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Es war einmal zu Bagdad ein Fischer mit Namen Chalife, der sehr arm war und eingezogen lebte. Als er eines Tages nach seiner Gewohnheit an den Fluß gieng, um daselbst sein Netz eher als die andern Fischer auszuwerfen, warf er es wohl zwanzig mal aus, ohne etwas zu fangen. Anfangs war er darüber sehr verdrüßlich, allein zulezt beruhigte er sich und sprach: Gott möge mir verzeihen! Nur er lebt und ist immer da! Es ist keine Macht und Gewalt, außer bey dem großen Gott. Was ihm gefällt geschieht, und was ihm nicht gefällt geschieht nicht. Er theilt den Geschöpfen ihre Nahrung zu. Was er giebt, kann uns niemand nehmen, und was er nicht giebt, kann uns niemand geben. Laßt uns also gute und böse Tage nehmen, wie sie kommen, und unser Vertrauen auf den Herrn setzen.
Voller Ergebung und Geduld warf er also das Netz noch einmal aus, und nachdem er lange gewartet hatte, zog er es heraus. Er merkte, daß es schwer war, zog also ganz langsam, und als er es ans Land zog, was hatte er gefangen? – einen blinden und lahmen Affen. – Es ist keine Macht und Gewalt außer bey dem großen Gott! sprach er. Heute verfolgt mich doch ein ganz besonderer Unstern. Aber alles das ist Schicksal von Gott, und ich ergebe mich darein. – Hierauf nahm er einen Strick und band den Affen an einen Baum, indessen gab er ihm doch bey dieser Gelegenheit aus Ungeduld einige Hiebe. Chalife, sprach der Affe, ich bitte dich, halt ein und schlag mich nicht. Laß mich so, wie ich bin, hier angebunden, wirf dein Netz noch einmal aus, und vertraue auf Gott, er wird schon für deine Nahrung sorgen. – Der Fischer warf also sein Netz noch einmal aus, und zog einen andern Affen aus dem Flusse, der die Augen voll Kohol, gefärbte Augenbraunen und Nägel und ein schönes Kleid anhatte. Gelobt sey Gott, der den Fluß mit Affen bevölkert hat, sprach der Fischer und näherte sich darauf dem ersten Affen. »Das ist also das Glück, das du mir bringst, sagte er zu ihm, warte, ich will dich schon dafür bezahlen.« – Und mit diesen Worten schwang er einen großen Stock in der Luft um, ihn todt zu prügeln. – Gnade! Gnade! schrie der Affe, um meines Gefährten willen; er kann dir zu allem verhelfen, was du verlangst. – Der Fischer ließ also den Stock liegen, und ging wieder zu dem zweyten Affen. »Das sind Reden, die zu nichts führen, sprach dieser, als er den Fischer angehört hatte, wenn du reich werden willst so gehorche mir, wirf dein Netz aus, und thue dann, was ich dir sage.« – Chalife warf sein Netz aus, wartete und zog einen rothen, in blau gekleideten Affen heraus, der gefärbte Augenbraunen und Nägel und an Händen und Füßen Ringe hatte. – Oho, rief der Fischer, dießmal bist du der letze, den ich herausziehe. Indessen Gott sey gelobt, daß ich statt Fische Affen fange. Aber wer bist du, Schlingel? – Wie? sprach der Affe, ihr kennt mich nicht? Ich bin der Affe des Bankier und Juden Ebisaadet, dem ich alle Morgen und alle Abende fünf Dukaten verdiene. – Elender! rief der Fischer, indem er sich wieder an den ersten Affen wandte, und mit seinem Stocke ein Rad schlug, dieß ganze Unheil kommt von dem schlechten Rath her, den du mir gegeben hast, und bey dem ich nun Hungers sterben muß. – Halt ein, sprach der dritte Affe, thue was ich dir sage, es kann dir gar nicht fehlen, daß du glücklich bist, wenn du das Netz noch einmal auswirfst. – Chalife ließ sich überreden, warf sein Netz aus, und zog einen herrlichen Fisch heraus, der an Schönheit alle Fische übertraf, die er jemals gefangen hatte. Herr Affe! sagte der Fischer voller Freude, indem er sich an den lezten wandte, ich will deine Gefährten tödten, und du sollst künftig mein Affe seyn, wenn du Lust dazu hast. – »Nun gut, antwortete der Affe, weil ihr mir doch einmal folgen wollt, so bindet mich an das Ende des Stricks, der am Netze ist, werft es noch einmal aus, und seht zu, ob ich euch nicht Glück bringe.« – Chalife warf das Netz aus und fieng einen Fisch, der noch schöner als der erste war. – Jezt legt diesen Fisch in euren Korb, sprach der dritte Affe, laßt uns Affen hier angebunden, geht in die Stadt, ohne jemanden ein Wort zu sagen, bis ihr in die Straße der Bankiers kommt, wo ihr meinen Herrn, den Juden Ebisaadet von Mäklern und Mamluken umgeben, in seiner Butike finden werdet. Vor ihm werden zwey Kasten stehen, wovon der eine mit Gold, und der andere mit Silber angefüllt ist. Wünscht ihm einen guten Tag und sagt ihm, ihr hättet diesen Fisch gefangen, nachdem ihr dreimal das Netz in seinem Namen ausgeworfen. Er wird euch einen zwei, drei, vier Dukaten dafür anbieten, aber schlagt sie nur immer aus und sagt: ihr hättet ihm nur ein Wort zu sagen und das werde euer Leztes seyn, ihr wollt nämlich kein Gold, sondern ihr wolltet seinen Affen gegen den eurigen eintauschen, und ihm in diesem Falle den Fisch noch in den Kauf oben drein geben. Willigt er ein, so ist euer Glück gemacht; ich verdiene euch täglich zehn Dukaten, während der Jude von Morgen bis in den Abend seine Plage mit dem blinden und lahmen Affen haben wird, den ihr ihm statt meiner gebt. – Gut, sprach Chalife, und was muß ich mit dem dritten machen? – Schenkt ihm die Freiheit und werft ihn in den Fluß. – Es sey, versezte Chalife, warf den dritten Affen in den Fluß, und nahm den Korb mit den Fischen auf den Rücken.
Er trat in die Butike des Juden, die das Schauspiel der Pracht eines Königs von Chorassan darbot, und überreichte ihm den Fisch. – Bei den fünf Büchern Mosis und den zehn Geboten, rief der Jude, das ist das Geschenk, wovon mir diese Nacht geträumt hat. – Hat ihn schon jemand gesehn? – Kein Mensch, versezte der Fischer, ich schwöre es euch bey Abubekr, dem wahrhaftigen Zeugen. – In diesem Falle, sagte der Jude, bringe ihn nach meinem Hause und lasse ihn halb braten, und halb sieden. – Hierauf gab er dem Fischer einen Dukaten, allein dieser weigerte sich ihn anzunehmen, weil es zu wenig sey, der Jude bot bis auf sechs Dukaten. Beynahe hätte Chalife, der noch niemals in seinem Leben so viel Gold gesehen hatte, sich durch dieses Gebot verführen lassen, und den Rath des Affen vergessen; indessen erinnerte er sich noch zur rechten Zeit daran, warf das Gold auf den Tisch, und sagte: er könne den Fisch mit zwey Worten haben, aber sonst um keinen Preiß. Bey diesen Worten gerieth der Jude in einen schrecklichen Zorn; denn er glaubte der Fischer verstehe unter diesen zwey Worten das Glaubensbekenntniß des Islam und verlange von ihm, daß er seine Religion ändern solle. Er ergriff einen Stock, und walkte ihn so lange durch, bis er selber nicht mehr konnte, und schrie dabey aus vollen Kräften: Elender, du verlangst, daß ich um eines elenden Fisches willen meine Religion ändern soll. – Oho, sprach der Fischer, diese Tracht Schläge hättet ihr euch ersparen können. Was mich betrifft, so bin ich schon so daran gewöhnt wie ein Esel, und es macht weiter keinen Eindruck auf mich. Aber warum gerathet ihr denn so in Aufruhr? Die beiden Worte, die ich euch vorschlage, bestehen bloß darin, daß ihr einwilligt, euren Affen mit dem meinigen zu vertauschen. – Wenn's weiter nichts ist, antwortete der Jude, warum habt ihr das nicht gleich gesagt. Es sey, der Handel ist also geschlossen.
Chalife gieng hierauf wieder an das Ufer des Flusses, warf sein Netz aus und fieng eine große Menge Fische, die er noch an demselben Tage um zehn Dukaten verkaufte. Den Tag darauf gieng es wieder so, und so zehn Tage hinter einander fort, so daß Chalife jezt 100 Dukaten beysammen hatte. Noch nie hatte er so viel Gold im Hause gehabt, sein Gold brachte ihn jezt um allen Schlaf. Wenn der Beherrscher der Gläubigen hört, sprach er bey sich selbst, daß ich 100 Dukaten habe, so wird er sie von mir borgen wollen; vergebens werde ich meine Armuth vorschützen, er wird mich dem Obersten der Häscher überliefern, und mir die Bastonnade geben lassen, um mir das Geständniß abzunöthigen, daß ich einen Schatz besitze. In solche Verlegenheiten kann der Reichthum bringen. Es wird also am gescheutesten seyn, wenn ich mich schon vorher daran gewöhne, mein Fell ein wenig abzuhärten, wiewohl es Gott sey Dank schon hart genug ist. – Indem er sich so mit diesem Gedanken quälte und herumschlug, stand er auf, nahm einen Stock, und fieng an sich selbst tüchtig damit durchzuwalken, und schrie dabey zu gleicher Zeit, als ob er vor dem Justizkommissarius stünde: Ach, ich habe nichts, gnädiger Herr! Es sind lauter infame Verläumdungen, ich habe keinen Heller im Vermögen, es ist eine Lüge, die meine Feinde ausgesprengt haben. – Die Nachbarn wachten von diesem Geschrey und dem Geräusch der Schläge auf, und glaubten, es wären Diebe im Hause. Sie eilten also herbey, und sahen wie der Fischer ganz nackt sich selber durchprügelte. Was machst du, Chalife? sagten sie zu ihm. – Er theilte ihnen hierauf seinen Kummer und seine Sorgen mit, und sprach von der Nothwendigkeit, in der er sich befände, sich an Schläge zu gewöhnen. Die Nachbarn lachten und giengen wieder nach Hause.
Gegen Morgen gieng die Unruhe und Verlegenheit wieder aufs neue an. Chalife wußte nicht, wo er das Geld hinthun sollte. Lasse ich es zu Hause, sprach er, so wird es mir gestohlen, es ist am gescheutesten, ich nähe es in ein Säckchen und nehme es mit mir. – Er nahm hierauf sein Netz und ging an den Tigris. Er warf es aus, aber er fieng nichts. Er versuchte sein Glück an einer andern Stelle und gieng auf diese Weise immer weiter, aber vergeblich. Nun dieß soll das letze Mal seyn, sprach er, und indem er seine lezten Kräfte aufs äußerste zusammen nahm, um das Netz auszuwerfen, fiel ihm das Säckchen, worin das Gold eingenähet war, aus dem Busen, und in's Wasser. Er riß sogleich seine Kleider vom Leibe, und stürzte sich in den Fluß, um sein Säckchen zu suchen. Mehr als hundert mal tauchte er unter, ohne es zu finden, endlich verzweifelte er an seinem Glück und gieng wieder an das Land. Aber hier fand er blos seinen Stock, seinen Korb, und sein Netz; seine Kleider waren verschwunden. Was war zu thun? Er nahm den Stock in die Hand, das Netz und den Korb auf die Schultern, und strich so auf Gerathewohl umher. Kurz er glich jezt einem Dämon in der Wüste. – Lassen wir ihn jezt nach Gefallen herum spazieren und kehren nach Bagdad zurück.
In Bagdad lebte damals ein Juwelier, mit Namen Ben Karnas, der der Juwelier des Chalifen Harun Raschid war, und der am Hofe ungeheure Geschäfte machte. Dieser Juwelier saß eines Tages in seiner Butike, als der Scheich der Ausrufer des Markts zu ihm kam, und ihm eine außerordentlich schöne Sklavinn anbot, die mit ihren Reizen die seltensten Talente und mannichfaltigsten Kenntnisse verband. Der Juwelier kaufte sie für 1000 Dukaten und brachte sie dem Chalifen. Dieser schlief eine Nacht bey ihr, und da er sie ganz nach seinem Geschmacke fand, so schenkte er den Tag darauf dem Ben Karnas 10000 Dukaten. Herzenszwang – dies war der Name der schönen Sklavinn, hatte den Chalifen so hingerissen, daß er um ihrentwillen seine Gemahlinn und Kusine Sobeide, die Tochter Kassem's und seinen ganzen übrigen Harem vernachlässigte. Er kam nicht von ihrer Seite, und hatte schon länger als einen Monat in ihren Zimmern zugebracht. Blos des Freytags war er ausgegangen, weil er da schlechterdings in die Moschee gehen mußte. Die Herren und Großen des Hofes fingen an, darüber zu murmeln, daß der Chalife über einer Sklavinn die Regierungsgeschäfte vernachlässigen konnte, und der Wesir Dschafar der Barmecide konnte als getreuer Diener nicht umhin, am nächsten Freytag den Chalifen von dieser Unzufriedenheit zu benachrichtigen. Du hast Recht, sprach Harun, aber wie soll ich es anfangen, um mich der Sklaverey einer Leidenschaft zu entziehen, die stärker ist, als ich. – Beherrscher der Gläubigen, erwiederte Dschafar, Herzenszwang wird euch nicht entgehn, wenn ihr euch auch auf einige Augenblicke von ihr entfernt. Ich meyne nicht, daß ihr euch sogleich mit Staatsgeschäften abgeben sollt; das würde euch ohne Zweifel zu große Langeweile machen. Aber widmet doch einige Augenblicke andern Vergnügungen, die eines großen Königs würdig sind, und euch zur Zerstreuung dienen werden. Können nicht die Jagd und der Fischfang einige eurer Stunden ausfüllen? Vielleicht dienen die Fischnetze dazu, euch aus den Netzen zu befreyen, in denen euch eure Leidenschaft gefangen hält. – Geschwind also, sprach Harun, auf die Jagd oder auf den Fischfang; aber die Bedeckung darf nur von ferne folgen.
Sie bestiegen hierauf zwey Mauleselinnen und strichen auf dem Felde umher. Nachdem sie so gerade in der heißen Tageszeit lange umhergeirrt waren, wurde der Chalife sehr durstig. Ich glaube, da unten ist jemand, sprach er zu Dschafar, vermuthlich ist es der Wächter eines Gartens, der mir etwas Wasser wird verschaffen können. Bleibt mit unsern Leuten hier, ich komme bald wieder zu euch! Und indem er dieses sagte, entfernte er sich mit der Schnelligkeit eines Wasserstrahls, der aus der Spalte eines Felsens sich herabstürzte.
Der Mann, den Harun gesehen hatte, war der Fischer Chalife, der nackt und mit Schweiß und Staub bedeckt, mit entzündeten Augen umherstrich, und in seinem ganzen Aufzug und Ansehen einem Dämon der Wüste glich. – Harun grüßte ihn und fragte ihn, ob hier in der Nähe kein Wasser zu haben sey. – Seyd ihr blind oder närrisch? antwortete der Fischer, drei Schritt weit von hier ist der Fluß, ihr seht ihn, so wie ihr um diesen Weinberg herumkommt. – Der Chalife eilte zum Tigris, trank, und kehrte wieder zum Fischer zurück. – Was ist dein Gewerbe? fragte ihn Harun. – Seht ihr es denn nicht auf meinen Schultern? antwortete Chalife. – Ja, sagte Raschid, aber wo hast du deinen Sack, dein Kleid, deinen Gürtel und deine Hosen gelassen? – Der Fischer, der gerade das verloren hatte, was ihm der Chalife nannte, zweifelte keinen Augenblick daran, daß er es sey, der ihm diesen Streich gespielt, und seine Sachen genommen habe. Er fiel also gleich der Mauleselinn in den Zügel, und rief: Gebt mir meine Sachen wieder und treibt euren schlechten Spaß nicht noch weiter. – Ich weiß nichts von deinen Sachen, ich kann es dir zuschwören, antwortete der Chalife, der bekanntlich sehr aufgeblasene Backen und einen sehr kleinen Mund hatte. – Sicherlich bist du ein Trompeter von Profession, versezte der Fischer, aber ich bin ein gutes Bataillenpferd und erschrecke nicht davor. Gieb mir meine Kleider wieder, oder du sollst das Gewicht dieses Stocks fühlen. – Als der Chalife Harun sah, daß mit einem so lustigen Bruder wie der Fischer Chalife nicht zu spaßen sey, zog er sein Atlaskleid aus, gab es ihm und sagte: Dies ist für deine Kleider. – Meine Kleider waren zehn mal mehr werth, antwortete Chalife. – Nun gut, versezte Harun Raschid, so nimm mein Kleid nur einstweilen, bis ich dir deine Kleider wieder bringe. – Der Fischer zog also das Kleid von Atlas an, allein da es ihm zu lang war, so schnitt er mit einem Messer, das er in dem Korbe hatte, ein großes Stück davon ab. – Ey seht doch wie schön mir das paßt! sprach er und wandte sich dann wieder zu Harun. Wie viel trägt dir deine Trompeterprofession monatlich ein? sagte er zu ihm. – Ungefähr zehn Dukaten, antwortete Harun. – Armer Teufel! fuhr Chalife fort: so viel verdiene ich in einem Tage. Was sagst du dazu? Hättest du nicht Lust in meine Dienste zu gehen, ich würde dir täglich fünf Dukaten geben, dir die Kunst des Fischens lehren, und dich mit diesem Stock gegen deinen alten Herrn vertheidigen, wenn er etwa käme und dich in Anspruch nähme. – Herzlich gern, erwiederte Raschid. – Nun gut, fuhr der Fischer fort, so steige denn von deiner Mauleselinn und setze dich hier neben mich, ich will dir lehren, wie man das Netz auswerfen muß. Der Chalife stieg ab, band seine Mauleselinn an, schürzte sich auf, nahm das Netz und that was der Fischer ihm befahl. Als sie das Netz wieder herausziehen wollten, fanden sie es so schwer, daß kaum ihre vereinigten Kräfte im Stande waren es festzuhalten. Erst nach den größten Anstrengungen gelang es ihnen, es heraus zu ziehen, und als sie es endlich am Lande hatten, so fanden sie eine ungeheure Menge der schönsten Fische darin gefangen. Für den ersten Versuch geht das ganz gut, sprach Chalife; geschwind, Trompeter, besteige dein Maulthier, eile in die Stadt und hole zwey Körbe, in die wir die Fische legen und dann die Mauleselinn damit beladen wollen. Ich habe eine Wage und das nöthige Gewicht bey mir. Du sollst die Fische wiegen, und sie müssen uns wenigstens 20 Dukaten eintragen. Mach also fort, und komm bald wieder, ich warte hier auf dich. – Sehr wohl, antwortete der Chalife, band seine Mauleselinn los, und bestieg sie. Hierauf ritt er in scharfem Trott fort, konnte unterwegs vor Lachen kaum zu sich kommen, und kam bald wieder an den Ort, wo er Dschafar gelassen hatte. – Ew. Majestät, sprach dieser, haben wahrscheinlich einen schönen Garten angetroffen, wo sie Vergnügen daran fanden so lange zu verweilen. – Der Chalife konnte nur mit lautem Gelächter darauf antworten. – Gott erhalte die gute Laune des Beherrschers der Gläubigen, sagten die dabey stehenden Hofleute aus der Familie der Barmeciden und küßten die Erde. Der Chalife erzählte hierauf sein Abentheuer mit dem Fischer Chalife und wie er ihm sein atlassenes Kleid gegeben habe. – Ich wollte es mir selbst von euch ausbitten, Sire, sprach Dschafar, jezt will ich zusehen, ob ich es ihm abkaufen kann. – Da hättest du früher aufstehen müssen, antwortete Harun, er hat es schon um ein Drittheil verkürzt, damit es genau nach seinem Wuchse paßt, aber jezt wartet mein neuer Herr, daß ich ihm zwey Fardes bringe, damit er auf meiner Mauleselinn die Fische nach Hause bringt, die wir gefangen haben. – Dafür will ich schon sorgen, versezte Dschafar. – Bey meinen Vorfahren, sprach der Chalife, ich will einen Dukaten für jeden Fisch bezahlen, man bringe mir alle Fische, die der Fischer jezt hat, und die Mamluken mögen sie holen. – Die Mamluken sezten sich hierauf sogleich in Marsch und eilten an den bezeichneten Ort, um die Fische zu kaufen. Sie nahmen sie in Empfang, und legten sie in schön gestickte Tücher. Das müssen paradiesische Fische seyn, sprach der Fischer, aber mein Gott, schickt mir doch meinen Gehülfen, den Trompeter her, er bleibt mir gar zu lange aus. – In diesem Augenblick kam einer von den Verschnittenen an, der zurückgeblieben war, nahm zwey Fische, die der Fischer gerade in der Hand hatte, allein als er sie bezahlen wollte, fand er, daß er keinen Heller in der Tasche habe. Ich habe nichts bey mir, sprach er, aber komm morgen zu mir und hole dein Geld im Palast des Chalifen ab, du brauchst nur nach dem Verschnittenen Sandal zu fragen.
Da der Trompeter nicht wieder kam, so entschloß sich der Chalife allein nach Hause zu gehen und nahm sein Netz auf den Rücken. Als er auf den Markt kam, gieng er vor der Butike des Schneiders des Chalifen vorbey, der sehr erstaunte, als er sah, daß der Fischer das lezte atlassene Kleid, das er dem Chalifen gemacht, auf dem Leibe hatte. Woher hast du das Kleid? fragte er ihn. – Was geht's dich an? versezte Chalife, ich habe es von meinem neuen Burschen, der mir meine Kleider gestohlen hat, und von dem ich dieses Kleid dafür angenommen habe, damit ihm die Justiz nicht die Hände abhaut. – Aus diesen Worten merkte der Schneider sogleich, daß der Chalife selbst sich einen Spaß mit dem Fischer gemacht hatte.
Unterdessen war während der Abwesenheit des Chalifen alles in die größte Bewegung gerathen. Als nämlich Sobeide die Gemahlinn und Kusine des Chalifen erfahren hatte, daß er sich endlich auf einige Stunden von der schönen Sklavinn losgerissen habe, die ihn seit länger als einem Monat in ihren Fesseln hielt, so glaubte sie diesen Augenblick benutzen zu müssen, um ihre Nebenbuhlerinn zu sehen, und sich an ihr zu rächen. Sie ließ ein großes Gastmahl zubereiten, und die Sklavinn bitten, daß sie doch zu ihr kommen möchte, um Musik zu machen. Herzenszwang konnte nicht umhin, den Befehlen der Prinzessinn zu gehorchen, sie nahm also ihre Instrumente mit sich, und begab sich in die Zimmer der Gemahlinn des Chalifen, ohne zu ahnen, was man ihr hier zugedacht hatte. Sie trat herein, küßte die Erde, grüßte die Prinzessinn und sprach: »Gegrüßt sey der hohe Vorhang und erhabene Schleyer dieses Harems, gegrüßt sey das Blut des Propheten und die Erbinn der Tugenden der Abassiden. Möge Gott euer Glück so lange fortdauern lassen, als Tag und Nacht abwechseln!« – Hierauf trat sie unter die Reihe der übrigen Sklavinnen. Sobeide erstaunte, als sie ein junges Mädchen von einer vollendeten Schönheit vor sich sah, mit schwarzen Haaren, einem rosigen Teint, schelmischen Augen, einem Gesicht, das gleich der Sonne strahlte, einer Stirn, die wie der Mond leuchtete, mit Korallenlippen und Augenbraunen, die den schönsten Bogen glichen, kurz eine Schönheit, wie sie ein Dichter beschreibt, wenn er sagt:
»Wenn sie zürnt, stürzen ganze Reihen ihrer Liebhaber todt zur Erde nieder. Wenn sie wieder freundlich wird, genießen alle Gemüther das Glück der Ruhe. Der Reiz ihrer Blicke giebt Leben und Tod, die beiden Welten gehorchen ihren Befehlen.«
Sey willkommen, Herzenszwang, sprach die Prinzessinn Sobeide, man hat mir gesagt, daß du ganz besonders schön singst, gieb uns doch eine Probe deines Talents. – Herzenszwang gehorchte, sezte sich nieder, ergriff die Baskische Trommel und sang, indem sie sich selbst accompagnirte, Folgendes:
»Die Vögel sagen zum verwundeten Herzen: ›Fliehe, fliehe die Menschen.‹ – Mein Herz, gehorche den Menschen, stehe auf, freue dich, und tanze, um ihnen Vergnügen zu machen.«
Nachdem sie auf diese Weise einige Zeit lang Aller Herzen durch ihren Gesang hingerissen hatte, vertauschte sie die Trommel mit der Flöte, und dann die Flöte mit der Laute. Sie stimmte die Saiten und legte dann die Laute wie einen zarten Säugling an ihren Busen. Man hätte die Verse auf sie anwenden können, die ein Dichter auf eine Lautenspielerinn gemacht hat:
»Die Laute spricht durch Persische Saiten, sie spricht zu denen, deren Sprache sie nicht versteht.
Die Finger der Lautenspielerinn drücken Empfindungen aus, die ihr Mund nicht aussprechen konnte.
Sie hält inne und läßt die Wallungen der Leidenschaft verrauschen, wie ein geschickter Arzt das Blut der Adern, wenn es nöthig ist, fließen läßt, und aufhält.«
Kurz die Sklavinn lockte aus ihrer Laute so hinreißende Akkorde hervor, daß Sobeidens Haß gegen die, die sie hatte kommen lassen, um sie ihrer Rache aufzuopfern, schon sehr hinzuschwinden anfieng. Sie konnte in ihrem Herzen den Chalifen nicht tadeln, daß er sich von einer so heftigen Leidenschaft für ein so vollendetes Geschöpf hatte hinreißen lassen. Indessen gewann einen Augenblick nachher die Eifersucht über die Empfindungen der Gerechtigkeit die Oberhand, und Sobeide wünschte eben so lebhaft sich ihre Nebenbuhlerinn vom Halse zu schaffen, als sie ihre Vorzüge anerkannte. Jedoch regte sich noch eine Empfindung des Mitleides in dem Herzen der Prinzessinn, und sie ertheilte also nicht den Befehl, daß ihre Nebenbuhlerinn vergiftet werden sollte, wie sie sich anfangs vorgenommen hatte, sondern sie beschloß ihr nur ein starkes Opiat eingeben, und sie in ein Kabinet bringen zu lassen, und dann auszusprechen, sie sey todt, und sie auch wirklich zum Scheine begraben zu lassen.
Diese ganze Komödie war schon ausgespielt, als der Chalife vom Fischfang wieder zurückkam. Seine erste Frage war nach seiner geliebten Herzenszwang, und die Sklavinn, die er gefragt hatte, antwortete ihm, sie sey aus Verdruß über seine Entfernung plötzlich gestorben. Der Chalife rannte durch den Palast wie ein Rasender, und überall bekam er die nämliche Antwort. Er verlangte hierauf ihr Grab zu sehn, und man zeigte ihm eins, das so eben erst ganz frisch in den Gärten, die zum Palaste gehörten, aufgeworfen worden war. Dieses plötzliche Begraben ist nichts weniger als unwahrscheinlich, da die Mahomedaner ihre Todten begraben, wenn sie kaum verschieden sind. Diese schreckliche Gewohnheit ist durch eine mündliche Überlieferung des Propheten autorisirt. Anm. des franz. Übersetzers. O Grab, rief der Chalife, indem er es mit einem Strom von Thränen benezte, wie können in deinem düstern und kalten Schatten der volle Mond der Schönheit und der blühende Zweig der Jugend begraben seyn!
Harum konnte sich weder von dem Grabe losreißen, noch seinen Schmerz mäßigen, und sobald als Sobeide des Erfolgs ihrer List gewiß war, ließ sie die schlafende Herzenszwang in einen Kasten legen, und zum Palaste hinaus tragen, mit dem Befehl, daß man diesen Kasten an den ersten besten, der ihn haben wollte, verkaufen sollte.
Indessen hatte der Fischer Chalife, dem der Verschnittene Sandal gesagt hatte, er möge sein Geld nur im Palaste abholen, nicht verfehlt, sich daselbst einzustellen. Er sah seinen Mann an der Thür des Palastes mitten unter einem Haufen anderer Mamluken und Verschnittenen sitzen, trat auf ihn zu und bat um sein Geld. Der Verschnittene steckte schon die Hand in die Tasche, um es ihm zu geben, als ein Geschrey die Ankunft des Wesirs Dschafar verkündigte, der eben vom Chalifen herkam. Sogleich standen die Mamluken und Verschnittenen auf, um ein Spalier zu bilden und Sandal, dem der Wesir mit der Hand ein Zeichen gab, daß er sich nähern sollte, weil er ihm etwas zu sagen hatte, ließ den Fischer stehen, um Dschafars Befehle zu empfangen. Chalife glaubte, der Verschnittene wolle seine Schuld abläugnen, um nicht genöthigt zu seyn zu bezahlen. Er schrie also: Gott verdamme die Unverschämten, und alle, die das Gut der Armen wegnehmen, ohne zu bezahlen! – Dschafar fragte, was dieser Mann wolle. Der Verschnittene erzählte ihm mit zwey Worten die ganze Sache und sagte ihm, es sey derselbe Fischer, der den Tag vorher den Chalifen belustigt habe. – Er hätte nicht gelegner kommen können, sprach Dschafar, der Chalife ist in Verzweiflung über den Tod der Sklavinn Herzenszwang, vergebens habe ich es versucht, ihn zu trösten, vielleicht können wir den Fischer dazu brauchen, ihn in seinem Schmerz ein wenig zu zerstreuen. Haltet ihn also auf, ich will indessen wieder zum Chalifen gehen.
Dschafar fand ihn noch immer im größten Schmerz versunken, er küßte die Erde und grüßte ihn nach der gewöhnlichen Sitte mit diesen Worten: Gruß dem Beherrscher der Gläubigen, dem Beschützer der Religion, dem Vetter des Propheten, dem großen Harun Raschid! – Der Chalife hob den Kopf in die Höhe, und erwiederte den Gruß mit folgenden Worten: Und auch ihr seyd gegrüßt, und die Barmherzigkeit und der Seegen Gottes komme über euch. – Erlaubt der Beherrscher der Gläubigen seinem Sklaven, daß er reden darf? fragte der Wesir. – Sprich was du willst! bist du nicht mein Großwesir? – Sire, fuhr Dschafar fort, euer Meister und Gefährte, der Fischer Chalife ist vor der Thür des Palastes, er beklagt sich bitterlich über seinen Lehrburschen, den Trompeter, der ihn hat sitzen lassen und er schwört, er wolle sich einen andern suchen. – Trotz der Seufzer, die er ausstieß, konnte der Chalife doch nicht umhin zu lächeln. – Wahrhaftig, sprach er, ist der Fischer wirklich an der Thür des Palastes? – Wie ich sage, Beherrscher der Gläubigen, erwiederte Dschafar. – Nun gut, sprach Harun, in diesem Falle muß er mir die Arbeit bezahlen, die ich gestern auf seinen Befehl gethan, oder ich muß ihn für das Vergnügen belohnen, das er mir gemacht hat. Wir wollen sehen, ob ihm das Glück günstig ist. Der Zufall mag entscheiden. Nehmt zwanzig Blätter Papier, schreibt auf zehn, Vorräthe von Lebensmitteln, Statthalterschaften, Emirsdiplome, Anweisungen auf Leibrenten und andere ähnliche Gewinne, und auf die andern zehn Loose schreibt dann Todesurtheile, Verhaftsbefehle und Bastonnaden, und ruft den Fischer, er soll sein Loos selbst ziehn. Ich schwöre bey meinen glorreichen Vorfahren, daß ich buchstäblich dasjenige vollstrecken will, was auf dem Loose steht, das er gezogen hat; ist es eine Wesirstelle, so werde ich sie ihm geben, und zieht er den Galgen, so lasse ich ihn hängen.
Dschafar vollzog den Befehl des Chalifen, und suchte dann den Fischer Chalife auf. Dieser hatte es indessen schon tausendmal bereut, daß er an Hof gegangen war. Warum ließ ich mich doch, sprach er jezt, mit diesem elenden Sklaven ein, der mich in großes Unglück stürzen wird? – Er folgte Dschafar und den Mamluken, die ihn durch sieben Höfe hindurch bis in den Saal führten, wo der Thron des Chalifen stand, auf welchem er Harun umgeben von den Großen seines Hofes sitzen sah. Er erkannte den Chalifen sogleich. – Trompeter, rief er, ohne aus der Fassung zu kommen, warum hast du mich gestern mit meinen Fischen sitzen lassen? Warum hast du mich der Gnade der Verschnittenen überlassen, die nachher kamen und mich bestahlen. Du allein bist an Allem Schuld, wärst du mit den Fardes gekommen, ich hätte aus den Fischen wenigstens hundert Dukaten gelöst. – Harun lächelte. Wähle, sagte er zu ihm, eins von diesen Blättern Papier. – Wie? rief der Fischer, bist du auch ein Astrolog? Glaube mir, Trompeter, das taugt nichts. Je mehr Handwerke man treibt, desto weniger gewinnt man, du thätest gescheuter, wenn du Fischer bliebst. – Greif zu, sprach Dschafar, greif zu, ohne noch viele unnütze Worte zu machen, und thue was dir der Beherrscher der Gläubigen befiehlt. – Der Fischer nahm ein Blatt, und gab es dem Chalifen. Sage mir, Trompeter, sprach er dann zu Harun, sag mir, was gutes darauf steht. – Lies, sagte Harun zu Dschafar, indem er ihm das Blatt gab. Dschafar las: Es ist keine Macht und Gewalt, außer bey dem großen Gott! Dem Überbringer dieses hundert Stockprügel! – Dieser Urtheilsspruch wurde auch sogleich vollzogen und die hundert Stockprügel wurden dem Fischer richtig zugezählt, der trotz seines abgehärteten und an Schläge gewöhnten Fells, einmal über das andere schrie: Gott verdamme dieses Spiel! – Sire, sprach dann Dschafar, erlaubt jezt, daß der Fischer noch ein Blatt ziehe, vielleicht spielt ihm sein gutes Glück eine von euren Gnadenbezeugungen in die Hände, laßt es nicht geschehen, daß er von den Ufern des Flusses eurer Freigiebigkeit hinweggeht, ohne seinen Durst gelöscht zu haben. – Er mag ein andres ziehen, sagte Harun, aber zieht er ein Todesurtheil, so wird es ohne Gnade und Barmherzigkeit vollzogen. – Gott segne euch für eure Freigiebigkeit, sprach der Fischer; konntet ihr denn in der großen Stadt Bagdad weiter niemanden finden als mich, um diese schöne Probe zu machen? – Mit diesen Worten streckte er seine Hand aus, und zog ein anderes Papier, das er dem Großwesir Dschafar überlieferte. Dieser las es für sich, sagte nichts, und gab es dem Chalifen. Was giebts? fragte Harun. – Nichts, antwortete Dschafar, denn es ist ein unbeschriebenes Blatt, aber erlaubt, daß er zum dritten mal zieht. – Es mag seyn, sprach Harun, aber unter den nämlichen Bedingungen. – Der Fischer zog. Dschafar nahm das Blatt und las: »Dem Überbringer einen Dukaten.« – Meiner Treu, sagte der Fischer, das ist nicht theuer, einen Dukaten für 100 Stockprügel. – Der Chalife lächelte, und man führte den Fischer weg. Als er aus dem Palaste gieng, fand er den Verschnittenen Sandal, der ihm zurief, er möge ihm doch die Hälfte von dem geben, was er vom Chalifen bekommen hätte. Der Fischer hätte ihm gern die Hälfte der Stockschläge abgegeben, allein weil er sich fürchtete, warf er ihm vielmehr den Dukaten zu, den er so eben bekommen hatte und gieng mit thränenden Augen weiter. Als der Verschnittene Sandal diesen Zug von Ehrlichkeit und Gutherzigkeit sah, rief er den Fischer zurück, und gab ihm einen Beutel mit 100 Dukaten, um ihm, wie er sagte, die Fische zu bezahlen, wofür er ihm noch das Geld schuldig war. Bey'm Anblick des Goldes vergaß der Fischer die schlechte Behandlung die ihm wiederfahren war, und gieng voller Freude nach Hause.
Als er über den Sklavenmarkt gehen wollte, mußte er sich durch eine große Menge Menschen drängen. Diesen Auflauf verursachte ein Greis, vor welchem ein Kasten stand, auf dem ein Sklave saß. Der Greis rief in einem fort: Ihr begüterten Leute! Ihr Leute von Stand! Wer wendet einen Dukaten daran zu kaufen, was in diesem verschlossenen Kasten steckt, der aus dem Harem der Tochter Kassems, der Prinzessinn Sobeide kommt? – Anfangs herrschte allgemeines Stillschweigen, denn die Kaufleute fürchteten, es möchte eine Hinterlist darunter verborgen seyn, aber endlich bot einer von ihnen 10 Dukaten. Ein anderer bot fünfzig, ein dritter sechzig, so kam man bis auf 100. – Hundert zum ersten! Ihr reichen Leute, wer bietet mehr? – Hundert und ein Dukaten, sprach der Fischer Chalife. – Alle Umstehenden fiengen an zu lachen, als sie dieses Gebot hörten, und machten sich lustig über Chalifen, der keinen einzigen Dukaten in der Tasche zu haben schien; und während man so plauderte, und über ihn lachte, endigte der Ausrufer die Versteigerung und schlug dem Fischer den Kasten zu. Die 101 Dukaten wurden baar bezahlt, der Sclave nahm sie in Empfang und stattete die ganze Sache der Prinzessinn Sobeide Bericht ab, die ganz bezaubert darüber war.
Chalife nahm den Kasten auf den Kopf und da er sehr schwer war, so vergoß er große Schweißtropfen, ehe er ihn nach Hause brachte, wo er ihn hinsezte, um ihn zu öffnen. Aber er hatte keinen Schlüssel und wollte doch das Schloß nicht verderben; übrigens war es schon spät, er beschloß also bis an den andern Morgen zu warten, und legte sich der Länge lang über den Koffer her, um darauf zu schlafen. Nachdem er einige Zeit geschlafen hatte, wachte er voller Schrecken auf, denn er merkte, daß sich etwas im Kasten rege. »Gott sey gelobt, sprach er, daß ich den Kasten nicht aufgemacht habe, es sind Dschinnen darin, die hätten mir da in der Dunkelheit einen schönen Spuk anrichten können.« – In diesem Augenblick regte sich der Kasten noch einmal, und Chalifens Schrecken verdoppelte sich. Es war gerade eine sehr dunkle Nacht und er hatte nicht ein Stümpchen Licht im Hause, und keinen Groschen, um welches kaufen zu können. Er lief also zum Hause hinaus, und schrie in dem ganzen Stadtviertel umher: Nachbarn! Gebt mir doch ein Stümpchen Licht, denn ich habe Dschinnen zum Besuche bey mir. – Einer von ihnen gab ihm lachend über seine Narrheit ein Licht und Chalife kehrte wieder in sein Haus zurück, um den Kasten zu öffnen. Er zerbrach das Schloß und Herzenszwang die sich schon zweimal geregt hatte, wachte, da die Wirkung des Opiats aufhörte, in diesem Augenblicke auf. – Jesunir! Narcissus! rief sie, als sie die Augen aufschlug, um ihre Verschnittenen herbey zu rufen. Treibt man seinen Spott mit mir? sprach der Fischer. Herzenszwang rieb sich die Augen. Wer bist du, und wo bin ich? fragte sie. – Du bist in meinem Hause, erwiederte Chalife. – Wie! bin ich denn nicht im Palaste des Chalifen Harun Raschid? – Ey was hat Raschid mit dir zu schaffen, kleine Närrinn! Du bist meine Sklavinn, ich habe dich unbesehen, wie du im Kasten schliefst, für 101 Dukaten gekauft. – Wie heißt ihr? fragte sie. – Wozu das? antwortete Chalife, wollt ihr mir etwa gut Glück wahrsagen, das habe ich nach dem Glück, das ich so eben gemacht habe, nicht nöthig. – Herzenszwang lachte. Hast du nichts zu essen? fuhr sie fort, denn es sind schon zwei Tage her, daß ich nichts gegessen und getrunken habe. – Ich habe weder etwas zu essen noch zu trinken, antwortete der Fischer; Dank sey es meinem Geschmack an Seltenheiten, ich habe meinen letzen Heller für diesen Kasten hingegeben und also völlig Bankerott gemacht. – Nun so hole mir etwas, sagte sie lachend. –
Der Fischer gieng aus, und da es schon gegen Morgen war, so fand er mehrere von seinen Nachbarn schon wach. Er bat sie alle um etwas zu essen, der eine gab ihm ein Stück Brod, der andre ein Stück Käse, der dritte etwas Pastete, die vom gestrigen Abendessen übriggeblieben war. – Ist das alles? fragte Herzenszwang, als sie dieses schöne Frühstück sah, und wie kannst du verlangen, daß ich essen soll ohne zu trinken, ich müßte ja daran ersticken? – Nun gut, sprach Chalife, so will ich diesen Wasserkrug (Jarre) Das Wort Jarre ist so wie das Wort Damdschan, woraus die Franzosen Damejam gemacht haben, ursprünglich Arabisch. Anm. des franz. Übersetzers. füllen. Er gieng aus, und durch Bitten bey seinen Nachbarn, erreichte er wie das erstemal seinen Zweck und füllte die Jarre. – Jezt, sagte er, erzähle mir deine Geschichte. – Ich bin Herzenszwang erwiederte sie, die Favorite Haruns. Die Eifersucht hat mir zu eurem Glücke diesen Streich gespielt, denn euer Glück ist gemacht. – Wer ist Harun? fragte der Fischer, ist es etwa der Strohmann, den ich im Palast habe auf dem Throne sitzen sehen? – Ganz recht! – Nun bey Gott, ich habe in meinem Leben keinen schlechteren Trompeter und größeren Knauser gesehen. Einen Dukaten giebt er für 100 Stockschläge, der elende Spaßvogel mit seinen aufgeblasenen Backen. – Schweig mit diesen Reden, versezte sie, und vergiß den Respekt nicht, den du dem Beherrscher der Gläubigen schuldig bist. – Diese Worte brachten den Fischer wieder zu sich, und er sah deutlich, welchen herrlichen Vortheil er aus diesem Glückszufall ziehen könne. Herzenszwang forderte Dinte und Papier, Chalife holte es, und sie schrieb einen Brief an einen Mann, der im Palast Geschäfte hatte, worin sie ihn bat, daß er den Chalifen von ihrem Abentheuer unterrichten möchte. Geh, sprach sie dann zum Fischer, bringe diesen Brief dem Juwelier Karnas, den du auf dem Markt der Juweliere finden wirst. Chalife gieng hin, der Juwelier hielt ihn anfangs für einen Bettler, der ihn um Allmosen ansprechen wolle, allein als er den Brief gelesen hatte, küßte er ihn, legte ihn auf seinen Kopf, und fragte den Fischer nach seinem Hause. – Wozu das? fragte dieser, wollt ihr mir etwa meine Sklavinn stehlen. – Nein, antwortete der Juwelier, ich will alles hinschicken, was dazu gehört, die Favorite des Chalifen anständig zu bewirthen. – Der Fischer sagte ihm also sein Haus, und der Juwelier schickte ihn mit einer Anweisung auf 1000 Dukaten zu einem seiner Bankiers, der sie dem Fischer auch sogleich auszahlte. Als er wieder an die Butike des Juweliers kam, fand er daselbst für Karnas ein prächtig aufgezäumtes Pferd, 100 Mamluken und eine Mauleselinn, die für ihn selbst bestimmt war. – Ach ich kann nicht reiten, sprach er. – Du mußt wohl, antwortete man ihm. – Nun in Gottes Namen, sagte er, wenn ich einmal muß, so sey es denn. Er stieg hierauf verkehrt auf und nahm den Schwanz der Mauleselinn statt des Zügels in die Hand. Die Mauleselinn aber schlug hinten aus und warf ihn herunter. – Hatte ich es euch nicht vorher gesagt, sprach Chalife, daß ich diesen großen Esel nicht gern reite.
Der Juwelier ritt also allein in den Palast, um dem Chalifen die angenehme Nachricht selbst zu überbringen, und Chalife gieng indessen wieder nach Hause. Als er in das Quartier kam, wo sein Haus lag, fand er es voller Menschen. »Armer Teufel, sagten die Leute, du wirst es theuer genug büßen müssen, daß du diese schöne Sklavinn gestohlen hast. Es sind Mamluken gekommen um dich wegzuführen, und sie haben schon nach dir gefragt. Glücklicherweise warst du noch nicht da, aber sie sagten, du würdest ihnen nicht entgehen.« – Als Chalife diese Reden hörte, lief er in vollem Rennen fort, und traf wieder auf den Juwelier, der eben vor einem prächtigen Hause hielt. Ihr habt also doch die Sklavinn entführen lassen? sprach der Fischer zu ihm. – Schweig, Einfaltspinsel, antwortete der Juwelier und komm mit mir hier herein. – Es war das Haus, wohin der Juwelier die schöne Sklavinn einstweilen hatte bringen lassen. Sie sahen sie von Sklavinnen umgeben, auf einem Ruhebett sitzen, und sie begab sich sogleich nach der Ankunft des Juweliers mit einem großen Gefolge in den Palast des Chalifen, der indessen von allem Vorgefallenen unterrichtet worden war. Die Sklavinn küßte zu den Füßen des Throns die Erde, der Chalife, ganz außer sich vor Freude, stand auf, hob sie auf, grüßte sie und fragte sie, wer sie gekauft hätte. Ein Fischer, Namens Chalife, antwortete sie, der behauptet die Ehre zu haben, euch als seinen Fischerkameraden noch genauer zu kennen. – Man lasse ihn herein kommen, sprach Harun. – Der Fischer trat herein und küßte die Erde. – Nun wohlan, Chalife, sagte der Chalife zu ihm, bist du nicht vorige Nacht wieder mein Kamerad gewesen? – Der Fischer, der sogleich merkte, was der Chalife mit seiner Frage sagen wollte, antwortete: Allerdings, was Augen und Ohren anbelangt, aber nicht weiter. Und hierauf erzählte er sein ganzes Abentheuer von dem Augenblick an, wo er den Palast verlassen hatte, bis zu dem, wo er wieder dahin zurückgekehrt war, und der Chalife lachte herzlich über diese ganze Erzählung.
Was verlangst du für deine gute Aufführung? fragte der Chalife. Der Fischer schwieg, und Harun befahl hierauf, daß man ihm 5000 Dukaten auszahlen, prächtige Gewänder zur Kleidung und Sklaven zur Bedienung geben sollte. Die Freude des Chalifen über die Rückkehr seiner vielgeliebten Günstlingin war unaussprechlich und hatte er vorher seine Gemahlinn Sobeide lange nicht besucht, so war jezt noch weit weniger Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß er sie besuchen würde, seit er den Streich entdeckt hatte, den ihre Eifersucht ihm spielte. Die Prinzessinn war voller Verzweiflung, daß sie auf diese Weise nicht nur die Liebe ihres Gemahls und Vetters des Chalifen, verscherzt, sondern auch noch seinen Zorn auf sich geladen hatte. Indessen gab es kein Mittel zur Versöhnung weiter, als das begangene Unrecht geradezu zu gestehen, und den Chalifen um Verzeihung zu bitten. Sie that dieses in einem Briefe und der Chalife, der gern verzieh, versöhnte sich mit ihr. Der Fischer Chalife wurde von Harun, der ihm auch noch eine lebenslängliche Pension von fünfzig Dukaten monatlich ertheilt hatte, mit Gnadenbezeugungen überhäuft, und küßte die Erde, um sich auf den Weg nach Hause zu machen. An der Thür des Palastes traf er den Verschnittenen Sandal an, der ihm die 100 Dukaten gegeben hatte, und so die erste Ursache seines Glücks gewesen war. Chalife wollte ihm ein Geschenk mit einem Beutel von 1000 Dukaten machen, allein Sandal, gerührt durch seinen Edelmuth und seine Erkenntlichkeit, dankte ihm dafür, und überhaupt nahmen alle, die den Fischer kannten, Theil an seiner Freude über sein neues Glück.
Chalife kaufte jezt ein schönes Haus, das er mit der herrlichsten Einrichtung versah, und das ihm ein wahres Paradies schien. Er heyrathete die Tochter eines der angesehensten Männer in der Stadt, und lebte in Überfluß und Vergnügen, ohne jedoch je zu vergessen, daß er der Vorsehung sein Glück verdanke, der er an jedem Tage seinen Dank darbrachte. Er besaß die Gunst des Chalifen und genoß alle Annehmlichkeiten eines glücklichen Lebens, bis ihn der Tod in die Ewigkeit und zu einem noch glücklicheren Leben abrief, das der ewige Gott, der immer lebt und nie stirbt, euch allen verleihen möge!