Johann Wolfgang von Goethe
Tancred. Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire
Johann Wolfgang von Goethe

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Fünfter Aufzug

Fels und Wald, im Hintergrund eine Aussicht auf den Ätna.

 

Erster Auftritt

Soldaten, welche beschäftigt sind, aus Sarazenischer Beute Trophäen aufzustellen. Volk, von verschiedenem Geschlecht und Alter, das sich hinzudrängt. Zu ihnen Ritter und Knappen.

Loredan Erhebt das Herz in freudigem Gesang
Und Weihrauch laßt dem Gott der Siege wallen!
Ihm, der für uns gestritten, unsern Arm
Mit Kraft gerüstet, sei allein der Dank!
Er hat die Schlingen, hat das Netz zerrissen,
Mit denen uns der Glaubensfeind umstellt.
Wenn dieser hundert überwundne Völker,
Mit ehrnem Stab, tyrannisch niederdrückt;
So gab der Herr ihn heut' in unsre Hand.
Errichtet Siegeszeichen auf dem Platze,
Wo diese Wundertaten euch befreit,
Und schmücket, fromm, die heiligen Altäre
Mit der Ungläub'gen besten Schätzen aus.
O! möge doch die ganze Welt von uns,
Wie man sein letztes Gut verteidigt, lernen!
O möge Spanien, aus seinem Druck,
Italien, aus seiner Asche blicken!
Ägypten, das zertretne, Syrien,
Das fesseltragende, nun auch
Zum Herren, der uns rettete, sich wenden!
Doch im Triumphe laßt uns nicht Arsirs
Und seiner Vaterschmerzen nicht vergessen!
O daß auch ihm das allgemeine Glück
In seines Hauses Jammer Tröstung bringe!
Und nun, wo ist der Ritter, der für uns,
Wie alle rühmen, diesen Sieg erfocht?
Hat ein Triumph so wenig Reiz für ihn?
Und könnt' er uns des Neids verdächtig halten?
Wir sind geprüft genug, ein fremd Verdienst
In seinem vollen Werte zu verehren.
    Zu Roderich.
Er focht in deiner Nähe, wie ich weiß;
Kannst du von ihm, o Herr, uns Nachricht geben?
Er hat so edel die Gefahr geteilt,
Will er nicht auch die Siegesfreude teilen?

Roderich Vernehmt den sonderbarsten Fall durch mich.
Indessen ihr des Ätnas Felsenwege
Verteidigtet, entfaltete die Schlacht,
Mit Ungestüm, sich an dem Ufer hin.
Er war der Vorderste, war weit voraus,
Und wir erstaunten, in dem tapfern Manne
Nicht die Besonnenheit des Muts zu sehn,
Die in dem Schlachtgewühl dem Führer ziemt;
Verzweiflung trieb ihn der Gefahr entgegen.
In abgebrochnen Worten, wilden Blicken,
Entdeckte sich ein ungemess'ner Schmerz.
Er rief nach Solamir, oft rief er auch,
Mit Ungestüm, Amenaidens Namen.
Er schalt sie treulos; manchmal schien sogar
Sich seine Wut in Tränen aufzulösen.
Er weihte sich dem Tode freventlich,
Er gab sich auf und, fürchterlicher nur,
Erkämpft er, statt des Todes, sich den Sieg.
Die Feinde wichen seinem Arm und uns,
Und unser war das freie Schlachtgefild;
Doch er empfand von seinem Ruhme nichts.
Gesenktes Blickes, tief in Traurigkeit
Verloren, hielt er unter unserm Chor.
Doch endlich ruft er Aldamon heran.
Umarmt ihn weinend, spricht ihm heimlich zu.
Auf einmal sprengen beide fort; der Held
Ruft noch zurück: Auf ewig lebet wohl!
Wir stehn bestürzt, daß solch ein edler Mann
Nach solchem Dienst sich uns verbergen will.
Auf einmal aber stürzt Amenaide
Durch der Soldaten dicht gedrängte Schar,
Entstellt und bleich, den Tod in ihren Blicken.
Sie ruft Tancreden, irrt an uns heran,
Ihr Vater folgt und sie, ermattet, sinkt
An seine Brust; wir eilen ihn zu stützen.
Der Unbekannte, ruft er, ist Tancred!
Er ist der Held, der solche Wunder leistet.
Amenaiden rächt er, rächt den Staat,
Und eilet uns zu retten, die wir ihn
Einstimmig, als Rebellen, heute noch,
Behandelt. Sucht ihn auf und führet ihn,
Entsühnet, im Triumph, zur Stadt zurück!

Loredan Wo ist er? daß die schönste Zierde nicht
An unserm holden Siegestage fehle.
Führt ihn heran, damit wir zeigen können,
Daß, wenn wir einen edlen Mann verkannt,
Wir den geprüften gleich zu ehren wissen.

 

Zweiter Auftritt

Die Vorigen, Arsir. Später Amenaide, im Hintergrund, von ihren Frauen unterstützt.

Arsir O! eilt ihn zu befreien! ihn zu retten!
Tancred ist in Gefahr. Verwegen trieb
Sein Eifer ihn dem flieh'nden Feinde nach,
Der wieder sich versammelt, wieder ficht.
Mein Alter, ach! erlaubt mir nur zu klagen.
Ihr, deren Kühnheit sich mit Stärke paart,
Die noch der Jugend Heldenkraft beseelt,
Verbunden, eilet hin und gebt Tancreden
Euch, mir und dieser Hartgekränkten wieder.

Loredan Genug! die Zeit ist kostbar, folget mir!
Wenn wir das Übermaß der Tapferkeit
Nicht loben können, diese düstre Wut,
So sind wir doch ihm schnelle Hülfe schuldig.

 

Dritter Auftritt

Arsir. Amenaide.

Arsir So hörst du denn, o Gott! des Vaters Flehn?
Du gibst mir endlich meine Tochter wieder,
Den Mann uns wieder dem wir alles danken.
Die Hoffnung darf, geliebte Tochter, nun
In unserm Herzen wieder sich entfalten.
Wenn ich dich selbst verkannt, wenn ich dein Unglück
Aus Irrtum selbst verschuldet, wenn ich's ganz
Mit dir empfunden und getragen; laß
Mich nun es end'gen, wenn der Edle kommt!
Laß diesen Trost in deine Seele leuchten!

Amenaide Getröstet werd' ich sein wenn ich ihn sehe,
Wenn er, den ich mit Lieb' und Graun erwarte,
Gerettet kommt und sich gerecht erzeigt,
Wenn ich vernehme, daß er mich nicht mehr
Verkennt und seinen Argwohn tief bereut.

Arsir Ich fühle nur zu lebhaft, o Geliebte!
Was du in dieser harten Probe leidest.
Von solcher Prüfung heilt im edlen Herzen
Die Wunde kaum, die Narbe bleibt gewiß,
Das Nachgefühl des Schmerzens bleibt mit ihr.
Doch meine Tochter denke daß Tancred,
Den wir verhaßt, den wir verfolgt gesehen,
Geliebt, bewundert, angebetet kommt,
Und solch ein Glanz dich nun mit ihm verklärt.
Je höher sich Tancred, je herrlicher,
Durch unerwartet große Taten stellte,
Um desto schöner werden Lieb' und Treue,
Die du ihm rein und ganz gewidmet, glänzen.
Wenn sonst ein guter Mensch nur seine Pflicht
Zu tun versteht, erhebet sich der Held;
Er überfliegt gemeiner Möglichkeit
Bescheidne Grenze, ja, der Hoffnung selbst
Eilt er zuvor. So tat für uns Tancred,
Und über alle Hoffnung wird auch er
Dich treu und seiner Liebe wert entdecken.
Er wendet seine Neigung ganz dir zu,
Das Volk bewundert und verehrt auch dich.
Dies alles zu bewirken, seinen Irrtum
Aus seiner Seele schnell hinweg zu scheuchen,
Bedarf's ein Wort.

Amenaide                   Es ist noch nicht gesprochen!
Was kann mich jetzt des Volks Gesinnung kümmern,
Das ungerecht verdammt, leichtsinnig liebt
Und zwischen Haß und Mitleid, irrend, schwankt.
Nicht seine laute Stimme rührt mein Herz;
An eines Einzigen Munde hängt mein Ruf.
Ja, führe dieser fort mich zu verkennen;
Ich wollte lieber in den Tod mich stürzen,
Als länger seiner Achtung zu entbehren.
Ja, wisse – muß ich auch noch dies gestehn! –
Als meinen Bräutigam verehrt' ich ihn,
Ihm hat die Mutter, sterbend, mich gegeben,
Ihr letzter Seufzer hat uns noch gesegnet,
Und diese Hände, die sie erst verbunden,
Vereinten sich die Augen ihr zu schließen.
Da schwuren wir, bei ihrem Mutterherzen,
Im Angesicht des Himmels, bei dem reinen
Verklärten Geist, bei dir, unsel'ger Vater,
Uns nur in dir zu lieben, für dein Glück,
Mit kindlichem Gehorsam, uns zu bilden.
Ich sah, statt des Altars, ein Mordgerüst;
Mein Bräutigam verkennt mich, sucht den Tod,
Und mir bleibt das Entsetzen meiner Schmach;
Das ist mein Schicksal.

Arsir                                   Das nun sich erheitert.
Mehr als du hofftest wird noch dir gewährt.

Amenaide Ach! Alles fürcht' ich!

 

Vierter Auftritt

Arsir, Amenaide, Euphanie.

Euphanie                                     Teilet Freud' und Jubel!
Empfindet, mehr als wir, ein Wunderglück!
Tancred hat abermals gesiegt, den Rest
Auf ihn vereinter Flüchtiger zerstreut.
Und Solamir, von seiner Hand getötet,
Liegt nun, als Opfer des bedrängten Staats,
Als Pfand zukünft'ger Siege, zur Entsühnung
Gekränkter Frauenehre hingestreckt.
Wie schnell verbreitet sich der Ruf umher!
Wie freudetrunken fliegt das Volk ihm zu,
Und nennt ihn seinen Helden, seinen Schutz;
Des Thrones würdig preis't man seine Taten.
Ein Einziger von unsern Kriegern war,
Auf diesen Ehrenwegen, sein Begleiter:
Der Aldamon, der unter dir gedient,
Errang sich einen Teil an diesem Ruhm.
Und als zuletzt noch unsre Ritter sich,
Mit Ungestüm, zum Platz des Kampfes stürzten,
War alles längst getan, der Sieg entschieden.
    In der Ferne Siegsgesang.
Vernehmt ihr jener Stimmen Hochgesang?
Die über alle Helden seines Stammes,
Ihn über Roland, über Tristan heben.
Ihm reichen tausend Hände Kranz um Kranz.
Welch ein Triumph der dich und ihn verklärt!
O teile, komm! den herrlichen Triumph;
Du hast ihn längst verdient und längst vermißt.
Dir lächelt alles nun und jeder schämt
Sich jener Schmach, mit der er dich verletzt.
Tancred ist dein, ergreife den Besitz!

Amenaide Ach! Endlich atm' ich wieder und mein Herz
Eröffnet sich der Freude. Teurer Vater!
Laß uns den Höchsten, der auf solchen Wegen
Mir das Verlorne wiedergibt, verehren.
Vom herben Schmerz durch seine Hand befreit,
Fang' ich, so scheint mir, erst zu leben an.
Mein Glück ist groß; doch hab' ich es verdient.
Vergessen will ich alles. O! verzeih
So manchen Vorwurf, manche bittre Klage,
Womit ich, edler Vater, dich gekränkt,
Und wenn Tancredens Unterdrücker, wenn
Sich Feinde, Bürger ihm zu Füßen werfen;
Die Wonne fühl' ich ganz, denn er ist mein.

Arsir Und ganz genießt dein Vater sie mit dir. –
Ist dies nicht Aldamon? der, mit Tancreden,
Sich in den Feind, mit echter Treue stürzte,
Er, der auch unter mir so brav gedient.
Vermehrt er die Gewißheit unsres Heils?
Durch einen wackren Boten wird die Wonne
Der guten Botschaft noch erhöht. Allein
Was seh' ich? Ungewisses Trittes naht er sich!
Ist er verwundet? Tiefe Schmerzen sind
Auf sein Gesicht gegraben!

 

Fünfter Auftritt

Arsir, Amenaide, Euphanie, Aldamon.

Amenaide                                 Sag' uns an:
Tancred ist Überwinder?

Aldamon                               Ja, er ist's!

Amenaide Verkündet nicht ihn dieser Siegeston?
    Klaggesang von Ferne.

Aldamon Der schon in Klagetöne sich verwandelt.

Amenaide Was sagst du? Soll uns neues Unglück treffen?

Aldamon Zu teuer ist des Tages Glück erkauft.

Amenaide So ist er tot?

Aldamon                       Sein Auge blickt noch auf;
Doch wird ihn seine Wunde bald uns rauben.
Als er, an meiner Seite, sich zum Tod
Getroffen fühlte, stützt' er sich gelassen
Auf meinem Arm und sprach: Ich sehe sie
Nicht wieder, die mir alles war, und die
Mich nun hieher getrieben. Eile hin
Und bring ihr noch ein schmerzlich Scheidewort,
Und sag ihr –

Arsir                     Gott! So grenzenlose Not
Verhängst du über uns! O teurer Mann!
Verschweig ihr eine Botschaft die sie tötet.

Amenaide Nein, sprich das Urteil nur entschieden aus!
Ich habe nichts als dieses Leben mehr,
Und dieses geb ich gern und willig hin.
Sprich sein Gebot, das letzte, sprich es aus!

Aldamon Nicht überleben könnt' ich den Gedanken,
So sprach er, daß sie mir die Treue brach;
Um ihretwillen sterb' ich; könnt' ich doch
Auch für sie sterben, daß sie Ruf und Namen
Und Lebensglück, durch meinen Tod, erwürbe.

Amenaide Er stirbt im Irrtum! Werd' ich so gestraft!

Arsir Verloren ist nun alles, nun der Köcher
Feindseliges Geschickes ganz geleert!
Und, ohne Hoffnung, ohne Furcht, erwarten,
Auch ohne Klage, wir den nahen Tod.
O! laß mich wenigstens, geliebtes Kind,
In dieser schrecklichen Verwirrung, noch
Die letzten Kräfte sammeln, laß mich laut,
Daß unsre Ritter, unser Vaterland,
Daß alle Völker hören, laß mich rufen:
So litt ein edles Herz! so war's verkannt!
Und alle Welt verehre deinen Namen.

Amenaide Und mag ein unerträglich herber Schmerz
Durch irgend einen Anteil milder werden?
Was kann das Vaterland? was kann die Welt?
Tancred ist tot.

Arsir                       So fahre hin, mein Leben!

Amenaide Tancred ist tot! und Niemand hat für mich
Ein Wort gesprochen, Niemand mich vertreten! –
Nein, diese letzte Hoffnung laß mir noch:
Er lebt! er lebt! so lange, bis er sich
Von meiner Lieb' und Unschuld überzeugt.
    Indem sie abgehen will, begegnet sie den Rittern, denen sie ausweicht.
Drängt mich auch hier die Tyrannei zurück!

 

Sechster und letzter Auftritt

Loredan, Roderich, Ritter, Soldaten, Volk, Amenaide, Arsir, Euphanie. Aldamon. Tancred, von Soldaten getragen, erst im Hintergrunde, Andere Soldaten mit eroberten Sarazenischen Standarten.

Loredan Beklagenswerte. Beide, die ihr bang
Dem Zug begegnet der sich stumm bewegt,
Wohl ist für euch der Schmerzen Fülle hier.
Verwundet, ehrenvoll und tödlich, naht,
Auf dieser Bahre, leider nun der Held.
In Leidenschaft und Wut gab er sich hin;
So hat er uns vollkommnen Sieg errungen.
Doch ach! wir hielten kaum des edlen Bluts,
Das uns errettet, heft'gen Strom zurück.
    Zu Amenaiden.
Der hohe Geist, der sich von hinnen sehnt,
Verweilt, so scheint es, noch um deinetwillen;
Er nennet deinen Namen, alles weint,
Und wir bereuen unsern Teil der Schuld.

Indessen er spricht, bringt man Tancreden langsam hervor.

Amenaide (aus den Armen ihrer Frauen, wendet sich, mit Abscheu, gegen Loredan)
Barbaren! mög' euch ew'ge Reue plagen!
    Sie eilt auf Tancreden los und wirft sich vor ihm nieder.
Tancred! Geliebter! grausam Zärtlicher!
In dieser letzten Stunde höre mich!
O! wende mir dein mattes Auge zu,
Erkenne mich im grenzenlosen Jammer!
O! gönne dann im Grab, an deiner Seite,
Mir, deiner Gattin, ehrenvollen Raum.
Ja, diesen Namen, den du mir versprachst,
Ich hab' ihn mir, durch Leiden, wohl verdient;
Ich habe wohl verdient daß du nach mir,
Der hartgeprüften, treuen Gattin blickst.
    Er sieht sie an.
So war' es denn zum Letztenmale, daß
Du mich ins Auge fassest! Sieh mich an!
Kann ich wohl deinen Haß verdienen? Kann
Ich schuldig sein?

Tancred (sich ein wenig aufrichtend).
                            Ach! du hast mich verraten.

Amenaide Ich dich? Tancred!

Arsir (der sich auf der andern Seite niederwirft, Tancreden umarmt und dann wieder aufsteht)
                                        O höre, wenn ich nun
Für die so sehr verkannte Tochter spreche!
Um deinetwillen kam sie in Verdacht;
Wir straften sie, weil sie an dir gehangen.
Gesetz und Rat und Volk und Ritter, alles
Hat sich geirrt, sie war allein gerecht.
Das Unglücksblatt, das solchen Grimm erregt,
Es war für dich geschrieben, ihren Helden;
So waren wir getäuscht und täuschten dich.

Tancred Amenaide liebt mich? Ist es wahr?

Amenaide Ich hätte Schmach und Schande wohl verdient
Und jenen Tod, aus dem du mich gerissen,
Wenn ich, unedel, deiner Liebe je,
Und meiner Pflichten gegen dich vergessen.

Tancred (der seine Kräfte sammelt und die Stimme erhebt)
Du liebst mich! Dieses Glück ist höher als
Mein Unstern. Ach! ich fühle nur zu sehr
Bei diesem Ton das Leben wünschenswert.
Ich glaubte der Verleumdung, ich verdiene
Den Tod. Ein traurig Leben bracht' ich zu
Und nun verlier' ich's, da das Glück sich mir,
An deiner Seite, grenzenlos eröffnet.

Amenaide Und nur in dieser Stunde sollt' ich dich,
Die uns auf ewig trennt, noch einmal sprechen!
Tancred!

Tancred       In deinen Tränen sollt' ich Trost
Und Lindrung fühlen; aber ach! von dir
Sollt' ich mich trennen! Herb ist solch ein Tod.
Ich fühl', er naht. Arsir, o höre mich.
Dies edle Herz hat seine Treue mir
Auf ewig zugesagt und mir erhalten,
Als Opfer selbst des traurigsten Verdachts;
O! laß denn meine blutig starre Hand,
Mit ihrer Hand, zuletzt, sich noch verbinden!
Laß mich als ihren Gatten sterben, dich
Als Vater noch umarmen!

Arsir                                     Teurer Sohn!
O könntest du für sie und alle leben!

Tancred Ich lebte, meine Gattin zu entsühnen,
Mein Vaterland zu rächen, sterbe nun
Umfaßt von beiden, und ich fühle mich
So würdig ihrer Liebe, wie geliebt.
Erfüllt sind meine Wünsche! Liebstes Weib!
Amenaide!

Amenaide         Komm!

Tancred                         Du bleibst zurück!
Und schwörst mir daß du leben willst –
    Er sinkt nieder.

Roderich                                                     Er stirbt!
An seiner Bahre schäme sich der Tränen
Kein tapfrer Mann; der Reue schäme sich
Kein Edler, der zu spät ihn erst erkannt.

Amenaide (die sich auf Tancredens Leichnam wirft)
Er stirbt! Tyrannen, weint ihr? die ihr ihn
Mißhandelt, ihn dem Tode hingegeben!
    Indem sie aufsteht und vorschreitet.
Verflucht sei der Senat! Verflucht ein Recht,
Das, ränkevoll, der herrschenden Partei,
Gesetzlich Treu und Unschuld morden lehrt!

O! reißet euch gewaltsam auseinander,
Des Berges ungeheure Feuerschlünde,
Die ihr das reiche Feld Siciliens
Im Finstern unterwühlet, reißt euch auf!
Erschüttert Syrakus, daß die Paläste,
Die Mauern stürzen! Sendet Feuerquellen
Aus euren Schluchten, überschwemmt das Land,
Und schlingt den Rest des Volkes, die Ruinen
Der großen Stadt, zur Hölle mit hinab!
    Sie wirft sich wieder auf den Leichnam.
O! mein Tancred!
    Sie springt wieder auf.
                            Er stirbt! ihr aber lebt!
Ihr lebt! ich aber folg' ihm! – Rufst du mich?
Dein Weib vernimmt die Stimme seines Gatten.
In ew'ger Nacht begegnen wir uns wieder,
Und euch verfolge Qual, so dort, wie hier!
    Sie wirft sich in Euphaniens Arme.

Arsir O! meine Tochter!

Amenaide                     Weiche fern hinweg!
Du bist mein Vater, hast an uns, fürwahr,
Des heil'gen Namens Würde nicht erprobt.
Zu diesen hast du dich gesellt! – Verzeih
Der kläglich Sterbenden! – Nur diesem hier
Gehör' ich an, im Tode bleib' ich sein.
Tancred!
    Sie sinkt an der Bahre nieder.

Arsir             Geliebtes, unglücksel'ges Kind!
O! rufet sie ins Leben, daß ich nicht,
Der Letzte meines Stamms, verzweifelnd sterbe!

 


 


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