Franz Grillparzer
Libussa
Franz Grillparzer

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Biwoy. Nun wohl, so rüttl' ich selber an der Tür,
Wenn sie zu uns nicht, wohl, komm ich zu ihr.

(Er geht auf die Türe zu. Diese öffnet sich und Tetka und Kascha treten heraus. Erstere eine offene Rolle in der Hand, die zweite das Haupt nachdenklich gesenkt. Alle weichen ehrerbietig zurück.)

Kascha. Ich sage dir: es war um Mitternacht
Da ging er heim und segnete das Leben;
Hätt' ich der Zeichen Widerstreit bedacht,
Vielleicht war's Zeit ihm Fristung noch zu geben.

Tetka. Libussa war bei ihm.

Kascha.         Fast glaub ich: Nein.
Ihr Platz ist dunkel in den sonn'gen Kreisen.

Tetka. Wo blieb sie sonst?

Kascha.         Bald wird mir's klarer sein.
Die nächste Stunde muß ihr Handeln weisen.
Gab sie ihm jenen Trank, den du wohl kennst,
Gepreßt von Kräutern, die die Wälder bieten,
Vielleicht starb er noch nicht.

Tetka.         Daß es nicht möglich ist,
Die Krankheit aufzuhalten, ja den Tod
Durch Vorsatz und Entschluß! Kann einer sterben
Weil er nicht leben will; warum nicht leben
Weil er dem Tod sich weigert? Könnte Schwäche
So viel, und Stärke nichts? Stand ich am Bette
Des Vaters, und erinnerte ihn dran
Wie vielen fromme, daß er länger lebe,
Er sah dem Tod ins Aug' und starb noch nicht.

Kascha. Wie gerne bot sich heilend meine Kunst.

Tetka. Ich ehre deine Kunst, weil du sie denkest,
Doch hilft sie dem nur der wie du gedacht.
Wenn du den Kranken mit dem Besten tränkest,
Er stirbt, hält er für Gift was du gebracht.
Als Krücke mag es sein daß sie noch leiste
Für schwache Seelen, die am Willen krank,
In Wahrheit hilft doch nur der Geist dem Geiste,
Er ist der Arzt, das Bette und der Trank.
Wenn ich mich über unsern Vater neigte
Und ihm die Sprüche alter Weisheit las,
Der Seinen Not, der Feinde Scheelsucht zeigte,
Er faßte neuen Mut und er genas.

Kascha. Nun aber ist er tot, wir sind verwaist.

Tetka. Bist du verwaist? ich nicht. Ich seh ihn noch,
Nicht wie zuletzt in seiner Schwachheit Banden.
Ehrwürd'ger Greis, war Greis er immer doch,
Mir ist er als ein Jüngling auferstanden.

Lapak (näher tretend).
Erhabne Fürstinnen!

Kascha.         Was ist?

Tetka.                 Was sucht, was wollt ihr?

Domaslav. Die Nachricht euch zu bringen sind wir da –

Kascha. Wir haben es gewußt, bevor es noch geschah.

Tetka. Als ihr noch hofftet, zagtet, dies und das gemeint,
Da war es uns bekannt, da haben wir's beweint.

Lapak. Wenn nun der Tod den besten Fürsten schlug –

Kascha. Zu gut für euch, für uns nicht gut genug.
Denn sorgt' er nicht um euch, und dacht' er an die Seinen,
Ihr lebtet wüst wie vor, wir brauchten nicht zu weinen.

Tetka. Weil euer Trutz vergällt ihm jeden Tag,
Gab er dem Kummer sich und welkte hin, erlag.

Domaslav. Wenn's nun auch so, und wenn die Sorg' um uns
Beschwert sein Leben, gar es ihm geraubt,
Laßt das uns nicht entgelten, hohe Frauen,
Belohnt, mit dem wir nahn, das kindliche Vertrauen,
Vollendet was begann des Vaters hohes Haupt.

Lapak. Die Krone die er trug, dies Land, sein Reich
Verschmäht sie nicht und nehmt, wählt eine unter euch.

Domaslav. Ihr stammet, wissen wir, von höhern Mächten,
Wir sind ein dunkles Volk, unkundig in den Rechten;
Der Stab, der in Fürst Krokus Händen lag,
Wer, als sein eignes Blut, zu halten ihn vermag?

Alle (auf die Knie sinkend).
Nehmt unsre Krone! Wählet! Kascha, du!

Kascha.
        Unter Sternen schweif ich,
        In der Tiefe walt ich;
        Was Natur vermag und kann
        Ist mir willig untertan.
        Das Leblose lebt,
        Des Lebend'gen Dasein ist Tod.
        Ich mag nicht herrschen über Leichen,
        Geht zu andern mit euern Reichen,
        Was ist mir gemein mit euch?

Lapak. So nimm denn Tetka du dich unser an!

Tetka.
        Was sein soll ist nur Eins,
        Was sein kann ist ein Vieles,
        Ich aber will sein einig und Eins.
        Nutzen und Vorteil zählen,
        Aus Wahrheit und Lüge wählen,
        Recht erdenken das kein Recht,
        Dafür sucht einen Sündenknecht.
        Mein sonnig Reich strahlt hellres Licht,
        Von mir! Ich mag eure Krone nicht!

Lapak. So laßt ihr uns denn hilflos und verwaist!
Wo ist Libussa eure jüngste Schwester?

Tetka. Sie ist nicht heim. Allein, wenn auch zu Hause,
Sie folgt euch nicht.

Domaslav.         Laßt uns es doch versuchen.

Tetka. Ich sag euch, sie verweigert's.

Lapak.         Gut. Doch hören,
Anhören soll sie uns. Erlaubt zu harren.

Kascha. Seht ihr so gern noch einmal euch verschmäht,
So wartet bis sie naht. Geht dort hinein!
Ihr aber gebt was sie am meisten lockt,'
Gebt ihnen Speis' und Trank, und damit gut.

Domaslav. Wir nehmen unsern Urlaub, hohe Frauen.

Kascha. Gehabt euch wohl! Und, wenn nicht eure Fürstin,
Bin ich euch Freundin doch.

(Die Abgeordneten werden durch eine Pforte links abgeführt.)

        Nun aber ihr!
Stellt euch ringsum, senkt eure düstern Schleier,
Und feiert still und trauernd das Gedächtnis
Des edlen Manns, der unsern Kreis verließ.
        Nacht um uns und Dunkel,
        Damit in uns es Licht!

(Alle verhüllen sich, die Szene verwandelt sich.)

Kurze Waldgegend. Es ist noch dunkel.

Primislaus tritt auf, ein weißes Roß am Zügel führend, auf dem Libussa sitzt.

Primislaus. Hier ist der Ort, den du mir hast bezeichnet.
Der Weg nach Budesch dies, dies die drei Eichen,
Gelöst hab ich mein Wort.

Libussa.         Sei drum bedankt.

Primislaus. Nun soll ich von dir scheiden, dich verlassen,
Dich nie mehr wiedersehn vielleicht?

Libussa.         Vielleicht.

Primislaus. Du bist kein Weib um das man werben könnte?

Libussa. Ich hab es schon verneint.

Primislaus.         Träf' ich dich wieder,
Je wieder, glaub, ich würde dich erkennen,
Wär's unter Tausenden. Doch du auch mich?
Im Dunkel fand ich dich, im Dunkel scheid ich.
Gib mir ein Zeichen dran du mich erkennst
Wenn ich dich wiederseh.

Libussa.         Es ist nicht nötig.

Primislaus. Doch wenn rückkehrend ich in meine Hütte
Ein Kleinod fände das dir angehört?

Libussa. Bring es hierher, ich werde darnach senden
Und lös es gern um Gold und jeden Preis.

Primislaus. Für mich ist Gold kein Preis. So laß uns scheiden!
Dein Schleier und die schimmernden Gewande,
In denen ich den Fluten dich entriß,
Hier eingebunden trägt's des Pferdes Rücken.
Nur eine Kette noch, es war dein Gürtel,
Der unter meiner Retterhand zerstückt,
Doch fügt' ich neu die goldnen Hakenglieder,
Neig mir dein Haupt und trag den neuen Schmuck.

(Libussa senkt ihr Haupt, er hängt ihr die Kette um den Hals.)

So zier ich dich du Schöne, Hehre, Hohe;
Für wen? ich weiß nicht; ist's doch nicht für mich.
Und so leb wohl!

Libussa.         Auch du!

Primislaus.                 Nur noch drei Schritte.
Dort teilt, von selber kennbar, sich der Weg
Und leicht gelangst du wieder zu den Deinen,
Wenn du den Waldpfad rechts nur sorglich meidest,
Die du, ein Märchen, kamst, und eine Wahrheit scheidest.
(Das Pferd leitend.)
Vertrau dem Pferd, es trägt dich gut und sicher.

(Beide ab.)

Vorhof auf dem Schloß der Schwestern.

Kascha, Tetka und ihre Jungfrauen in derselben Stellung wie am Schluß der vorletzten Szene.

Kascha. Das Totenopfer ist nach Recht vollbracht,
Nun laßt uns sorgen für die Lebenden.

(Alle erheben sich.)

Libussa ist nicht hier. Auch war sie, scheint es,
Bei unsers Vaters Tode nicht.

Swartka.         So ist's.

Kascha (zu Tetka).
Was sagt der Geist in dir?

Tetka.         Er schweigt. Nur dunkel
Ertönt es wie von Not und Fährlichkeit.

Kascha (die starr auf den Boden gesehen hat.).
Sie ist in jener Lagen einer, spricht's mir,
Aus denen Glück und Unglück gleich entsteht,
Am Scheideweg von Seligkeit und Jammer.
Horch! Spricht ein Mann?

Tetka.         Wo?

Kascha.                 Nein, Libussa spricht.
Allein sie ist begleitet.

Tetka.         Wie auch immer!
Sie sei gefunden und ihr Heil bewahrt.
Die Diener sendet aus, die Männer alle
Mit Leuchten, Fackeln in den dunkeln Wald.
Ihr andern aber steigt dort auf die Zinnen!
Die Opferpauke tön', ein fernes Zeichen,
Dem Ohr der Irrenden bekannter Schall.
Und alle ruft: Libussa. Auf!

Die Mädchen (zum Teile den Wall hinaneilend).
        Libussa!

(Der Ton eines fernen Horns wird gehört. Alle stehen unbeweglich.)

Dobra. Das sind sie; ja, Libussens Mägde. Wlasta
Und Dobromila auf der Herrin Spur.

Tetka (heftig).
Libussa, hier!

(Der Ton des Horns etwas näher.)

        Sie ist's. Tut auf die Pforten
Und eilt entgegen ihr mit Licht und Beistand.

(Man öffnet. Einige gehen hinaus, andere bleiben in der Brüstung des Tors stehen, darunter Swartka.)

Swartka. Sie kommt, und hoch zu Roß. Und Wlasta, Dobromila
Begleiten sie und blasen in ihr Horn.

(Libussa wird in der Torbrüstung sichtbar. Sie hat einen weißen Mantel übergeworfen und ein Federbarett auf dem Kopfe. Wlasta und Dobromila gewaffnet hinter ihr.)

Libussa. Führt nur das Pferd zurück zu den drei Eichen,
Und trefft ihr einen Mann, stellt's ihm zurück.

(Eine Jungfrau geht.)

Wart ihr besorgt?

Tetka.         Wie sehr!

Kascha.                 Ich nicht, ich wußte
Du kamst.

Libussa.         Doch lag einmal die Sorge nah.
Im Wald verirrt, nicht Wegesspur, noch Führer,
Ein Gießbach wollte sich das Ansehn geben
Als sei er fürchterlich. Da kam mir Hilfe.
(Vor Tetka tretend und ihr ins Auge blickend.)
Doch unser Vater, gelt!

Tetka.         Ja wohl.

Libussa (an ihrem Halse).
                O meine Schwester!
Und ich war fern!

Tetka.         Wie kam's?


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