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Wenn der angesehene Pfarrer im Nachbarkirchspiel, Herr Jacob Barfod, jemand durch einen Boten wissen ließ, daß er mit ihm sprechen wollte, blieb nichts anderes übrig als hin zu gehen. Er hatte zwei Türen vor seinem Arbeitszimmer, die eine hinter der anderen, und die Leute pflegten schon zwischen diesen beiden Türen die Mütze abzunehmen.

Als Benoni das nächstemal mit der Post kam, sandte der Pfarrer einen Boten nach ihm.

Das habe ich jetzt für meine Großsprecherei! dachte Benoni voll Angst. Der Pfarrer hat gehört, womit ich geprahlt habe, und jetzt will er mich zugrunde richten und vernichten. Da aber der Bote nach ihm gesandt worden war, blieb ihm nichts anderes übrig als zu gehen. Benoni nahm die Mütze zwischen den beiden Türen ab und trat ein.

Doch der Pfarrer war heute nicht gefährlich. Im Gegenteil, er wollte Benoni um einen Gefallen bitten.

Du siehst diese Blaufuchsfelle hier, sagte er. Ich habe sie schon seit dem Frühwinter hier. Ich werde sie nicht los. Nimm sie mit zu Mack auf Sirilund.

Benoni war so wunderbar erleichtert, daß er zu schwätzen anfing:

Ja, das will ich wirklich gerne tun. Und noch diesen Abend, heute abend um sechs Uhr.

Sage Mack von mir, daß der Blaufuchs auf acht bis zehn Speziestaler steht.

Benoni schwätzte in seiner großen Erleichterung wieder:

Zehn Speziestaler? sagen Sie zwanzig. Sie sollen sie nicht um einen Spottpreis hergeben, wirklich nicht.

Und dann bringst du mir das Geld, Benoni.

Ja, das nächstemal. So sicher, wie ich hier vor Ihnen stehe  ... Ich werde das Geld hier auf Ihren Tisch legen.

Als Benoni über das Gebirge heimging, fühlte er weder Hunger noch Müdigkeit vor lauter Zufriedenheit mit sich selbst und dem Leben. Sieh an, der Pfarrer begann schon, ihn zu Dienstleistungen zu benützen, er gliederte ihn gewissermaßen der Familie an. Eines Tages würde Fräulein Rosa wohl noch einen Schritt weiter gehen.

Er bekam ganz richtig zehn Taler für das Stück, und brachte das Geld getreulich und sicher zurück. Diesmal aber war der Pfarrer abwesend, er traf seine Frau und mußte ihr das Geld abliefern. Er bekam Kaffee und Schnaps für seine Mühe.

Und wieder ging Benoni heimwärts zu seiner Hütte an der Küste. Er hatte viele Gedanken. Jetzt mußte Fräulein Rosa etwas tun; es ging auf den Frühling zu und es war Zeit zu einer Entscheidung.

Da schrieb er einen Brief an die Tochter des Pfarrers, und er geriet ihm gut.

Schließlich bat er sie mit offenen Worten, sie möchte doch die Hand nicht ganz von ihm abziehen. Und ehrerbietigst Benoni Hartvigsen, Gerichtsbote.

Den Brief überbrachte er selbst  ...

Jetzt aber war das Leben nicht mehr höflich gegen Benoni.

Seine Prahlerei und die schamlose Erdichtung beim Weihnachtsschnaps hatten endlich das Nachbarkirchspiel und Rosa erreicht. Jetzt kamen schlimme Zeiten.

Der Pfarrer sandte wieder einen Boten zu ihm. Benoni hatte sich wie stets in letzter Zeit schön und gut angezogen und trug eine Joppe über der anderen, um die äußere aufschlagen zu können, und außerdem hatte er ein besonders schönes Kattunhemd an.

Es ist die Antwort auf den Brief, dachte Benoni, er möchte meine Absichten kennen lernen, er hat ja recht, es gibt viele niedrige Verführer und Betrüger auf dieser Welt, aber dazu gehöre ich nicht.

Benoni ist beklommen. Auf dem Pfarrhof angelangt, ging er zuerst in die Küche, um dort irgend eine Neuigkeit zu erfahren, vielleicht konnte ihm auch ein Gesichtsausdruck etwas verraten.

Der Pfarrer wollte mit dir sprechen, sagten die Mädchen.

Na, mehr wie ein Nein würde er auf seinen Brief auf keinen Fall bekommen. Und das wollte er schon wie ein Mann ertragen. Gar so versessen war er ja auf die Pfarrerstochter auch niemals gewesen.

Jawohl, antwortete er den Mädchen und richtete sich auf. Ich werde schon zum Pfarrer hineingehen. Und er fuhr sich durch seinen Haarpelz; er hatte so dickes und zottiges Haar.

Er will mich nur um einen neuen Gefallen bitten, dachte er auf seinem Weg zum Arbeitszimmer.

Dort standen, als er eintrat, der Pfarrer und auch seine Tochter. Keines beantwortete seinen Gruß. Der Pfarrer hielt ihm ein Papier hin und sagte:

Lies das!

Dann begann der Pfarrer im Zimmer auf und ab zu gehen, während Rosa aufrecht und stumm am Schreibtisch stand.

Benoni las. Es war eine Erklärung – daß ich das, was ich, Benoni Hartvigsen an ehrenrührigen Erfindungen über mich und Fräulein Rosa Barfod verbreitet habe, hiermit öffentlich zurücknehme und das Ganze für eine schändliche Unwahrheit erkläre.

Benoni hatte Zeit genug, es zu lesen. Schließlich fragte der Pfarrer, durch Benonis immer stärker zitternden Hände und dessen langes Schweigen gereizt:

Hast du es noch nicht zu Ende gelesen?

Doch, antwortete Benoni leise.

Was sagst du dazu?

Benoni stammelte:

Es ist wohl so. Es war nicht anders zu erwarten.

Und Benoni schüttelte den Kopf.

Der Pfarrer sagte:

Setz dich hierher und schreibe deinen Namen unter die Erklärung.

Benoni legte seine Mütze auf den Boden, ging zusammengesunken an den Tisch und schrieb. Er vergaß nicht einen langen Schnörkel unter seinen Namen zu machen, wie er es sich angewöhnt hatte.

Dieses Papier wird jetzt an den Lensmann in deinem eigenen Kirchspiel zur Verlesung auf dem Kirchberg gesandt, sagte der Pfarrer.

Benoni war ganz dumpf und schwer im Kopfe, er antwortete:

Ja, das wird es wohl.

Während dieser ganzen Zeit stand Rosa aufrecht und stumm am Schreibtisch  ...

Das Leben war nicht mehr höflich. Bald kam der Frühling, die Krähen fingen an Zweige zusammenzutragen; wo aber waren die Freude, der Gesang, das Lächeln und die Herrlichkeit? Und was scherte sich Benoni jetzt um den reichen Heringsfang! Er hatte an drei Großnetzen, die einen Fang gemacht hatten, kleine Anteile und hatte im stillen gedacht, dies könnte ihm und Rosa, der Pfarrerstochter, zugute kommen, – wie jämmerlich töricht war er gewesen!

Einen Tag und eine Nacht lang blieb er vor Gram im Bett liegen und sah sein altes Hausmädchen kommen und gehen und wiederum kommen. Und wenn sie ihn fragte, ob er krank sei, so war er krank, und fragte sie, ob es ihm jetzt nicht besser ginge, so war er nachgiebig und antwortete, doch, es ginge ihm besser.

Auch den nächsten Tag lag er noch im Bett. Es wurde Samstag. Vom Lensmann kam ein Bote mit einem Paket.

Ein Mann ist da mit einem Paket vom Lensmann, sagte das Mädchen an seinem Bett.

Benoni antwortete:

So. Ja, leg das Paket dorthin.

Das sind die Bekanntmachungen, die ich morgen verlesen muß, dachte Benoni. Er blieb noch eine Weile liegen, plötzlich steht er auf und öffnet das Paket: Auktionen, entwichene Gefangene, die jährliche Steuerverteilung. Und da lag auch seine eigene Erklärung. Er greift sich mit beiden Händen an den Kopf.

So sollte er es also selbst tun, sollte am Kirchberg stehen und seine eigene Schande verkünden!

Er biß die Zähne zusammen und sagte:

Jaja, Benoni!

Als aber der nächste Tag kam und heller Sonnenschein, da verlas er seine eigene Erklärung nicht. Alles andere las er vor, aber dies nicht; die Sonne, die Sonne war zu stark, und hundert Augen sahen ihm gerade ins Gesicht.

In tiefer Niedergeschlagenheit begab er sich nach Hause; er vermied jede Begleitung und nahm den Weg durch Wald und Moore, um allein zu sein. Ach, das war das letztemal, daß ihm eine Begleitung angeboten wurde, die er nicht annahm, es würde sich ihm nie wieder einer anbieten.

Bald kam es an den Tag, daß Benoni am Kirchberg Papiere unterschlagen hatte. Am nächsten Sonntag setzte sich der Lensmann die Mütze mit dem Goldrand auf und verlas selbst die Erklärung in Anwesenheit von vielen Leuten.

Etwas Unerhörtes war in der Gemeinde geschehen, und das Geschwätz summte von Berg zu Berg. Benoni war gefallen, er lieferte auch die Tasche mit dem Löwen darauf ab und hatte die Post zum letzten Mal ausgetragen. Jetzt war er zu gar nichts mehr auf Gottes weiter Welt da.

Er ging heim zu seiner Hütte und grübelte und grämte sich eine Woche lang. Da kam an einem Abend ein Netzmeister zu ihm ins Haus und brachte ihm seinen Anteil am Fischfang. Danke! sagte Benoni. Am Abend darauf kam der Netzmeister Norum, der gleich vor Benonis Hütte einen großen Fang gemacht hatte. Von ihm bekam Benoni drei kleine Anteile am Netz und außerdem einen großen Strandanteil. Danke! sagte Benoni.

Ihm war es gleich, er war zu nichts mehr zu gebrauchen.


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