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Frühling ward's auf Cyperns schönem Eiland:
Mit den Grazien schlang den Reigen Kypris
Nachts bei Mondenschein im Myrthenhaine:
Unter ihrem Tritt begann's zu spriessen
Stracks von Primeln, Veilchen, Anemonen;
Aus dem Schlaf erwachten Lenz und Liebe.
Anhielt Nord und Ost den frost'gen Athem,
Süd und West begannen lind zu säuseln.
Schüchtern erst vertrauten sich die Knospen,
Kühner bald dem Strahl der gold'nen Sonne.
Neu belebte sich die Waldeinöde,
Sich der Strand mit Blüten und mit Liedern.
Wind und Wolken wichen vor der Göttin,
Ihr zu Füssen schmiegte glatt das Meer sich,
Und der Himmel ward voll milden Glanzes.
Schwül war bald die Luft von Lenz und Liebe:
Brünstig stürzten sich die Weidethiere
In des Stromes eisbefreite Wogen,
Schwammen froh von Trift zu Trift hinüber.
Brünstig tauchten Vögel ihr Gefieder
In die Flut, und brünstig aus ihr schnellte
Der Delphin empor. Es quoll des Äthers
Liebeskraft in linden Regenschauern
Auf die neu erweichte Scholle nieder.
Hehr erneute Juno, wie alljährlich,
Mit dem Göttervater der Vermählung
Jubelfest auf des Olympus Gipfel,
Mit der Venus Gürtel neu sich schmückend.
Paphos stand, die Rosenstadt, im jungen
Grün und Purpur meerbespülter Gärten,
Und der Liebesgöttin Tempelzinnen
Ragten leuchtend hoch hinauf in's Blaue.
Aber in des Tempels hohen Hallen,
Weiten Höfen wogte Festlust rauschend.
Fast begraben unter Blumen, Kränzen,
Waren Stadt und Menschen, Hymnen schollen,
Weisser Opferthiere Hörner glänzten
Hell vergoldet in dem Strahl der Sonne,
Weihrauchdüfte wehten und von fernher,
Wenn dem Eiland sich ein Segler nahte,
Drang ihm Duft der Rosen mit des Weihrauchs
Duft vermischt auf hoher See entgegen,
Kunde bringend ihm, bevor er Paphos'
Zinnen schaute, dass der Kypris Hochfest
Jubelnd eben dort das Volk erneu're.
Selbst des Xereus Brut, die schönbefloss'te,
Witterte den Duft und tanzte freudig
In den Wogen ringsher um die Insel.
Wettspiel, Hymnensang und Tanz und Reigen
Tollte Tag und Nacht, und aller Freuden
Pomp entfalteten die Weihestunden,
Wechselnd, lärmvoll: sinnenfroher Taumel
Warf den Zügel ab, warf ab den Schleier.
Alle Schönheit war nur eine Blume
Unter andern Blumen, welche pflücken
Fromm sich liess, im Dienst, zum Schmuck der Göttin.
Aber unter all' den Schönheitsblüten,
Unter all' den opferfreud'gen Jungfrau'n,
Welche bei Gesang und Reigentanze
Und im Tempelhaus der hohen Göttin
Prangen sah das rosenduft'ge Paphos,
Fehlt die eine, fehlt der Jungfrau'n Krone,
Cyperns schönstes Kind, des Priester-Königs
Jüngstes Töchterlein, die holde Psyche.
Süss herangeblüht zur Festtheilnahme
Scheint mit diesem Lenz sie; aber seltsam
Ist ihr Sinn geartet: ferne bleiben
Möchte sie der Lenz- und Liebesfeier,
Fern dem wilden Festgedräng' und Reigen,
Wo man, folgend uralt-heil'gem Brauche,
Sich in's andere Geschlecht verkleidet,
Fern dem Schönheitswettkampf holder Frauen;
Und sogar das Heiligthum der Göttin
Weckt ein heimlich Grau'n ihr im Gemüthe,
Denn die scheue, zarte Jungfrau'nseele
Schreckt der Tempeldienst der Hierodulen,
Schreckt das Opfer magdlich reiner Blüte,
Fromm nach Landesbrauch im Haus der Göttin
Dargebracht gleich andern Weihgeschenken.
Schamhaft-eigenwillig birgt sie still sich
Hinter dem Altar vertrauter Götter,
Welcher heut verlassen steht, verödet,
In dem innersten Gelass des Hauses.
Doch sie wird gesucht, sie wird gefunden,
Dem Versteck entführt; mit heft'gem Vorwurf
Schilt sie der Erzeuger, Cyperns König,
Höchster Priester auch der Landesgöttin:
«Fürchtest du,» so ruft er, «nicht der Herrin
Zorn für dich und uns? soll Cyperns altes,
Edles Königshaus, das in der Göttin
Gunst geblüht seit so viel hundert Jahren,
Jetzt verhasst durch dich der Hohen werden?
Soll das eigne Kind des Priesterkönigs,
Lau im Götterdienst ein unfromm Beispiel
Geben, Ärgerniss dem ganzen Volke?»
So zu Psyche spricht er und gebeut ihr,
Unverweilt den Schwestern sich gesellend,
Theil zu nehmen an dem Götterfeste.
Flüchten will zur Mutter sich das Mägdlein:
Aber diese, insgeheim erglühend,
Offenbart zu seh'n dem ganzen Volke
Diesen Ausbund aller Lieblichkeiten,
Ihres Schoosses hold erblühten Sprössling,
Streichelt sanft der Weinenden die Schläfe,
Spricht: «Mein Kind, gehorche den Erzeugern,
Bleibe hold den Menschen, lieb den Göttern!»
Es gehorchte die betrübte Psyche,
Und den beiden Schwestern sich gesellend,
Mischt sie sich in Festgedräng' und Reigen.
Kaum erscheint sie, neigt vor ihrer Schönheit
Das erstaunte Volk sich, preis't als Schönste
Sie vor Allen, findet, dass die Rosen
Holder Scham auf Psyches zarten Wangen
Lieblicher noch als der Freude Rosen
Auf den Wangen all' der andern Schönen.
Frohbegeistert streut ein schöner Jüngling
Blumen auf den Weg ihr – andre folgen,
So dass strauchelt bald und stockt ihr Fusstritt,
Und bewundernd grüsst man sie mit Zuruf,
Jauchzt ihr Worte zu aus Preisgesängen,
Die man erst der Göttin zugesungen,
Und bald nennt man im verzückten Schwarme
Götterjungfrau sie und junge Venus.
Und man huldigt ihr gleichwie Cytheren,
Und so wenig als an diese selber
Wagt die fest- und schönheitstrunk'ne Menge
An dies holde Mädchenbild zu rühren.
Aber Psyche steht im Kreise zagend,
Ängstigt sich vor diesen Huldigungen,
Ängstigt sich vor dieser scheuen Ehrfurcht,
Welche man ihr zollt gleichwie der Göttin,
Fleht die Schwestern an, sie fortzuführen.
Diese, zürnend halb, halb eifersüchtig,
Werfen einen Schleier ihr um's Antlitz
Und geleiten heim zur Königsburg sie.
Aber ob entzogen auch den Blicken,
Lebt ihr Bild doch fort in Aller Herzen,
Und in aller Mund der Name Psyche.
Solches hörend, schauend, zittert ängstlich,
Ängstlicher als er zuvor gezittert,
Vor der Göttin Groll der Priester-König.
Und damit nicht gar, unschuldig-schuldig,
Dieses Kindes Haupt herabbeschwöre
Auf sein ganzes Inselvolk die Rache,
Sinnt er zu vermählen in die Fremde
Bald das Mägdlein, und es nah'n gerufen,
Ungerufen, bald unzähl'ge Freier,
Königssöhne, jung und schön und mächtig.
Standhaft aber weigert Cvperns Perle
Sich mit Thränen, Bitten, in die Fremde
Einem ungeliebten Mann zu folgen.
Leer und schal und ohne Liebe schleichen
Ihr die Monde hin, indess die Schwestern
Schon vermählt als Königinnen sitzen
Auf den Thronen naher Inselreiche.
Weiter aber dringt von Psyches Reizen
Stets der Ruf, die frevelhafte Kunde,
Dass erschienen eine neue Venus,
Welche nicht vom Schaum des Meer's geboren,
Nein, auf Cyperns Eiland, unter Blumen
Hold entsprosst der dunklen Erdenscholle.
Fremder Küsten leicht erregte Neugier
Kommt gepilgert, anzuschau'n das Wunder,
Und wem es geglückt, zu schau'n die Holde,
Wird zum Herold ihr vor allem Volke,
Gleich an Reiz der Göttin sei der ihre,
Noch verklärt durch magdlich holden Zauber.
Lässiger im Dienst der Schaumgebornen
Wird das Volk, es kargt mit Weihgeschenken,
Kargt mit Festgelagen, ihr zur Ehre,
Unbekränzt steh'n ihrer Bilder manche,
Wochenlang, und kalte Aschenreste
Ruh'n auf manchem ihrer Steinaltäre.
Unmuth regt im Herzen sich der Göttin,
Der olympischen, der gold'nen Venus,
Und verhasst schier wird ihr Cyperns Eiland
Durch des Volkes frevelhafte Thorheit,
Welches, der Unsterblichen vergessend,
Göttlich ehrt ein sterblich Kind des Staubes.
Gram dem Festland, hält sie eben wieder
Lustfahrt auf den Wellen des ihr holden,
Des ihr theuren Meeres. Strahlend heiter
Ist die Salzflut, wenn sie trägt die Herrin,
Stiehlt sein schönstes, hellstes Blau dem Himmel,
Und die ungeheure, Schreckenschwang're,
Die dämonenreiche Meerestiefe
Ist so glatt, als wollte sie zur Stunde
Nichts sein, als der Göttin blanker Spiegel,
Und so weich, als wollte sie nichts Andres
Sein zur Stunde als ihr Ruhekissen.
Eine Riesenmuschel, farbig schillernd
In der Iris siebenfachem Lichte
Wiegt die hohe, zauberschöne Göttin.
Lächelnd ruht zu Füssen ihr die Meermaid;
Andre flechten Kränze aus des Schaumes
Weissen Rosen, oder Perlenketten
Aus den sprüh'nden Tropfen. Um das Fahrzeug
Schwärmt Tritonenvolk; darunter stemmend
Seine schupp'gen Schultern, trägt es spielend,
Scherzend Schiff und Göttin durch die Wellen.
Nicht gefiel es heut der gold'nen Kypris,
Zuzuseh'n mit ihrem himmlisch-holden
Lächeln diesem Treiben, noch dem Sohne,
Einen Pfeil zum Spiele, wie er pflegte,
Unter diese Meeresbrut zu schleudern,
Oder sich in knabenhaftem Muthwill
Rittlings über eines Delphins Rücken
In des Nereus wildem Schwarm zu tummeln.
Schmeichelnd drückt an sich den holden Knaben
Seine holde Mutter, streichelt zärtlich
Ihm die Wangen, träufelt duft'gen Nektars
Thau ihm auf die Locken, auf die Flügel.
Hebt dann an zu klagen, von Bethörung
Seien jetzt beherrscht die Erdgeschlechter,
Sündlich fabelnd, eine schön're Venus
Sei entsprosst dem schnöden Erdenstaube,
Schöner, als die aus dem Schaum des grossen,
Heiligen Okeanos geborne!
«Psyche nennt sie sich, die neue Kypris,
(Sprach die Göttin), Töchterchen des würd'gen
Priester-Königs, welcher herrscht auf Cypern:
Ein entartet Reis von edlem Stamme.
Störrig meinem Dienste sich entzogen
Hat sie sich, und spröde, eigenwillig,
Hasst sie, Amor, dich, verachtet Hymen.
Gross genährt durch Schmeichelei der Menge,
Die mit Blindheit schlug der Göttervater,
Ward des Mägdleins Trotz und kind'sche Einfalt.
Lerne denn sie, und mit ihr die Menschen,
Dass vergeblich kämpft mit Überird'schen
Ein vergänglich Kind der dunklen Scholle.
Weil zu niedrig ihr die Königssöhne
Aller Länder weit und aller Inseln,
Werde sie dem Niedrigsten zur Beute!
Auf, mein Sohn, und räche deine Mutter!
Dort im Rosenhag, dem duftig-holden,
Welcher schliesst an Cyperns Königsburg sich,
Weilt zu dieser Frist sie, Blumen pflückend.
Hebe dich auf deinen gold'nen Schwingen
Unsichtbar, und wenn du sie gefunden,
Über ihr in eines Baumes Wipfel
Harre, und bereit den Bogen halte,
Bis vorüber irgend geht ein Bettler
Am Geheg, ein Wicht, entstellt von Aussatz,
Oder wen zum Elenden, zum Scheusal,
Stempelt sonst ein irdisches Gebreste:
Und sobald sein Bild sich malt in Psyches
Augstern, schleud're stracks in's Herz den Pfeil ihr!
Auf, mein Söhnlein – säume nicht!» So spricht sie,
Streichelnd ihm die Wangen und die Locken.
Willig hebt auf gold'nen Schwingen Amor
Sich in's Blau der Luft, und späht, bis Cyperns
Dünen glitzernd aus der Woge tauchen;
Und wo zwischen Königsburg und Tempel
Sich erstreckt der Blumenhag, der duft'ge,
Bald entdeckt er mit dem Aug' des Falken
Seiner Pfeile schönstes Ziel. Er schwingt sich
Ungesehn in eines Baumes Wipfel,
In den Wipfel eines Apfelbaumes,
Dran bereits die Sommerfrüchte reifen.
Und vorerst den Bogen in Bereitschaft
Setzt der Gott, nimmt aus dem Perlenköcher
Eines jener Pfeilchen, die geflügelt
Wie er selber sind, und welche fliegen
Von dem Himmel bis zur Erde nieder,
Von der Erde bis hinauf zum Himmel,
Bald in Honigseim getaucht die Spitzen,
Bald in Gift und Galle. Statt des Bogens
Handhabt manchmal eine kleine Fackel
Der beschwingte Knabe, wirft von dieser
Kleinen Fackel wohl auch eine Schnuppe,
Wenn es ihm beliebt, in Götterherzen,
Selbst in's Herz des Sonnengott's, der spielend
Seines Wagens Flammenrosse bändigt,
Aber bebt vor Amors Flackerflämmchen.
Denn er achtet, voll des Muthwills, Götter
Nicht, noch Menschen, und wie Kinder pflegen,
Greift er im Olymp nach aller Andern
Haus- und Handgeräth: nach Speer und Leier,
Dreizack, selbst nach wucht'gen Donnerkeilen,
Zerrt sie weit mit sich umher in tollem
Spiel, versteckt sie, schädigt sie, zerbricht sie.
Lieb' entzündet er, doch Hass nicht minder,
Ist der Ehen Feind, ein Unfriedstifter.
Ihn verzog die zauberschöne Mutter,
Ihn verzärtelten die heitern Grazien,
Ihn verhätscheln selbst die ernsten Musen,
Die den tollen Jungen unterrichten:
Aber er vergisst, was sie ihn lehrten,
Sie behalten, was er sie gelehret.
Fisch und Vogel sind ihm zu geschwind nicht,
Nicht zu träg Schildkröten, drauf zu reiten.
Jegliches Gethier, so wild' als zahmes,
Liebt ihn, dient ihm; Meeresungeheuer
Bieten ihm den Rücken, Löw' und Tiger
Trägt ihn willig, selbst des Göttervaters
Adler sträubt vor Wonne das Gefieder,
Schwingt er sich auf den beflaumten Bug ihm.
Prunkend schlägt sein schönstes Rad der Juno
Pfau vor ihm, und nur Minervens Eule
Hasst ihn, denn er neckt sie, mit der Fackel
Plötzlich ihr in's gelbe Glotzaug' flunkernd.
Auf den Bogen jetzo legt den Pfeil er,
Harrend still des rechten Augenblickes,
Um der Jungfrau Herz damit zu ritzen.
Und in's Aug' nunmehr fasst er sie selber,
Sieht sie Kränze winden, Falter jagen,
Sieht sie wieder sinnen dann und träumen,
Nach dem Zug der weissen Wolken spähend.
Länger so das holde Kind betrachtend,
Lauernd wie ein Jäger: «Welch' ein Püppchen,»
Spricht er bei sich, «welche wunderfeinen,
Seideweichen Strähne, goldig schimmernd,
Ähnlich einem Bündel Sonnenstrahlen!
Traun, aus ihren träumerischen Augen
Blüht ein Reiz, ein stiller, den ihr neiden
Müssen selbst olymp'sche Götterfrauen!
All' ihr Wesen, all' ihr Thun ist
Seele!»
Näher sie an sich heranzulocken.
Wirft herab er aus des Baumes Wipfel
Ein paar Äpfelchen, rothbackig-frische.
Psyche springt herbei, sie aufzulesen,
Meint, dass sie der Wind herabgeschüttelt.
Und in munt'rer Laune wirft der Knabe
Neue Früchte in den Schooss ihr, rothe,
Runde, seiner schönen Mutter heilig,
Vielbedeutsam drob verliebtem Volke.
Plötzlich, durch der goldnen Kypris Schickung,
Hinkt vorüber an dem Gartenzaune
Schmutzig und zerlumpt, mit einem Höcker,
Hässlich, krüppelhaft, ein Betteljunge,
Streckt nach einer Gabe seine Hand aus.
Mitleid malt in Psyche's Blick sich; Amor,
Mütterlicher Weisung sich erinnernd,
Zielt auf Psyche, sendet flugs den Pfeil ab;
Doch in der Verwirrung fehlt das Ziel er,
Und der goldne Pfeil, die Luft durchschwirrend,
Haftet in dem Rasen; aus dem Köcher
Einen andern Bolz zieht rasch der Knabe,
Aber in der Hast den eignen Finger
Ritzt er, und vom Thaue seiner Adern
Netzt ein Tropfen weisse Lychnisblüten,
Deren Sprossen in des Ichors Farben
Blüh'n seither für alle Zeit gesprenkelt.
Und der Gott, von eigner Wehr verwundet,
Er entbrennt in Liebe heiss für Psyche.
Bald als Taube sitzt er, bald als Möve,
Bald als Wendehals und bald als Sperling
In des Gartens Bann, wo Psyche weilet,
Oder auf des Königsschlosses Zinnen,
Seiner Mutter Blick und Nähe meidend,
Spähend immer nach dem holden Kinde.
Ganz sein schönes Götteramt versäumt er
Bei den Menschen, in Verfall gerathen
Lässt er, was des Erdelebens Schönstes.
Niemand mehr entbrennt in Liebesgluten,
Ungeküsst und ungeworben wandeln
Selbst die rosigsten der Erdentöchter,
Hymens heil'ger Altar selbst erkaltet.
Was des Sohnes Lässigkeit begonnen,
Das vollendet bald der Zorn der Mutter.
Grollend meidet sie ihr schönes Cypern,
Oftmals rollt sogar, Verwüstung drohend,
Sie den Schwall des ihr ergeb'nen Meeres
Über das Gestad', ihr einst so theuer.
Angst befällt das Volk, befällt den König,
Und vergebens mit Gebet und Opfern
Trachten sie die Göttin zu versöhnen.
Und zuletzt, sich keinen Rath mehr wissend,
Nach dem uralt-heiligen Orakel
Des Apollo zu Milet entsenden
Boten sie. Und diese, mit dem Spruche
Kehren heim betrübt sie: «Führen sollst du,
Cyperns König – dies entbeut der Gott dir –
Eh' noch dreier Morgen Frist verstrichen,
Dein geliebtes Kind, die holde Psyche,
Angethan mit bräutlichen Gewanden,
Unter hochzeit-festlichem Geleite,
Auf des öden Meerstrand's rauhsten Felsgrat!
Ausgesetzt dort soll sie einsam harren
Des Gemahls, den ihr bestimmt das Schicksal,
Und der kommen wird, sie heimzuholen.
Nicht aus sterblichem Geschlecht entsprossen
Ist er; ein geflügelt Ungeheuer,
Durch die Luft verderbendrohend schwirrt er,
Drachenhaft, mit Erz und Flamme wüthend,
Unheil bringend über Meer und Erdkreis!»
Laut von Klagen widerhallte Cyperns
Königsburg, als diese Götterbotschaft
Kam vom heiligen Milet herüber.
Wehe, wenn des Götterzornes Geissel
Über Ländern dräut und über Völkern!
Aufschub gönnt sie nicht, nicht Überlegung.
Traurig nach des dritten Tages Anbruch,
Angethan mit bräutlichen Gewanden,
Steht die Königsmaid, die todesblasse.
Leidvoll stumm zerrauft sein Haar der König,
Staub und Asche streut er auf das Haupt sich,
Jammernd schlägt die Königin die Brüste,
Schluchzend drängen sich heran die Schwestern.
Flöten tönen, doch wie Klageweisen.
Und der Hymenäus wird gesungen,
Aber wie ein Grabgesang erschallt er,
Heiss mit Thränen netzt die Braut den Sehleier.
Trauer herrschet auf dem ganzen Eiland,
Aber wertlos bleibt sie – denn gelernt hat
Cyperns Volk, zu zittern vor dem Zorne,
Vor der Eifersucht der goldnen Kypris.
Mit verhalt'nem Mitleid, feuchten Blicken
Sieht man aus des Königshauses Thoren
Hochzeitlich, doch ernst, das Festgeleite,
Flötenspiel vorauf und Fackelschimmer,
Langsam wandeln hin zum öden Meerstrand,
Wo am rauhesten die Felsenhöhe
Seewärts abfällt, von der Flut umbrandet.
Als erreicht nun war die Felsenzinke,
Stand die Jungfrau, ihres Schicksals harrend,
Einer Liljenblume zu vergleichen,
Die gesprosst an eines Abgrunds Rande.
Schmerzlich in der Runde klang ein Seufzen,
Und das Elternpaar begann zu jammern:
«Trautes Kind, wie schwer für deinen Liebreiz
Musst du büssen! welch' ein arger Fluch ist
Götterschönheit für ein Kind des Staubes!» –
«O, nicht so!» versetzt die holde Jungfrau,
Sanften Tons; «nicht so, ihr Vielgeliebten!
Nimmer war ich schön, ich schlichtes Mägdlein
War' ich schön gewesen, nimmer hätten
Götter mir gezürnt um einer Gabe
Willen, die sie selber mir verliehen!
Nein, sie zürnten, weil das Volk, verblendet,
Unverdient mich pries wie eine Göttin!
O, warum nicht habt ihr es geduldet,
Dass ich fern mich hielt dem lauten Feste?
Wie so gerne war' ich, ach, in stiller,
Glücklicher Verborgenheit geblieben!» –
Schmerzlicher erscholl der Eltern Klage,
Da sie dachten eigener Verschuldung.
«Weh' uns!» rief die Königin, die Arme
Wie zum Schutze rankend um die Tochter,
Und mit Grausen in die Tiefe blickend:
«Sicher ist's ein Ungethüm der Salzflut,
Dem mein armes Kind sich soll vermählen!
Einer etwa vom Geschlecht des Phorkys
Und der Keto! Weh' dir! weh' uns Armen!» –
«Sterben lieber würd' ich,» sagte Psyche,
«Als in hässlicher Gemeinschaft leben!
Und ich bin gewiss, o theure Mutter,
Nicht ein hässlich Ungethüm, der
Tod nur
Ist's, der mir als Bräut'gam ward verkündet!
Ist er nicht ein Unhold auch? ein Dämon?
Naht er sich nicht flügelschnell den Menschen?
Tobt er nicht im Krieg mit Erz und Flammen,
Über Meer und Land Verderben bringend? –
O gewiss, gewiss, es ist der
Tod nur,
Traute Mutter, nicht ein schlimm'res Scheusal,
Welches um mich freit! nur sterben werd' ich,
Nicht in hässlicher Gemeinschaft leben!»
Aber schmerzlicher nur schluchzt die Mutter.
Und der König spricht, Gebete murmelnd:
«Wär's unmöglich, hohe Göttin Kypris,
Dass Gehorsam, fromme Unterwerfung
Nicht zuletzt noch deinen Zorn besänftigt,
Gnädig uns dich stimmt und unserm Kinde?
Gieb ein Zeichen, hohe Göttin Kypris!» –
Ehern, stumm blieb Himmel, Meer und Erde. –
Abschied nehmen unter Thränen, Küssen
Von der Theuren Eltern und Geschwister,
Immer wiederkehrend, immer wieder
Abschied nehmend unter Thränen, Küssen.
Plötzlich rollt in ferner, kaum bemerkter
Wolke dumpf ein Donnerschlag – Entsetzen
Fasst das Festgeleite – seine Fackeln
Löscht es leidvoll, wagt nicht mehr zu zaudern,
Führt von hinnen den betrübten König,
Und die Königin, die schmerzzerriss'ne.
Einsam sieht sich auf dem Felsen Psyche,
Schwindelnd; ihr zu Füssen schlägt ein Blitzstrahl
Züngelnd in die See; still schwebt der Armen,
Ausgestoss'nen Seele, weltverlassen,
Weltverloren zwischen Erd' und Himmel.