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Womit muß der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?
In neuern Zeiten erst ist das Bewußtseyn entstanden, daß es eine Schwierigkeit sey, einen Anfang in der Philosophie zu finden, und der Grund dieser Schwierigkeit so wie die Möglichkeit, sie zu lösen, ist vielfältig besprochen worden. Der Anfang der Philosophie muß entweder ein Vermitteltes oder Unmittelbares seyn, und es ist leicht zu zeigen, daß es weder das Eine noch das Andere seyn könne; somit findet die eine oder die andere Weise des Anfangens ihre Widerlegung.
Das Princip einer Philosophie drückt wohl auch einen Anfang aus, aber nicht sowohl einen subjektiven als objektiven, den Anfang aller Dinge. Das Princip ist ein irgendwie bestimmter Inhalt, – das Wasser, das Eine, Nus, Idee, – Substanz, Monade u.s.f., oder wenn es sich auf die Natur des Erkennens bezieht und damit mehr nur ein Kriterium als eine objektive Bestimmung seyn soll Denken, Anschauen, Empfinden, Ich, die Subjektivität selbst, so ist es hier gleichfalls die Inhaltsbestimmung, auf welche das Interesse geht. Das Anfangen als solches dagegen bleibt als ein Subjektives in dem Sinne einer zufälligen Art und Weise, den Vortrag einzuleiten, unbeachtet und gleichgültig, somit auch das Bedürfniß der Frage, womit anzufangen sey, unbedeutend gegen das Bedürfniß des Princips, als in welchem allein das Interesse der Sache zu liegen scheint, das Interesse, was das Wahre, was der absolute Grund von Allem sey.
Aber die moderne Verlegenheit um den Anfang geht aus einem weiteren Bedürfnisse hervor, welches diejenigen noch nicht kennen, denen es dogmatisch um das Erweisen des Princips zu thun ist, oder skeptisch um das Finden eines subjektiven Kriteriums gegen dogmatisches Philosophiren und welches diejenigen ganz verleugnen, die wie aus der Pistole, aus ihrer innern Offenbarung, aus Glauben, intellektueller Anschauung u.s.w. anfangen, und der Methode und Logik überhoben seyn wollten. Wenn das früher abstrakte Denken zunächst nur für das Princip als Inhalt sich interessirt, aber im Fortgange der Bildung auf die andere Seite, auf das Benehmen des Erkennens zu achten getrieben ist, so wird auch das subjektive Thun als wesentliches Moment der objektiven Wahrheit erfaßt, und das Bedürfniß führt sich herbei, daß die Methode mit dem Inhalt, die Form mit dem Princip vereint sey. So soll das Princip auch Anfang und das, was das Prius für das Denken ist, auch das Erste im Gange des Denkens seyn.
Es ist hier nur zu betrachten, wie der logische Anfang erscheint; die beiden Seiten, nach denen er genommen werden kann, sind schon genannt, entweder als Resultat auf vermittelte, oder als eigentlicher Anfang auf unmittelbare Weise. Die in der Bildung der Zeit so wichtig erscheinende Frage, ob das Wissen der Wahrheit ein unmittelbares, schlechthin anfangendes Wissen, ein Glauben, oder aber ein vermitteltes Wissen sey, ist an diesem Orte nicht zu erörtern. Insofern solche Betrachtung vorläufig angestellt werden kann, ist dieß anderwärts (in m. Encykl. der philos. Wissenschaf. 3te Ausg. im Vorbegr. _. 61. ff.) geschehen. Hier mag daraus nur dieß angeführt werden, daß es Nichts giebt, nichts im Himmel oder in der Natur oder im Geiste oder wo es sey, was nicht ebenso die Unmittelbarkeit enthält, als die Vermittelung, so daß sich diese beiden Bestimmungen als ungetrennt und untrennbar und jener Gegensatz sich als ein Richtiges zeigt. Was aber die wissenschaftliche Erörterung betrifft, so ist es jeder logische Satz, in welchem die Bestimmungen der Unmittelbarkeit und der Vermittelung und also die Erörterung ihres Gegensatzes und ihrer Wahrheit vorkommt. Insofern dieser Gegensatz in Beziehung auf Denken, Wissen, Erkennen, die konkretere Gestalt von unmittelbarem oder vermitteltem Wissen erhält, wird die Natur des Erkennens überhaupt, sowohl innerhalb der Wissenschaft der Logik betrachtet, als dasselbe in seiner weitern konkreten Form, in die Wissenschaft vom Geiste, und in die Phänomenologie desselben fällt. Vor der Wissenschaft aber schon über das Erkennen ins Reine kommen wollen, heißt verlangen, daß es außerhalb derselben erörtert werden sollte; außerhalb der Wissenschaft läßt sich dieß wenigstens nicht auf wissenschaftliche Weise, um die es hier allein zu thun ist, bewerkstelligen.
Logisch ist der Anfang, indem er im Element des frei für sich seyenden Denkens, im reinen Wissen gemacht werden soll. Vermittelt ist es hiermit dadurch, daß das reine Wissen die letzte, absolute Wahrheit des Bewußtseyns ist. Es ist in der Einleitung bemerkt, daß die Phänomenologie des Geistes die Wissenschaft des Bewußtseyns, die Darstellung davon ist, daß das Bewußtseyn den Begriff der Wissenschaft, d.i. das reine Wissen, zum Resultate hat. Die Logik hat insofern die Wissenschaft des erscheinenden Geistes zu ihrer Voraussetzung, welche die Nothwendigkeit und damit den Beweis der Wahrheit des Standpunkts, der das reine Wissen ist, wie dessen Vermittelung überhaupt, enthält und aufzeigt. In dieser Wissenschaft des erscheinenden Geistes wird von dem empirischen, sinnlichen Bewußtseyn ausgegangen; und dieses ist das eigentliche unmittelbare Wissen; daselbst wird erörtert, was an diesem unmittelbaren Wissen ist. Anderes Bewußtseyn, wie der Glaube an göttliche Wahrheiten, innere Erfahrung, Wissen durch innere Offenbarung u.s.f. zeigt sich bei geringer Ueberlegung sehr uneigentlich als unmittelbares Wissen aufgeführt zu werden. In jener Abhandlung ist das unmittelbare Bewußtseyn auch das in der Wissenschaft Erste und Unmittelbare, somit die Voraussetzung; in der Logik aber ist dasjenige die Voraussetzung, was aus jener Betrachtung sich als das Resultat erwiesen hatte, – die Idee als reines Wissen. Die Logik ist die reine Wissenschaft, d.i. das reine Wissen in dem ganzen Umfange seiner Entwickelung. Diese Idee aber hat sich in jenem Resultate dahin bestimmt, die zur Wahrheit gewordenen Gewißheit zu seyn, die Gewißheit, die nach der einen Seite dem Gegenstande nicht mehr gegenüber ist, sondern ihn innerlich gemacht hat, ihn als sich selbst weiß, – und die auf der andern Seite das Wissen von sich als von einem, das dem Gegenständlichen gegenüber und nur dessen Vernichtung sey, aufgegeben, dieser Subjektivität entäußert und Einheit mit seiner Entäußerung ist.
Daß nun von dieser Bestimmung des reinen Wissens aus der Anfang seiner Wissenschaft immanent bleibe, ist nichts zu thun, als das zu betrachten oder vielmehr mit Beiseitsetzung aller Reflexionen, aller Meinungen, die man sonst hat, nur aufzunehmen was vorhanden ist.
Das reine Wissen als in diese Einheit zusammengegangen, hat alle Beziehung auf ein Anderes und auf Vermittelung aufgehoben; es ist das Unterschiedslose; dieses Unterschiedslose hört somit selbst auf, Wissen zu seyn; es ist nur einfache Unmittelbarkeit vorhanden.
Die einfache Unmittelbarkeit ist selbst ein Reflexionsausdruck, und bezieht sich auf den Unterschied von dem Vermittelten. In ihrem wahren Ausdrucke ist daher diese einfache Unmittelbarkeit das reine Seyn. Wie das reine Wissen nichts heißen soll, als das Wissen als solches, ganz abstrakt, so soll auch reines Seyn nichts heißen, als das Seyn überhaupt; Seyn, sonst nichts, ohne alle weitere Bestimmung und Erfüllung.
Hier ist das Seyn das Anfangende, als durch Vermittelung und zwar durch sie, welche zugleich Aufheben ihrer selbst ist, entstanden, dargestellt; mit der Voraussetzung des reinen Wissens als Resultats des endlichen Wissens, des Bewußtseyns. Soll aber keine Voraussetzung gemacht, der Anfang selbst unmittelbar genommen werden, so bestimmt er sich nur dadurch, daß es der Anfang der Logik des Denkens für sich, seyn soll. Nur der Entschluß, den man auch für eine Willkür ansehen kann, nämlich daß man das Denken als solches betrachten wolle, ist vorhanden. So muß der Anfang absoluter oder was hier gleichbedeutend ist, abstrakter Anfang seyn; er darf so nichts voraussetzen, muß durch nichts vermittelt seyn, noch einen Grund haben; er soll vielmehr selbst Grund der ganzen Wissenschaft seyn. Er muß daher schlechthin ein Unmittelbares seyn, oder vielmehr nur das Unmittelbare selbst. Wie er nicht gegen Anderes eine Bestimmung haben kann, so kann er auch keine in sich, keinen Inhalt enthalten, denn dergleichen wäre Unterscheidung und Beziehung von Verschiedenem aufeinander, somit eine Vermittelung. Der Anfang ist also das reine Seyn.
Nach dieser einfachen Darlegung dessen, was zunächst nur zu diesem selbst Allereinfachsten, dem logischen Anfang, gehört, können noch folgende weitere Reflexionen beigebracht werden; doch können sie nicht sowohl zur Erläuterung und Bestätigung jener Darlegung, die für sich fertig ist, dienen sollen, als sie vielmehr nur durch Vorstellungen und Reflexionen veranlaßt werden, die uns zum Voraus in den Weg kommen können, jedoch, wie alle andere vorangehende Vorurtheile, in der Wissenschaft selbst ihr Erledigung finden müssen, und daher eigentlich zur Geduld hierauf zu verweisen wären.
Die Einsicht, daß das Absolut-Wahre ein Resultat seyn müsse, und umgekehrt, daß ein Resultat ein erstes Wahres voraussetzt, das aber, weil es Erstes ist, objektiv betrachtet, nicht nothwendig, und nach der subjektiven Seite, nicht erkannt ist, – hat in neuern Zeiten den Gedanken hervorgebracht, daß die Philosophie nur mit einem hypothetischen und problematischen Wahren anfangen, und das Philosophiren daher zuerst nur ein Suchen seyn könne, eine Ansicht, welche Reinhold in den spätern Zeiten seines Philosphirens vielfach urgiert hat, und der man die Gerechtigkeit widerfahren lassen muß, daß ihr ein wahrhaftes Interesse zu Grunde liegt, welches die spekulative Natur des philosophischen Anfangs betrifft. Die Auseinandersetzung dieser Ansicht ist zugleich eine Veranlassung, ein vorläufiges Verständniß über den Sinn des logischen Fortschreitens überhaupt, einzuleiten; denn jene Ansicht schließt die Rücksicht auf das Fortgehen sogleich in sich. Und zwar stellt sie es so vor, daß das Vorwärtsschreiten in der Philosophie vielmehr ein Rückwärtsgehen und Begründen sey, durch welches erst sich ergebe, daß das, womit angefangen wurde, nicht bloß ein willkürlich Angenommenes, sondern in der That Theils das Wahre, Theils das erste Wahre sey.
Man muß zugeben, daß es eine wesentliche Betrachtung ist, – die sich innerhalb der Logik selbst näher ergeben wird, – daß das Vorwärtsgehen ein Rückgang in den Grund, zu dem Ursprünglichen und Wahrhaften ist, von dem das, womit der Anfang gemacht wurde, abhängt, und in der That hervorgebracht wird. – So wird das Bewußtseyn auf seinem Wege von der Unmittelbarkeit aus, mit der es anfängt, zum absoluten Wissen, als seiner innersten Wahrheit, zurückgeführt. Dieß Letzte, der Grund, ist denn auch dasjenige, aus welchem das Erste hervorgeht, das zuerst als Unmittelbares auftrat. – So wird noch mehr der absolute Geist, der als die konkrete und letzte höchste Wahrheit alles Seyns sich ergiebt, erkannt, als am Ende der Entwickelung sich mit Freiheit entäußernd und sich zur Gestalt eines unmittelbaren Seyns entlassend, – zur Schöpfung einer Welt sich entschließend, welche alles das enthält, was in die Entwickelung, die jenem Resultate vorangegangen, fiel, und das durch diese umgekehrte Stellung, mit seinem Anfang in ein von dem Resultate als dem Principe Abhängiges verwandelt wird. Das Wesentliche für die Wissenschaft, ist nicht so sehr, daß ein rein Unmittelbares der Anfang sey, sondern daß das Ganze derselben ein Kreislauf in sich selbst ist, worin das Erste auch das Letzte, und das Letzte auch das Erste wird.
Daher ergiebt sich auf der andern Seite als ebenso nothwendig, dasjenige, in welches die Bewegung als in seinen Grund zurückgeht, als Resultat zu betrachten. Nach dieser Rücksicht ist das Erste ebenso sehr der Grund, und das Letzte ein Abgeleitetes; indem von dem Ersten ausgegangen und durch richtige Folgerung auf das Letzte, als auf den Grund, gekommen wird, ist dieser Resultat. Der Fortgang ferner von dem, was den Anfang macht, ist nur als eine weitere Bestimmung desselben zu betrachten, so daß das Anfangende allem Folgenden zu Grunde liegen bleibt, und nichts daraus verschwindet. Das Fortgehen besteht nicht darin, daß nur ein Anderes abgeleitet, oder daß in ein wahrhaft Anderes übergegangen würde; – und insofern dieß Uebergehen vorkommt, so hebt es sich ebenso sehr wieder auf. So ist der Anfang der Philosophie, die in allen folgenden Entwickelungen gegenwärtige und sich erhaltende Grundlage, das seinen weiteren Bestimmungen durchaus immanent Bleibende.
Durch diesen Fortgang denn verliert der Anfang das, was er in dieser Bestimmtheit, ein Unmittelbares und Abstraktes überhaupt zu seyn, einseitiges hat; er wird ein Vermitteltes, und die Linie der wissenschaftlichen Fortbewegung macht sich damit zu einem Kreise. – Zugleich ergiebt sich, daß das, was den Anfang macht, indem es darin das noch Unentwickelte, Inhaltlose ist, im Anfange noch nicht wahrhaft erkannt wird, und daß erst die Wissenschaft, und zwar in ihrer ganzen Entwickelung, seine vollendete, inhaltsvolle und erst wahrhaft begründete Erkenntniß ist.
Darum aber, weil das Resultat erst als der absolute Grund hervortritt, ist das Fortschreiten dieses Erkennens nicht etwas Provisorisches, noch ein problematisches und hypothetisches, sondern es muß durch die Natur der Sache und des Inhaltes selbst bestimmt seyn. Weder ist jener Anfang etwas Willkürliches und nur einstweilen Angenommenes, noch ein als willkürlich Erscheinendes und bittweise Vorausgesetztes, von dem sich aber doch in der Folge zeige, daß man Recht daran gethan habe, es zum Anfange zu machen; nicht wie bei den Konstruktionen, die man zum Behuf des Beweises eines geometrischen Satzes zu machen angewiesen wird, es der Fall ist, daß von ihnen es sich erst hinterher an den Beweisen ergiebt, daß man wohlgethan habe, gerade diese Linien zu ziehen, und dann in den Beweisen selbst, mit der Vergleichung dieser Linien oder Winkel anzufangen; für sich an diesem Linienziehen oder Vergleichen begreift es sich nicht. So ist vorhin der Grund, warum in der reinen Wissenschaft vom reinen Seyn angefangen wird, unmittelbar an ihr selbst angegeben worden. Dieß reine Seyn ist die Einheit, in die das reine Wissen zurückgeht, oder wenn dieses selbst noch als Form von seiner Einheit unterschieden gehalten werden soll, so ist es auch der Inhalt desselben. Dieß ist die Seite, nach welcher dieß reine Seyn, dieß Absolut-Unmittelbare, ebenso absolut Vermitteltes ist. Aber es muß ebenso wesentlich nur in der Einseitigkeit, das Rein-Unmittelbare zu seyn, genommen werden, eben weil es hier als der Anfang ist. Insofern es nicht diese reinen Unbestimmtheit, insofern es bestimmt wäre, würde es als Vermitteltes, schon weiter Geführtes, genommen; ein Bestimmtes enthält ein Anderes zu einem Ersten. Es liegt also in der Natur des Anfangs selbst, daß er das Seyn sey, und sonst nichts. Es bedarf daher keiner sonstigen Vorbereitungen, um in die Philosophie hineinzukommen, noch anderweitiger Reflexionen und Anknüpfungspunkte.
Daß der Anfang, Anfang der Philosophie ist, daraus kann eigentlich auch keine nähere Bestimmung oder ein positiver Inhalt für denselben genommen werden. Denn die Philosophie ist hier im Anfange, wo die Sache selbst noch nicht vorhanden ist, ein leeres Wort oder irgend eine angenommene ungerechtfertigte Vorstellung. Das reine Wissen giebt nur diese negative Bestimmung, daß er der abstrakte Anfang seyn soll. Insofern das reine Seyn als Inhalt des reinen Wissens genommen wird, so hat dieses von seinem Inhalte zurückzutreten, ihn für sich selbst gewähren zu lassen und nicht weiter zu bestimmen. – Oder indem das reine Seyn als die Einheit zu betrachten ist, in die das Wissen, auf seiner höchsten Spitze der Einigung mit dem Objekte, zusammengefallen, so ist das Wissen in diese Einheit verschwunden, und hat keinen Unterschied von ihr und somit keine Bestimmung für sich übrig gelassen. – Auch sonst ist nicht Etwas, oder irgend ein Inhalt vorhanden, der gebracht werden könnte, um damit den bestimmteren Anfang zu machen.
Aber auch die bisher als Anfang angenommmene Bestimmung des Seyns könnte weggelassen werden, so daß nur gefordert würde, daß ein reiner Anfang gemacht werde. Dann ist nichts vorhanden, als der Anfang selbst, und es wäre zu sehen, was er ist. – Diese Stellung könnte zugleich als ein Vorschlag zur Güte an diejenigen gemacht werden, welche Theils damit, daß mit dem Seyn angefangen werde, aus welchen Reflexionen es sey, sich nicht beruhigen und noch weniger mit dem Erfolge, den das Seyn hat, in das Nichts überzugehn, – Theils überhaupt nicht anders wissen, als daß in einer Wissenschaft mit der Voraussetzung einer Vorstellung angefangen werde, – einer Vorstellung, welche hierauf analysirt werde, so daß nun das Ergebniß solcher Analyse den ersten bestimmten Begriff in der Wissenschaft abgebe. Indem wir auch dieß Verfahren beobachteten, so hätten wir keinen besondern Gegenstand, weil der Anfang als des Denkens, ganz abstrakt, ganz allgemein, ganz Form ohne allen Inhalt seyn soll; wir hätten somit gar nichts, als die Vorstellung von einem bloßen Anfang als solchem. Es ist also nur zu sehen, was wir in dieser Vorstellung haben.
Es ist noch Nichts, und es soll Etwas werden. Der Anfang ist nicht das reine Nichts, sondern ein Nichts, von dem Etwas ausgehen soll; das Seyn ist also auch schon im Anfang enthalten. Der Anfang enthält also Beides, Seyn und Nichts; ist die Einheit von Seyn und Nichts; – oder ist Nichtseyn, das zugleich Seyn, und Seyn, das zugleich Nichtseyn ist.
Ferner Seyn und Nichts sind im Anfang als unterschieden vorhanden; denn er weißt auf etwas Anderes hin; – er ist ein Nichtseyn, das auf das Seyn als auf ein Anderes bezogen ist; das Anfangende ist noch nicht; es geht erst dem Seyn zu. Der Anfang enthält also das Seyn als ein solches, das sich von dem Nichtseyn entfernt oder es aufhebt, als ein ihm Entgegengesetztes.
Ferner aber ist das, was anfängt, schon, eben so sehr aber ist es auch noch nicht. Die Entgegengesetzten, Seyn und Nichtseyn sind also in ihm in unmittelbarer Vereinigung; oder er ist ihre ununterschiedene Einheit.
Die Analyse des Anfangs gäbe somit den Begriff der Einheit des Seyns und des Nichtseyns, – oder in reflektirterer Form, der Einheit des Unterschieden- und des Nichtunterschiedenseyns, – oder der Identität der Identität und Nichtidentität. Dieser Begriff könnte als die erste, reinste d.i. abstrakteste, Definition des Absoluten angesehen werden; – wie er dieß in der That seyn würde, wenn es überhaupt um die Form von Definitionen und um den Namen des Absoluten zu thun wäre. In diesem Sinne würden, wie jener abstrakte Begriff die erste, so alle weitern Bestimmungen und Entwickelungen nur bestimmtere und reichere Definitionen dieses Absoluten seyn. Aber die, welche mit dem Seyn als Anfang darum nicht zufrieden sind, weil es in Nichts übergeht, und daraus die Einheit des Seyns und Nichts entsteht, mögen zusehen, ob sie mit diesem Anfange, der mit der Vorstellung des Anfangs anfängt, und mit deren Analyse, die wohl richtig seyn wird, aber gleichfalls auf die Einheit des Seyns und Nichts führt, zufriedener seyn mögen, als damit, daß das Seyn zum Anfange gemacht wird.
Es ist aber noch einen weitere Betrachtung über dieses Verfahren zu machen. Jene Analyse setzt die Vorstellung des Anfangs als bekannt voraus; es ist so nach dem Beispiele anderer Wissenschaften verfahren worden. Diese setzen ihren Gegenstand voraus, und nehmen bittweise an, daß jedermann dieselbe Vorstellung von ihm habe, und darin ungefähr dieselben Bestimmungen finden möge, die sie durch Analyse, Vergleichung und sonstiges Raisonnement von ihm da und dorther beibringen und angeben. Das aber, was den absoluten Anfang macht, muß gleichfalls ein sonst Bekanntes seyn; wenn es nun ein Konkretes, somit in sich mannigfaltig Bestimmtes ist, so ist diese Beziehung, die es in sich ist, als etwas Bekanntes vorausgesetzt; sie ist damit als etwas Unmittelbares angegeben, was sie aber nicht ist; denn sie ist nur Beziehung als von Unterschiedenen, enthält somit die Vermittelung in sich. Ferner tritt am Konkreten die Zufälligkeit und Willkür der Analyse und des verschiedenen Bestimmtes ein. Welche Bestimmungen herausgebracht werden, hängt von dem ab, was jeder in seiner unmittelbaren zufälligen Vorstellung vorfindet. Die in einem Konkreten, einer synthetischen Einheit, enthaltene Beziehung ist eine nothwendige nur, insofern sie nicht vorgefunden, sondern durch die eigenen Bewegung der Momente, in diese Einheit zurück zu gehen, hervorgebracht ist; – eine Bewegung, die das Gegentheil des analytischen Verfahrens ist, eines der Sache selbst äußerlichen, in das Subjekt fallenden Thuns.
Hierin ist auch das Nähere enthalten, daß das, womit der Anfang zu machen ist, nicht ein Konkretes, nicht ein solches seyn kann, das eine Beziehung innerhalb seiner selbst enthält. Denn ein solches setzt ein Vermitteln und Herübergehen von einem Ersten zu einem Anderen innerhalb seiner, voraus, wovon das einfachgewordene Konkrete das Resultat wäre. Aber der Anfang soll nicht selbst schon ein Erstes und ein Anders seyn; ein solches das ein Erstes und ein Anderes in sich ist, enthält bereits ein Fortgegangenseyn. Was den Anfang macht, der Anfang selbst, ist daher als ein Nichtanalysirbares, in seiner einfachen unerfüllten Unmittelbarkeit, also als Seyn, als das ganz Leere zu nehmen.
Wenn man etwa, gegen die Betrachtung des abstrakten Anfangs ungeduldig, sagen wollte, es solle nicht mit dem Anfange angefangen werden, sondern geradezu mit der Sache, so ist diese Sache nichts als jenes leere Seyn; denn was die Sache sey, dieß ist es, was sich eben erst im Verlaufe der Wissenschaft ergeben soll, was nicht vor ihr als bekannt vorausgesetzt werden kann.
Welche Form sonst genommen werde, um einen andern Anfang zu haben, als das leere Seyn, so leidet er an den angeführten Mängeln. Diejenigen, welche mit diesem Anfange unzufrieden bleiben, mögen sich zu der Aufgabe auffordern, es anders anzufangen, um dabei diese Mängel zu vermeiden.
Ein origineller Anfang der Philosophie aber kann nicht ganz unerwähnt gelassen werden, der sich in neuerer Zeit berühmt gemacht hat, der Anfang mit dem Ich. Er kam Theils aus der Reflexion, daß aus dem ersten Wahren alles Folgende abgeleitet werden müsse, Theils aus dem Bedürfnisse, daß das erste Wahre ein Bekanntes und noch mehr ein unmittelbar Gewisses sey. Dieser Anfang ist im Allgemeinen nicht eine solche Vorstellung, die zufällig ist, und in einem Subjekte so, in einem andern anders, beschaffen seyn kann. Denn Ich, dieß unmittelbare Selbstbewußtseyn, erscheint zunächst selbst Theils als ein Unmittelbares, Theils als ein in einem viel höhern Sinne Bekanntes, als eine sonstige Vorstellung; etwas sonst Bekanntes gehört zwar dem Ich an, aber ist noch ein von ihm unterschiedener, damit sogleich zufälliger Inhalt; Ich hingegen ist die einfache Gewißheit seiner selbst. Aber Ich überhaupt ist auch zugleich ein Konkretes, oder Ich ist vielmehr das Konkreteste, – das Bewußtseyn seiner, als unendlich mannigfaltiger Welt. Daß Ich Anfang und Grund der Philosophie sey, dazu wird die Absonderung dieses Konkreten erfordert, – der absolute Akt, wodurch Ich von sich selbst gereinigt wird, und als abstraktes Ich in sein Bewußtseyn tritt. Allein dieß reine Ich ist nun nicht ein unmittelbares, noch das bekannte, das gewöhnliche Ich unsers Bewußtseyns, woran unmittelbar und für jede die Wissenschaft angeknüpft werden sollte. Jener Akt wäre eigentlich nichts Anderes, als die Erhebung auf den Standpunkt des reinen Wissens, auf welchem der Unterschied des Subjektiven und Objektiven verschwunden ist. Aber wie diese Erhebung so unmittelbar gefordert ist, ist sie ein subjektives Postulat; um als wahrhafte Forderung sich zu erweisen, müßte die Fortbewegung des konkreten Ichs vom unmittelbaren Bewußtseyn zum reinen Wissen an ihm selbst, durch seine eigene Nothwendigkeit, aufgezeigt und dargestellt worden seyn. Ohne diese objektive Bewegung erscheint das reine Wissen, auch als die intellektuelle Anschauung bestimmt, als ein willkürlicher Standpunkt, oder selbst als einer der empirischen Zustände des Bewußtseyns, in Rücksicht dessen es darauf ankommt, ob ihn der Eine in sich vorfinde oder hervorbringen könne, ein Anderer aber nicht. Insofern aber dieß reine Ich das wesentliche reine Wissen seyn muß, und das reine Wissen aber nur durch den absoluten Akt der Selbsterhebung im individuellen Bewußtseyn gesetzt wird, und nicht unmittelbar in ihm vorhanden ist, geht gerade der Vortheil verloren, der aus diesem Anfange der Philosophie entspringen soll, daß er nämlich etwas schlechthin Bekanntes sey, was jeder unmittelbar in sich finde, und daran die weitere Reflexion anknüpfen könne; jenes reine Ich ist vielmehr in seiner abstrakten Wesenheit, etwas dem gewöhnlichen Bewußtseyn Unbekanntes, etwas, das es nicht darin vorfindet. Damit tritt vielmehr der Nachtheil der Täuschung ein, daß von etwas Bekanntem, dem Ich des empirischen Selbstbewußtseyns die Rede seyn solle, indem in der That von etwas diesem Bewußtseyn Fernem die Rede ist. Die Bestimmung des reinen Wissens als Ich, führt die fortdauernde Rückerinnerung an das subjektive Ich mit sich, dessen Schranken vergessen werden sollen, und erhält die Vorstellung gegenwärtig, als ob die Sätze und Verhältnisse, die sich in der weitern Entwickelung vom Ich ergeben, im gewöhnlichen Bewußtseyn, da es ja das sey, von dem sie behauptet werden, vorkommen und darin vorgefunden werden können. Diese Verwechslung bringt statt unmittelbarer Klarheit vielmehr nur eine um so grellere Verwirrung und gänzliche Desorientirung hervor; nach Außen hat sie vollends die gröbsten Mißverständnisse veranlaßt.
Was ferner die subjektive Bestimmtheit des Ich überhaupt betrifft, so benimmt wohl das reine Wissen dem Ich seine beschränkte Bedeutung, an einem Objekte seinen unüberwindlichen Gegensatz zu haben. Aus diesem Grunde wäre es aber wenigstens überflüssig, noch diese subjektive Haltung und die Bestimmung des reinen Wesens als Ich, beizubehalten. Allein diese Bestimmung führt nicht nur jene störende Zweideutigkeit mit sich, sondern sie bleibt auch, näher betrachtet, ein subjektives Ich. Die wirkliche Entwickelung der Wissenschaft, die vom Ich ausgeht, zeigt es, daß das Objekt darin die perennirende Bestimmung eines Anderen für das Ich hat und behält, daß also das Ich, von dem ausgegangen wird, nicht das reine Wissen, das den Gegensatz des Bewußtseyns in Wahrheit überwunden hat, sondern noch in der Erscheinung befangen ist.
Es ist hierbei noch die wesentliche Bemerkung in machen, daß wenn an sich wohl Ich als das reinen Wissen oder als intellektuelle Anschauung bestimmt und als Anfang behauptet werden könnte, daß es in der Wissenschaft nicht um das zu thun ist, was an sich oder innerlich vorhanden sey, sondern um das Daseyn des Innerlichen im Denken, und um die Bestimmtheit, die ein solches in diesem Daseyn hat. Was aber von der intellektuellen Anschauung – oder wenn ihr Gegenstand das Ewige, das Göttliche, das Absolute genannt wird, – was vom Ewigen oder Absoluten im Anfange der Wissenschaft da ist, dieß kann nichts Anderes seyn, als erste, unmittelbare, einfache Bestimmung. Welcher reichere Name ihm gegeben werde, als das bloße Seyn ausdrückt, so kann nur in Betracht kommen, wie solches Absolute in das denkende Wissen und in das Aussprechen dieses Wissens eintritt. Die intellektuelle Anschauung ist wohl die gewaltsame Zurückweisung des Vermittelns und der beweisenden, äußerlichen Reflexion. Was sie aber mehr ausspricht, als einfache Unmittelbarkeit, ist ein Konkretes, ein in sich verschiedene Bestimmungen Enthaltendes. Das Aussprechen und die Darstellung eines solchen jedoch ist, wie schon bemerkt, eine vermittelnde Bewegung, die von einer der Bestimmungen anfängt, und zu der anderen fortgeht, wenn diese auch zur ersten zurückgeht; – es ist eine Bewegung, die zugleich nicht willkürlich oder assertorisch seyn darf. Von was daher in solcher Darstellung angefangen wird, ist nicht das Konkrete selbst, sondern nur das einfache Unmittelbare, von dem die Bewegung ausgeht. Außerdem fehlt, wenn ein Konkretes zum Anfange gemacht wird, der Beweis, dessen die Verbindung der im Konkreten enthaltenen Bestimmungen bedarf.
Wenn also im Ausdrucke des Absoluten oder Ewigen oder Gottes (und das unbestrittenste Recht hätte Gott, daß mit ihm der Anfang gemacht werde), wenn in deren Anschauung oder Gedanken mehr liegt, als im reinen Seyn, so soll das, was darin liegt, ins Wissen als denkendes, nicht vorstellendes erst hervortreten; das was darin liegt, es sey so reich, als es wolle, so ist die Bestimmung, die ins Wissen zuerst hervortritt, ein Einfaches; denn nur im Einfachen ist nicht mehr als der reine Anfang; nur das Unmittelbare ist einfach, denn nur im Unmittelbaren ist noch nicht ein Fortgegangenseyn von Einem zu einem Anderen. Was somit über das Seyn ausgesprochen oder enthalten seyn soll, in den reicheren Formen des Vorstellens von Absolutem oder Gott, dieß ist im Anfange nur leeres Wort, und nur Seyn; dieß Einfache, das sonst keine weitere Bedeutung hat, dieß Leere ist also schlechthin der Anfang der Philosophie.
Diese Einsicht ist selbst so einfach, daß dieser Anfang als solcher, keiner Vorbereitung noch weiteren Einleitung bedarf; und diese Vorläufigkeit von Raisonnement über ihn konnte nicht die Absicht haben, ihn herbeizuführen, als vielmehr alle Vorläufigkeit zu entfernen.
Allgemeine Eintheilung des Seyns
Das Seyn ist zuerst gegen Anderes überhaupt bestimmt;
Zweitens ist es sich innerhalb seiner selbst bestimmend;
Drittens, indem diese Vorläufigkeit des Eintheilens weggeworfen ist, ist es die abstrakte Unbestimmtheit und Unmittelbarkeit, in der es der Anfang seyn muß.
Nach der ersten Bestimmung theilt das Seyn sich gegen das Wesen ab, indem es weiterhin in seiner Entwickelung seine Totalität nur als Eine Sphäre des Begriffs erweist, und ihr als Moment eine andere Sphäre gegenüberstellt.
Nach der zweiten ist es die Sphäre, innerhalb welcher die Bestimmungen und die ganze Bewegung seiner Reflexion fällt. Das Seyn wird sich darin in den drei Bestimmungen setzen:
I. als Bestimmtheit; als solche, Qualität;
II. als aufgehobene Bestimmtheit; Größe, Quantität;
III. als qualitativ bestimmte Quantität; Maaß.
Diese Eintheilung ist hier, wie in der Einleitung von diesen Eintheilungen überhaupt erinnert worden, eine vorläufige Anführung; ihre Bestimmungen haben erst aus der Bewegung des Seyns selbst zu entstehen, sich dadurch zu definiren und zu rechtfertigen. Ueber die Abweichung dieser Eintheilung von der gewöhnlichen Aufführung der Kategorien, nämlich als Quantität, Qualität, Relation und Modalität, was übrigens bei Kant nur die Titel für seine Kategorien seyn sollen, in der That aber selbst, nur allgemeinere, Kategorien sind, – ist hier nichts zu erinnern, da die ganze Ausführung das überhaupt von der gewöhnlichen Ordnung und Bedeutung der Kategorien Abweichende zeigen wird.
Nur dieß kann etwa bemerkt werden, daß sonst die Bestimmung der Quantität von der Qualität aufgeführt wird, – und dieß – wie das Meiste – ohne weiteren Grund. Es ist bereits gezeigt worden, daß der Anfang sich mit dem Seyn als solchem macht, daher mit dem qualitativen Seyn. Aus der Vergleichung der Qualität mit der Quantität erhellt leicht, daß jene die der Natur nach erste ist. Denn die Quantität ist die schon negativ gewordenen Qualität; die Größe ist die Bestimmtheit, die nicht mehr mit dem Seyn Eins, sondern schon von ihm unterschieden, die aufgehobene, gleichgültig gewordenen Qualität ist. Sie schließt die Veränderlichkeit des Seyns ein, ohne daß die Sache selbst, das Seyn, dessen Bestimmung sie ist, durch sie verändert werde; da hingegen die qualitative Bestimmtheit mit ihrem Seyn Eins ist, nicht darüber hinausgeht, noch innerhalb desselben steht, sondern dessen unmittelbare Beschränktheit ist. Die Qualität ist daher, als die unmittelbare Bestimmtheit die erste und mit ihr der Anfang zu machen.
Das Maaß ist eine Relation, aber nicht die Relation überhaupt, sondern bestimmt der Qualität und Quantität zu einander; die Kategorien, die Kant unter der Relation befaßt, werden ganz anderwärts ihre Stelle nehmen. Das Maaß kann auch für eine Modalität, wenn man will, angesehen werden; aber indem bei Kant diese nicht mehr eine Bestimmung des Inhalts ausmachen, sondern nur die Beziehung desselben auf das Denken, auf das Subjektive, angehen soll, so ist dieß eine ganz heterogene, hierher nicht gehörige Beziehung.
Die dritte Bestimmung des Seyns fällt innerhalb des Abschnittes, der Qualität, indem es sich als abstrakte Unmittelbarkeit zu einer einzelnen Bestimmtheit gegen seine anderen innerhalb seiner Sphäre herabsetzt.