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Garten im königlichen Schlosse auf dem Hradschin. In der Mitte des Hintergrundes ein Ziehbrunnen mit einem Schöpfrade.
Heinrich Thurn und Graf Schlick kommen mit einigen bewaffneten Bürgern.
Thurn. Stellt Wachen aus, besetzt die äußern Pforten!
Von hier aus ließ den Feind man in die Stadt,
Darum bewahrt vor allem den Hradschin.
(Die Bürger gehen.)
Schlick. Scheint's doch ein Wunder fast, daß wir gerettet.
Thurn. Das Wunder war der Mut, die Tapferkeit
Der wackern Bürger unsrer Altstadt Prag.
Der Feinde Plan war listig angelegt.
Hier oben von Verrätern eingelassen,
Drang ihre Schar nur langsam, zögernd vor,
Als ob den Widerstand der Gegner scheuend;
Doch desto schneller fliegt durch Seitengassen
Ihr Reitertrupp der Moldaubrücke zu,
Die Altstadt, wohl im Schlaf noch, überfallend.
Schon füllt die Brücke sich mit Roß und Mann,
Schon dringen, die zuvörderst, in die Stadt;
Da fällt mit eins das Gitter vor das Tor
Und von dem Turm aus Büchsen und Kartaunen
Ergießt sich Feuer auf die wilde Schar.
Die Rosse bäumen und die Reiter stürzen,
Der Vortrupp weicht, der Nachzug drängt nach vorn,
Ein unentwirrter Knäuel füllt die Brücke
Entladend in die Moldau sein Gedräng';
Bis endlich Schrecken, mächt'ger als die Raubgier,
Nach rückwärts treibt den lauten Menschenstrom,
Sich überstürzend und den Nachbar schäd'gend,
Ins eigne Fußvolk bricht die Reiterei,
Daß unsern Bürgern, die im Ausfall folgen,
Die Mühe nur des Schlachtens übrig bleibt.
Die Wege die er kam, verfolgt der Rückzug,
Und Bürgertreue schließt die Einbruchspforte,
Die Rachsucht öffnete und der Verrat.
Schlick. Doch sind sie stark noch außen vor der Stadt.
Thurn. Seid unbesorgt! Der räuberische Durchzug
Von Passau her durchs obre Österreich
Bis fern nach Böhmen, blieb nicht unbewacht,
So wie er unvorhergesehen nicht.
Von ringsum sammeln sich die Garnisonen,
Der Landmann greift zur Wehr, und der Erzherzog,
Mathias, derzeit noch von Ungarn König,
Und bald von Böhmen, denk ich, etwa auch
Er ist zur Hand, rasch folgend ihrer Ferse.
Ja nur, weil nicht gewachsen ihm im Feld,
Versuchten sie heut nacht den Überfall.
Von hier verdrängt, ihr Zufluchtsort verloren,
Zerstäubt in alle Winde bald die Schar.
Schlick. Allein was tun wir selbst?
Thurn. Man wirbt um euch.
Verhaltet euch wie die verschämte Braut,
Der neue Freier bringt euch neue Gaben.
(Herzog Julius kommt mit einem Hauptmanne, der einen Schlüssel trägt.)
Julius. Ihr Herrn ist das wohl Fug und Recht? Man stellt
Im Schlosse Wachen wie in Kerkermauern,
Selbst vor des Kaisers fürstliches Gemach.
Man fordert ab die Schlüssel aller Pforten,
Des Eingangs Freiheit und des Ausgangs hemmend.
Zuletzt noch diesen, der vor allem nötig.
Er führt zum Turm, in den man rück Don Cäsar
Den unglückselig wildverworrnen brachte,
Im Wahnsinnfieber gen sich selber wütend.
Die Ärzte haben, Blut mit Blut bekämpfend,
Die Adern ihm geöffnet an dem Arm.
Er braucht des Beistands und des freien Zutritts,
Drum fordr' ich diesen Schlüssel hier von Euch.
Thurn. Doch deucht mich, daß Don Cäsar, eben er,
Verbunden mit den Räubern heute nacht,
Teilnahm an all dem Greuel der geschah,
Weshalb er in Gewahrsam nur mit Recht.
Julius. Der Richter wird erkennen seine Schuld.
Thurn. Man weiß noch nicht wer Richter hier im Land.
Julius. Doch wohl nicht Ihr?
Thurn. Verhüt' es Gott!
Doch auch nicht jene, die des Unheils Stifter,
Als schuldig etwa selber sich gezeigt.
Wir harren eines Höhern, der schon naht.
Allein damit Ihr seht, daß Euer Wert
Als Fürst des Reiches und als Ehrenmann
Auch hier im fernen Böhmen anerkannt;
Nehmt diesen Schlüssel; ob zwar auf Bedingung:
Daß nur der Eintritt und für Ärzte nur,
Nicht auch der Austritt etwa gar für ihn
Geknüpft an diesen Bürgen seiner Haft.
Julius. Ich dank Euch edler Graf, und bin erbötig
Zu gleichem Dienst, kommt Ihr in gleichen Fall.
Doch jetzt nehmt Euern Abschied, wenn's beliebt.
Von fern seh ich des Kaisers Majestät,
Den Ihr vertrieben aus der Burg Gemächern,
Gönnt ihm den Atem in der freien Luft.
Thurn. Die Luft ist frei für jeden, doch die Burg
Verschließt man gern vor Untreu und Verrat.
(Er entfernt sich mit seinem Begleiter.)
(Der Kaiser kommt, von Rumpf und einigen begleitet von der linken Seite. Er bleibt vor einem Blumenbeete stehen.)
Rumpf. Die Blumen sind zum guten Teil geknickt,
Das tat der böse Sturm in heut'ger Nacht.
(Der Kaiser winkt bestätigend mit dem Kopfe.)
Rumpf. Den Sturmwind mein ich eben, Majestät.
(Der Kaiser hat sich nach vorn bewegt, jetzt bleibt er stehen und fährt mit dem Stabe einige Male über den Boden.)
Rumpf. Der Fußtritt vieler Kommenden und Geh'nden
Hat arg gehaust in dieses Gartens Wegen.
Des Gärtners Rechen gleicht es wieder aus.
Beliebt's Euch nun den Tieren nachzusehn,
Die in den Käfigen der Füttrung harren?
Der Löwe nimmt die Nahrung nur von Euch,
Die Wärter sagen, daß gesenkten Haupts
Er leise stöhnt, wie einer der betrübt.
(Der Kaiser hat den Herzog von Braunschweig bemerkt und hält ihm die Hand hin.)
Julius (auf ihn zugehend).
Mein Kaiser und mein Herr!
(Er will ihm die Hand küssen, der Kaiser zieht sie zurück und hält sie, als zum Handschlag, wieder hin.)
Julius (des Kaisers Hand mit beiden fassend).
Nun denn: willkommen!
Mich freut das Wohlsein Eurer Majestät.
(Der Kaiser lacht höhnisch.)
Julius. Nach Wolken, sagt ein Sprichwort, kommt die Sonne,
Die Sonne aller aber ist das Recht.
(Der Kaiser weist mit dem Stabe gen Himmel.)
Julius. Nicht nur dort oben, auch schon, Herr, hienieden.
Denn selbst der Bösewicht will nur für sich
Als einzeln ausgenommen sein vom Recht,
Die andern wünscht er vom Gesetz gebunden,
Damit vor Räuberhand bewahrt sein Raub.
Die andern denken gleich in gleichem Falle
Und jeder Schurk' ist einzeln gegen alle;
Die Mehrheit siegt und mit ihr siegt das Recht.
Wär's anders, Herr, die Welt bestünde nicht
Und alle Bande des gemeinen Wohls
Sie wären längst gelöst von Eigennutz.
In Eurem Fall: glaubt Ihr, des Reiches Fürsten
Sie werden ruhig zusehn dem Verderben hier,
Nicht böses Beispiel für sich selbst befürchten?
Selbst Euer Volk –
(Ein Bürger, nachlässig bewaffnet, die Muskete auf der Schulter tritt von der linken Seite auf, betrachtet die Anwesenden und kehrt auf einen Wink Herzog Julius' wieder zurück. Der Kaiser fährt zusammen.)
Rumpf. Es sind die Wachen –
Die Leibwacht freilich nicht der Königsburg –
Vielmehr die Bürger, die man ausgestellt,
Weil sie behaupten, daß hier vom Hradschin
Den Feind man eingelassen in die Stadt
Und weil man Tor und Pforte will verwahren.
(Der Kaiser droht heftig mit dem Finger in die Ferne.)
Julius. O scheltet nicht den Neffen der Euch liebt!
Erzherzog Leopold, glaubt mir o Herr,
Er fühlt das Unglück tiefer als Ihr selbst.
Er war bei mir als schon der Kampf entschieden
Und bat mich, nassen Augs, ihn zu vertreten
Ob seiner Wagnis, die der Zufall nur,
Ein mißverstandener Befehl vereitelt,
Sonst wart Ihr frei und Herr in Euerm Land.
Er geht nach Deutschland, um des Reiches Stände
Zum Schutze zu vereinen seines Herrn.
Zugleich die andern Fürsten Eures Hauses –
(Zu Rumpf.) Ward es gemeldet schon?
(Auf eine entschuldigende Gebärde Rumpfs.)
Sie sind uns nah.
Sie kommen heut nach Prag um als Vermittler
Zu schlichten diesen unheilvollen Zwist,
Dabei auch, wie Ihr früher selbst begehrt,
Abbittend der verletzten Majestät,
Genugzutun für alles was sie selbst
In guter Meinung früherhin gesündigt.
Die Welt sie fühlt die Ordnung als Bedürfnis
Und braucht nur ihr entsetzlich Gegenteil
In voller Blöße nackt vor sich zu sehn,
Um schaudernd rückzukehren in die Bahn.
(Der Kaiser zeigt auf die Erde, wiederholt mit dem Stabe auf den Boden stoßend und entfernt sich dann auf Rumpf gestützt nach dem Hintergrunde. – Ein Diener von der rechten Seite kommend, halblaut zu Herzog Julius.)
Diener. Um Gottes willen gebt den Schlüssel, Herr!
Julius. Was ist?
Diener. Die Ärzte fordern Einlaß zu Don Cäsar.
(Der Kaiser hat sich umgewendet und blickt forschend nach den Sprechenden.)
Rumpf. Der Kaiser wünscht zu wissen was die Sache.
Julius. Man hat Don Cäsar in den Turm gebracht,
Wo als Erkranktem, der dem Wahnsinn nahe,
Die Adern man geöffnet ihm am Arm.
Diener. Er aber tobte an dem Eisengitter
Und rief nach einem Richter, um Gericht,
Er wolle leben nicht; bis plötzlich, jetzt nur,
Er den Verband sich von den Adern riß.
Es strömt sein Blut und die verschloßne Tür
Verwehrt den Eintritt den berufnen Ärzten.
Gibt man den Schlüssel nicht ist er verloren.
Julius (den Schlüssel aus dem Gürtel ziehend).
Hier nimm und eil
(Der Kaiser winkt mit dem Finger.)
Julius. Allein bedenkt, o Herr!
(Da der Kaiser den Schlüssel genommen hat und sich damit entfernt, ihm zur Seite folgend.)
Von einem Augenblick hängt ab sein Leben,
Und nicht sein Leben nur, sein Ruf, sein Wert.
Ihm selbst und jedem andern der ihm nah,
Liegt nun daran, daß er vor seinen Richtern
Erläutre was er tat und was ihn trieb,
Daß nicht wie ein verzehrend, reißend Tier,
Daß wie ein Mensch er aus dem Leben scheide,
Wenn nicht gereinigt, doch entschuldigt mindstens.
Ihm werde Spruch und Recht.
Der Kaiser (der auf den Stufen des Brunnens stehend, den Schlüssel hinabgeworfen hat, mit starker Stimme).
Er ist gerichtet,
Von mir, von seinem Kaiser, seinem –
(mit zitternder, von Weinen erstickter Stimme)
Herrn!
(Er wankt nach der linken Seite von Rumpf unterstützt, ab.)
Julius (auf die Stufen des Brunnens tretend und hinabsehend).
Es ist umsonst! Don Cäsar ist verloren.
Sprengt auf die Tür! – Und doch, es ziemt uns nicht
Dem Urteil vorzugreifen seines Richters. –
O daß er doch mit gleicher Festigkeit
Das Unrecht ausgetilgt in seinem Staat,
Als er es austilgt nun in seinem Hause.
Geht nur, es ist geschehn.
Hinder der Szene wird gerufen. Halt da! Zurück!
Julius. Was dort?
Der Kaiser aufgehalten von den Wachen?
Legst du die Hand an ihn, an den Gesalbten?
Das soll nicht sein, so lang ich leb und atme.
Mein letztes Blut für ihn. Zurück die Hände!
Sonst zahlst du deine Frechheit mit dem Tod.
(Er geht, die Hand am Schwert, nach der linken Seite ab.)