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Dieses Gedicht habe ich allemal mit einer vorzüglichen Liebe angesehen. Die mir wohl bekannte Rauhigkeit einiger Stellen entschuldigte ich mit der moralischen Unmöglichkeit, gewisse Vorwürfe zugleich stark und dennoch angenehm zu malen. Die lange Mühe, die ich daran gewandt und die über ein Jahr gedauret hat, vermehrte meine Liebe, indem uns ordentlich alles lieber ist, was uns teurer zu stehen kömmt. Ich unterzog mich dieser Arbeit aus Hochachtung für einen Freund, der die Früchte seiner reifen Tugend schon längst in der Ewigkeit genießt. Das Ende gefiel ihm am wenigsten. Er sah es für zu kurz, zu abgebrochen und zu unvollständig an. Es können in der Tat noch beßre Ursachen für die Mängel der Welt gesagt werden. Aber ein Dichter ist kein Weltweiser, er malt und rührt und erweiset nicht. Ich habe also dieses Gedicht unverändert beibehalten, ob ich wohl bei gewissen Stellen hätte wünschen mögen, daß ich die nämlichen Dinge deutlicher und fließender hätte sagen können. Jetzt da mir die nahe Ewigkeit alles in einem ernsthaften Lichte zeigt, finde ich, die Mittel seien unverantwortlich verschwiegen worden, die Gott zum Wiederherstellen der Seelen angewendt hat, die Menschwerdung Christi, sein Leiden, die aus der Ewigkeit uns verkündigte Wahrheit, sein Genugtun für unsre Sünden, das uns den Zutritt zu der Begnadigung eröffnet, alles hätte gesagt werden sollen. Ich könnte wohl zur Entschuldigung sagen, die Geister seien in meinem Gedichte mit den Menschen als Knechte des Übels beschrieben, und für die Geister habe Gott keinen Mittler geschickt. Ich könnte mich auch auf die Macht der Sünde berufen, die ungeachtet des verdienstlichen Leidens Jesu bei den Menschen herrschet. Ich fühle aber dennoch, daß in einem Gedichte, dessen Verfasser Gottes Gerechtigkeit und Güte verteidigen wollte, alles hätte gesagt werden sollen, was Er zu unsrer Errettung getan hat. Aber damals war mein Entwurf ganz allgemein und philosophisch, und jetzt ist es mir nicht mehr möglich, ein ohnedem fast meine Kräfte übersteigendes Werk umzugießen.
Auf jenen stillen Höhen, Woraus ein milder Strom von steten Quellen rinnt, Bewog mich einst ein sanfter Abend-Wind, In einem Busche stillzustehen. Zu meinen Füßen lag ein ausgedehntes Land, Durch seine eigne Größ umgrenzet, Worauf das Aug kein Ende fand, Als wo Jurassus es mit blauen Schatten kränzet.Diese ganze Aussicht ist nach der Natur beschrieben. Die Hügel decken grüne Wälder, Wodurch der falbe Schein der Felder Mit angenehmem Glanze bricht; Dort schlängelt sich durchs Land, in unterbrochnen Stellen, Der reinen Aare wallend Licht; Hier lieget Nüchtlands Haupt in Fried und Zuversicht In seinen nie erstiegnen Wällen. Soweit das Auge reicht, herrscht Ruh und Überfluß; Selbst unterm braunen Stroh bemooster Bauren-Hütten Wird Freiheit hier gelitten Und nach der Müh Genuß. Mit Schafen wimmelt dort die Erde, Davon der bunte Schwarm in Eile frißt und bleckt, Wann dort der Rinder schwere Herde Sich auf den weichen Rasen streckt Und den geblümten Klee im Kauen doppelt schmeckt; Dort springt ein freies Pferd, mit Sorgen-losem Sinn, Durch neu-bewachsne Felder hin, Woran es oft gepflüget, Und jener Wald, wen läßt er unvergnüget? Wo dort im roten Glanz halbnackte Buchen glühn Und hier der Tannen fettes Grün Das bleiche Moos beschattet; Wo mancher heller Strahl auf seine Dunkelheit Ein zitternd Licht durch rege Stellen streut Und in verschiedner Dichtigkeit Sich grüne Nacht mit güldnem Tage gattet. Wie angenehm ist doch der Büsche Stille, Wie angenehm ihr Widerhall, Wann sich ein Heer glückseliger Geschöpfe In Ruh und unbesorgter Fülle, Vereint in einen Freudenschall! Und jenes Baches Fall, Der schlängelnd durch den grünen Rasen Die schwachen Wellen murmelnd treibt Und plötzlich, aufgelöst in Schnee- und Perlen-Blasen, Durch gähe Felsen rauschend stäubt! Auf jenem Teiche schwimmt der Sonne funkelnd Bild Gleich einem diamantnen Schild, Da dort das Urbild selbst vor irdischem Gesichte In einem Strahlen-Meer sein flammend Haupt versteckt Und, unsichtbar vor vielem Lichte, Mit seinem Glanz sich deckt. Dort streckt das Wetterhorn den nie beflognen Gipfel Durch einen dünnen Wolken-Kranz; Bestrahlt mit rosenfarbem Glanz, Beschämt sein graues Haupt, das Schnee und Purpur schmücken, Gemeiner Berge blauen Rücken.Die niedrigen Gebürge, die von dem Thuner See nach dem luzernischen Gebiete sich erheben und über deren langen und blauen Rücken die hintere hohe Kette der obersten Alpen weit emporragt. Unter den letztern sind das Wetterhorn, Schreckhorn und andere erstaunlich hohe Spitzen bekannt. Ja, alles, was ich seh, des Himmels tiefe Höhen, In deren lichtem Blau die Erde grundlos schwimmt; Die in der Luft erhabnen weißen Seen, Worauf durchsichtigs Gold und flüchtigs Silber glimmt; Ja, alles, was ich seh, sind Gaben vom Geschicke! Die Welt ist selbst gemacht zu ihrer Bürger Glücke, Ein allgemeines Wohl beseelet die Natur, Und alles trägt des höchsten Gutes Spur! Ich sann in sanfter Ruh dem holden Vorwurf nach, Und dieses ist die Welt, worüber Weise klagen, Elende Sterbliche! zur Pein erschaffne Wesen! Doch wo gerat ich hin? wo werd ich hingerissen? O daß die Wahrheit selbst von ihrem Licht mir schenkte! |