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Der Scheik Ali Banu war in tiefes Nachdenken versunken über diese Erzählung; sie hatte ihn unwillkürlich mit sich fortgerissen, seine Brust hob sich, sein Auge glühte, und er war oft nahe daran, seinen jungen Sklaven zu unterbrechen; aber das Ende der Erzählung schien ihn nicht zu befriedigen.

»Er könnte jetzt einundzwanzig Jahre haben, sagst du?« so fing er an zu fragen.

»Herr, er ist in meinem Alter, ein- bis zweiundzwanzig Jahre.«

»Und welche Stadt nannte er seine Geburtsstadt? Das hast du uns noch nicht gesagt.«

»Wenn ich nicht irre«, antwortete jener, »so war es Alessandria!«

»Alessandria!« rief der Scheik. »Es ist mein Sohn; wo ist er geblieben? Sagtest du nicht, daß er Kairam hieß? Hat er dunkle Augen und braunes Haar?«

»Er hat es, und in traulichen Stunden nannte er sich Kairam und nicht Almansor.«

»Aber, Allah! Allah! Sage mir doch, sein Vater hätte ihn vor deinen Augen gekauft, sagst du? Sagte er, es sei sein Vater? Also ist er doch nicht mein Sohn!«

Der Sklave antwortete: »Er sprach zu mir: ›Allah sei gepriesen nach so langem Unglück: Das ist der Marktplatz meiner Vaterstadt.‹ Nach einer Weile aber kam ein vornehmer Mann um die Ecke; da rief er: ›Oh, was für ein teures Geschenk des Himmels sind die Augen! Ich sehe noch einmal meinen ehrwürdigen Vater!‹ Der Mann aber trat zu uns, betrachtet diesen und jenen und kauft endlich den, dem dies alles begegnet ist. Da rief er Allah an, sprach ein heißes Dankgebet und flüsterte mir zu: ›Jetzt gehe ich wieder ein in die Hallen meines Glückes, es ist mein eigener Vater, der mich gekauft hat.‹«

»Es ist also doch nicht mein Sohn, mein Kairam!« sagte der Scheik, von Schmerz bewegt.

Da konnte sich der Jüngling nicht mehr zurückhalten; Tränen der Freude entstürzten seinen Augen, er warf sich nieder vor dem Scheik und rief: »Und dennoch ist es Euer Sohn, Kairam: Almansor; denn Ihr seid es, der ihn gekauft hat.« »Allah, Allah! Ein Wunder, ein großes Wunder!« riefen die Anwesenden und drängten sich herbei; der Scheik aber stand sprachlos und staunte den Jüngling an, der sein schönes Antlitz zu ihm aufhob. »Mein Freund Mustapha!« sprach er zu dem alten Derwisch, »vor meinen Augen hängt ein Schleier von Tränen, daß ich nicht sehen kann, ob die Züge seiner Mutter, die mein Kairam trug, auf seinem Gesicht eingegraben sind. Trete du her und schaue ihn an!«

Der Alte trat herzu, sah ihn lange an, legte seine Hand auf die Stirne des jungen Mannes und sprach: »Kairam! Wie hieß der Spruch, den ich dir am Tage. des Unglücks mitgab ins Lager der Franken?«

»Mein teurer Lehrer!« antwortete der Jüngling, indem er die Hand des Alten an seine Lippen zog, »er hieß: So einer Allah liebt und ein gutes Gewissen hat, ist er auch in der Wüste des Elends nicht allein; denn er hat zwei Gefährten, die ihm tröstend zur Seite gehen.«

Da hob der Alte seine Augen dankend auf zum Himmel, zog den Jüngling herauf an seine Brust und gab ihn dem Scheik und sprach: »Nimm ihn hin! So gewiß du zehn Jahre um ihn trauertest, so gewiß ist es dein Sohn Kairam.«

Der Scheik war außer sich vor Freude und Entzücken; er betrachtete immer von neuem wieder die Züge des Wiedergefundenen, und unleugbar fand er das Bild seines Sohnes wieder, wie er ihn verloren hatte. Und alle Anwesenden teilten seine Freude; denn sie liebten den Scheik, und jedem unter ihnen war es, als wäre ihm heute ein Sohn geschenkt worden.

Jetzt füllte wieder Gesang und Jubel diese Halle wie in den Tagen des Glückes und der Freude. Noch einmal mußte der Jüngling, und noch ausführlicher, seine Geschichte erzählen, und alle priesen den arabischen Professor und den Kaiser und jeden, der sich Kairams angenommen hatte. Man war beisammen bis in die Nacht, und als man aufbrach, beschenkte der Scheik jeden seiner Freunde reichlich, auf daß er immer dieses Freudentages gedenke.

Die vier jungen Männer aber stellte er seinem Sohne vor und lud sie ein, ihn immer zu besuchen, und es war ausgemachte Sache, daß er mit dem Schreiber lesen, mit dem Maler kleine Reisen machen sollte, daß der Kaufmann Gesang und Tanz mit ihm teile und der andere alle Vergnügungen für sie bereiten solle. Auch sie wurden reich beschenkt und traten freudig aus dem Hause des Scheik.

»Wem haben wir dies alles zu verdanken«, sprachen sie untereinander, »wem anders als dem Alten? Wer hätte dies damals gedacht, als wir vor diesem Hause standen und über den Scheik loszogen?«

»Und wie leicht hätte es uns einfallen können, die Lehren des alten Mannes zu überhören«, sagte ein anderer, »oder ihn gar zu verspotten? Denn er sah doch recht zerrissen und ärmlich aus, und wer könne denken, daß dies der weise Mustapha sei?« »Und wunderbar! War es nicht hier, wo wir unsere Wünsche laut werden ließen?« sprach der Schreiber. »Da wollte der eine reisen, der andere singen und tanzen, der dritte gute Gesellschaft haben und ich – Geschichten lesen und hören, und sind nicht alle unsere Wünsche in Erfüllung gegangen? Darf ich nicht alle Bücher des Scheik lesen und kaufen, was ich will?« »Und darf ich nicht seine Tafel zurichten und seine schönsten Vergnügen anordnen und selbst dabeisein?« sagte der andere.

»Und ich, so oft mich mein Herz gelüstet, Gesang und Saitenspiel zu hören oder einen Tanz zu sehen, darf ich nicht hingehen und mir seine Sklaven ausbitten?«

»Und ich«, rief der Maler, »vor diesem Tage war ich arm und konnte keinen Fuß aus dieser Stadt setzen, und jetzt kann ich reisen, wohin ich will.«

»Ja«, sprachen sie alle, »es war doch gut, daß wir dem Alten folgten, wer weiß, was aus uns geworden wäre!«

So sprachen sie und gingen freudig und glücklich nach Hause.

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