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Tausend und eine Nacht. Band XII
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Sechshundertunddreiundachtzigste Nacht.

Chuseime bin Bischr el-Asadī

Ferner vernahm ich, o glückseliger König, daß in den Tagen des Fürsten der Gläubigen Suleimân bin Abd el-Melik ein Mann von den Banû Asad, Namens Chuseime bin Bischr, lebte, von offenkundiger Hochherzigkeit, reich gesegnet an Glücksgütern, und daneben ausgezeichnet durch Vortrefflichkeit und Lauterkeit gegen seine Brüder. In dieser Weise lebte er, bis ihn die Zeitläufte bedrängten, und er der Brüder bedurfte, gegen die er sich gefällig und hilfreich erwiesen hatte. Eine Zeitlang halfen sie ihm, bis sie seiner überdrüssig wurden; als er dies merkte, ging er zu seinem Weib, der Tochter seines Ohms von Vaterseite, und sprach zu ihr: »Tochter meines Oheims, ich sehe das veränderte Benehmen meiner Brüder gegen mich und bin deshalb entschlossen zu Hause zu bleiben, bis der Tod zu mir kommt.« Hierauf verriegelte er die Thür und nährte sich von den Lebensmitteln, die er noch bei sich hatte, bis sie ausgegangen waren und er sich nicht weiter zu helfen wußte. Ikrime el-Fajjâd er-Rabaī aber, der Statthalter von Mesopotamien, kannte ihn, und fragte, als eines Tages in seinem Empfangssaal der Name Chuseime bin Bischrs erwähnt wurde: »Wie geht es ihm?« Sie versetzten: »Es geht ihm unbeschreiblich schlecht, er sitzt zu Hause und hat die Thür hinter sich verriegelt.« Ikrime el-Fajjâd erwiderte: »Das kommt nur von seiner übergroßen Hochherzigkeit her; wie aber geschieht es, daß Chuseime bin Bischr keinen Helfer und Vergelter findet?« Sie versetzten: »Er hat nichts von dem gefunden.« Als es nun Nacht ward, nahm Ikrime viertausend Dinare, that sie in einen Beutel und befahl, ihm sein Reittier zu satteln. 14 Dann verließ er heimlich sein Haus, saß auf und ritt, begleitet von einem seiner Pagen, der das Geld trug, zu Chuseimes Haus. Als er vor seiner Thür angelangt war, nahm er den Beutel seinem Pagen ab und befahl ihm sich zu entfernen, worauf er an die Thür trat und selber anpochte. Wie nun Chuseime herauskam, überreichte er ihm den Beutel und sprach zu ihm: »Ordne hiermit deine Verhältnisse.« Chuseime nahm den Beutel, da er jedoch fand, daß er schwer war, stellte er ihn aus der Hand hin und fragte, indem er den Zaum seines Reittiers faßte: »Wer bist du? Meine Seele sei dein Lösegeld!« Ikrime versetzte: »Mann, zu einer Zeit wie dieser komme ich nicht zu dir, um von dir gekannt zu werden.« Chuseime erwiderte jedoch: »Ich lasse dich nicht eher fort, als bis du mir gesagt hast, wer du bist.« Da entgegnete Ikrime: »Ich heiße Dschâbir Atharât el-Kirâm.«Der Ausbesserer der Fehltritte der Edeln. »Sag mehr,« versetzte Chuseime. Ikrime entgegnete jedoch: »Nein,« und ging fort, während Chuseime mit dem Beutel zu seiner Base ging und zu ihr sagte: »Freue dich, denn Gott hat uns nahen Trost und Gutes gesendet; wenn dies auch nur Dirhems sind, so sind es doch viele. Steh auf und stecke die Lampe an.« Sie entgegnete: »Ich habe nichts, womit ich die Lampe anstecken könnte.« Hierauf brachte er die Nacht damit zu, daß er die Geldstücke mit den Fingern betastete, wobei er fand, daß sie sich rauh wie Dinare anfühlten, ohne es glauben zu können. Inzwischen war Ikrime wieder zu Hause eingetroffen, wo seine Frau ihn vermißt und sich deshalb nach ihm erkundigt hatte; als sie vernahm, daß er fortgeritten war, ward sie über ihn ungehalten und schöpfte Argwohn, so daß sie zu ihm sagte, als er wieder eintraf: »Der Wâlī von Mesopotamien verläßt zu so später Nachtstunde sein Haus ohne seine Pagen und heimlich nur wegen einer Frau oder einer Beischläferin.« Er erwiderte ihr: »Gott weiß, daß ich zu keiner von diesen gegangen bin.« 15

Da sagte sie: »So gieb mir Auskunft, zu welchem Zwecke du fortgingst.« Er versetzte: »Ich verließ das Haus zu dieser Zeit, damit es niemand erführe.« Sie entgegnete: »Du mußt es mir sagen.« Nun fragte er sie: »Wirst du es auch bei dir behalten, wenn ich es dir sage?« Sie versetzte: »Ja.« Da erzählte er ihr die Sache so wie sie sich verhielt und fragte sie: »Verlangst du, daß ich es dir beschwöre?« Sie versetzte: »Nein, nein, mein Herz hat sich nun beruhigt und vertraut deinen Worten.«

Was nun Chuseime anlangt, so machte er am nächsten Morgen Frieden mit seinen Gläubigern und brachte seine Verhältnisse in Ordnung. Alsdann machte er sich zurecht und begab sich zu Suleimân bin Abd el-Melik, welcher sich damals gerade in Palästina aufhielt. Als er an seinem Thor anlangte und bei den Kämmerlingen um die Erlaubnis zur Audienz nachsuchte, begab sich der diensthabende Kämmerling zu Suleimân, der Chuseime wegen seiner berühmten Hochherzigkeit kannte, und teilte ihm dessen Ankunft mit, worauf er ihm Erlaubnis einzutreten erteilte. Als nun Chuseime eintrat und ihn mit dem Gruße des Chalifats begrüßt hatte, fragte ihn Suleimân, der Sohn des Abd el-Melik: »Chuseime, was hat dich so lange von uns fern gehalten?« Er erwiderte: »Mißliche Verhältnisse.« – »Und was,« so fragte der Chalife weiter, »hat dich verhindert, zu uns zu kommen?« – »Mein Befinden, o Fürst der Gläubigen,« versetzte er. Da fragte Suleimân: »Und weshalb kommst du jetzt?« Er erwiderte: »Wisse, o Fürst der Gläubigen, ich saß zu Hause, als spät in der Nacht ein Mann an die Thür pochte und das und das that;« und so erzählte er ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende, worauf Suleimân ihn fragte: »Kennst du den Mann?« Chuseime erwiderte: »Nein, o Fürst der Gläubigen, er bewahrte sein Inkognito und sagte nichts weiter als: »Ich heiße Dschâbir Atharât el-Kirâm.« Da lohte und loderte Suleimân bin Abd el-Meliks Herz vor Verlangen den Mann kennen zu 16 lernen, und er sprach: »Ach, wenn wir ihn kenneten, wir wollten ihn für seine Hochherzigkeit belohnen.« Alsdann knüpfte er Chuseime bin Bischr ein Banner und machte ihn zum Gouverneur von Mesopotamien an Stelle von Ikrime el-Fajjâd, worauf sich Chuseime auf den Weg nach Mesopotamien machte. Als er sich seinem Ziele näherte, kam ihm Ikrime und alles Volk Mesopotamiens zum Empfang entgegen, und beide begrüßten einander, worauf sie zusammen in die Stadt einzogen. Chuseime kehrte in den Regierungspalast ein, befahl Bürgschaft für Ikrime zu nehmen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Bei der Abrechnung aber fand sich ein großes Defizit an Geld, so daß Chuseime die Begleichung desselben von ihm verlangte; Ikrime versetzte jedoch: »Ich kann nichts von alledem bezahlen.« Chuseime entgegnete ihm: »Du mußt es;« er aber erwiderte: »Ich habe nichts, thue daher, was du willst.« Da befahl er ihn einzukerkern.

Sechshundertundvierundachtzigste Nacht.

Nachdem Chuseime Ikrime el-Fajjâds Einkerkerung befohlen hatte, schickte er von neuem zu ihm, ihn zur Bezahlung seiner Schuld auffordernd, Ikrime ließ ihm jedoch sagen: »Ich gehöre nicht zu denjenigen, die ihr Geld auf Kosten ihrer Ehre aufbewahren; thu' daher, was du willst.« Da befahl Chuseime ihm Fußeisen anzulegen und behielt ihn einen Monat oder noch länger im Gefängnis, bis er von der Haft angegriffen und elend wurde. Als seine Base hiervon Kunde erhielt, ließ sie in schwerer Kümmernis eine ihrer Freigelassenen von reicher Einsicht und Kenntnis rufen und sagte zu ihr: »Begieb dich noch zu dieser Stunde zur Thür Chuseime bin Bischrs und sprich zu ihm: »Ich habe einen guten Rat für dich.« Wenn dich jemand fragt, was es ist, so sprich: »Ich sage ihn nur dem Emir.« Bist du dann bei ihm eingetreten, so bitte ihn um Privataudienz und sprich zu ihm, wenn du allein mit ihm bist: »Was hast du 17 für eine That gethan? Du hast Dschâbir Atharât el-Kirâm nicht anders als mit strenger Haft und eisernen Banden belohnt.« Das Mädchen verrichtete ihren Auftrag, und, als nun Chuseime ihre Worte vernahm, rief er so laut er konnte: »Ach, die Gemeinheit! Ist er's wirklich gewesen?« Sie versetzte: »Jawohl.« Da befahl er, ihm sofort sein Reittier zu satteln und vorzuführen und entbot die Notabeln der Stadt zu sich, mit denen er sich zur Kerkerthür begab, worauf er sie öffnete und mit seinem Gefolge zu Ikrime eintrat, den sie völlig verändert und von Krankheit und Schmerzen verzehrt fanden. Bei seinem Anblick ließ Ikrime beschämt sein Haupt zu Boden hängen, Chuseime aber trat an ihn heran, neigte sich über sein Haupt und küßte es, worauf Ikrime sein Haupt zu ihm erhob und ihn fragte: »Was hat dich hierzu veranlaßt?« Er versetzte: »Dein hochherziges Verfahren und der üble Lohn meinerseits.« Ikrime erwiderte: »Gott verzeihe uns und dir!« Hierauf befahl Chuseime dem Kerkermeister ihm die Fesseln abzunehmen und an seine eigenen Füße zu legen; und, als Ikrime ihn fragte: »Was hast du vor?« antwortete er: »Ich will dasselbe erleiden, was du erlittest.« Da sagte Ikrime: »Ich beschwöre dich bei Gott, thu's nicht;« worauf beide den Kerker verließen und sich nach Chuseimes Palast begaben, wo Ikrime sich von ihm verabschiedete, um fortzugehen. Chuseime wehrte es ihm jedoch, und, als nun Ikrime fragte, was er im Sinn habe, erwiderte er: »Ich will deine Lage ändern, denn meine Scham vor der Tochter deines Vaterbruders ist noch größer als meine Scham vor dir.« Alsdann befahl er das Bad zu räumen, und, als es leer stand, begab er sich mit Ikrime hinein und bediente ihn in eigner Person, bis sie es wieder verließen, worauf er ihm ein kostbares Ehrenkleid überreichte, ihn auf ein Reittier setzte und ihm eine Menge Geld mitgab. Dann begleitete er ihn nach seiner Wohnung und bat ihn sich bei seiner Base entschuldigen zu dürfen, die seine Entschuldigung annahm. Nach diesem bat er ihn, mit ihm zu Suleimân Abd el-Melik zu reisen, der sich damals gerade zu Er-Ramle aufhielt. Ikrime willigte ein, und so reisten sie zusammen, bis sie zu Suleimân Abd el-Melik gelangten. Als der Kämmerling bei ihm eintrat und ihn von Chuseime bin Bischrs Ankunft benachrichtigte, erschrak er hierüber und sprach: »Kommt der Wâlī von Mesopotamien ohne unsern Befehl? Dies kann nur eine wichtige Veranlassung haben.« Alsdann gab er ihm die Erlaubnis einzutreten und fragte ihn bei seinem Eintreten noch vor dem Salâm: »Was bringst du, Chuseime?« Er erwiderte: »Gutes, o Fürst der Gläubigen.« »Und was ist's, daß dich hierhergeführt hat?« fragte Suleimân. Er antwortete: »Ich habe Dschâbir Atharât el-Kirâm ausfindig gemacht und dachte dich mit ihm zu erfreuen, da ich dein Verlangen ihn kennen zu lernen und deine Sehnsucht ihn von Angesicht zu schauen gesehen hatte.« Nun fragte er: »Wer ist's?« Chuseime versetzte: »Ikrime el-Fajjâd.« Da verstattete ihm Suleimân näher zu treten, und, als er nun herankam und ihn mit dem Gruß des Chalifats begrüßte, hieß er ihn willkommen und sprach zu ihm, indem er ihn nahe an seinen Sitz herantreten ließ: »O Ikrime, dein gutes Werk an ihm brachte dir nur Übles ein;« dann setzte er hinzu: »Schreib alle deine Anliegen und Bedürfnisse auf ein Stück Papier.« Ikrime that es, und Suleimân befahl sie ihm zur selbigen Stunde zu erfüllen, indem er ihm noch zehntausend Dinare obendrein und zwanzig Kisten Kleider außer den verlangten schenkte. Hierauf verlangte er einen Speer und knüpfte ihm ein Banner über Mesopotamien, Armenien und Azerbeidschân, wobei er zu ihm sprach: »Chuseimes Sache ist dir überlassen; nach deinem Willen mag er Statthalter bleiben oder abgesetzt sein.« Ikrime aber versetzte: »Nein, o Fürst der Gläubigen, ich setze ihn wieder in sein Amt ein.« Hierauf verließen ihn beide und dienten Suleimân, dem Sohn des Abd el-Melik, als Gouverneure während der ganzen Dauer seines Chalifats. 19

 


 


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