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Eine Insel im Archipel. Ein Stück Meer, smaragdfarbig glänzend, ist links sichtbar und scheidet sich lieblich ab von dem Turkoisenblau des Himmels, dessen sonniges Tageslicht eine ideale Landschaft überstrahlt: Vegetation und Architekturen sind hier so griechisch schön, wie sie der Dichter der Odyssee einst geträumt. Pinien, Lorbeerbüsche, in deren Schatten weiße Bildwerke ruhen; große Marmorvasen mit fabelhaften Pflanzen; die Bäume von Blumengirlanden umwunden; kristallene Wasserfälle; zur rechten Seite der Szene ein Tempel der Venus Aphrodite, deren Statue aus den Säulengängen hervorschimmert; und das alles belebt von blühenden Menschen, die Jünglinge in weißen Festgewanden, die Jungfrauen in leichtgeschürzter Nymphentracht, ihre Häupter geschmückt mit Rosen oder Myrten, und teils in einzelnen Gruppen sich erlustigend, teils auch in zeremoniösen Reigen vor dem Tempel der Göttin mit dem Freudendienste derselben beschäftigt. Alles atmet hier griechische Heiterkeit, ambrosischen Götterfrieden, klassische Ruhe. Nichts erinnert an ein neblichtes Jenseits, an mystische Wollust- und Angstschauer, an überirdische Ekstase eines Geistes, der sich von der Körperlichkeit emanzipiert: hier ist alles reale plastische Seligkeit ohne retrospektive Wehmut, ohne ahnende leere Sehnsucht. Die Königin dieser Insel ist Helena von Sparta, die schönste Frau der Poesie, und sie tanzt an der Spitze ihrer Hofmägde vor dem Venustempel: Tanz und Posituren, im Einklang mit der Umgebung, gemessen, keusch und feierlich.
In diese Welt brechen plötzlich herein Faust und Mephistophela, auf ihren schwarzen Rossen durch die Lüfte herabfliegend. Sie sind wie befreit von einem düstern Alpdruck, von einer schnöden Krankheit, von einem tristen Wahnsinn, und erquicken sich beide an diesem Anblick des Urschönen und des wahrhaft Edlen. Die Königin und ihr Gefolge tanzen ihnen gastlich entgegen, bieten ihnen Speise und Trank in kostbar ziselierten Geräten, und laden sie ein bei ihnen zu wohnen auf der stillen Insel des Glücks. Faust und seine Gefährtin antworten durch freudige Tänze, und alle, einen Festzug bildend, begeben sich zuletzt nach dem Tempel der Venus, wo der Doktor und Mephistophela ihre mittelalterlich romantische Kleidung gegen einfach herrliche griechische Gewänder vertauschen; in solcher Umwandlung wieder mit der Helena auf die Vorderszene tretend, tragieren sie irgendeinen mythologischen Dreitanz.
Faust und Helena lassen sich endlich nieder auf einen Thron, zur rechten Seite der Szene, während Mephistophela, einen Thyrsus und eine Handtrommel ergreifend, als Bacchantin in den ausgelassensten Posituren einherspringt. Die Jungfrauen der Helena erfaßt das Beispiel dieser Lust, sie reißen die Rosen und Myrten von ihren Häuptern, winden Weinlaub in die entfesselten Locken, und mit flatternden Haaren und geschwungenen Thyrsen taumeln sie ebenfalls dahin als Bacchantinnen. Die Jünglinge bewaffnen sich alsbald mit Schild und Speer, vertreiben die göttlich rasenden Mädchen, und tanzen in Scheinkämpfen eine jener kriegerischen Pantomimen, welche von den alten Autoren so wohlgefällig beschrieben sind.
In dieser heroischen Pastorale mag auch eine antike Humoreske eingeschaltet werden, nämlich eine Schar Amoretten, die auf Schwänen herangeritten kommen, und mit Spießen und Bogen ebenfalls einen Kampftanz beginnen. Dieses artige Spiel wird aber plötzlich gestört: die erschreckten Liebesbübchen werfen sich rasch auf ihre Reitschwäne und flattern von dannen bei der Ankunft der Herzogin, die auf einer ungeheuren Fledermaus durch die Luft herbeigeflogen kommt, und wie eine Furie vor den Thron tritt, wo Faust und Helena ruhig sitzen. Sie scheint jenem die wahnsinnigsten Vorwürfe zu machen und diese zu bedrohen. Mephistophela, die den ganzen Auftritt mit Schadenfreude betrachtet, beginnt wieder ihren Bacchantentanz, dem die Jungfrauen der Helena sich ebenfalls wieder tanzend beigesellen, so daß diese Freudenchöre mit dem Zorn der Herzogin gleichsam verhöhnend kontrastieren. Letztere kann sich zuletzt vor Wut nicht mehr lassen, sie schwingt den Zauberstab, den sie in der Hand hält, und scheint diese Bewegung mit den entsetzlichsten Beschwörungssprüchen zu begleiten. Alsbald verfinstert sich der Himmel. Blitz und Donnerschlag, das Meer flutet stürmisch empor, und auf der ganzen Insel geschieht an Gegenständen und Personen die schauderhafteste Umwandlung. Alles ist wie getroffen von Wetter und Tod: die Bäume stehen laublos und verdorrt; der Tempel ist zu einer Ruine zusammengesunken; die Bildsäulen liegen gebrochen am Boden; die Königin Helena sitzt als eine fast zum Gerippe entfleischte Leiche in einem weißen Laken zur Seite des Faust; die tanzenden Frauenzimmer sind ebenfalls nur noch knöcherne Gespenster, gehüllt in weiße Tücher, die über den Kopf hängend nur bis auf die dürren Lenden reichen, wie man die Lamien darstellt, und in dieser Gestalt setzen sie ihre heitern Tanzposituren und Ronden fort, als wäre gar nichts passiert, und sie scheinen die ganze Umwandlung durchaus nicht bemerkt zu haben. Faust ist aber bei diesem Begebnis, wo all sein Glück zertrümmert ward durch die Rache einer eifersüchtigen Hexe, aufs höchste gegen dieselbe erbost; er springt vom Thron herab, mit gezogenem Schwerte, und bohrt es in die Brust der Herzogin.
Mephistophela hat die beiden Zauberrappen wieder herbeigeführt, sie treibt den Faust angstvoll an, sich schnell aufzuschwingen und reitet mit ihm davon durch die Luft. Das Meer brandet unterdessen immer höher, es überschwemmt allmählich Menschen und Monumente, nur die tanzenden Lamien scheinen nichts davon zu merken, und bei heitern Tamburinklängen tanzen sie bis zum letzten Augenblick, wo die Wellen ihre Köpfe erreichen und die ganze Insel gleichsam im Wasser versinkt. Über das sturmgepeitschte Meer, hoch oben in der Luft, sieht man Faust und Mephistophela auf ihren schwarzen Gäulen dahinjagen.