß keiner ein Weib wird!
Daß keiner prahlt!
Was neue Art von Männern die Zeit schuf,
das zeigt jetzt!
Der dritte Matrose: Jungens, Blaujacken, Jungens!
Samoa war so schön!
Der zweite Matrose. Los!
Der dritte Matrose: Dauert lang.
Der erste Matrose: Sonne scheint drauf runter.
Soll es wohl.
Well auf Welle schlägt drüben auf den Sand.
Sollen es wohl.
Der dritte Matrose: Blödsinnig heiß hier drin!
(Klingelzeichen. Ein Schuß.)
Der zweite Matrose (beobachtend):
Dahinter.
(Klingelzeichen. Ein Schuß. Wie oben):
Davor.
Der dritte Matrose: Drei sitzt.
(Klingelzeichen. Ein Schuß.)
Der zweite Matrose (wie oben):
Sitzt. Qualm. Feuer!
Ein Strahl schießt an die Wolken.
Hat ihn!
Der dritte Matrose: Holt Atem, die Karre läuft.
Der zweite Matrose: Wer treffen will, trifft.
Der sechste Matrose: Wens treffen soll, triffts.
Der zweite Matrose: Übungsschießen, Jungens!
Der dritte Matrose: Übungsschießen, nichts weiter.
Der vierte Matrose: Jedenfalls, wer noch mal
ne Kartoffel ins Maul kriegt,
grüßt sie von mir.
Der zweite Matrose: Wer noch mal nen Maikäfer fängt,
küß ihn von mir.
Der dritte Matrose: Wer noch mal ein Elfchen sieht,
tuts ihr von mir!
Der zweite Matrose: Da sind andre für da!
Habens gelernt mit andren.
Der dritte Matrose. Brauchtens zu lernen!
Der fünfte Matrose: Wir sind wohl mitten drin schon.
Halt, langsamer, nicht so schnell.
Ich komme nicht mit.
Sagt ihr gar nichts?
Seid ihr nicht erstaunt über mich?
Leute, mir war noch nie im Leben so.
Leute, hört einen Augenblick zu,
ich habe noch was zu sagen.
Der vierte Matrose: Behalts für dich!
Der fünfte Matrose: Es betrifft euch aber und mich.
Der vierte Matrose: Wissens! Behalts für dich!
Der zweite Matrose: Dies Schießen!
Der dritte Matrose: Unsre Leiber!
Aber satt sollen wir werden,
hier nichts aber hier.
(Er zeigt zuerst auf den Bauch, dann auf die Brust.)
Hat einer schon mal Arbeit
wie die hier getan?
Der zweite Matrose: Wird gut bezahlt auch.
Der dritte Matrose: Ich frage bloß,
ob einer schon mal
Arbeit getan hat,
wie die hier.
Der zweite Matrose: Tempo! Tanz!
Tempo im Tanz.
Wen darf ich vormerken für Tempo im Tanz?
(Gelächter.)
Der dritte Matrose: Jetzt sieht man doch mal,
was man kann!
Der zweite Matrose Braucht nicht Kinder zu machen,
wenn man was tun will!
Der dritte Matrose: Maul halten von Weibern jetzt!
Der zweite Matrose: Aber nachher? Was dann?
Kommt der süße Lohn!
Der erste Matrose: Seid doch nicht so ganz blind,
Jungens, und höhnisch.
Jede Sekunde kann uns hinabholen.
Dann ist es aus mit uns.
Der dritte Matrose: Was weiter?
Der zweite Matrose: Tempo im Tanz.
Der dritte Matrose: Meinst wohl,
wir könnten noch schnell was lernen?
Irrst dich erbärmlich.
Weder so noch so.
Sind wie wir sind.
Spar deine Liebe.
Satt werden wir vorher, hier nicht, aber hier.
Darauf allein kommts an.
Der fünfte Matrose: Kann man was sehen?
Der zweite Matrose: Nichts mehr. Sonne ist fort.
Rauch und Dunst überall über dem Meer.
Der fünfte Matrose: Es schießt nicht mehr von drüben.
Der zweite Matrose: Wir schießen auch nicht.
Der dritte Matrose: Schade, daß man so eingemauert ist.
Weiß nichts, sieht nichts,
bis man krepiert.
Der zweite Matrose: Ist doch anderswo genau so.
Aber satt wirst du,
hier nicht, aber hier!
Der fünfte Matrose: Warum steht die Schlacht?
Der vierte Matrose: Wer fragt das?
Der fünfte Matrose: Ich.
Der vierte Matrose: Seht mir den Mann.
Wirst wohl warm allmählich?
Der dritte Matrose: Sollen ihm jetzt wohl abbitten?
Der fünfte Matrose: Abbitten? Was? Wer? Wofür?
Der dritte Matrose: Ich hielt dich vorhin fürn
Feigling, als du so dasaßt
und brummtest.
Der zweite Matrose: Wollte ja auch meutern, der Kerl.
Der dritte Matrose: Das ist eine andere Sache.
Der fünfte Matrose: Warum steht die Schlacht?
Auf, laßt sie entbrennen.
In ihrer ganzen Größe und Furchtbarkeit.
Meine Brust füllt sich mit ihrem Atem,
meine Pulse singen Schlacht,
Schlacht über uns!
Was mal gepflanzt ist, das soll wachsen,
und wenn es uns zerschmettert!
Was mal gelöst ist, das soll rollen,
und wenn wir drunter kommen!
Was angefangen ist,
soll fertig werden!
Seid keine Lämmer beim Morden!
Seid Tiger an euch selbst!
Geht bis zum Schluß.
Wer bis ans Ende beharrt
Peitscht die Sterne,
wenn sie nicht wollen!
Der zweite Matrose: Friedlich, Mann! Friedlich!
Wo hast du so schöne Gleichnisse
und Bilder her?
Der erste Matrose: Meine Beine zittern.
Der zweite Matrose: Angst natürlich!
Der vierte Matrose: Mit Angst oder ohne Angst:
weiter!
Der erste Matrose: Ist schon vorbei.
(Klingelzeichen. Ein Schuß.)
Der zweite Matrose (beobachtend):
Dunst überall. Vorbei der Schuß!
Hah! Nein! Feuerstrahl, Flammen himmelwärts!
Es hebt sich etwas auf!
Es sinkt zusammen!
Rauchwolken, Flammen, Dampf, weißer Dampf.
Himmel und Hölle, da ists still.
Nichts mehr! Nichts.
Da ist ein Schiff gesunken eben.
Alle: Ein Schiff gesunken!
Der sechste Matrose: Wie schnell ein Schiff sinkt.
Der zweite Matrose: Kommst grad noch einmal dazu –
Der sechste Matrose: Schön muß das sein.
Der dritte Matrose: Jungens! Jungens! Blaujacken.
Jetzt fängt es an.
Satt sollen wir werden,
hier nicht, aber hier!
Bringt sie zur Ordnung!
Brecht ihr Übermaß!
Dann wollen wir alles ihnen verzeihen
und wieder Freunde sein!
Der zweite Matrose: Gebt frei die See,
dann wollen wir wieder Freunde sein.
Der dritte Matrose Satt werden wir,
hier nicht, aber hier.
Der zweite Matrose: Und wenn der Bauch platzt.
Der erste Matrose: Ich fange wieder an zu zittern.
Es ist über uns.
Der dritte Matrose: Was sagt da einer!
Was für Unsinn sagt einer da!
Der erste Matrose: Es ist über uns!
Der zweite Matrose: Warum nicht unter uns!
Der vierte Matrose: Ruhe! Stillhalten! Nicht schreien!
Der zweite Matrose: Wens trifft, den triffts.
Der sechste Matrose: Da kommts! Da kommts!
Wehe! Wehe! Raus, fort von hier.
Laß mich raus.
Ich will nicht, will nicht!
Der vierte Matrose: Nützt dir was nicht zu wollen!
Stillhalten, nur stillhalten!
(Explosion im Turm. Er füllt sich mit Rauch. Alle liegen am Boden, nur der dritte Matrose steht sterbend gegen die Panzerung gelehnt.)
Der zweite Matrose: Das fängt gut an. Wie?
Das nennt man wie? Wie?
Aber der Panzer hielte Wie?
Alle doch noch am Leben. Wie?
Danke schön, Panzer,
danke schön, danke schön!
Auf und ans Rohr!
Der erste Matrose: So kommt der Schlag.
So kommt er, ohne daß man weiß wie.
Ob du bereit bist oder nicht.
Wir könnten jetzt alle schon drunten sein,
allesamt.
Der zweite Matrose: Quatsch nicht, Mann! Steh auf.
Und hilf den andern.
Auf alle Mann, lustig!
Es ist noch immer immer gut gegangen!
Seht zu, daß ihr nicht zu viel schluck,
das macht taumelig
und verdirbt die Köpfe!
Wer treffen will, trifft,
wens trifft, den triffts.
Der dritte Matrose (sterbend):
Öl, Öl, sanftes Öl über mein Haupt!
Vorwärts,
gebt mir Maßliebchen und Öl!
Musik, spiele!
Akkorde, volle Akkorde,
weiche, süße, volle Akkorde, gebt sie mir!
Öl, Öl, sanftes Öl über mein Haupt!
Legt blaue Farben an,
setzt bunte Mützen auf!
Und spielt, spielt, spielt!
Tanzt! Tanzt!
Öl, Öl, sanftes Öl über mein Haupt!
Binden vor meine Augen!
Binden, Binden!
Freunde, so tanz ich vor!
(Er stirbt und fällt um.)
Der zweite Matrose: Mann, quatsch nicht!
Wie? Ist er getroffen!
Bist du getroffen, Junge?
Kerl, Spaßmacher! Jungchen!
Sag nein, nein, nein! Es ist bloß Spaß!
Ja, ja, ja! Steh auf!
Ans Rohr. Es bleibt noch viel zu tun.
Der stirbt wohl?
Das sieht ja aus, als stürbe er?
Der ist ja wohl schon tot?
Samoa! he Samoa!
(Schreit, brüllt): Samoa!
Satan, wie schnell das geht!
Das geht fast zu schnell!
Samoa. Samoa. Hin ist hin.
(Die übrigen erheben sich allmählich alle wieder.)
Der vierte Matrose: Keine Betrachtungen!
Ans Rohr!
Der zweite Matrose: Wie freundlich
mir dieser Kadaver war eben noch.
Keine Betrachtungen, das ist wahr!
Der sechste Matrose: Ist er ganz tot?
Der zweite Matrose: Tot! Häßlich tot.
Laß ihn liegen.
Der fünfte Matrose: Leute, ist es wahr, daß ich vorhin
auf euch geschimpft habe?
Der zweite Matrose: Habe nichts davon gemerkt.
Der fünfte Matrose: Mir gefällt die Schlacht.
Gleich werden wir auch dran glauben müssen,
aber vorher atmen unsere Lungen mal,
jagen unsere Herzen mal,
zucken die Muskeln mal.
Jungens, dies verdammte Fragen,
wo ist es hin?
Der zweite Matrose: Wirst also noch mal uns scheel ansehen, was?
Der fünfte Matrose: Mein die Arbeit von dem Toten da!
Der erste Matrose: Außen oder innen,
das macht den ganzen Unterschied.
(Splitter gegen den Turm.)
Der zweite Matrose: Hahaha, der Turm hält.
Hört ihr, wies draußen hagelt!
Das Türmchen wird halten!
(Die Tür wird aufgerissen, eine Stimme ruft.)
Stimme: Habt ihr Tote?
Der vierte Matrose: Einen.
Stimme: Habt ihr Verwundete?
Der vierte Matrose: Keinen.
Stimme: Gebt eueren Toten her.
(Man schafft den dritten Matrosen schnell hinauf.)
Sonst alles in Ordnung?
Der vierte Matrose: Alles in Ordnung.
Stimme: Wir haben ein Schiff versenkt
und eins beschädigt.
Selbst vier Treffer ab.
Die Schlacht geht weiter.
Haltet euch weiter gut!
(Die Tür wird geschlossen.)
Der sechste Matrose: Die Schlacht geht weiter.
Der erste Matrose: Öl, Öl, sanftes Öl über mein Haupt,
so rief er.
Der vierte Matrose: Die Schlacht geht weiter!
Der zweite Matrose: Mensch, frag doch hier nicht mehr!
Frag doch drüben, in deinem Jenseits.
(Die Tür öffnet sich wieder, ein Mann tritt ein.)
Der siebente Matrose: Ersatz zur Stelle.
Der zweite Matrose: Ist es in den anderen Türmen auch so, du Jude?
Der siebente Matrose: Überall gleich, du Christ!
Im dritten Turm singt man und betet,
daß man es außen hört.
Im ersten sollen zwei zu tanzen angefangen haben.
Nehmt euch in acht vor Gas!
Der zweite Matrose: Wir sind hier doch fast wie die Schweine,
die nach der Reihe gewetzt werden.
Der fünfte Matrose: Gleichviel. Jetzt kennt sich wieder Mann und Mann,
jetzt erwächst etwas zwischen Männern,
das alle Not aufwiegt.
Spürt ihr nicht alle den Schweiß unmittelbar.
Blut! Blut!
Darin allein liegt Wahres.
Der erste Matrose: Nein, hört auf mich, Leute!
Besinnt euch.
Besinnt euch, daß ihr Menschen seid!
Der zweite Matrose: Sind wir so etwa keine Menschen?
Sind wir nicht etwa Helden noch dazu?
Der vierte Matrose: Dies ist unser blutiger Jahrgang,
weiter nichts!
Held oder Feigling – ist das ein Unterschied?
Ablauf sind wir,
Uhren mit närrischen Zeigern drauf!
Stillhalten, stillhalten.
Bis das Uhrwerk abgelaufen ist.
Der zweite Matrose: Warum denn aber hier im Turm?
Der vierte Matrose: Weil du mußt!
Der zweite Matrose: Warum muß ich?
Der vierte Matrose: Weil du nicht anders kannst.
Der zweite Matrose: Warum kann ich nicht anders?
Der vierte Matrose: Weil du ein Esel bist.
Der zweite Matrose: Sag lieber ein Schwein,
das wartet, bis der Metzger kommt.
Der erste Matrose: Da ists wieder!
(Explosion. Hinfallen.)
Der vierte Matrose: Die Schlacht geht weiter!
Der zweite Matrose: Hinfallen tut weh.
Der fünfte Matrose: Teufel, wie das einen hinhaut.
Der siebente Matrose: Wird denen drüben auch so gehen.
Der vierte Matrose: Schießen auch nicht schlecht.
Der siebente Matrose: Werden Kerls sein wie wir.
Kein Haar besser, keins schlechter!
Der vierte Matrose: Keine Betrachtungen!
Ans Rohr!
Der zweite Matrose (singend):
Still und leise
wie sie lächelt,
wie sie lächelt,
seht ihrs nicht.
Der fünfte Matrose: Wer lächelt, Junge?
Der zweite Matrose: Die Schraube da!
(Singt weiter.)
Der sechste Matrose: Hund, weg von meiner Nase.
Weg, Hund, von meiner Nase!
Der fünfte Matrose: Wer ist vor deiner Nase,
Kamerad?
Der sechste Matrose: Ein Hund.
Der vierte Matrose: Reißt euch zusammen, Kerls!
Ein Seemann schwimmt wie Blei,
auf dem Meeresgrund ist das Land billig.
Lacht ihr nicht?
Der zweite Matrose: Warum lachen?
Warum weinen?
Der vierte Matrose: Nicht heiß werden!
Eure Arbeit tut ruhig.
Reißt euch zusammen.
Laßt dieses giftige Gas
nicht über euch Herr werden.
Seid souverän!
Bitte, lösch einer meine Hand. Sie brennt.
Der fünfte Matrose: Hören wir recht?
Was sagst du da?
Gott gebe, daß ich falsch gehört.
Brennt deine Hand?
Der vierte Matrose: Löschen, löschen, ihr Schurken!
Seht ihr nicht meine Hand brennen?
Der siebente Matrose: Der Wahnsinn fängt jetzt an.
Der fünfte Matrose: Packen wir ihn an der Gurgel gleich!
Mann, du mußt weg vom Rohr.
Mit Gewalt, wenn nicht freiwillig.
Packt an.
Der vierte Matrose: Löschen, löschen!
Ich lasse euch hängen, Schurken!
Dieser da ist ja ein Meutrer.
Der hats schon lang verdient.
Hängt ihn! Hängt ihn! Befehl!
Der fünfte Matrose: Zu befehlen hast du nichts mehr, Mann.
Leute, auf mich hört.
Vom Rohr weg mit dem Irren.
Der vierte Matrose: Sei nicht böse, Jungchen!
Versöhn dich!
Wir beide sind die einzigen
bei klarem Verstand noch.
Wir schaffens.
Und wenn es nicht mehr geht,
dann geht es nicht mehr.
Dann ist es auch gleich, wie?
Der erste Matrose: Wie schnell einer vergißt.
Jetzt steht er glücklich da am Rohr schon.
Leute, nicht wahr, das wissen wir:
was wir hier tun, bedeutet ja ganz was anderes.
Ist dies ein Panzerturm bloß, frage ich?
Der vierte Matrose: Was anders denn als ein Panzerturm?
Der erste Matrose: Eine Glocke vielleicht?
Eine Glocke unter all den Glocken.
Bumm, bumm so läuten sie.
Der vierte Matrose: Sagt, was geht vor in diesem Turm?
Sagt mir!
Will man uns nicht ruhig ersaufen lassen?
Will man uns übers ehrliche Grab rufen:
Wahnsinn, Irrtum?
Will man uns nicht im Wasser ruhig ruhen lassen?
Verflucht, dreimal verflucht,
wer an unsere Gebeine tastet.
Worte, o Worte:
Verfluchtes Stochern!
Der fünfte Matrose: Sei ruhig, Junge,
da plappert einer bloß,
wie sein Großvater plapperte.
Wenn du dir'n Spaß machen willst,
frag ihn nach höheren Mächten
und laß dich segnen von ihm!
Der erste Matrose: Was zwischen Mensch und Mensch sein kann,
frag ihn!
Der fünfte Matrose: Die Schlacht geht weiter!
(Klingelzeichen. Schuß.)
Der vierte Matrose: Hört, hört!
Junge, dreimal gesegnet, wer da schießt!
(Klingelzeichen. Schuß.)
Schieß! Schieß! Schieß! Tu nichts als: Schieß!
(Tür öffnet sich und Gasmasken werden hereingeworfen.)
Stimme: Masken!
(Tür schließt sich wieder.)
Der fünfte Matrose: Masken anlegen!
(Die Leute gehorchen und sind nun nicht mehr zu unterscheiden. Am Rohr steht der fünfte Matrose allein.
Klingelzeichen. Schuß.)
Der vierte Matrose: Hört, hört, Jungens!
Dreimal gesegnet, wer da schießt.
Fleht ihn an, rührt ihn, daß er schießt.
Auf die Knie vor ihm!
Wenn alles drunter und drüber geht,
wenn Wahnsinn leuchtet hier,
wenn wir nur zucken noch,
wenn wir nicht länger stumm sein können
und das Fleisch schreit, schreit,
dann schieß, schieß du, Jungchen!
Unbeirrt schieß!
Der zweite Matrose: Rette unser Leben.
Alle: Unser Leben, unser Leben, rette es.
Noch leben, leben, leben!
(Explosion. Das Licht geht ganz aus. Die Leute sind alle am Boden, aber nicht zu erkennen in ihren Gasmasken. Am Rohr steht einer mit einer Gasmaske festgekrallt.)
Der am Rohr: Die Schlacht geht weiter.
Stimmen: Trinken! Trinken! Wasser!
Löscht! Was geschah? Wo ist man?
Alles wendet sich gegen uns.
Wasser! Gebt Wasser! Licht!
Der am Rohr: Lobt die Schlacht,
Knaben, lobt sie.
Wir werden weiter tun im Dunklen.
Wozu Licht? Ist auch Einbildung!
Auf, Knaben, auf!
Wer hat noch einen Muskel ganz?
Wer hat noch einen Herzschlag zuviel?
Nun fängt es ja erst an.
Freut ihr euch nicht?
Rein in die Mühle, wer Brot werden will!
Seid nicht so nachsichtig gegen euch.
Was gepflanzt ist, soll wachsen,
wenns auch zerschmettert.
Was gelöst ist, soll rollen,
wenn auch über uns.
Kommt mit, Kinder, kommt mit bis ans Ende.
Wer bis an das Ende beharrt –
Ich sage nicht, daß der selig wird,
aber man muß es tun.
Stimmen: Auf, Kinder, auf.
Wer noch einen Muskel ganz hat.
Auf, Kinder, auf,
wer noch einen Herzschlag übrig hat.
Es fängt erst an.
Der am Rohr: Die Schlacht geht weiter.
Stimme: Ein Seher. Einer, der sieht im Dunkel!
Einer, der Zeichen sieht am blauen Himmel!
Zeichen. Zeichen, gib Zeichen uns!
Was wird, wohin gehts, wohin fahren wir?
Werden wir leben?
Alle: Werden wir leben? Werden wir leben?
(Das Licht geht wieder an. Man sieht nun deutlich den Mann an der Kanone und die übrigen hingestreckt, sich aber bemühend aufzustehen. Der sechste Matrose stirbt gerade.)
Stimme (zum sechsten):
Was willst du sagen?
Was bewegst du deine Lippen?
Sprich, sage mir.
Helfen kann ich dir nicht.
Der sechste Matrose: Hunde! Hunde!
Stimme: Nicht uns gib schuld.
Du tust uns unrecht.
(Der sechste Matrose stirbt.)
Stimmen: Hör, wie es rauscht. Rauscht es?
Hör wie es dröhnt. Dröhnt es?
Fühl wie es zittert. Zittert es?
Fühl wie es schwankt. Schwankt es?
Was geschieht, was wird getan mit uns,
was geht vor? Leben! Leben! Leben!
Stimme: Auf die Knie! Auf die Knie!
(Die Leute gehen auf die Knie, heben die Hände flehend und rutschen hinter dem einen her.)
In eurer Weisheit ruht die Welt.
Aus euren Willen fließt die Zeit.
Zu euerem Herzen strebt das Leben.
Wir müssen gehen wie ihr bestimmt.
Wir sind nur Flocken,
die fallen in eurem Sturm.
Kugeln, die fliegen von euch geworfen.
Funken, die übers Wasser irren.
Seht, wir erkennen das,
was sollen wir wollen wider euch,
was planen wider eure Weisheit,
was Leben hüten wider euer Herz.
Seht! Seht!
Der Weg ist nicht gewählt von uns,
die Hände nicht geführt von uns.
Doch, doch wir taten es,
wir führten unsre Hände.
Uns ist die Schuld.
Stimmen: Hört ihr, hört ihr von Schuld etwas?
Wer redet so?
Schlagt ihn tot.
Laßt ihn nicht weiter reden.
Nicht Schuld, nicht Schuld!
Wir taten es und tätens noch einmal.
Leben! Leben!
Stimme: Heilige Esel seid ihr doch bloß.
Ablauf, Uhren, mit närrischen Zeigern drauf.
Haltet still. Lärmt nicht, ersauft endlich.
Sterbt endlich. Laßt andre ruhig sterben!
Stimme: Wir liegen zuviel auf den Knien jetzt.
(Explosion. Völlige Verwirrung.)
Vaterland, Vaterland, o lieb Vaterland.
Wir sind Schweine,
die auf den Metzger warten.
Wir sind Kälber, die abgestochen werden.
Unser Blut färbt die Fische!
Vaterland, siehe, sieh, sieh!
Schweine, die gewetzt werden,
Kälber, die abgestochen werden!
Herde, die der Blitz zerschmeißt.
Der Schlag, der Schlag, wann kommt er uns!
Vaterland, Vaterland!
Was hast du mit uns noch vor?
Stimmen: Vaterland, Vaterland, was noch von uns!
Vaterland, Vaterland, Tod frißt uns wie Reis.
Sieh uns hier liegen, Vaterland.
Gib uns Tod, Tod! Tod!
Gib uns Tod! Tod!
(Explosion. Der erste, vierte und fünfte Matrose liegen mit abgerissenen Gasmasken sterbend am Boden.)
Der erste Matrose: Hauptmann! Hauptmann!
Ist alles jetzt in Ordnung? Sind wir tot?
Der fünfte Matrose: Die Schlacht geht weiter!
Der vierte Matrose: Tot sind wir noch nicht.
Keine Übereilung in keiner Sache!
Tot sind wir noch nicht.
Der fünfte Matrose: Die Schlacht geht weiter!
Der erste Matrose: O, jetzt aber kommt alles in Ordnung,
nicht wahr, jetzt?
Ich sterbe. Jetzt werde ich sehen?
Der vierte Matrose: Sehen wirst du wohl nichts.
Der fünfte Matrose: Hört ihr nichts? Ist es still?
Ist die Schlacht gewonnen?
Der vierte Matrose: Wirst du wohl auch nie wissen.
Der fünfte Matrose: Mach deine Augen auf du dort!
Der vierte Matrose: Bist du es, Meutrer? Es ist still.
Der fünfte Matrose: Nein höre, die Schlacht geht weiter.
Der vierte Matrose: Sage mir! Oder wozu?
Ist ja alles gleich von Beginn bis Ende.
Oder vielleicht:
Warum hast du nicht gemeutert?
Der fünfte Matrose: Die Schlacht geht weiter, hörst du?
Mach deine Augen noch nicht zu.
Ich habe gut geschossen, wie?
Ich hätte auch gut gemeutert! Wie?
Aber schießen lag uns wohl näher? Wie?
Muß uns wohl näher gelegen haben?
Ende