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Fünfter Akt

Zimmer bei Johns. Frau John liegt schlafend auf dem Sofa. Walburga und Spitta treten vom Flur her ein. Man vernimmt von der Straße herauf laute Militärmusik.

Spitta. Es ist niemand hier.

Walburga. Frau John! Doch, Erich! Hier liegt ja Frau John.

Spitta, mit Walburga an das Sofa tretend. Schläft sie? Wahrhaftig. Das begreife einer, wie man bei diesem Lärm schlafen kann. –

Die Militärmusik ist verklungen.

Walburga. Ach, Erich, pst! diese Frau ist mir grausenvoll. Verstehst du denn übrigens, weshalb unten am Eingang Polizeiposten stehn und weshalb sie uns nicht auf die Straße lassen? Ich hab' eine solche furchtbare Angst, daß man womöglich arretiert wird und mit zur Wache muß.

Spitta. Aber gar keine Idee! Du siehst ja Gespenster, Walburga.

Walburga. Als der Mann in Zivil auf dich zutrat und uns anblickte und du ihn fragtest, wer er sei, und er seine Legitimationsmarke aus der Tasche nahm, wahrhaftig, da fing sich Treppe und Flur auf einmal um mich im Kreise zu drehen an.

Spitta. Sie suchen einen Verbrecher, Walburga. Das ist eben eine sogenannte Razzia, eine Art Kesseltreiben auf Menschen, wie die Kriminalpolizei sie zuweilen veranstalten muß.

Walburga. Und außerdem kannst du mir glauben, Erich, ich habe Papans Stimme gehört, der laut mit jemand geredet hat.

Spitta. Du bist nervös. Du kannst dich getäuscht haben.

Die John spricht im Schlaf.

Walburga erschrickt. Horch mal, die John.

Spitta. Große Schweißtropfen stehen ihr auf der Stirn. Komm mal, sieh mal das alte rostige Hufeisen, das sie mit beiden Händen umklammert hat.

Walburga horcht und erschrickt wieder. Papa!

Spitta. Ich verstehe dich nicht. Laß ihn doch kommen, Walburga. Die Hauptsache ist, daß man weiß, was man will, und daß man ein reines Gewissen hat. Ich bin bereit. Ich ersehne die Aussprache. Es wird laut an die Tür geklopft. Spitta, fest. Herein!

Frau Direktor Hassenreuter erscheint, mehr als sonst außer Atem. Über ihr Gesicht geht ein Ausdruck der Befreiung, als sie ihrer Tochter ansichtig wird.

Frau Direktor Hassenreuter. Gott sei gelobt! Da seid ihr ja, Kinder. Walburga fliegt zitternd in ihre Arme. Mädel, wie du deine alte Mutter geängstet hast! –

Längeres Atmen und Stillschweigen.

Walburga. Verzeih, Mama: ich konnte nicht anders.

Frau Direktor Hassenreuter. Nein! Solche Briefe mit solchen Gedanken schreibt man an eine Mutter nicht. Besonders an eine Mutter wie mich nicht, Walburga! Hast du Seelensnöte, so weißt du auch, daß du mich noch immer mit Rat und Tat dir zur Seite hast. Ich bin kein Unmensch und auch früher mal jung gewesen. Aber ins Wasser springen ... ins Wasser springen und so dergleichen, mit solchen Drohungen spielt man nicht. Ich habe doch hoffentlich recht, Herr Spitta. Und nun auf der Stelle ... wie seht ihr denn aus? – auf der Stelle kommt mit mir beide nach Hause mit! – Was hat denn Frau John?

Walburga. Ja, hilf uns! steh uns bei! nimm uns mit, Mama! Ich bin so froh, daß du da bist. Ich hab' plötzlich eine so lähmende Angst gehabt.

Frau Direktor Hassenreuter. Also kommt, das wäre noch schöner, daß man sich von Ihnen, Herr Spitta, und diesem Kinde solcher verzweifelter Torheiten zu gewärtigen hat. Man hat Mut in Ihren Jahren! Man verfällt nicht auf Ausflüchte, wenn alles nicht gleich nach dem Schnürchen geht, bei denen man nur – man lebt ja nur einmal! – zu verlieren und nichts zu gewinnen hat.

Spitta. Oh, ich habe Mut! Ich denke auch nicht daran, etwa als Lebensmüder feige zu endigen! außer wenn mir Walburga verweigert wird. Dann freilich ist mein Entschluß gefaßt! Daß ich vorläufig arm bin und meine Suppe hie und da in der Volksküche essen muß, untergräbt meinen Glauben an mich und eine bessere Zukunft nicht. Auch Walburga ist sicherlich überzeugt, es muß ein Tag kommen, der uns für alle trüben und schweren Stunden entschädigt.

Frau Direktor Hassenreuter. Das Leben ist lang. Und ihr seid heut noch Kinder. Es ist vielleicht nicht so schlimm, wenn ein Student oder Kandidat in der Volksküche essen muß. Für Walburga als Ehefrau wäre das ärger. Und ich möchte doch für euch beide hoffen, daß da erst etwas vorher wie ein eigner Herd mit dem nötigen Holz und der nötigen Kohle und so weiter geschaffen wird. Im übrigen habe ich bei Papa eine Art Waffenstillstand für euch ausgewirkt. Es war nicht leicht und wäre vielleicht unmöglich gewesen, wenn nicht die Morgenpost seine definitive Ernennung und Wahl zum Direktor in Straßburg gebracht hätte.

Walburga, freudig. Mama! ach, Mama! das ist ja ein Sonnenblick.

Frau John hat sich mit einem Ruck emporgerichtet. Bruno!

Frau Direktor Hassenreuter, entschuldigend. Wir haben Sie aufgeweckt, Frau John.

Frau John. Is Bruno wech?

Frau Direktor Hassenreuter. Wer? Welcher Bruno?

Frau John. Na Bruno! Kenn Se denn Brunon nich?

Frau Direktor Hassenreuter. Richtig, so heißt ja Ihr jüngerer Bruder.

Frau John. Ha ick jeschlafen?

Spitta. Fest! Aber Sie haben eben im Schlaf laut aufgeschrien, Frau John.

Frau John. Ham Se jesehn, Herr Spitta, wo Jungs in Hof ... ham Se jesehn, wo Jungs in Hof Adelbertchen sein Jräbken jesteenicht ham? Aber ick war zwischen, wat? und ha rechts und links jar nich schlecht Maulschellen ausjeteilt.

Frau Direktor Hassenreuter. Demnach haben Sie also von Ihrem ersten, verstorbenen Kindchen geträumt, Frau John?

Frau John. Nee nee, det war wahr, ick ha nich jetraumt, Frau Direkter. Und denn jing ick mit Adelbertchen, jing ick bein Standesbeamten hin.

Frau Direktor Hassenreuter. Aber wenn Adelbertchen nicht mehr am Leben ist ... wie können Sie denn ...

Frau John. I, wenn een Kindchen meinswejen jeboren is, denn is et jedennoch noch in de Mutter, und wenn es meinswejen jestorben is, denn is et immer noch in de Mutter. Ham Se den Hund jeheert hintern Plankenzaun? Der Mond hat'n jroßen Hof jehat! Bruno, du jehst uff schlechte Weje.

Frau Direktor Hassenreuter rüttelt Frau John. Wachen Sie auf, gute Frau! Frau John! Frau John! Sie sind krank! Ihr Mann soll mit Ihnen zum Arzte gehen.

Frau John. Bruno, du jehst uff schlechte Weje. Die Glocken beginnen wieder zu läuten. Sind det de Jlocken? –

Frau Direktor Hassenreuter. Der Gottesdienst ist zu Ende, Frau John.

Frau John erwacht völlig, starrt um sich. Warum wach' ick denn uff? Warum habt ihr mir denn in Schlaf nich mit de Axt iebern Kopp jehaut? – – – – – – Wat ha ick jesacht? Pst! Bloß zu niemand een Sterbenswort, Frau Direkter. – Sie ist aufgesprungen und ordnet ihr Haar mit vielen Haarnadeln.

Der Direktor erscheint durch die Flurtür.

Direktor Hassenreuter stutzt beim Anblick der Seinigen. Sieh da, sieh da, Timotheus, die Kraniche des Ibykus! – Sagten Sie nicht, es wohne hier ganz in der Nähe ein Spediteur, Frau John? Zu Walburga. Jawohl, mein Kind: während du in deinem jugendlichen Leichtsinn auf dein Vergnügen und wieder auf dein Vergnügen denkst, ist dein Papa schon wieder drei Stunden lang in Geschäften herumgelaufen. Zu Spitta. Sie würden es nicht so eilig haben, junger Mann, eine Familie zu begründen, wenn Sie auch nur die geringste Ahnung davon hätten, wie schwer es ist, es durchzusetzen, von Tag zu Tag mit Weib und Kind wenigstens nicht ohne das elende und verschimmelte bißchen täglichen Brotes dazustehn. Möge das Schicksal jeden davor bewahren, sich eines Tages mittellos in die Subura Berlins geschleudert zu finden, um mit andern Verzweifelten, Brust an Brust, in unterirdischen Löchern und Röhren, um das nackte Leben für sich und die Seinen zu ringen. Gratuliert mir! In acht Tagen sind wir in Straßburg. Frau Direktor, Walburga und Spitta drücken ihm die Hand. Alles übrige findet sich.

Frau Direktor Hassenreuter. Papa, du hast wirklich für uns, und zwar ohne dir etwas zu vergeben, die Jahre einen heroischen Kampf gekämpft.

Direktor Hassenreuter. Wie bei Schiffbruch, wenn der Kampf um die Balken im Wasser beginnt. Meine edlen Kostüme, gemacht, um die Träume der Dichter zu veranschaulichen, in welchen Lasterhöhlen, auf welchen schwitzenden Leibern haben sie nicht – odi profanum vulgus –, damit nur der Groschen Leihgebühr im Kasten klang, ihre Nächte zugebracht. Sessa! Wenden wir uns zu heiteren Bildern. Der Rollwagen, alias Thespiskarren, ist schon angeschirrt, um den Transport unsrer Penaten in hoffentlich glücklichere Gefilde zu bewerkstelligen. Plötzlich zu Spitta. Und daß ihr beide nicht etwa aus sogenannter Verzweiflung irreparable Dummheiten macht, darauf verlang' ich Ihr Ehrenwort, werter Herr Spitta. Zur Kompensation verspreche ich Ihnen, jeder wirklich vernünftigen Äußerung Ihrerseits gegenüber nicht taub zu sein. – Im übrigen komme ich zu Frau John: erstlich weil Schutzleute in den Eingängen niemanden auf die Straße lassen, ferner, weil ich gerne von Ihnen wissen will, weshalb ein Mann wie ich, gerade in diesem Augenblick, wo seine Wimpel wieder flattern, Gegenstand einer niederträchtigen Zeitungskampagne geworden ist.

Frau Direktor Hassenreuter. Lieber Harro, Frau John versteht dich nicht.

Direktor Hassenreuter. Dann wollen wir also ab ovo anfangen. Hier habe ich Briefe, – er zeigt einen Stoß Briefschaften – eins, zwei, drei, fünf, zirka ein Dutzend Stück! Darin wird mir in boshafter Weise von Unbekannten zu einem Ereignis gratuliert, das angeblich oben auf meinem Magazinboden vor sich gegangen ist. Ich würde die Sache nicht beachten, wenn nicht gleichzeitig diese Lokalnotiz, wonach in der Bodenkammer eines Maskenverleihers, sic! ... eines Maskenverleihers in der Vorstadt ein neugeborenes Kindchen gefunden worden ist! ... ich sage, wenn diese Lokalnotiz mich nicht stutzig machte. Zweifellos handelt sich's hier um eine Verwechselung. Dennoch mag ich die Sache nicht auf mir sitzen lassen. Besonders da dieser Lümmel von einem Reporter von dem Herrn Maskenverleiher auch noch als einem verkrachten Schmierendirektor spricht. Lies, Mama: »Adebar beim Maskenverleiher«. Der Kerl bekommt Ohrfeigen! Heut abend soll meine Ernennung in Straßburg durch die Zeitungen gehn, und gleichzeitig werde ich urbi et orbi als humoristischer Bissen ausgeliefert. Als ob man nicht wüßte, daß von allen Flüchen der Fluch der Lächerlichkeit der schlimmste ist.

Frau John. An Hauseingang stehn Schutzleute, Herr Direkter?

Direktor Hassenreuter. Ja! Und zwar so, daß sogar das Kinderbegräbnis der Witfrau Knobbe ins Stocken gekommen ist. Man läßt sogar den kleinen Sarg mit dem greulichen Kerl von der »Pietät«, der ihn trägt, nicht in den Wagen hinaus.

Frau John. Wat wär' denn det for'n Kinderbejängnis?

Direktor Hassenreuter. Wissen Sie das nicht? Das Söhnchen der Knobbe, das auf eine mysteriöse Weise von zwei fremden Weibsbildern zu mir heraufgebracht wurde und förmlich unter meinen Augen, wahrscheinlich an Entkräftung, gestorben ist. Apropos ...

Frau John. Det Kind von de Knobbe is jestorben?

Direktor Hassenreuter. Apropos, Frau John, wollt' ich sagen, Sie sollten doch eigentlich wissen, wie die Sache mit den beiden übergeschnappten Frauenspersonen, die sich des Kindchens bemächtigt hatten, schließlich verlaufen ist?

Frau John. Nu sachen Se, is det nich Jottes Finger, det se womeechlich nich Adelbertchen erwischt haben und det nich mein Adelbertchen mit Dot abjejang is?

Direktor Hassenreuter. Wieso? Diese Logik verstehe ich nicht. Dagegen habe ich mich schon gefragt, ob nicht die wirren Reden des polnischen Mädchens, der Kleiderdiebstahl auf meinem Boden und das Milchfläschchen, das Quaquaro im Stiefel herunterbrachte, irgendwie mit der Zeitungsnotiz zusammenzubringen sind.

Frau John. Da mang, Herr Direkter, is jar keen Zusammenhang. Haben Se Pauln jesehn, Herr Direkter?

Direktor Hassenreuter. Paul? Ach so: Ihren Mann! jawohl! und zwar, wenn ich recht gesehen habe, im Gespräch mit dem fetten Kriminalinspektor Puppe, der wegen des Diebstahls auch schon mal bei mir gewesen ist.

Maurerpolier John tritt ein.

John. Na, Jette, ha ick nu recht? Det is schnell jekomm.

Frau John. Wat denn?

John. Soll ick mich tausend Marcht verdien, wo mit Anschläje von Polizeipräsidium an de Litfaßsäulen als Belohnung for Denungsiation is bekanntjejeben?

Frau John. Woso denn?

John. Weeßte denn nich, det det janze Manöver mit Schutzleute und Jeheimpolizisten Brunos wejen in Jange is?

Frau John. Wie denn? Wo denn? Wat denn? Warum denn in Jange?

John. Det Kinderbejängnis is sistiert und zwee Burschen von de Leidtrachenden, wat richtig dufte Kunden sind, festjenomm! jawoll! Det is nu soweit, Herr Direkter! Ick bin nu'n Mann, wo mit eene Frau verkuppelt is, wo een Bruder hat, wo hinterher sind, mit Rejierungsräte und Mordkommission, weil er draußen, nich weit von de Spree, unter een Fliederstrauch eene hat umjebracht.

Direktor Hassenreuter. Aber werter Herr John: das mag Gott verhüten.

Frau John. Det is jelochen! Mein Bruder tut so wat nich.

John. I, det is det Neieste, Jette. Herr Direkter, ick ha neilich schonn jesacht, wat det for 'ne Sorte Bruder is. Er bemerkt und nimmt einen Fliederstrauß vom Tisch. Sehen Se ma det hier! Det Unjeheuer is hier jewesen. Wo wiederkommt, bin ick der erschte, wo ihm, Hände und Füße jebunden, an der Jerechtigkeet ausliefern dut. Er sucht den Raum ab.

Frau John. Mach du Rotznäsen wat wees von Jerechtigkeet. Jerechtigkeet is noch nich ma oben in Himmel. Keen Mensch nich war hier! Und det bißken Flieder ha ick von Hangelsberg mitjebracht, wo'n jroßer Strauch hintern Hause bei deine Schwester is.

John. Du warst ja jar nich bei meine Schwester, Jette. Det hat mich Quaquaro ja ebent jesacht! det ham se uff Polizei ja festjestellt. Se ham dir jesehn bei de Spree in de Anlachen ...

Frau John. Lieje!

John. Und ooch in de Laubenkolonie, wo du in 'ne Laube jenächtigt hast.

Frau John. Wat? Kommst du in dein eejnet Haus allens kurz und kleen demolieren?

John. Jut so! recht so! det so weit jekommen is! Nu is det mit uns weiter keen Verstecken! Det ha ick allens vorausjewußt.

Direktor Hassenreuter, mit Spannung. Hat sich das polnische Mädchen wieder gezeigt, das neulich wie eine Löwin um das Knobbesche Kindchen gestritten hat?

John. Eben det is et. Det ham se heut morjen dot jefunden. Und det sach' ick so hin, ohne det mir de Zunge im Maule absterben dut: det Mächen hat Bruno Mechelke ums Leben jebracht.

Direktor Hassenreuter, schnell. Dann ist es wohl seine Geliebte gewesen.

John. Fragen Se Muttern! Det weeß ick nich! Det war meine Angst, deshalb bin ick schonn lieber jar nich zu Hause jekomm, det mein eejnet Weib mit so 'ne Jesellschaft behaftet is und hat keene Kraft nich abzuschütteln.

Direktor Hassenreuter. Kommt, Kinder!

John. Warum denn? Immer bleiben Se man.

Frau John. De brauchst nich jehn und Fenster uffreißen und alle Welt uff de Jasse schrein! Det is schlimm jenug, wenn uns Schicksal mit so'n Unjlück jetroffen hat. Plärr! aber dann siehste mir bald nich mehr wieder.

John. Jerade! Nu jerade! Ick rufe, wer't wissen will, von de Jasse, von Flur, dem Tischler vom Hof, de Jungs, de Mächens, wo in de Konfirmationsstunde jehn, die ruf ick rin und erzähle, wie weit eene Frau mit ihre Affenliebe zu ihren Lump von Bruder jekommen is.

Direktor Hassenreuter. Diese hübsche junge Person, die das Kind beanspruchte, ist heute tatsächlich tot, Herr John?

John. Kann sind, det se hibsch is, ick weeß et nich, ob se hibsch oder häßlich jewesen is. Aber det se in Schauhaus liecht, det is sicher.

Frau John. Ick weeß et, wat se jewesen is! Een schlechtet, jemeinet Weibstick is et jewesen! Wo mit Kerle hat abjejeben und von een Tiroler, der nischt hat von wissen jewollt, hat Kind jehat! Det hat se an liebsten in Mutterleibe schon umjebracht. Denn is se't holen jekomm mit de Kielbacke, wo als Engelmachersche schon ma anderthalb Jahre Plötzensee abjesessen hat. Ob se mit Brunon ooch wat jehabt hat, wo soll ick det wissen? Kann sind, kann ooch nich sind! Und wat soll mir det allens ieberhaupt anjehn, wat Bruno meinsweejen verbrochen hat.

Direktor Hassenreuter. Also haben Sie doch das Mädchen gekannt, Frau John.

Frau John. Woso? ick ha jar nich jekannt, Herr Direkter! Ick sache bloß, wat'n jeder, wie'n jeder von det Mächen jeäußert hat.

Direktor Hassenreuter. Sie sind eine ehrenhafte Frau, Sie ein ehrenhafter Mann, Herr John. Die Sache mit Ihrem mißratenen Schwager und Bruder ist schließlich etwas, was meinethalben eine furchtbare Tatsache ist, aber Ihr Familienleben doch im Grunde nicht ernstlich erschüttert ... aber bleiben Sie ehrlich ...

John. Nich in de Hand! In so 'ne Nähe, bei solchet Jesindel bleib' ick nich. Er schlägt mit der Faust auf den Tisch, klopft an die Wände, stampft auf den Fußboden. Horchen Se ma, wie det knackt, wie Putz hinter de Tapete runterjeschoddert kommt! Allens is hier morsch! Allens faulet Holz! Allens unterminiert, von Unjeziefer, von Ratten und Mäuse zerfressen! Er wippt auf der Diele. Allens schwankt! Allens kann jeden Oochenblick bis in Keller durchbrechen. Er öffnet die Tür. Selma! Selma! – Hier mach' ick mir fort, eh det allens een Schutthaufen drunter und drieber zusammenbricht.

Frau John. Wat wiste mit Selma?

John. Selma nimmt det Kind, und ick reise mit Selman und det Kind und bringe mein Kind zu meine Schwester.

Frau John. Denn soste Bescheid kriejen! Versuch det man!

John. Soll mein Kind in so 'ne Umjebung jroßwachsen, womeechlich det ma wie Bruno ieber Dächer jehetzt und det ooch ma womeechlich in Zuchthaus endet?

Frau John schreit ihn an. Det is jar nich dein Kind! Vastehste mich?

John. So? Det wolln wir ma sehn, ob een rechtlicher Mann nich Herr sollte sind ieber sein eejnet Kind, wo Mutter nich bei Verstande is und in de Hände von Mordjesindel. Det will ick ma sehn, wer in Rechte is un wer stärker is! Selma!

Frau John. Ick schrei! ick reiße det Fenster uff! Frau Direkter, se wollen eene Mutter ihr Kind rauben! Det is mein Recht, det ick Mutter von mein Kindeken bin! Det is doch mein Recht? Ha ick nich recht, Frau Direkter? Se umzingeln mir! Se wollen mir mein Recht versetzen! Soll mir det nich jeheeren, wat ick for Wechwurf uffjelesen, wo for dot in Lumpen jelejen hat und wo ick ha miehsam erscht missen reiben und kneten, bis bißken Atem jeholt und langsam lebendig jeworden is? Wo ick nich war, det wäre schonn vor drei Wochen längst in de Erde verscharrt jewesen.

Direktor Hassenreuter. Herr John, zwischen Eheleuten den Schiedsmann spielen ist meine Sache im allgemeinen nicht. Dazu ist dies Geschäft zu undankbar, und man macht dabei meistens böse Erfahrungen. Sie sollten aber in Ihrem zweifellos mit Recht verwundeten Ehrgefühl sich nicht zu Übereilungen hinreißen lassen. Denn schließlich ist doch Ihre Frau für die Tat ihres Bruders nicht verantwortlich. Lassen Sie ihr das Kind! Machen Sie nicht das Unglück schlimmer durch eine überflüssige Härte, die Ihre Frau aufs empfindlichste kränken muß.

Frau John. Paul, det Kind is aus meinen Leibe jeschnitten! Det Kind is mit meinen Blute erkooft. Nich jenug, alle Welt is hinter mich her und will et mich abjagen! Nu kommst ooch du noch und machst et nich anders, det is der Dank! als wenn det ick ringsum von hungrige Welfe umjeben bin. Mir kannste dotmachen! mein Kindeken soste nich anfassen.

John. Ick komme zu Hause, Herr Direkter! Ick bin heut morjen erst mit mein janzes Zeug quietschverjnügt von de Bahn jekomm! Hamburg, Altona, allens abjebrochen. Wenn ooch Verdienst jeringer is, dachte ick, wist lieber bei deine Familie sind! Bißken Kind uff'n Arm nehmen! Bißken Kind uff'n Knie nehmen! Det war unjefähr so meine Inbildung ...

Frau John. Paul! Hier, Paul! Sie tritt ihm ganz nahe. Reiß mir det Herz aus'n Leibe! Sie starrt ihn lange an, dann läuft sie in den Verschlag, wo man sie laut weinen hört.

Selma kommt vom Flur. Sie trägt Trauerkleidung und einen kleinen Grabkranz in der Hand.

Selma. Wat soll ick? Se ham mir jeruft, Herr John.

John. Zieh dir an, Selma. Frach deine Mutter, ob det de kannst mit mir jehn zu meine Schwester nach Hangelsberg. Kannst dir'n Jroschen Jeld bei verdienen. Nimmst mein Kindeken uff'n Arm und bejleitest mir.

Selma. Nee! det Kind fass' ick nu nich mehr an, Herr John.

John. Woso nich?

Selma. Nee, ick furcht' mir, Herr John. Ick ha so 'ne Angst, so hat mir Mama und Polizeileutnam anjeschrien.

Frau John erscheint. I, weshalb ham se dir anjeschrien?

Selma heult los. Schutzmann Schierke hat mich sojar eene runterjehaut.

Frau John. I, dem wer ick noch ma ... det soll der noch ma versuchen.

Selma. Wat soll ick denn wissen, warum mich det polsche Mächen hat mein Brüderken wegjenomm. Hätt' ick jewußt, det mein Brüderken sterben soll, ick hätt' ihr ja lieber an Hals jesprung. Nu steht Jundofriedchen in Särjiken uff de Treppe. Ick jloobe, Mama hat Krämpfe jekricht und liecht bei Quaquaron hinten in Alkoven. Mir wolln se in Fiersorje schaffen, Frau John. Sie flennt.

Frau John. Denn freu dir! Schlimmer kann et nich komm, als et bei dich zu Hause is.

Selma. Ick komm' vor Jericht! womeechlich wer Moabit jeschafft.

Frau John. Woso det?

Selma. Weil ick soll haben det Kindeken, wat det polsche Freilein jeboren hat, von Oberboden runter bei Sie, Frau John, in de Wohnung jetrachen.

Direktor Hassenreuter. Also ist tatsächlich oben ein Kindchen geboren worden?

Selma. Jewiß.

Direktor Hassenreuter. Auf welchem Boden?

Selma. Na, bei de Kamedienspieler doch! Wat jeht det mich an? Wat soll ick von wissen? Ick kann bloß Sachen ...

Frau John. Nu mach, det de fortkommst! Selma, du hast'n reenet Jewissen! Wat de Leute quasseln, kimmert dir nich.

Selma. Ick will ja ooch nischt verraten, Frau John.

John packt Selma, die fortlaufen will, und hält sie fest. Et wird nich jejang! et wird herjekomm! – Wahrheet! Ick verrate nischt, hast du jesacht: det ham Se doch ooch jeheert, Frau Direkter? Hat Herr Spitta und hat det Freilein jeheert! – Wahrheet! – Bevor ick nich weeß, wat mit Bruno und seine Jeliebte is und wo ihr womeechlich det Kindchen habt wechjeschafft, det is mich ejal, kommst du nich von de Stelle!

Frau John. Paul, ick schweere vor Jott, wechjeschafft ha ick et nich.

John. Na, und? ... Raus, wat du weeßt, Mächen! Det ha ick schon lange jemerkt, det zwischen dich und meine Frau een jeheimet Jestecke is. Det Zwinkern und Anplinkern is jetzt verjebliche Miehe. Is det Kind tot, oder lebt et noch?

Selma. Nee, det Kind is lebendich, Herr John.

Direktor Hassenreuter. Was du unter deiner Schürze oder sonstwie hier hast heruntergebracht?

John. Wenn et dot is, denn rechne druff, denn wirst du wie Bruno een Kopp kürzer jemacht.

Selma. Ick sach't ja: det Kindeken is lebendich.

Direktor Hassenreuter. Ich denke, du hast gar kein Kind vom Boden heruntergebracht?

John. Und von die janze Jeschichte, Mutter, wist du nischt wissen? Frau John sieht ihn starr an, Selma blickt hilflos und verwirrt auf Frau John. Mutter, du hast det Kindchen von Brunon und die polsche Person beiseite jeschafft, und denn, wo se jekomm is, haste det Würmiken von de Knobbe unterjeschoben.

Walburga sehr bleich, mit Überwindung. Sagen Sie mal, Frau John, was ist denn an jenem Tage geschehen, wo ich dummerweise, als Papa kam, mit Ihnen auf den Boden geflüchtet bin? Ich will dir das später erklären, Papa. Damals habe ich, wie mir nach und nach deutlich geworden ist, das polnische Mädchen, und zwar erst mit Frau John und dann mit ihrem Bruder zusammen, gesehn.

Direktor Hassenreuter. Du, Walburga?

Walburga. Ja, Papa. Bei dir war damals Alice Rütterbusch, und ich hatte mich mit Erich verabredet, der dann auch, aber ohne mich zu treffen, denn ich blieb versteckt, zu dir gekommen ist.

Direktor Hassenreuter. Ich kann mich dessen nicht mehr erinnern.

Frau Direktor Hassenreuter, zum Direktor. Das Mädel hat um dieser Sache willen, Papa, wirklich schon schlaflose Nächte gehabt.

Direktor Hassenreuter. Wenn Ihnen an dem Rate eines ehemaligen Juristen, der durchs Referendarexamen gepurzelt und dann erst zur Kunst abgesprungen ist ... wenn Ihnen an dem Rat eines solchen Mannes irgendwie etwas liegt, so lassen Sie sich jetzt sagen, Frau John, daß in Ihrem Fall ganz rücksichtslose Offenheit die beste Verteidigung ist.

John. Jette, wo habt ihr dem Kindeken hinjeschafft? Kriminalinspektor hat mich jesacht, det fällt mir jetzt in, det se nach det Kind von de dote Person suchen. Jette, um Jottes Himmels willen! mag sind, wat will, bloß det du dir nich in Verdacht kommen dust, det du, um Foljen von Liederlichkeit von dein Bruder womeechlich aus de Welt zu schaffen, dir an det Neujeborne vergriffen hast.

Frau John lacht. Ick – und mir an Adelbertchen verjreifen, Paul?

John. Hier redet keener von Adelbertchen. Zu Selma. Ick dreh' dir den Hals um, oder du sachst, wo det Kleene von Brunon und det polsche Mächen – uff de Stelle! – geblieben is.

Selma. Et is doch bei Sie in Verschlage, Herr John.

John. Wo is et, Jette?

Frau John. Det sach' ick nich. –

Das Kind beginnt zu schreien.

John zu Selma. Wahrheet! oder ick ieberliefer' dir uff de Polizei, vastehst de! siehste dem Strick! an Hände und Fieße zusammenjebunden.

Selma, in höchster Angst, unwillkürlich. Et schreit doch! Se kenn doch det Kindeken janz jut, Herr John.

John. Ick? – Er sieht verständnislos erst Selma, dann den Direktor an. Ihn durchblitzt eine Ahnung, als er seine Frau ins Auge faßt. Er glaubt zu begreifen und gerät ins Wanken.

Frau John. Laß dir von so 'ne niederträchtije Lieje nich umjarnen, Paul. Det is allens von ihre feine Mutter aus Rache bloß mit det Mächen anjestellt! Paul, wat dust du mir denn so ankieken?

Selma. Det is Jemeenheet, det Se mich nu ooch noch wolln schlechtmachen, Mutter John. Dann wer ick mir hieten, noch Blatt vorn Mund nehmen. Wissen janz jut, det ick ha det Kindchen von det Freilein runter jetragen und ha bei Ihn hier in frisch jemachte Bettchen jelegt. Det kann ick beschwören! det will ick beeidijen!

Frau John. Lieje! Du sagst, det mein Kind nich mein Kindeken is?

Selma. Sie haben ieberhaupt jar keen Kind nich jehat, Frau John.

Frau John umklammert Johns Knie. Det is ja nich wahr.

John. Laß mich in Ruh! beschmutze mir nich, Hennerjette.

Frau John. Paul, ick konnte nich anders, ick mußte det tun. Ick war selber betrochen, denn hatt' ick dir in Brief nach Hamburg Bescheed jesacht. Denn warste vajnügt, und denn mocht' ick nich mehr zurick, und denn dacht' ick, et muß sind! Et kann ooch uff andere Weise sind, und denn ...

John, unheimlich ruhig. Laß mir man ieberlejen, Jette. Er geht an eine Kommode, zieht einen Schub auf und schleudert allerlei Kinderwäsche und Kinderkleidungsstücke, die er daraus nimmt, mitten in die Stube. Versteht eener det, wat se Woche um Woche, Monat um Monat, janze Tage und halbe Nächte lang mit blutige Finger jestichelt hat?

Frau John sammelt in wahnsinniger Hast die Wäsche und Kleidungsstücke auf und versteckt sie sorgfältig im Tischschub oder wo sonst. Paul, det nich! Allens kannste dun! aber reiß mich nich Fetzen von nackten Leibe!

John hält inne, faßt sich an die Stirn, sinkt auf einen Stuhl. Wenn det wahr is, Mutter, da schäm' ick mir ja in Abjrund rin. –

Er kriecht in sich zusammen, legt die Arme über den Kopf und verbirgt sein Gesicht. Es tritt eine Stille ein.

Direktor Hassenreuter. Wie konnten Sie sich nur auf einen solchen Weg des Irrtums und des Betruges drängen lassen, Frau John? Sie haben sich ja verstrickt auf das allerfurchtbarste! Kommt, Kinder! Wir können hier leider nichts weiter tun.

John steht auf. Nehm Se mir man mit, Herr Direkter.

Frau John. Jeh! immer jeh! ick brauche dir nich!

John wendet sich, kalt. Also det Kind haste dich beschafft, und wie Mutter hat wiederhaben jewollt, hast se lassen von Brunon umbringen?

Frau John. Du bist nich mein Mann! Wat soll det heeßen? Du bist von de Polizei jekooft! Du hast Jeld jekricht, mir an't Messer zu liefern! Jeh, Paul! du bist jar keen Mensch! Du bist eener, wo Jift in de Oochen und Hauer wie Welfe hat! Immer pfeif, det se kommen und det se mir festnehmen! Immerzu doch! Nu seh' ick dir, wie det du bist! Ick verachte dir bis zun Jüngsten Dache. Frau John will durch die Tür davonlaufen. Da erscheinen Schutzmann Schierke und Quaquaro.

Schierke. Halt! Aus die Stube raus kommt keener nich.

John. Immer komm rin, Emil! Herr Schutzmann, immer komm Se ruhig rin. Et is allens in Ordnung! Allens is richtich.

Quaquaro. Reg dir nich uff, Paul, dir betrifft et ja nich.

John, mit aufsteigendem Jähzorn. Hast du jelacht, Emil?

Quaquaro. I, Menschenskind! Herr Schierke soll bloß det Kleene per Droschke in't Waisenhaus wechschaffen.

Schierke. Jawoll. So is et. Wo steckt det Kind?

John. Soll ick wissen, wo jedet ausgestoppte Balch von Lumpenspeicher, womit olle Hexen mit Besen Fez treiben, an Ende hinjekomm is? Paßt ma uff Schornstein uff, det se nich oben rausfliejen.

Frau John. Paul!! – Nu soll et nich leben! Nu jerade! Nu ooch nich! Nu brauch et nich leben! Nu muß et mit mich mit unter de Erde komm.

Frau John war blitzschnell hinter den Verschlag gelaufen. Sie kommt mit dem Kinde wieder und will mit ihm zur Tür hinaus. Der Direktor und Spitta werfen sich der Verzweifelten entgegen, in der Absicht, das Kind zu retten.

Direktor Hassenreuter. Halt! Hier greife ich ein! Hier bin ich zuständig! Wem das Knäblein hier auch immer gehören mag – um so schlimmer, wenn seine Mutter ermordet ist! –, es ist in meinem Fundus geboren! Vorwärts, Spitta! Kämpfen Sie, Spitta! Hier sind Ihre Eigenschaften am Platz! Vorwärts! Vorsicht! So! Bravo! Als wär' es das Jesuskind! Bravo! Sie selber sind frei, Frau John! Wir halten Sie nicht. Sie brauchen uns nur das Jungchen hierlassen.

Frau John stürzt hinaus.

Schierke. Hierjeblieben!

Frau Direktor Hassenreuter. Die Frau ist verzweifelt! Aufhalten! Festhalten!

John, plötzlich verändert. Jebt uff Muttern acht! Mutter! Uffhalten! Festhalten! – Mutter! Mutter!

Selma, Schierke und John eilen Frau John nach. Spitta, der Direktor, Frau Direktor und Walburga sind um das Kind bemüht, das auf den Tisch gebettet wird.

Direktor Hassenreuter, der das Kind sorgfältig auf den Tisch bettet. Meinethalben mag diese entsetzliche Frau doch verzweifelt sein! Deshalb braucht sie das Kind nicht zugrunde richten.

Frau Direktor Hassenreuter. Aber liebster Papa, das merkt man doch, daß diese Frau ihre Liebe, närrisch bis zum Wahnsinn, gerade an diesen Säugling geheftet hat. Unbedachtsame harte Worte, Papa, können die unglückselige Person in den Tod treiben.

Direktor Hassenreuter. Harte Worte habe ich nicht gebraucht, Mama.

Spitta. Mir sagt ein ganz bestimmtes Gefühl: erst jetzt hat das Kind seine Mutter verloren.

Quaquaro. Det stimmt. Vater is nich, will nischt von wissen, hat jestern in de Hasenheide mit eene Karussellbesitzerswitwe Hochzeit jemacht! Mutter war liederlich! Und bei de Kielbacken, wo Kinder in Fleje hat, sterben von's Dutzend mehrschtens zehn. Nu is et soweit: det jeht jetzt ooch zujrunde.

Direktor Hassenreuter. Sofern es nämlich bei dem Vater dort oben, der alles sieht, nicht anders beschlossen ist.

Quaquaro. Meen Se Pauln? den Mauerpolier! Nu nich mehr! dem kenn' ick! wo der uff'n Ehrenpunkt kitzlich is.

Frau Direktor Hassenreuter. Wie das Kindchen da liegt! es ist unbegreiflich. Feine Leinwand! Spitzen sogar! Schmuck und frisch wie ein Püppchen. Es wendet sich einem das Herz um, zu denken, wie es so plötzlich zu einer von aller Welt verlassenen Waise geworden ist.

Spitta. Wäre ich Richter in Israel ...

Direktor Hassenreuter. Sie würden der John ein Denkmal setzen! Mag sein, daß in diesen verkrochenen Kämpfen und Schicksalen manches heroisch und manches verborgen Verdienstliche ist. Aber Kohlhaas von Kohlhaasenbrück konnte da mit seinem Gerechtigkeitswahnsinn auch nicht durchkommen. Treiben wir praktisches Christentum! Vielleicht können wir uns des Kindchens annehmen.

Quaquaro. Lassen Se da bloß de Finger von!

Direktor Hassenreuter. Warum?

Quaquaro. Außer det Se Jeld wollen loswerden und uff de Quengeleien und Scherereien mit de Armenverwaltung, mit Polizei und Jericht womeechlich happich sind.

Direktor Hassenreuter. Dazu hätte ich allerdings keine Zeit übrig.

Spitta. Finden Sie nicht, daß hier ein wahrhaft tragisches Verhängnis wirksam gewesen ist?

Direktor Hassenreuter. Die Tragik ist nicht an Stände gebunden. Ich habe Ihnen das stets gesagt.

Selma, atemlos, öffnet die Flurtür.

Selma. Herr John, Herr John, Herr Mauerpolier.

Frau Direktor Hassenreuter. Herr John ist nicht hier. Was willst du denn, Selma?

Selma. Herr John. Se solln uff de Straße komm'n.

Direktor Hassenreuter. Nur Ruhe, Ruhe. Was gibt's denn, Selma?

Selma, atemlos. Ihre Frau ... Ihre Frau ... Janze Straße steht voll ... Omnibus, Pferdebahnwagen is jar keen Durchkommen ... Arme ausjestreckt ... Ihre Frau liecht lang uff Jesichte unten.

Frau Direktor Hassenreuter. Was ist denn geschehen?

Selma. Herrjott, Herrjott in Himmel, Mutter John hat sich umjebracht.


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