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(1850)
Der dicke Tischler.Von Franz von Braunau (Fritsch).
Haltung und Führung des Stückes sehr gut, ja vortrefflich. Der Hauptgedanke aber mehr spaßhaft als komisch, oder, wenn man will, mehr komisch als dramatisch. Das Stück hat nämlich keine Handlung, d. h. weder Verwicklung noch Entwicklung, da der Spaß ohne Zweck unternommen wird und aufhört ohne Folge. Die Personen befinden sich in der Hauptsache am Schluß völlig in der nämlichen Lage wie zu Anfange. Dem Ganzen fehlt daher die eigentliche Spannung. Es ist uns völlig gleichgültig, ob der Tischler länger oder kürzer närrisch sein werde; es müßte nur, und zwar höchst wahrscheinlich, das Mitleid sich einmischen, was aber keine komische, sondern vielmehr peinliche Wirkung machen muß.
Gegen das Ende zu wird Brunelleschi Hauptfigur und das Lustspiel geht in das Künstlerdrama über, wodurch es aller Gebrechen der letztern Gattung teilhaft wird, vor allem, daß nicht mehr die allgemeine Menschennatur, sondern der spezielle Anteil an irgend einem Künstler oder Kunstwerke den Gehalt, das Interesse hergibt. Nun ist aber weder Brunelleschi noch die doppelte Kuppel des Domes in Florenz so lebendig in der Erinnerung der, wenigstens der deutschen Zuseher, als daß der Abschluß eines Gemütsanteiles sich irgend befriedigend darauf gründen ließe.
Der Verfasser sollte sein Stück ins Italienische übersetzen lassen. In Florenz würde es seine vollkommene Wirkung machen.
General Suwarow.
Man freut sich, in dem Verfasser einen so gescheiten, ja begabten Mann kennen zu lernen. Der Charakter Sumarows ist zwar von der Geschichte bis in die kleinsten Details gegeben, es ist aber nichts Geringes, alles, was er im Stücke thut und sagt, mit diesem gegebenen Charakter so völlig in Uebereinstimmung zu bringen. Ganz erfunden und in ihrer Art ebenso vortrefflich ist die Figur der Tochter des wunderlichen Helden. Auch gegen die übrigen Personen läßt sich teils nichts, teils nicht viel einwenden. Als Lustspiel betrachtet, bilden aber schon die Greuel der Einnahme von Praga ein sonderbares Ingredienz eines solchen.
Ferner ist die spezielle Komödienverwicklung, das Auftreten Nataliens als Pope und ihr Habhaftwerden der entscheidenden Briefschaften, so der kunstlosesten Volkspoesie, ja der Pantomime entnommen, daß ich nicht weiß, ob ein gebildetes Publikum sich derlei nur irgend werde gefallen lassen. Gerade die verständigsten Leute sind am meisten in Gefahr, unverständig zu werden, wenn sie aus dem Gebiete des Verstandes in das der erfindenden Phantasie übergehen sollen.
Endlich und hauptsächlich dürfte sich in der ganzen Schauspielerwelt kaum ein Künstler finden, der nicht sowohl in seinem Talente, als in der Großartigkeit seiner Menschennatur ein Gegengewicht fände gegen die Bouffonerien des blutbespritzten Possenreißers. Suwarows Charakter erscheint selbst in der Geschichte uns nur darum als möglich, weil er wirklich war.
Die Kunst dagegen leitet umgekehrt alle ihre Wirklichkeit aus der Möglichkeit und Begreiflichkeit her. Der Schauspieler hat keine Schlachten gewonnen, daß man ihm seine Bocksprünge darüber verzeihen sollte. Diese Trennung des Schauspielers von der dargestellten Person tritt aber jedesmal ein, wenn der Schein und die Sache in gar zu grellen Widerspruch gesetzt werden.
Man sage nicht: es geht den Dichter wenig an, ob ein Schauspieler für seine Rolle sich finde oder nicht. Der Verfasser hat offenbar selbst keine künstlerische Anschauung seines Helden vor sich gehabt. Er hat der Geschichte die getrennten Teile nachgebildet, ohne sich zu bekümmern, ob sie sich im Eindrucke möglicherweise verbinden ließen.
Morgen ist auch ein Tag!
Dem Stücke hilft nichts, daß der Verfasser ein gescheiter Mensch, die Anlage der Charaktere gut und das Gespräch nicht ohne Geist ist; die beinahe völlige Stofflosigkeit und die dadurch herbeigeführte gräßliche Langeweile schließen es nicht nur vom Preise, sondern selbst von der Möglichkeit der Aufführung aus.
Lustspiel und Lokomotive.
Der Gedanke, die beiden Preisaufgaben zum Inhalte eines Preislustspieles zu machen, recht gut und eigentlich originell. Dagegen die Motive der Handlung und Intrigue oft dagewesen und verbraucht. Wäre der dritte Akt so gut als die beiden ersten, so könnte man sich wenigstens einen guten Erfolg auf dem Theater versprechen. Für den Preis ist es denn doch gar zu bluettenartig.
Wie im goldenen Zeitalter.Von Karl Frenzel.
mit dem Motto: Honeste servit qui succumbit tempori (allenfalls, nach dem Wahlspruch zu schließen, von Raupach) habe ich gar nicht gelesen, da es so klein geschrieben ist, daß ich nicht eine Zeile, viel weniger das ganze Stück hinter mich bringen konnte.
Die Krone von Cypern.
Der Verfasser scheint gar nicht übel zu sein, das Stück aber ist im höchsten Grade langweilig. Wäre nicht einmal die Aufführung zu riskieren.
Der kategorische Imperativ.Von Bauernfeld.
Offenbar das beste von den Preislustspielen, die ich bis jetzt gelesen habe. Als Lustspiel läßt sich allerdings viel dagegen einwenden. Einmal ist es ziemlich ungeschickt, die beinahe vergessenen Narrheiten einer vergangenen Zeit – hier den kategorischen Imperativ der Kantianer – zu einem dramatischen Hebel für die Gegenwart zu brauchen; andererseits kann in keinem Lustspiele der letzte Akt vier Monate nach den früheren spielen. Im heroischen Trauerspiele geht das an. Dort ist die Einheit der Zeit eigentlich die Zeitlosigkeit; über der Großartigkeit der Ereignisse gibt man auf den Zeitverlauf gar nicht acht. Im Lustspiele aber, besonders wo, wie im gegenwärtigen, das Ganze auf seinen psychologischen Verwicklungen beruht, ist jedes Abbrechen eine Lücke, und Lücken darf kein Kunstwerk haben. Dagegen ist das Stück als Charaktergemälde und – da es sich hier um Lustspiele handelt – als lustiges, vortrefflich: der dicke Tischler entspricht den äußeren Erfordernissen mehr, der kategorische Imperativ aber hat alle inneren in einem bei weitem höheren Grade, darunter auch das der komischen Wirkung, welche bei ersterem höchst problematisch ist.
Peter und Magelone.
Abgeschmackt und im höchsten Grade langweilig. Was mich bei diesen schlechten Stücken kränkt, ist, daß sie offenbar von gescheiten Leuten herrühren. Daß Dummköpfe albernes Zeug schreiben, ist in der Ordnung, wenn aber die Vernünftigen in dieser Art radotieren, so liegt der Grund offenbar in der Verkehrtheit des allgemeinen Mediums. Ich fürchte beinahe, daß dieses romantische Lustspiel von Hermannsthal sei und ihn Hebbels Rubin zu derlei Selbstvergessenheiten gebracht habe.
Prudenza.
Die Figuren sehr gut charakterisiert, der Dialog vorzüglich, in dem Ganzen Spuren einer höchst schätzenswerten Bildung; was aber fehlt, ist das eigentliche Interesse. Der Mittelpunkt der Handlung, die Bekehrung einer femme savante, wird durch die Abenteuer eines verzogenen Kindes, des zwölfjährigen Prinzen, ganz verdeckt und in den Hintergrund geschoben. Dieser verliebte Knabe, der schon für sich an das Widerliche streift, wird noch dadurch um alle Geltung gebracht, daß er selbst und seine Begebenheiten nur zu sehr, en laid, an den Pagen in Figaros Hochzeit erinnern. Alles, was der femme savante geschieht, könnte jedem zwanzigjährigen Weibe ebenso gut geschehen und steht mit ihrer späteren Bekehrung in gar keinem Zusammenhange, höchstens daß sie einmal im Vorübergehen vom Herzoge ausgelacht wird, was aber keine große Wirkung auf sie machen kann, da sie ihn nicht einmal achtet, ja er überhaupt nicht sehr achtbar ist.
Alle spekulieren.
Das Stück ist allerdings mit einer Art derbem Geschick gemacht. Die Figur des Bedienten, der auf Aktien spekuliert, wäre gut genug. Aber die Roheit des Ganzen und daß die Verwicklung, an der es nicht fehlt, einerseits auf weit hergeholte Umstände gebaut ist, andererseits durch die Widerlichkeit der Charaktere und ihrer Verhältnisse abstoßend, ja langweilig wird, schließt dieses Machwerk (im bessern Sinne des Wortes) von aller Berücksichtigung aus.
Shakespeares Liebeslaunen.
Das Stück ist so übel nicht und könnte mit einigen Aenderungen sogar aufgeführt werden, besonders da eine allbekannte Anekdote zu Grunde liegt, so daß der Mattigkeit der Verwicklung durch ein biographisches Interesse zu Hilfe gekommen würde. Das Publikum möchte es kaum übelnehmen, daß der unsterbliche Wert Shakespeares schon von seinen Zeitgenossen in voller Geltung erkannt worden sei, sowie daß man schon damals bereit gewesen, dem ausgezeichneten Künstler ein Privilegium für alle Schwächen und Verirrungen des Lebens zuzugestehen. Die Personen sind gut, obgleich mit einem erborgten (shakespeareschen) Humor. Daß unter den Schauspielern auch eine Schauspielerin vorkommt, ist freilich ein schwer zu verdauender Anachronismus. Vom Preise wird es, gegenüber den andern, durch den Mangel an Eigentümlichkeit und an durchgreifendem Interesse ausgeschlossen.
Bankier Siegfried.
Bisher habe ich mangelhafte Stücke gelesen, langweilige, verfehlte; hier ist nun einmal auch ein schlechtes, und zwar um so mehr, als das Urteil über das Stück auf den Verfasser zurückschlägt. Hier fehlt es außer der poetischen Befähigung auch an der prosaischen.
Das Preislustspiel.Von Eduard Mauthner.
Dieses Stück (wahrscheinlich von Prechtler) verrät allerdings Talent. Einzelheiten sind sogar recht gut. Aber die Verwicklung ist zu roh und zu wohlfeil. Daß eine Frau demjenigen unter den eben Anwesenden ihre Hand verspricht, der ein Lustspiel geschrieben haben werde, das in der ausgeschriebenen Bewerbung den Preis erhält, erinnert an die Gattung der falschen Primadonna und der falschen Indianer in Krähwinkel, und wäre jedem eingefallen, dem die Erfindung nicht zu wohlfeil geschienen hätte. Dann, wenn sie auch in ihrem Liebhaber das meiste Talent voraussetzt, befindet sich in der Gesellschaft noch ein anderer Litterat, der Journalist Weller, abgerechnet den Fall, der auch später wirklich eintritt, daß jemand sich ein Lustspiel von einem andern werde machen lassen. Als der Liebhaber, um sie für ihren Leichtsinn zu strafen, sein Lustspiel dem Gecken Thalheim überläßt und dieses Lustspiel den Preis erhält, wird dem letzteren willkürlich die Bedingung gesetzt, daß er sich Schlag 10 Uhr zur Verlobung einfinden werde, und er inzwischen wegen Schulden in Arrest gesetzt. Auf diese Art hätte er seinen Anspruch auf Eugeniens Hand bereits verloren. Der wahre Autor will es aber noch weiter treiben, denn er hat versprochen, seine Autorschaft zu verschweigen, und er will den Gecken zwingen, selbst die Unterschiebung zu gestehen. Er kauft ihn daher aus dem Schuldenarrest los, so daß er zur Verlobung erscheinen kann; im Augenblick der Unterzeichnung aber erscheint ein als Polizeikommissär verkleideter Schauspieler, der den Verfasser wegen radikalen Inhaltes seines Stückes in Kriminalarrest führen will, wodurch denn die nötigen Geständnisse herbeigeführt werden. Es ist möglich, daß das Publikum über alle diese Plumpheiten hinausgeht und sich dabei köstlich amüsiert, aber die künstlerische Beurteilung kann sich derlei nicht gefallen lassen.
Querstreiche.Von Franz von Braunau (Fritsch).
Eine Bearbeitung von Molières Etourdi, wie der Verfasser selbst in einem kurzen Vorworte eingesteht. Da tritt nun von vornherein schon der Uebelstand ein, daß die naiven Verhältnisse und Ereignisse des Originals unserer Zeit noch viel entfernter liegen als der Zeit Molières und es eines doppelt so großen Talents als des seinigen bedürfte, um der Gegenwart dieselben annehmbar zu machen, welches Talent denn, wie natürlich, der Verfasser der Bearbeitung nicht hat. Ja, indem der Verfasser fühlte, daß die immer wiederkehrenden étourderies von Molières Liebhaber etwas willkürlich Einförmiges haben, suchte er dieselben nach Möglichkeit zu maskieren und aus dem Gesichtspunkte zu rücken, wodurch aber alles das, wozu bei Molière diese Figur durch die Absicht des Dichters gleichsam prädestiniert ist, in der Bearbeitung auf die Person selbst fällt, welche dadurch einen Grad von Albernheit bekommt, der das Interesse ausschließt. Alle diese Umstände, verbunden mit Mangel an dramatischem Geschick und komischer Kraft, machen in den zwei ersten Akten das Stück unendlich schwach, und es würde keine Besprechung verdienen, wenn nicht im dritten Akte eine höchst ingeniose Wendung einträte, die Molières selbst würdig wäre, da sie bei ihm nicht vorkommt. Lelio nämlich oder, wie er in der Bearbeitung heißt, Hilario, in Verzweiflung über die durch ihn herbeigeführten Störungen, beschließt, sich selbst die Möglichkeit zu neuen Unbesonnenheiten abzuschneiden. Er läßt sich von seinem Diener in sein Haus einschließen und schwört hoch und teuer, es unter keiner Bedingung zu verlassen. Nun brauchte aber jener Diener gerade sein Zeugnis zur Bekräftigung einer neu angezettelten Spitzbüberei. Er ruft ihn wiederholt und dringend, schließt selbst das Haus auf. Hilario aber, der glaubt, man wolle nur seinen Vorsatz auf die Probe stellen, weigert sich hartnäckig und vereitelt nun durch sein Nichthandeln die zu seinen Gunsten angelegten Pläne, wie vorher durch sein Handeln. Wie denn überhaupt der gute Gedanke die entsprechende Behandlung gleichsam von selbst herbeiführt, hebt sich das Stück an dieser Stelle auch in der Darstellung, sinkt aber bald wieder, da es die von vornherein angelegten Entwicklungsgänge einhalten muß. Bei Molière fällt der Schluß allerdings wie vom Himmel. Hier wird er weitläuftig angelegt, ohne darum befriedigender zu sein, ja die Vorbereitungen dazu beschweren durch das ganze Stück die Auffassung des Zusehers und machen am Schluß den Eindruck des Nichtkönnens, indes man bei Molière mit einem Nichtwollen davonkommt. Das »Dialektische« des dritten Aktes würde fast auf Bäuerle als den Verfasser hindeuten, wenn nicht das Ungeschickte der zwei ersten Akte wäre. Das Talentlose derselben würde mich nicht irre machen.
Estella von Deinhardstein.
Da ist nun gleich, was zwar das Stück nichts angeht, wohl aber den Verfasser, ehemaligen Theaterdirektor, Zensor und Redakteur der Jahrbücher der Litteratur (!), die krasseste Unwissenheit offen zu Tage liegend. Er weiß nicht einmal, daß erst Ludwig XIV. die Gärten von Versailles angelegt; Haarbeutelperücken zur Zeit Franz des Ersten! Der Unkunde der deutschen Sprache nicht zu gedenken. So wie Bauernfeld in allen seinen Stücken auf den Schauspieler Fichtner spekuliert, so spekuliert Deinhardstein auf Löwe. Als Rolle für letzteren kommt in vorliegendem Stücke auch Benvenuto Cellini vor. Aber was für ein Cellini? Der seinem Originale gerade so gleicht, wie Hans Sachs dem seinigen. Es fehlt nicht an einigen Theaterkniffen, die, von einer vorzüglichen Darstellung unterstützt, auf ein ungebildetes Publikum Wirkung machen können; das Ganze aber so leer an Charakteristik, an innerem Interesse und künstlerischer Haltung, daß das vorherrschende Gefühl das des Ekels ist.
Sammeln und Genießen.
Habe ich der blassen Tinte und meiner Augen wegen, besonders in der zweiten Hälfte, ziemlich oberflächlich gelesen. Ist ein wenig gar zu bürgerlich und kann nur darum ein Lustspiel heißen, weil es kein Trauerspiel ist. Wäre nicht das burleske Motto und noch dazu aus der Rolle des Kapuziners in Wallensteins Lager, so würde ich auf die Prinzessin Animalia von Sachsen als Verfasser raten. Kann nicht in Betracht kommen.
Heinrich und Alexis oder Schicksalstücken.Von Leopold Feldmann.
Da ist nun ein Talent fürs Komische, das besonders, wenn der Verfasser ein noch junger Mann ist, etwas für die Zukunft erwarten läßt; vorausgesetzt, daß der zweite Akt, der beste des Ganzen, nicht etwa einer ähnlichen Situation aus einem französischen Lustspiel nachgebildet ist, was ich beinahe fürchten muß, da ein Geschick dieser Art unter uns Deutschen höchst selten ist. Dieser Vorzug wird aber mehr als aufgewogen durch einen beträchtlichen Grad von Roheit, und zwar nicht nur einer künstlerischen im Plan, und in den Ereignissen, sondern auch einer moralischen, da die ergötzliche Person des Stückes durch den unverhüllt ausgesprochenen Wunsch, seiner Gattin baldmöglichst durch den Tod entledigt zu werden, geradezu Abscheu erregen muß. Mit einer durchgreifenden Umarbeitung, aber auch nur so, könnte ein gutes Stück daraus werden.
Der Teuerdank.
Ein Stück in Versen, in Reimen sogar, die aber, so verdienstlich sie sonst sein mögen, doch im Drama keine gute Wirkung machen, da es Klappreime sind, die der Natürlichkeit des Dialogs Eintrag thun. Die Personen teils lyrisch allgemein, teils dramatisch karikiert. Die Verwicklung schon öfter dagewesen, nicht glücklich angelegt und geführt, das Stück daher auch ohne Interesse. Es dringt sich wieder die Bemerkung auf, daß die Verfasser, die man als Menschen und als überhaupt begabt, am meisten schätzen möchte, sich in diesen Lustspielen als die schwächsten zeigen.
Gleich und gleich.
Vielleicht von Raupach. Wenigstens hat es alle Vorzüge, die man von einem so verständigen und begabten Manne voraussetzen kann, und zugleich jene Gebrechen, die mitunter bei Raupachs besten Stücken dem harmonischen Eindruck im Wege stehen. Glücklicherweise lassen sich diese Gebrechen in dem vorliegenden Lustspiele durch kleine Aenderungen, ja durch bloßes Wegstreichen verbessern, ohne daß sie ihm darum weniger zur Last fielen. Da ist nun von vornherein der Gedanke, daß das Fräulein vom Hause sich in den Bedienten ihres abwesenden Cousin verliebt, dadurch, daß sie im Namen ihrer ungebildeten Kammerjungfer mit diesem Bedienten korrespondiert, wobei sie von dessen Briefen entzückt wird; welche Briefe aber, ohne daß sie es ahnet, aus denselben Gründen im Namen des Bedienten von dem Herrn desselben geschrieben werden. Ein an sich sehr glückliches Motiv. Nur hat der Verfasser nicht gefühlt, daß – was auch das bekannte russische Trauerspiel Raupachs widerlich macht – ein Sklave Träger der Poesie sein kann, ein Leibeigener; ein Bedienter aber nie. Aufs allerhöchste erst dann, wenn wir uns vorher durch Aug und Ohr von seiner edlen Natur hinreichend überzeugt hätten, wozu ein paar vorgelesene Stellen aus einem Briefe desselben bei weitem nicht hinreichen. Daß der Cousin auf Reisen sich in das Kammermädchen aus ihren vermeinten Briefen verliebt, dagegen ist nichts einzuwenden; die Cousine aber muß sich höchstens von Mitleid hingerissen, sympathisch berührt finden und nicht in voller Liebesglut, wie hier geschieht; was sich aber, wie gesagt, durch Wegstreichen einzelner Ausbrüche ins Gleiche bringen läßt. Dieser im Grunde magere Stoff ist mit so viel Kunst ausgesponnen (vielleicht zu sehr für die Bühnenwirkung), die Personen sind so gut gehalten, namentlich das Kammermädchen, der Bediente, der Herr vom Hause, daß man sich wenigstens nicht gegenüber der Kunst zu schämen braucht, wenn man dem Stücke den Preis zuerkennt. Nun gefällt mir allerdings Bauernfelds kategorischer Imperativ – nicht als Lustspiel, wohl aber als Kundgebung eines glücklicheren Naturells – besser; aber der Preis ist nicht von einer Akademie der Wissenschaften oder Künste, sondern von einer Theaterdirektion ausgeschrieben, die Aufführbarkeit gehört daher unter die notwendigen Erfordernisse. Beim kategorischen Imperativ wird aber weder die Aufführung von der Behörde zugelassen werden, noch ist es nach echten Kunstansichten zu rechtfertigen, daß in dem Bankier jenes Stückes eine bestimmte Person, der Baron Rothschild nämlich, dem öffentlichen Gelächter preisgegeben werde.
Ein deutscher Schriftsteller.
Habe ich wegen Kleinheit der Schrift und Blässe der Tinte nicht lesen können. Es ist aber schon die Idee unglücklich, Lessing zum Helden eines Stückes zu machen und sich einzubilden, man könne einen solchen Heroen des Geistes seiner würdig reden und handeln lassen. Uebrigens scheint der Verfasser nicht übel, obgleich Lessing schon gleich anfangs so von seinem Werte spricht, als allenfalls wir von ihm sprechen. Transeat!
Witwen.
Das Ganze beinahe stofflos, oder vielmehr was darin dem Stoffe angehört, eher den Eindruck störend als fördernd. Ueberhaupt der Fehler des Verfassers, daß er sowohl in der Fabel als in der Behandlung eine augenblickliche Wirkung von dem erwartet, was erst die Reflexion zur Geltung bringen kann. Die Verwicklung, die aus der heimlichen Ehe der einen der beiden Witwen hervorgeht, das Wunderlichste und Unwahrscheinlichste, was man sich denken kann. Die Entwicklung besteht nur darin, daß die Leute sich endlich gefallen lassen, was unverändert bleibt. Von den Personen einige sehr gut, namentlich die zweite Witwe, und in dem Dialog Stellen und Züge, die dem Verfasser die größte Ehre machen. Nach der Adresse scheint er ein Landsmann. Ich möchte ihn wohl kennen lernen.
Mademoiselle Histoire.
Schon der politisch revolutionäre Hintergrund widerlich, obgleich im ausgleichenden Sinne aufgefaßt. Die Verwicklungen teils nicht geschickt angelegt, teils in ihren Resultaten übereilt und unbefriedigend. Von den Personen höchstens der alte Registrator, der eine vorübergehend komische Wirkung verspricht.
Das Krämermädchen.
Gegen das Stück läßt sich wenig einwenden, nur ist die Verwicklung zu durchsichtig, steigert sich nirgends zur eigentlichen Spannung und die Entwicklung kündigt sich schon zu früh an. Wäre zum Accessit zuzulassen. Nur müßte die erste Bekanntschaft des Barons mit dem vermeinten Krämermädchen von etwas länger datieren. In der gegenwärtigen Fassung ist das Ganze zu romanhaft, ohne romantisch zu sein.
Das Maskenfest zu Fischbach.
Man muß das Stück bis zu Ende lesen, um erst am Schluß sich zu überzeugen, daß es nicht so ganz und gar unsinnig ist, als man während des ganzen Verlaufes glauben mußte.
Der Täufling des Kardinals.
Schade, daß das unbestreitbare Talent des Verfassers für das Lustspiel durch eine wunderliche Wendung des Stoffes unwirksam gemacht wird. Daß der Kardinal Mazarin, um die Liebe des Königs zu seiner Nichte im Keime zu ersticken, ihr einen Scheinliebhaber gibt und hierzu einen ehemaligen Schenkjungen wählt, ist so außer aller Konvenienz und Wahrscheinlichkeit, daß die, ohnehin erst gegen das Ende wie aus der Luft herabfallende Intrigue, alles befriedigenden Eindrucks entbehrt. Zudem sind mir im Lesen – vielleicht nur aus Mangel gespannter Aufmerksamkeit – so Plan als Mittel ziemlich undeutlich geblieben. Es ist zu fürchten, daß im Fortrollen der Vorstellung dasselbe auch dem Zuseher begegnen werde. Ich glaube fast, das Stück ist von Holtei.
Die Grundsätzlichen.
Wenn das Stück, wie sie sagen, von Raupach ist, so hat ihm das Alter mehr Schaden zugefügt als mir; denn ich weiß doch, daß das schlecht ist, was ich schreibe, und ich halte damit zurück. Die Grundsätzlichen haben eine zweifache Intrigue, nicht aber eine Doppelintrigue, wo zwei nebeneinander herlaufen, was sehr gut angeht, sondern zwei die hintereinander kommen und sich ablösen. Nun kann ein Lustspiel zwanzig Intriguen als Mittel zu demselben Zwecke haben, wie der Etourdi oder die Fourberies de Scapin, oder vier bis fünf wie der Barbier von Sevilla; aber zwei, das hebt die Einheit des Stückes auf. Zudem sind die Verwicklungen beide so ohne Zartgefühl und Delikatesse, daß sie nur anwidern können. Als ich Raupach, bloß wegen des Wertes der Behandlung, für den Verfasser von Gleich für gleich hielt, habe ich ihm zu viel Ehre angethan. Das gegenwärtige Stück ist viel schlechter, halb pedantisch und halb roh.
Ein Geheimnis.
Der bedeutend langweilige Anfang geht später in das Niederträchtige über. Die Art, wie die Briefe, welche das Geheimnis bilden, von allen Personen des Stückes durch verschiedene Mittel und zu verschiedenen Zwecken gleich eifrig gesucht werden, hat etwas einer künstlerischen Verwicklung Aehnliches. Nur schade, daß die Majorin, als Hauptinteressentin, nur ihrem Manne zu sagen braucht, daß sie, bevor sie ihn gekannt, mit seinem nun bereits verstorbenen Freunde in einem Liebesverhältnis gestanden habe, um die ganze Intrigue zu Wasser zu machen. An diesem Grundübel würde das Interesse scheitern, wenn es auch nicht zu Lüge, Betrug, ja eigentlichem Diebstahl seine Zuflucht nehmen müßte.
Das Fräulein von Reval.
Offenbar von einem ältern Manne. Haltung und Führung, wie sie allenfalls von einem Verehrer der Minna von Barnhelm zu erwarten wäre, mit welchem Stücke das vorliegende – versteht sich: aus gehöriger Entfernung – eine gewisse Familienähnlichkeit hat. Der Hauptfehler besteht darin, daß man schon beim ersten Eintreten der Verwicklung, in den ersten Scenen des Stückes, die ganze Entwicklung voraus weiß. Das ist kein Fehler des Verfassers, dem offenbar um ein solches Geheimhalten gar nicht zu thun war; wohl aber ein Fehler für den Zuseher, da das Stück dadurch aller Spannung entbehrt. Die Figuren und Begebenheiten, in denen auf diese Art das Interesse sich allein konzentriert, sind, obwohl großenteils recht gut, doch nicht bedeutend genug, um für sich allein die Aufmerksamkeit zu fesseln. Der Eindruck dürfte daher ein sehr matter sein.
Der Liebesbrief.Von Roderich Benedix.
Gehört unter die bessern der eingesandten Stücke, obgleich der Liebesbrief, der in drei verschiedenen Exemplaren an drei verschiedene Frauenzimmer gelangt, und von dem man eine Verwicklung erwartet, in einen bloßen Spaß ausgeht, da er auf die Handlung gar keinen Einfluß nimmt. Verdiente allenfalls die Aufführung.
Bühne und Leben.
Die Geschichte von Garriks Engagement auf dem Londoner Theater. Es bewegt sich immerfort im Kreise und bleibt daher auf dem nämlichen Punkte stehen. – Es würde ungeheuer ermüden, um nicht zu sagen langweilen, obgleich das Einzelne nicht ohne Geschick, ja selbst nicht ohne Talent ist.
(1851.)
Das gekrönte Preisstück »Der kategorische Imperativ« hat in der Darstellung nicht gefallen, oder, wie manche behaupten, sogar mißfallen. Ich will hier weder eine Apologie des Stückes schreiben, noch der Preisrichter, unter die ich auch gehöre, sondern den Sachverhalt darlegen und daran einige Bemerkungen knüpfen.
Unter den 103 Stücken, welche zur Bewerbung um den Preis eingingen, fand sich keins, das ihn verdient hätte. Eines darunter von unserm Landsmann Fritsch war vortrefflich, ja musterhaft gemacht; der Verfasser hatte sich aber im Stoffe vergriffen. Ein zweites, aus der russischen Geschichte, zeugte von einer ausgezeichneten Geisteskraft des Verfassers, aber die eigentliche Lustspielverwicklung war unendlich schwach und es trat auch der Umstand ein, daß die Hauptfigur möglicherweise gar nicht darzustellen war. Ein drittes in fünf Akten, im besten Tone des ältern Lustspiels gehalten, war zu sehr ausgesponnen und trainierte, besonders im letzten Akte, hätte auch bei der Aufführung eine dem Umfange nach geringe, aber höchst wesentliche Aenderung erfordert, welche gegenüber den andern Preisbewerbern nicht vorgenommen werden konnte. Ein viertes, ohne Anstand aufzuführendes, hatte doch zu wenig Qualitäten, um es aus dem Standpunkte der Kunst bevorzugen zu können.
Es blieb daher nichts übrig, als aus so vielen mangelhaften Stücken dasjenige auszuwählen, das gerechten Anforderungen doch wenigstens am nächsten kam.
Der kategorische Imperativ (schon der Titel ist ein Mißgriff) hat alle Mängel der frühern Bauernfeldschen Stücke, und, die Wahrheit zu sagen, wenig von ihren Vorzügen, Letztere schienen aber doch immer genug, um auch in der Darstellung jenes Interesse zu erwecken, das man bei der Lesung lebhaft empfunden hatte. Man spreche mir hier nicht von dem Unterschiede der Lektüre und der Darstellung. Der Schreiber gegenwärtiger Zeilen kennt diesen Unterschied genau und weiß sehr gut, was sich darstellen läßt und was nicht.