Franz Grillparzer
Ein treuer Diener seines Herrn
Franz Grillparzer

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Königin.
Sei's denn! Geht in den Schloßhof. Rüstet Euch,
Heißt alle wachsam sein. Versprecht Belohnung.
Vor allen braucht die Leute meines Bruders.
Wenn's angeht, kommt er, selbst.

(Schloßhauptmann ab. Königin rasch zu Otto tretend.)

Nun, Bruder, auf!
Schläfst du? Und wär' dein Schlummer Seligkeit,
Ich kann dir's nicht ersparen. Auf!
Die Waffen in die Hand!
(Die Hand auf sein Haupt gelegt.)

Otto (emporfahrend).
        Wer faßt mich an?
(Mit abstreifenden Bewegungen über Arm und Körper.)
Sie fangen, töten mich! Ha! Ketten, Bande, Stricke! –
Wer da? – Ha, Schwester du? – Und doch, und doch –
Dort regt sich's – dort, im Winkel – Meine Schwester?
Bringt Lichter! – Dort im Winkel! – Gott! nur Licht!
Licht, sag ich: Licht! Licht! Licht!

(Kammerfrau aus der Seitentüre rechts, mit Licht.)

Königin.
        Nur Fassung, Bruder!
(Zur Kammerfrau.)
Bleibt dort, dort an der Türe mit dem Licht!
(Zu Otto.)
Sieh, es ist nichts.

Otto (matt).
        O Schwester, meine Schwester!
Nicht wahr, die Gräfin war ein böses Weib?

Königin.
Vielleicht!

Otto.
        Sie hat's verdient!

Königin.
                Wohl möglich!

Otto.
                        Ach!
Und ich hab's nicht getan, sie tat es selbst?

Königin.
Sei ruhig! Was geschehn, ist nicht zu ändern!
Drum sammle dich, und laß uns weitersehn.

Otto (von seiner Schwester unterstützt).
Mein Innres ist betrübt, bis in den Tod!
Schick fort nach deinem Sohn! Das Kind ist gut.
Es hat mich diese Nacht bewacht, es soll's
Auch jetzt. Geh, bitt dich, deinen Sohn!

Königin (zur Kammerfrau).
        Bring ihm das Kind!

(Kammerfrau geht in die Seitentüre rechts ab.)

Du aber setz dich dort auf jenen Stuhl.
Sei erst du selbst, das andre findet sich.

(Entfernte Trompeten und Geschrei. Ein starker Schlag erschüttert das Schloß.)

Ha, was ist das?

(Kammerfrau kommt mit dem Kinde zurück.)

Kammerfrau.
        Ach, gnäd'ge Frau! Sie bringen
Sturmböcke, Mauerbrecher an das Schloß.

Königin.
Kein Aufschub denn?

Kammerfrau.
        Ich sah's beim Schein des Mondes,
Sie stehn in Haufen. Hörtet Ihr den Schlag?

(Ähnliches Getöse, wie oben.)

Schon wieder! Gott und Herr, in deinen Schutz –

Otto.
Die Mauern sind zu schwach, sie halten nicht.
Ein Dutzend Stöße, und sie stürzen nieder.

Kammerfrau.
Erbarm dich unser, Herr!

Otto.
        Am Tore rechts,
Da steht ein Erker, vor ins Freie springend.
Wenn den mit Schützen man besetzt und Schleudrern,
So fassen sie des Feindes Seite, drängen
Und treiben ihn zurück.

Königin.
        Wenn du's erkennst,
Hinab, und ordn' es so!

Otto.
        Was fällt dir ein?
Ich geh nicht hin, ich bleibe hier bei euch!
Habt ihr zu essen nicht? Mich hungert.

Königin.
Von aller Welt verlassen, und auch dies noch!
In ihm vernichtet, der mein alles war!

(Erneuerter Anprall und Kriegeslärm.)

Otto.
Knie nieder, Knabe! falte deine Hände!
(Zur Kammerfrau.)
Du auch! – Ich hinter euch, mit meinem Schwert,
Will stehn und wachen, ob euch Gott erhört.

Königin.
Horch! Was dort für Geräusch?

Kammerfrau (die aufgestanden).
        Es kam von seitwärts,
Aus jenem Zimmer!
(Auf die Seitentüre links zeigend.)

Königin.
        Ist Verrat im Werk?

(Man hört Fenster klirren.)

Kammerfrau.
Sie überfallen uns.

Königin.
        Wer da? – Man schweigt.

Otto.
Kniet nieder ihr, dies ist der letzte Tag!

Königin (zu Otto).
Gib mir dein Schwert! Ich will nur selber sehn.
Wer dort? Freund oder Feind?

Bancbanus (in einen braunen Mantel gehüllt, eine Blendlaterne in der Hand, kommt aus der Seitentüre links).
        Nicht Feind, nicht Freund!
Ich bin's!

Königin.
        Bancban!

Otto (zum Knaben).
                Stell dich vor mich hin, Knabe!
Sie wollen mir zu Leib!

Bancbanus (auf die Kammerfrau zeigend).
        Heißt diese gehn!

Königin.
Führt Ihr Verbotnes nicht im Sinn?

Bancbanus.
        Ei ja!

Königin.
Margrete, geh!

(Kammerfrau geht ab.)

        Wie nun?

Bancbanus.
                Mir ist gelungen,
Zu täuschen Eurer Feinde Wachsamkeit,
Auf kleinem Kahn den Graben zu durchsetzen,
Der dort das Schloß umgibt. Wollt Ihr mir folgen?
Ins Freie bring ich Euch auf gleichem Weg!

Königin.
Bancbanus, sprecht Ihr Wahrheit?

Bancbanus.
        Zweifelt Ihr?

Königin.
Nach allem, was geschehn? – Mann! Ihr vergaßt?

Bancbanus.
Nicht, daß mein Herr Euch meinem Schutz vertraut.
Nehmt Euer Kind, und folgt!

Königin.
        Mein Kind! und dieser? (Auf Otto zeigend.)

Bancbanus.
Dankt Gott, daß, als ich kam, ich seiner nicht gedacht!
Nehmt Euer Kind und folgt!

Königin.
        Bancbanus, höre!
Du rettest alle drei uns, oder keines.
Mit ihm den Tod, mit ihm auch nur befreit.

Bancbanus.
Ich will nicht sehn, wer Euren Schritten folgt.
Doch hüt' er sich, wenn draußen wir im Freien.

Königin.
Komm, Bruder! komm!

Otto (zum Kinde).
        Und du! Und hier mein Schwert!

(Er führt den Knaben. Alle gehen durch die Seitentüre links ab. Bancbanus schließt.)

Kammerfrau (stürzt herein).
Um Gottes willen, gnäd'ge Frau! O Rettung!
Das Tor ist offen, Feinde überall!
Wo sind sie? Gott! Wo flieh ich Ärmste hin?

(In die Seitentüre rechts ab.)

Dunkles Gewölbe. Im Hintergrunde ein offner Mauerbogen als Eingang. An der Seitenwand links ein ähnlicher kleinerer, zu einem schmalen Gange führend. Gegenüber rechts, ein verschlossenes Pförtchen.

Bancbanus kommt mit einer Blendlaterne. Hinter ihm die Königin, dann Otto, den Knaben führend, unter dem Arme einen zusammengefalteten weißen Mantel, in der Hand das bloße Schwert.

Bancbanus (am Ausgange auf der linken Seite stehenbleibend).
Hier ist die Tür. Sie führt durch einen Gang
Nach außen, bis zum Graben hin der Burg.
Dort harrt sein Nachen –

Otto (zum Kinde herabgebeugt).
        Ich will rudern, schau!

Bancbanus (zur Königin fortfahrend).
Ein Fährmann lenkt den Kahn, der also klein,
Daß er nur zwei auf einmal bergen kann:
Den Fährmann selbst, und Eines je von Euch.
Gefällt's Euch, geht zuerst. Zurückgekehrt,
Nimmt Euer Kind der leichtgefügte Nachen;
Und läßt der Feind uns Zeit zur dritten Fahrt,
So mag sich retten, wem's noch ferner nötig.

Königin.
Nicht so, Bancban! Soll ich dein Schiff besteigen,
So rett es diesen erst. (Auf Otto zeigend.)

Otto.
        Ja, mich zuerst!

Bancbanus.
Nicht eh' noch Euer Kind?

Königin.
        Dies Kind beschützt
Schuldlosigkeit mit lilienblankem Schwert,
Doch diesen suchen sie, und er ist schuldig.
Drum rett erst ihn, zum zweiten dieses Kind,
Die dritte Fahrt der Schwester und der Mutter.
Nimm, Otto, meinen Sohn! Folgt diesem Mann!
Ich selber bleibe hier. Die dumpfe Luft,
Der enge Raum benimmt, hemmt mir den Atem.
Wenn mich die Reihe trifft zur nächt'gen Fahrt,
So gebt ein Zeichen mir. Leb wohl, mein Sohn!
Mein Bruder, lebe wohl! Nun fort, nur schnell!

(Bancbanus mit der Laterne voraus in den Gang. Otto, der Mantel und Schwert weggeworfen, und den Knaben auf den Arm genommen hat, folgt. Königin, nachdem sie ihnen einen Augenblick nachgesehen hat, rasch nach hinten gewendet.)

Ich hörte Stimmen, und sie kommen, fürcht ich.
Das Schloß ist über, wenn nicht alles täuscht.
Nur so viel Frist, o Gott! bis sie gerettet,
Die Lieben beide! Komme dann, was will!
(Am Mitteleingange stehend.)
Ich hörte recht. Die Stimmen nahen. Helle,
Wie Fackelschein, wächst gleitend durch die Gänge.
Der Fußtritt naht. Stell ich den Meutern mich
Als Königin entgegen und als Frau?
Sie spotten mein, und tun ihr blut'ges Werk.
Ergreif ich dieses Schwert, den Mantel hier,
(Sie rafft beides vom Boden auf.)
Und kämpf als Mann um meine süße Beute?
Zu schwach! O Gott! Kein einzelner genügt!
Drum dort hinein! Zu warnen, anzutreiben,
Beschleun'gen ihre Flucht – O Gott, man kommt!

(Sie wirft Schwert und Mantel wieder hin, und eilt fliehend in den Gang. In demselben Augenblicke treten die Grafen Simon und Peter, vom Hintergrunde her, auf; erst später hinter ihnen Gewaffnete mit Fackeln.)

Simon.
Der Herzog war's! Dort liegt sein Schwert und Mantel.
Wirf deinen Dolch!

Peter (wirft seinen Dolch in der Richtung des Ganges. Ein gedämpfter Schrei wird gehört).
        Gerechter Gott! – Mein Bruder!
Das war des Herzogs Stimme nicht.

Simon (vorkommend).
        Nur nach!
Es soll sich zeigen bald, wer es gewesen!
Dringt in den Gang, und folgt der Flücht'gen Spur!

(Einige gehen in den Gang.)

Sie können nicht entrinnen, auch von außen,
Vom Graben her, ist bald der Gang besetzt.
Mein reisig Volk verlegt den Ausgang dort.

(Von denen, die in den Gang gedrungen sind, kommen einige zurück mit Zeichen des Entsetzens.)

Was ist?

Ein Gewaffneter.
        Sie stirbt. Es ist die Königin!

Simon.
Willst du mein spotten?

Peter.
        Seht! Bringt Hilfe! Schnell!

(Königin erscheint blutend am Eingange. Sie macht eine abhaltende Bewegung, und sinkt dann tot nieder.)

O all ihr Engel, die ihr Böses abwehrt,
Steht bei! Ich hab die Königin erschlagen!

(Er eilt zur Leiche.)

Simon.
Hast du's gewollt? Und dann, weil's doch geschehn
Weil uns der Teufel gaukelnd hier genarrt,
Um desto heißer nach dem Doppelmörder!
Ihm nach, der sie auch tötete, auch sie!
Laß jetzt die Klage, Bruder! Räch dich erst!
Hier ist sein Weg. Ich schlacht ihn allen beiden.

(Indem er sich anschickt, den Gang zu betreten, springt die Seitenpforte rechts auf, und Herzog Ottos Gefolge dringt bewaffnet herein.)

Erster Edelmann (von Ottos Gefolge).
Schützt euren Herrn! Fallt an die frechen Meuter!

Simon (umkehrend).
Du Herrenknecht! Nachtreter seiner Laster!
Geh diesesmal voran, zeig ihm den Weg!

(Er fällt ihn an. Gefecht.)

Zweiter Edelmann.
Drängt weh sie von der Pforte, ab vom Gang!

Simon (fechtend).
Rasch, Peter! Zieh dein Schwert, mach reine Bahn!

Erster Edelmann.
Dich sucht' ich, dich!

Simon.
        Hier bin ich.

Erster Edelmann.
                Stirb!

Simon.
                        Erst du!

(Ein ungarischer Anführer erscheint am Eingange des Hintergrundes. Die Kämpfenden teilen sich nach beiden Seiten. Das Gefecht ruht.)

Ungarischer Anführer.
Steckt ein die Schwerter! Nutzlos euer Streit!
Der Herzog ist entkommen; war am Ufer,
Bevor die Unsern noch den Platz erreicht.
Nun dringen Krieger herwärts durch die Wölbung;
Allein, zu spät, der Herzog ist entwischt.

Simon.
Ist er entwischt? Nu du entkommst mir nicht.
(Zum ersten Edelmann.)
Zahl deines Herren Zeche, Sündenknecht!

(Die Kämpfer mischen sich wieder. Erneutes Gefecht.)

Erster Edelmann.
Zieht euch zurück!

Simon.
        Zur Hölle, ja!

Erster Edelmann.
                Weh mir!

(Er fällt. Die Anhänger des Prinzen werden nach dem Hintergrund gedrängt. – Bancbanus kommt, den Knaben an der Hand, fliehend aus dem Gange. Bald hinter ihm dringen ungarische Krieger, auf demselben Wege, heraus, und mischen sich unter die im Hintergrund Kämpfenden.)

Bancbanus (im Vorgrunde links).
Der Ausgang ist besetzt, und kein Entrinnen.
Man kämpft, man ficht. Wo berg ich meinen Schatz?
Ei ja! duck dich, mein Herrlein! duck dich, Kind!
Der Mantel da hat Raum für unser beide.
Und rühr dich nicht, und halt den Atem an.

(Er legt sich zu dem Knaben am Boden hin, und zieht seinen dunkeln Mantel über ihn und sich. – Das Gefecht, wieder nach vorn kommend, dauert fort.)


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