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Tausend und eine Nacht. Band XXI
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Alī Bâbā und die vierzig Räuber.

In alten Zeiten und in längst entschwundenen Tagen wohnten in einer Stadt Persiens zwei Brüder, von denen der eine Kâsim und der andre Alī Bâbā hieß, die bei dem Tode ihres Vaters das kleine Gut, das er ihnen hinterließ, untereinander zu gleichen Teilen verteilt und keine Zeit, es völlig durchzubringen, verloren hatten. Der ältere freite indessen die Tochter eines vermögenden Kaufmanns, so daß er, als sein Schwiegervater zu Gottes, des Erhabenen, Barmherzigkeit abschied, der Besitzer eines großen, mit seltenen Gütern und kostbaren Artikeln angefüllten Ladens ward, sowie eines Lagerhauses, das voll von kostbaren Stoffen war. Ebenso fiel ihm eine Menge in der Erde vergrabenes Gold zu, so daß er in der ganzen Stadt als ein reicher Mann bekannt war. Die Frau, die Alī Bâbā geheiratet hatte, war jedoch arm und mittellos, weshalb sie in einer schäbigen Hütte lebten, und Alī Bâbā verdiente sich nur ein kärgliches Brot durch den Verkauf von Brennholz, welches er täglich in der Dschangel sammelte und durch die Stadt auf seinen drei Eseln in den Bazar schaffte.

Eines Tages traf es sich, daß Alī Bâbā hinreichend dürres Reisig und Brennholz gesammelt und auf seine Esel geladen hatte, als er plötzlich zu seiner Rechten eine Staubwolke aufwirbeln und schnell auf sich zukommen sah. Als er sie genauer betrachtete, gewahrte er einen Reitertrupp, der im Galopp herangesprengt kam und ihn fast erreicht hatte. Bei diesem Anblick erschrak er gewaltig und fürchtete, es könnte eine Banditenschar sein, die ihn erschlagen und seine Esel forttreiben wollten, und begann fortzulaufen. Da sie aber bereits ganz nahe waren und er nicht aus dem Wald entkommen konnte, trieb er seine holzbeladenen Esel auf einem Seitenpfad ins Gebüsch, worauf er auf einen dicken Baum kletterte, um sich in seinem Laub zu verbergen, und sich auf einen Ast setzte, von dem aus er alles unter ihm beobachten konnte, während niemand von unten etwas von ihm gewahr ward; und es stand jener Baum neben einem Felsen, der hoch über die Häupter emporragte. Die Reiter, junge, flinke und tüchtige Burschen, kamen nahe an die Felsenwand herangeritten, wo sie abstiegen. Alī Bâbā, der sie genau betrachtete, fand, daß es ihrer vierzig waren, und erkannte bald an ihrem Aussehen und Benehmen, daß es Wegelagerer waren, die eine Karawane überfallen und ihren Raub hierhergeschafft hatten, um ihn in einem Versteck in Sicherheit zu bringen. Als die Räuber unter dem Baum, auf dem Alī Bâbā saß, angelangt waren, zäumten sie ihre Pferde ab und fesselten ihnen die Vorderfüße, worauf sie ihre Mantelsäcke abnahmen, die alle voll Gold und Silber waren. Dann schritt einer von ihnen, der ihr Hauptmann zu sein schien, mit seiner Last auf der Schulter durch Dickicht und Dornen voran, bis er zu einer Stelle kam, wo er die seltsamen Worte sprach: »Sesam, thue dich auf!« Und sofort zeigte sich ein weiter Eingang in der Felsenwand. Alsdann traten die Räuber ein, und zuletzt ihr Hauptmann, worauf sich das Portal von selber schloß. Sie blieben geraume Zeit in der Höhle, während Alī Bâbā gezwungen war auf dem Baum sitzen zu bleiben, da er überlegte, daß, wenn er hinunterstiege, die Bande in demselben Augenblick herauskommen und ihn packen und erschlagen könnte. Schließlich aber entschloß er sich eins der Pferde zu besteigen und seine Esel zur Stadt zu treiben, als sich plötzlich das Portal wieder aufthat. Der Räuberhauptmann kam diesmal zuerst heraus und stellte sich am Eingang auf, worauf er seine Leute vorüberpassieren ließ und sie zählte, bis alle herausgekommen waren. Dann sprach er das Zauberwort: »Sesam, thue dich zu!« worauf sich die Thür von selber schloß. Als alle Revue passiert hatten, hing ein jeder seinen Mantelsack über und zäumte sein Pferd auf, und als alle fertig geworden waren, ritten sie, angeführt von ihrem Hauptmann, in derselben Richtung fort, aus der sie gekommen waren.

Alī Bâbā blieb jedoch auf dem Baume sitzen und stieg nicht eher ab, als bis sie ihm völlig aus dem Gesicht entschwunden waren, damit ihn nicht etwa einer der Räuber erblickte, falls er umkehrte und sich umschaute. Alsdann aber gedachte er bei sich: »Ich will auch einmal die Kraft dieser Zauberworte prüfen und sehen, ob mein Befehl die Thüren öffnen und schließen wird.« Hierauf rief er laut: »Sesam, thue dich auf!« Und kaum hatte er die Worte gesprochen, da sprang auch schon das Portal auf, und er trat ein. Er erblickte eine große gewölbte Höhle von der Höhe eines erwachsenen Mannes, die in den Felsen eingehauen und durch Licht, das durch Luftlöcher und runde Öffnungen in der Decke des Felsens fiel, erhellt ward. Er hatte nichts als das tiefste Dunkel in dieser Räuberhöhle zu finden geglaubt und war überrascht den ganzen Raum mit Ballen, die allerlei Stoffe enthielten, und vom Boden an bis zur Decke mit Kamellasten von Seide, Brokat und gestickten Tuchen und Haufen über Haufen von bunten Teppichen erfüllt zu sehen; außerdem gewahrte er zahllose und unberechenbare Mengen von Gold- und Silbermünzen, die teils auf den Boden geschüttet, teils in ledernen Beuteln und Säcken untergebracht waren. Als er dieses Geld und Gut in so reicher Menge erblickte, stand es ihm fest, daß nicht während einigen Jahren, sondern allein in langen Generationen Diebe ihren Gewinn und Raub hier angehäuft haben konnten. Die Thür hatte sich, nachdem er die Höhle betreten hatte, hinter ihm geschlossen, doch war er nicht erschrocken, da er die Zauberworte im Gedächtnis behalten hatte; er kümmerte sich auch nicht um die kostbaren Stoffe, die rings um ihn lagen, sondern machte sich allein mit den Säcken von Aschrafīs zu schaffen. Von diesen trug er soviel hinaus, als er für eine hinreichende Last für seine Esel erachtete. Dann lud er sie auf seine Tiere und bedeckte die Beute mit Reisig und Holz, damit keiner die Beutel erkennen könnte, sondern glaubte, daß er seine gewöhnliche Ware nach Hause schaffte. Zum Schluß rief er: »Sesam, thue dich zu!« und sogleich schloß sich die Thür, denn der Zauber wirkte so, daß sich das Portal sofort schloß, wenn jemand die Höhle betreten hatte; war er jedoch wieder aus ihr herausgekommen, so öffnete es sich weder noch schloß es sich, bis er die Worte: »Sesam, thue dich zu!« gesprochen hatte. Nachdem er seine Esel beladen hatte, trieb er sie so schnell als möglich vor sich her zur Stadt, und, zu Hause angelangt, jagte er sie in den Hof; dann schloß er die Außenthür fest zu und nahm zuerst das Reisig und Holz ab, worauf er die Goldsäcke zu seiner Frau hereintrug. Als diese sie befühlte und voll Geld fand, hatte sie Alī Bâbā in Verdacht geraubt zu haben und schalt und tadelte ihn für solch ein übles Thun. Hierauf sagte Alī Bâbā zu seiner Frau: »Ich bin kein Räuber, freue dich lieber mit mir über unser Glück.« Alsdann erzählte er ihr sein Abenteuer und begann das Gold aus den Säcken in Haufen vor ihr auszuschütten, so daß ihr Gesicht von dem Glanz geblendet ward und ihr Herz bei der Erzählung seines Abenteuers frohlockte. Sie begann das Gold zu zählen, doch rief ihr Alī Bâbā zu: »Du thörichtes Weib, wie lange willst du das Geld um und umkehren? Laß mich eine Grube graben, in der ich diesen Schatz verstecken kann, damit niemand von seinem Geheimnis erfährt.« Sie versetzte: »Du hast recht; jedoch möchte ich das Gold wiegen, um eine Vorstellung von seinem Betrag zu haben.« Er erwiderte: »Wie es dir beliebt; aber sag' keinem etwas davon.« Da eilte sie zu Kâsims Haus, um sich Gewichte und eine Wage zu leihen, damit sie die Aschrafīs wöge und ihren Wert berechnen könnte. Als sie Kâsim nicht finden konnte, sagte sie zu seiner Frau: »Ich bitte dich, leihe mir die Wage für einen Augenblick.« Ihre Schwägerin versetzte: »Brauchst du die große oder die kleine Wage?« Sie erwiderte: »Ich brauche nicht die große; gieb mir die kleine.« Hierauf sagte ihre Schwägerin: »Warte hier einen Augenblick, während ich mich nach der Wage umsehe.« Unter diesem Vorwand ging Kâsims Frau beiseite und strich etwas Wachs und Talg auf die Wagschale, um zu erfahren, was Alī Bâbās Frau wiegen wollte, denn sie war sicher, daß etwas von dem, was sie wog, an dem Wachs und Fett kleben bleiben würde. In dieser Weise benutzte die Frau diese Gelegenheit ihre Neugierde zu befriedigen, worauf Alī Bâbās Frau ahnungslos die Wage nach Hause trug und das Gold abzuwiegen begann, während Alī Bâbā das Loch grub. Als sie dann alles Gold abgewogen hatte, packten beide es ins Loch, das sie wieder sorgfältig mit Erde zudeckten. Dann trug sie die Wage wieder zu ihrer Schwägerin zurück, ohne zu bemerken, daß ein Aschrafī an der Wagschale kleben geblieben war. Als aber Kâsims Frau das Goldstück erblickte, raste sie vor Neid und Zorn, indem sie bei sich sprach: »Steht es so! Sie borgten meine Wage, um Aschrafīs zu wiegen!« Und sie verwunderte sich höchlichst, woher solch ein armer Mann wie Alī Bâbā zu solchem Reichtum gekommen war, daß er ihn mit einer Wage wiegen mußte. Nachdem sie die Sache hin und her überlegt hatte, sagte sie zu ihrem Mann, als er gegen Abend heimkam: »O Mann, du hältst dich für einen reichen und vermögenden Mann, doch schau, dein Bruder Alī Bâbā ist im Vergleich zu dir ein Emir und weit reicher, als du bist. Er hat solche Haufen Gold, daß er sein Geld mit der Wage wiegen muß, während du fürwahr zufrieden bist es Stück für Stück zu zählen.« Kâsim fragte: »Woher weißt du dies?« Da berichtete ihm seine Frau als Antwort die ganze Geschichte mit der Wage und erzählte ihm, wie sie einen Aschrafī an der Wagschale kleben gefunden hatte; dann zeigte sie ihm das Goldstück, welches das Gepräge eines alten Königs trug.

In seinem Neid und seiner Eifersucht und Habgier fand Kâsim während der ganzen Nacht keinen Schlaf, und am nächsten Morgen erhob er sich in der Frühe und begab sich zu Alī Bâbā, zu dem er sagte: »O mein Bruder, allem Anschein nach bist du arm und mittellos; in Wirklichkeit aber besitzest du so große Schätze, daß du dein Gold mit der Wage wiegen mußt.« Alī Bâbā versetzte: »Was sprichst du da? Ich verstehe dich nicht; erkläre mir deine Worte.« Da entgegnete Kâsim aufgebracht: »Thu' nicht so, als ob du meine Worte nicht verstündest, und denke nicht mich zu täuschen.« Hierauf zeigte er ihm den Aschrafī und rief: »Du hast Tausende solcher Goldstücke beiseite gelegt; dieses hier fand meine Frau an der Wagschale kleben.« Da merkte Alī Bâbā, wie sein Bruder Kâsim und seine Frau erfahren hatten, daß er einen Haufen Aschrafīs besaß, und gedachte bei sich, daß es ihm nichts nützte die Sache zu verheimlichen, sondern nur Unheil und Übelwollen hieraus entstehen würde; und so sah er sich bewogen seinem Bruder alles in betreff der Banditen und des in der Höhle verborgenen Schatzes zu erzählen. Als Kâsim die Geschichte vernommen hatte, rief er: »Ich möchte von dir die Stelle des Platzes, an dem du das Geld fandest, erfahren; ebenso möchte ich die Zauberworte wissen, durch welche sich die Thür öffnete und schloß. Ich mache dich zugleich darauf aufmerksam, daß ich, wenn du mir nicht die volle Wahrheit sagst, dem Wâlī von diesen Aschrafīs Mitteilung mache, daß du all dein Geld verlierst und obendrein in Schande und ins Gefängnis kommst.« Da erzählte ihm Alī Bâbā alles, ohne die Zauberworte zu vergessen.

Am nächsten Tage machte sich Kâsim, der auf alle diese Sachen gut acht gegeben hatte, mit zehn gemieteten Maultieren auf den Weg und fand den Platz richtig heraus, wie Alī Bâbā ihm denselben beschrieben hatte. Als er zu dem Felsen und dem Baum, auf dem sich Alī Bâbā versteckt hatte, gelangte und sich von der Thür vergewissert hatte, rief er in großer Freude: »Sesam, thue dich auf!« Sofort sprang das Portal weit auf, und Kâsim trat ein und gewahrte die Haufen von Juwelen und Schätzen, die rings aufgehäuft lagen; und sobald er mitten unter ihnen stand, verschloß sich die Thür wie gewöhnlich hinter ihm. In Entzücken schritt er umher und bewunderte die Schätze, und als er des Staunens überdrüssig war, trug er soviel Beutel Aschrafīs zusammen, als die zehn Maultiere zu tragen vermochten, und legte sie neben den Eingang in Bereitschaft, um sie hinauszutragen und auf die Tiere zu laden. Nach Gottes, des Erhabenen, Willen hatte er jedoch gänzlich die kabbalistischen Worte vergessen und rief: »Gerste, thue dich auf!« Da die Thür verschlossen blieb, rief er in seinem Staunen und seiner Bestürzung die Namen aller Getreidesorten mit Ausnahme von Sesam, der völlig seinem Gedächtnis entschwunden war, als hätte er den Namen nie gehört; und in seiner tiefen Bestürzung achtete er nicht auf die Aschrafīs, die am Eingang aufgehäuft lagen, sondern schritt in der Höhle ratlos und hilflos auf und ab. Die Schätze, die eben noch sein Herz mit Freude und Entzücken erfüllt hatten, waren ihm nun die Ursache bitterer Trübsal und Traurigkeit geworden, und schließlich gab er alle Hoffnung auf mit dem Leben davonzukommen, das er durch seine Habsucht und seinen Neid ins Verderben gestürzt hatte.

Um Mittag kehrten die Räuber zurück und sahen vor dem Eingang der Höhle einige Maultiere stehen. Sie verwunderten sich höchlichst darüber, wie die Tiere hierher gekommen waren; denn, da Kâsim vergessen hatte sie anzubinden oder ihre Füße zu fesseln, waren sie ins Dickicht gewandert und grasten hier und dort. Indessen achteten die Räuber wenig auf die verlaufenen Tiere und gaben sich nicht die Mühe sie einzufangen, sondern verwunderten sich allein darüber, wie sie sich so weit von der Stadt verlaufen hatten. Nachdem sie die Höhle erreicht hatten, stieg der Hauptmann mit seinem Trupp ab und trat vor den Eingang, worauf er die Zauberformel sprach, durch welche die Thür sofort aufsprang.

Nun hatte aber Kâsim die Pferdehufe näher und näher kommen gehört und war vor Schrecken zu Boden gefallen, da er überzeugt war, daß das Getrampel von den Räubern herrührte, die ihn ohne Gnade niederhauen würden. Indessen faßte er wieder Mut, und in demselben Augenblick, als die Thür aufsprang, stürzte er hinaus, in der Hoffnung zu entrinnen. In seinem Unglück rannte er jedoch mit voller Kraft gegen den Hauptmann, der an der Spitze der Bande stand, und warf ihn auf den Boden, worauf ein Räuber, der dicht bei seinem Hauptmann stand, sein Schwert zog und ihn mit einem Schwerthieb auseinanderspaltete. Hierauf stürzten die Räuber in die Höhle und legten die Geldsäcke, die Kâsim an dem Eingang aufgehäuft hatte, um sie fortzuschaffen, an Ort und Stelle. Vor Staunen und Bestürzung achteten sie gar nicht auf die verschwundenen Geldsäcke, die Alī Bâbā fortgenommen hatte, sondern zerbrachen sich allein den Kopf, in welcher Weise der fremde Mann in die Höhle gelangt war. Alle erkannten, daß es keinem möglich war, durch die Luken einzusteigen, da die Felsenwand zu steil und hoch und glatt war; ebenso aber konnte auch niemand durch den Eingang herein, ohne die Zauberworte zu wissen, durch die sich die Felsenwand allein aufthat. Schließlich vierteilten sie Kâsims Leichnam und hängten ihn in der Höhle neben dem Eingang auf, zwei Stücke zur Rechten und die beiden andern zur Linken, damit ihr Anblick für alle, welche die Höhle zu betreten wagten, eine Warnung ihres bevorstehenden Schicksals wäre. Dann schritten sie wieder hinaus und verschlossen die Thür ihres Schatzes, worauf sie zu ihrem gewohnten Werk fortritten.

Als nun die Nacht hereinbrach und Kâsim nicht nach Hause kam, ward seine Frau unruhig, so daß sie zu Alī Bâbā herüberlief und zu ihm sagte: »O mein Bruder, Kâsim ist nicht heimgekehrt; du weißt, wohin er gegangen ist, und ich bin in schwerer Sorge, daß ihm ein Unfall zugestoßen ist.« Alī Bâbā vermutete gleichfalls, daß ihn ein Unfall an der Heimkehr verhindert hätte, indessen versuchte er seine Schwägerin mit beruhigenden Worten zu trösten und sagte: »O Weib meines Bruders, vielleicht will Kâsim nicht gesehen werden und kommt, um die Stadt zu vermeiden, auf einem Hinterpfad her. Er wird sicherlich bald hier sein, und dies, glaube ich, ist allein der Grund seines Ausbleibens.« Hierauf kehrte Kâsims Frau beruhigt wieder heim und wartete auf die Rückkehr ihres Gatten; als aber die Hälfte der Nacht verstrichen und er noch immer nicht eingetroffen war, ward sie wie verstört. Da sie sich jedoch fürchtete, daß ihre Nachbarn, wenn sie vor Kummer laut schrie, zu ihr kommen könnten und so das Geheimnis erführen, weinte sie still vor sich hin und sprach bei sich, indem sie sich Vorwürfe machte: »Weshalb entdeckte ich ihm dieses Geheimnis und machte ihn auf Alī Bâbā neidisch und eifersüchtig? Dies ist nun die Folge davon, und das Unglück, das nun über mich gekommen ist, rührt davon her.«

Bitterlich weinend verbrachte sie die Nacht und eilte in der ersten Morgenfrühe, so schnell sie konnte, zu Alī Bâbā und bat ihn, seinen Bruder zu suchen. Alī Bâbā versuchte sie zu trösten und machte sich mit seinen Eseln sofort auf den Weg zum Wald. Als er die Felsenwand erreichte, verwunderte er sich Flecken frisch vergossenen Blutes zu sehen, und da er weder seinen Bruder noch die zehn Maultiere fand, ahnte er aus diesem bösen Zeichen ein Unglück. Dann trat er an die Thür und rief: »Sesam, thue dich auf!« worauf er eintrat und die eine Hälfte von Kâsims Leichnam zur linken und die andre zur rechten Seite der Thür hängen sah. Wiewohl er über die Maßen erschrocken war, wickelte er die Stücke in zwei Tücher und legte sie auf einen seiner Esel, sie mit Reisig und Holz bedeckend, damit niemand sie sehen könnte. Alsdann belud er die beiden andern Esel mit Geldsäcken und deckte sie ebenfalls aufs sorgfältigste zu, und als er mit allem fertig geworden war, verschloß er wieder den Eingang zur Höhle, indem er die Zauberworte sprach, und machte sich mit aller Vorsicht und Behutsamkeit auf den Heimweg. Er übergab die Esel mit der Last Aschrafīs seiner Frau und befahl ihr die Beutel sorgfältig zu vergraben, doch erzählte er ihr nicht, wie er seinen Bruder Kâsim angetroffen hatte. Dann zog er mit dem dritten Esel, auf welchem der Leichnam seines Bruders lag, zum Haus der Witwe und pochte leise an die Thür.

Nun hatte Kâsim eine schlaue und scharfsinnige Sklavin, Namens Mardschâne, die ebenso leise den Bolzen löste und Alī Bâbā mit seinem Esel in den Hof des Hauses ließ. Hierauf nahm er den Leichnam vom Rücken des Esels und sagte zu ihr: »O Mardschâne, tummle dich und mach' dich bereit die Ceremonien zur Bestattung deines Herrn zu verrichten. Ich gehe jetzt deiner Herrin die Nachricht zu überbringen und werde schnell wieder zurückkommen, um dir bei diesem Geschäft zu helfen.« In demselben Augenblick aber sah auch Kâsims Witwe ihren Schwager und rief: »O Alī Bâbā, was für Nachricht bringst du mir von meinem Gatten? Wehe, ich sehe die Zeichen des Kummers auf deinem Angesicht geschrieben. Sag' schnell, was geschehen ist.« Da erzählte er ihr, wie es ihrem Gatten ergangen war, wie er von den Räubern erschlagen war und wie er den Leichnam heimgeschafft hatte. Er schloß seinen Bericht mit den Worten: »O meine Herrin, was geschehen ist, ist geschehen, doch geziemt es uns die Sache geheim zu halten, da unser Leben davon abhängt.« Sie weinte bitterlich und versetzte: »Mit meinem Gatten geschah es nach dem Ratschluß des Schicksals; ich gebe dir mein Wort, daß ich um deiner Sicherheit willen die Sache geheimhalten werde.« Alī Bâbā erwiderte: »Nichts hilft gegen Gottes Beschluß. Füge dich in Geduld, bis die Tage deiner Unnahbarkeit verstrichen sind; ich will dich dann zum Weib nehmen, und du sollst ein angenehmes und bequemes Leben führen. Sei unbesorgt, daß dich meine Frau quälen oder dich mit ihrer Eifersucht verfolgen sollte, denn sie ist gütig und besitzt ein zartfühlendes Herz.« Indem die Witwe ihren Verlust laut bejammerte, versetzte sie: »Es sei so, wie es dir beliebt.« Alsdann verließ Alī Bâbā sie, während sie über ihren Gatten weinte und jammerte, und kehrte zu Mardschâne zurück, mit der er sich beriet, wie sie das Begräbnis ihres Bruders zuwege bringen könnten. Nach langem Beraten und vielem Ermahnen verließ er sie und kehrte, seinen Esel vor sich hertreibend, wieder heim. Sobald aber Alī Bâbā abgezogen war, begab sich Mardschâne eiligst zum Laden eines Drogisten und verlangte von ihm, um die Sache besser zu verheimlichen, eine Droge, wie sie gewöhnlich bei Schwerkranken angewendet wird. Er gab sie ihr und fragte sie: »Wer liegt in deinem Hause so schwer danieder, daß du diese Medizin gebrauchst?« Sie versetzte: »Mein Herr Kâsim ist todkrank; seit einer Reihe von Tagen hat er weder gesprochen noch etwas Speise zu sich genommen, so daß wir fast an seinem Leben verzweifeln.«

Am nächsten Tage kam Mardschâne wieder zum Drogisten und verlangte mehr Medizin und solche Essenzen, wie man Kranken, die bereits an der Schwelle des Todes stehen, verabfolgt, damit der Sterbende vor dem Hinscheiden noch einmal zu sich kommt. Der Drogist gab ihr den Trank und, indem sie ihn nahm, seufzte sie laut und sagte weinend: »Ich fürchte, er besitzt nicht mehr die Kraft, diesen Trank einzunehmen. Wenn ich zu Hause eintreffe, ist vielleicht schon alles vorüber.« Inzwischen wartete Alī Bâbā gespannt darauf, Weinen und Wehklagen in Kâsims Haus zu vernehmen, damit er auf dieses Zeichen hin dorthin eilen und an den Ceremonien des Leichenbegängnisses teilnehmen könne.

Am nächsten Tage in der Frühe begab sich Mardschâne mit verschleiertem Gesicht zu einem alten Schneider, Namens Bâbā Mustafā, dessen Handwerk es war Leichentücher und Totenlaken zu nähen, und als sie ihn seinen Laden öffnen sah, gab sie ihm ein Goldstück und sagte zu ihm: »Leg' dir eine Binde um die Augen und folge mir.« Mustafā stellte sich, als hätte er keine Lust sie zu begleiten, worauf sie noch ein Goldstück in seine Hand legte und in ihn drang, ihr zu folgen. Schließlich willigte der Schneider in seiner Geldgier ein, und sie führte ihn, nachdem sie ihm die Augen verbunden hatte, bei der Hand zu dem Hause, in dem der Leichnam ihres Herrn lag. Sie nahm ihm in dem dunkeln Raum die Binde ab und forderte ihn auf die vier Stücke des Leichnams, Glied an Glied, wieder zusammenzunähen, und als er dies gethan hatte, warf sie ein Tuch über den Körper und sagte zu ihm: »Eile dich und nähe mir ein Leichentuch entsprechend der Größe dieses Toten, wofür ich dir noch einen Dukaten geben will. Bâbā Mustafā nähte das Tuch schnell in der passenden Länge und Breite, worauf ihm Mardschâne das versprochene Goldstück schenkte. Dann verband sie ihm wieder die Augen und führte ihn zu dem Platz zurück, von dem sie ihn geholt hatte. Hierauf eilte sie nach Hause und wusch mit Alī Bâbās Hilfe den Leichnam in warmem Wasser; dann wickelte sie ihn in das Leichentuch und legte den Körper, bereit zum Begräbnis, auf einen reinen Platz. Hierauf begab sie sich zur Moschee und benachrichtigte einen Imâm,Einen Vorbeter. daß ein Leichenbegängnis die Leidtragenden in dem und dem Haus erwartete, indem sie ihn zugleich bat zu kommen und die Gebete für den Verstorbenen zu lesen. Der Imâm folgte ihr, und vier Nachbarn luden die Bahre auf und trugen sie auf ihren Schultern fort, begleitet von dem Imâm und andern, die solchen Feierlichkeiten gewöhnlich beizuwohnen pflegten. Nach Beendigung der Leichengebete trugen vier andere Männer die Bahre fort, während Mardschâne ihr barhaupt voranschritt und sich weinend und laut jammernd die Brust schlug und Alī Bâbā mit den Nachbarn hinterdreinschritt. In solchem Zuge betraten sie den Totenacker und bestatteten ihn, worauf sie, ihn den Engeln Munkar und Nakîr überlassend, ihres Weges gingen. Dann versammelten sich die Frauen jenes Viertels nach dem Brauch der Stadt in dem Trauerhaus und saßen eine Stunde bei Kâsims Witwe, ihr kondolierend und Trost zusprechend, worauf sie dieselbe etwas gefaßter und beruhigter verließen.

Alī Bâbā hielt sich vierzig Tage, wie es die Ceremonie vorschrieb, seinen Bruder betrauernd zu Hause; und so erfuhr außer ihm, der Frau seines Bruders und Mardschâne keiner etwas von dem Geheimnis. Als dann die vierzig Tage der Trauer verstrichen waren, schaffte Alī Bâbā alles Gut des Verstorbenen in seine eigene Wohnung und heiratete öffentlich die Witwe, worauf er seinen Neffen, den ältesten Sohn seines Bruders, der lange Zeit bei einem reichen Kaufmann gelebt hatte, und in allen Geschäftsangelegenheiten, wie Kaufen und Verkaufen, wohl bewandert war, zur Übernahme des Ladens des Verstorbenen und zur Weiterführung des Geschäfts bestimmte.

Als die Räuber nun eines Tages wieder wie gewöhnlich zu ihrer Höhle zurückkehrten, verwunderten sie sich über die Maßen, kein Zeichen und nicht die geringste Spur von Kâsims Leichnam zu finden, während sie bemerkten, daß eine Menge Gold fortgeschafft war. Da sagte der Kapitän: »Wir müssen die Sache untersuchen, oder wir erleiden großen Verlust, und dieser unser Schatz, den wir und unsere Väter im Laufe vieler Jahre aufgehäuft haben, schwindet nach und nach hin und wird völlig geplündert.« Alle pflichteten dem bei und stimmten darin überein, daß der von ihnen Ermordete von dem Zauberwort Kenntnis gehabt haben mußte; außerdem aber müßte noch ein andrer den Zauber gekannt und den Leichnam zugleich mit einer Menge Gold fortgeschleppt haben, weshalb sie genaue Nachforschungen anstellen und den Mann ausfindig machen müßten. Hierauf berieten sie untereinander und beschlossen, daß der Verschlagenste und Schlauste unter ihnen als fremder Kaufmann verkleidet in die Stadt ginge und, von Viertel zu Viertel und Straße zu Straße wandernd, sich erkundigte, ob in der letzten Zeit jemand gestorben sei, und, wenn dies der Fall wäre, wo er wohnte, damit sie durch diesen Anhaltspunkt instand gesetzt seien, den Mann, den sie suchten, zu finden. Da sagte einer der Räuber: »Laßt mich in die Stadt gehen und Erkundigungen einziehen; wenn ich nichts erreiche, so sei mein Leben verwirkt.« Sie gewährten ihm seine Bitte, und so begab sich der Räuber in Verkleidung zur Nacht in die Stadt und suchte am nächsten Morgen in der Frühe den Bazar auf, wo er sah, daß noch kein Laden geöffnet war, mit Ausnahme des Ladens Bâbā Mustafās des Schneiders, der mit Faden und Nadel in der Hand auf seinem Arbeitsschemel saß. Der Räuber wünschte ihm guten Tag und sagte: »Es ist noch dunkel; wie kannst du zum Nähen sehen?« Der Schneider erwiderte: »Ich merke, daß du ein Fremder bist. Trotz meiner Jahre ist mein Augenlicht noch so scharf, daß ich erst gestern einen Leichnam in einem dunkeln Raum zusammennähte.« Da sprach der Räuber bei sich: »Von diesem Schneider werde ich das Gewünschte erfahren.« Um noch weiteren Aufschluß zu erhalten, sagte er dann: »Mir scheint, du willst mit mir scherzen und willst sagen, daß du ein Leichentuch für einen Toten nähtest, und daß dein Handwerk das Nähen von Leichentüchern ist.« Der Schneider versetzte: »Das geht dich nichts an; frag' mich nicht weiter.« Da legte der Räuber einen Aschrafī in seine Hand und fuhr fort: »Ich wünsche nichts von dem, was du verhehlst, zu erfahren, wiewohl meine Brust wie die eines jeden ehrenwerten Mannes das Grab der Geheimnisse ist. Ich möchte nur von dir wissen, in welchem Hause du dieses Kunststück vollführtest. Kannst du mich dorthin weisen oder selber hinführen?« Der Schneider nahm habgierig das Goldstück und rief: »Ich habe den Weg nicht gesehen; eine Sklavin führte mich zu einer Stelle, die ich genau kenne, worauf sie mir die Augen verband und mich nach einer Wohnung führte, wo sie mich in ein dunkles Zimmer, in dem der zerstückelte Tote lag, geleitete. Hier nahm sie mir das Tuch ab und befahl mir zuerst den Leichnam und dann das Totenlaken zu nähen, worauf sie mir wieder die Augen verband und mich zur Stelle zurückführte, von wo sie mich geleitet hatte, und mich dort verließ. Du siehst also, daß ich nicht imstande bin dir zu sagen, wo du das Haus findest.« Der Räuber versetzte: »Wenn du auch nicht die betreffende Wohnung kennst, so kannst du mich doch zu der Stelle führen, wo dir die Augen verbunden wurden, und dort will ich dir ein Tuch um die Augen binden und dich leiten, wie du geleitet wurdest; in dieser Weise magst du vielleicht das Haus ausfindig machen. Wenn du mir diesen Gefallen thun willst, so sollst du noch einen Aschrafī bekommen.«

Hierauf ließ der Räuber noch ein Goldstück in die Hand des Schneiders gleiten, und Bâbā Mustafā steckte es mit dem ersten in seine Tasche; dann ließ er seinen Laden wie er war und ging mit dem Räuber zu dem Platz, wo ihm Mardschâne die Augen verbunden hatte. Dort angelangt, verband ihm der Räuber ebenfalls die Augen und leitete ihn bei der Hand, während Bâbā Mustafā, der schlau und scharfsinnig war, sofort die Straße, die ihn die Sklavin geführt hatte, einschlug und Schritt für Schritt zählte, bis er plötzlich hielt und rief: »Bis hierher schritt ich mit ihr.« Und da standen beide vor Kâsims Haus, in dem nunmehr sein Bruder Alī Bâbā wohnte.

Nachdem der Räuber die Thür mit weißem Kalk gezeichnet hatte, um sie später mit Leichtigkeit wieder zu finden, nahm er die Binde dem Schneider von den Augen und sagte zu ihm: »O Bâbā Mustafā, ich danke dir für diese Freundlichkeit; Gott, der Erhabene, lohne dir deine Güte! Sag' mir nun, ich bitte dich, wer wohnt in jenem Hause?« Der Schneider erwiderte: Fürwahr, ich weiß es nicht; ich kenne dieses Viertel der Stadt zu wenig.« Wie nun der Räuber merkte, daß er von dem Schneider keinen weitern Aufschluß erhalten konnte, entließ er ihn mit überreichem Dank zu seinem Laden und eilte in das Dickicht zu dem verabredeten Platz zurück, wo die Schar auf sein Kommen wartete.

Nicht lange hernach traf es sich jedoch, daß Mardschâne eines Geschäftes wegen auszugehen hatte und voll höchster Verwunderung die weißen Kalkzeichen erblickte. Sie hielt eine Weile in tiefen Gedanken an und vermutete, daß irgend ein Feind die Zeichen gemacht haben müßte, um das Haus zu erkennen und ihrem Herrn irgend etwas anzuthun. Infolgedessen zeichnete sie die Thüren der Nachbarn in gleicher Weise und hielt die Sache geheim vor ihrem Herrn und ihrer Herrin. Inzwischen berichtete der Räuber seinen Kameraden sein Abenteuer und erzählte ihnen, wie er hinter die Sache gekommen war. Da begaben sich der Hauptmann und seine ganze Bande einzeln auf verschiedenen Wegen in die Stadt, und der Räuber, der die Thür gezeichnet hatte, begleitete den Hauptmann, um ihm das Haus zu zeigen. Er führte ihn geradeswegs dorthin und zeigte ihm das Zeichen, indem er sprach: »Hier wohnt der, den wir suchen.« Als sich der Hauptmann jedoch umblickte, sah er, daß alle Häuser die gleichen Kalkzeichen trugen, so daß er verwundert sagte: »Woher weißt du, welches von all den Häusern, die das gleiche Zeichen tragen, das das Haus ist, von dem du sprichst?«

Da ward der Räuber aufs tiefste bestürzt und vermochte zuerst keine Antwort zu geben; dann schwur er hoch und teuer: »Ich machte ganz gewiß ein Zeichen an eine der Thüren und weiß nicht, woher es kommt, daß all die andern Thüren ebenfalls gezeichnet sind; auch weiß ich nicht bestimmt, welches Haus ich zeichnete.« Hierauf kehrte der Hauptmann zum Bazar zu seinen andern Leuten zurück und sagte zu ihnen: »Wir haben uns umsonst gemüht und geplagt und haben das Haus, das wir suchten, nicht gefunden. Laßt uns jetzt zum Wald zu unserm Stelldichein zurückkehren; ich will ebenfalls dorthin kommen.« Da zogen alle ab und versammelten sich in der Höhle; und als alle Räuber vollzählig erschienen waren, verurteilte der Hauptmann den Räuber, der gelogen und sie vergeblich in die Stadt geführt hatte, als schuldig und sperrte ihn in Gegenwart all der andern ein.Nach Galland wird er hingerichtet, was zum folgenden besser paßt. Dann sprach er: »Dem von euch, der zur Stadt geht und mir solche Kundschaft bringt, daß wir Hand an den Räuber unsres Gutes legen können, will ich ganz besondere Huld erweisen.« Da trat ein andrer aus der Schar vor und rief: »Ich bin bereit hinzugehen und Erkundigungen einzuziehen, und ich will dir zu deinem Wunsch verhelfen.« Der Hauptmann gab ihm Geschenke und Verheißungen und schickte ihn aus; und der Beschluß des Schicksals, dem sich niemand zu widersetzen vermag, wollte es, daß dieser zweite Räuber ebenfalls zum Hause des Schneiders Bâbā Mustafā, wie der erste Räuber, gelangte. Er überredete den Schneider in der gleichen Weise mit Goldstücken, ihn mit verbundenen Augen zu leiten, und so ward er gleichfalls zu Alī Bâbās Thür geführt. Als er hier das Werk seines Vorgängers gewahrte, machte er auf den Pfosten ein Zeichen mit rotem Kalk, um so das Haus besser von den andern, die noch das weiße Zeichen trugen, zu unterscheiden. Dann schlich er sich heimlich zu seinen Gefährten zurück. Mardschâne aber entdeckte wiederum das rote Zeichen an der Thür und markierte in schlauer Vorsicht alle andern Häuser in der gleichen Weise, ohne einem zu sagen, was sie gethan hatte. Inzwischen war der Räuber bei seinen Kameraden eingetroffen und sprach, sich rühmend: »O Hauptmann, ich habe das Haus gefunden und es so gekennzeichnet, daß ich es von allen andern unterscheiden kann.«

Als sie nun aber wieder zur Stadt kamen, fanden sie alle Häuser mit rotem Kalk gezeichnet, so daß sie zum zweitenmal enttäuscht umkehrten und der Hauptmann den Spion im höchsten Verdruß ebenfalls einsperrte. Alsdann sprach er bei sich: »Zwei Leute haben sich vergeblich bemüht und ihre gerechte Strafe erhalten; ich bin überzeugt, daß kein andrer es versuchen mag ihre Nachforschungen fortzusetzen und will mich deshalb selber aufmachen und das Haus jenes Burschen ausfindig machen.« Hierauf machte er sich auf den Weg und fand mit Hilfe des Schneiders Bâbā Mustafā, der bei diesem Geschäft eine Menge Goldstücke eingeheimst hatte, Alī Bâbās Haus. Er machte an demselben jedoch kein äußeres Zeichen, sondern prägte es sich auf der Tafel seines Herzens und der Seite seines Gedächtnisses ein, worauf er in das Dickicht zurückkehrte und zu seinen Leuten sagte: »Ich habe das Haus gefunden und mir scharf ins Gedächtnis eingeprägt; es ist jetzt keine Schwierigkeit es zu finden. Macht euch sofort auf, kauft mir neunzehn Maultiere und bringt sie hierher zugleich mit achtunddreißig großen LederschläuchenBurton giebt nach der Hindustaniübersetzung: lederne Krüge., von denen der eine mit Senföl angefüllt ist. Ohne mich und die zwei, die eingesperrt sind, zählt ihr siebenunddreißig Seelen; ich will einen jeden von euch gerüstet und bewaffnet in einen Schlauch stecken und will zwei auf je ein Maultier laden; auf dem neunzehnten Maultier soll ein Mann auf einer Seite in einem leeren Schlauch stecken und auf der andern soll der volle Ölschlauch hängen. Ich meinerseits will als Ölhändler verkleidet die Maultiere in die Stadt treiben, daß ich zur Nachtzeit bei dem Haus eintreffe, und will den Hausbesitzer um Erlaubnis bitten, die Nacht bis zum Morgen in seinem Hause zu verbringen. Während der dunkeln Stunden wollen wir dann Gelegenheit suchen aufzustehen und ihn zu überfallen und erschlagen. Haben wir ihn umgebracht, so nehmen wir uns das Gold und die Schätze, die er uns geraubt hat, wieder und schaffen sie auf den Maultieren zurück.« Dieser Vorschlag gefiel den Räubern, und sogleich machten sie sich auf den Weg und kauften die Maultiere und großen Lederschläuche und thaten nach ihres Hauptmanns Geheiß. Nach Verlauf von drei Tagen erhoben sie sich kurz vor Anbruch der Nacht und bestrichen alle Schläuche mit Senföl, worauf sich jeder in einem leeren Schlauch verbarg. Dann verkleidete sich der Hauptmann als Kaufmann und lud die Schläuche auf die neunzehn Maultiere. Hierauf trieb er die Maultiere vor sich her und langte gerade, als die Nacht hereinbrach, bei Alī Bâbās Haus an, als dieser nach dem Abendessen vor seiner Wohnung auf und ab spazierte. Der Hauptmann begrüßte ihn mit dem Salâm und sprach zu ihm: »Ich komme aus dem und dem Dorf mit Öl und habe hier schon oft Öl verkauft, doch traf ich heute zu meinem Verdruß zu spät ein, und bin in schwerer Sorge und ratlos, wo ich übernachten soll. Wenn du Mitleid mit mir verspürst, so bitte ich dich, laß mich in deinem Hof die Nacht zubringen und den Maultieren Erleichterung verschaffen, indem ich ihnen die Schläuche abnehme und den Tieren etwas Futter gebe.«

Obwohl nun Alī Bâbā die Stimme des Hauptmanns vernommen hatte, als er auf dem Baum saß, und ihn in die Höhle hatte eintreten sehen, so erkannte er ihn doch nicht wegen seiner Verkleidung und gewährte ihm seine Bitte aufs bereitwilligste, indem er ihm einen leeren Stall zum Anbinden der Maultiere anwies und einem seiner Sklaven befahl Korn und Wasser zu holen. Ebenso sprach er zur Sklavin Mardschâne: »Ein Gast ist bei uns eingekehrt und bringt die Nacht bei uns zu. Mach' dich daher hurtig an die Arbeit ein Abendessen für ihn zu besorgen und das Nachtlager für ihn zurechtzumachen.« Als dann der Hauptmann alle Schläuche abgeladen und seine Maultiere gefüttert und getränkt hatte, empfing ihn Alī Bâbā aufs höflichste und freundlichste und rief Mardschâne zu sich, zu der er in seiner Gegenwart sagte: »Sieh zu, daß du unsern Gast aufs sorgfältigste bedienst und ihn an nichts Mangel leiden lässest. Morgen früh will ich ins Bad gehen und baden; gieb daher meinem Sklaven Abdallāh einen reinen weißen Anzug, den ich nach dem Baden anziehen will. Mach' außerdem etwas Brühe in der Nacht zurecht, damit ich sie nach meiner Heimkehr trinken kann.« Sie erwiderte: »Ich will alles in Bereitschaft setzen.« Hierauf zog sich Alī Bâbā zur Nachtruhe zurück, und der Hauptmann begab sich nach dem Nachtessen in den Stall. Als er sah, daß alle Maultiere zur Nacht gefressen und gesoffen hatten, trat er an die Schläuche, heran und flüsterte seinen Leuten zu: »Um Mitternacht, wenn ihr meine Stimme hört, trennt mit euern scharfen Messern schnell die Lederschläuche von oben bis unten auf und kommt unverzüglich heraus.« Alsdann ging er durch die Küche in den Raum, in dem ihm ein Lager zurecht gemacht war, während ihm Mardschâne mit der Lampe leuchtete und zu ihm sagte: »Wenn du noch etwas bedarfst, so gieb deiner Sklavin Befehl, die stets bereit ist dein Geheiß zu erfüllen.« Er versetzte: »Ich bedarf nichts weiter.« Hierauf machte er die Lampe aus und legte sich aufs Bett, um eine Weile zu schlafen, bevor die Stunde kam, seine Leute zu wecken und das Werk zu vollbringen.

Inzwischen that Mardschâne, was ihr Herr ihr befohlen hatte. Zuerst holte sie einen saubern weißen Anzug vor und übergab ihn Abdallāh, der noch nicht zur Ruhe gegangen war; dann setzte sie den Topf auf den Herd, um die Brühe zu kochen, und blies das Feuer an, bis es lustig brannte. Nach kurzer Zeit hatte sie nachzusehen, ob die Brühe kochte, doch waren zu jener Stunde alle Lampen ausgegangen, und sie fand, daß kein Öl vorrätig war, und vermochte nirgends ein Licht aufzutreiben. Der Sklave Abdallāh, der ihre Verlegenheit und Ratlosigkeit sah, fragte sie: »Weshalb machst du solchen Lärm? In jenem Stall befinden sich viele Ölschläuche; geh' hin und nimm dir soviel Öl, als du bedarfst.« Mardschâne dankte ihm für diesen Rat, worauf Abdallāh, der bequem in dem Hausflur lag, schlafen ging, um früh aufzustehen und Alī Bâbā im Bade zu bedienen. Dann erhob sich Mardschâne und begab sich mit der Ölkanne in der Hand zu dem Stall, wo die Ölschläuche in Reih' und Glied aufgestellt waren. Als sie an einen der Schläuche trat und der Räuber, der in ihm steckte, ihre Schritte vernahm, glaubte er, es wäre sein Hauptmann, dessen Befehl er erwartete, und fragte leise: »Ist's für uns Zeit herauszukommen?« Entsetzt schrak Mardschâne bei dem Laut der menschlichen Stimme zurück; da sie aber beherzt und von raschem Verstand war, erwiderte sie: »Die Stunde ist noch nicht gekommen.« Bei sich selber aber sprach sie: »Diese Schläuche sind nicht voll Öl und dies ist höchst verdächtig. Vielleicht hegt der Ölhändler einen verräterischen Anschlag gegen meinen Herrn; Gott, der Barmherzige, der Erbarmer, schütze uns vor seiner Arglist!« Deshalb auch antwortete sie, die Stimme des Hauptmanns nachahmend: »Noch nicht; die Stunde ist noch nicht gekommen.« Hierauf trat sie an den zweiten Schlauch und gab dem in demselben versteckten Räuber die gleiche Antwort, und so verfuhr sie bei einem Schlauch nach dem andern. Dann sprach sie bei sich: »Gelobt sei Gott! Mein Herr nahm diesen Schurken bei sich auf, im Glauben, er sei ein Ölhändler, und ließ so eine Räuberbande ein, die nur auf das Zeichen wartet, ihn zu überfallen und zu ermorden und sein Haus auszuplündern.« Als sie zum letzten Schlauch kam und ihn bis zum Rand voll Öl fand, füllte sie ihre Kanne und kehrte in die Küche zurück, wo sie die Lampe putzte und die Dochte anzündete. Dann holte sie einen großen Kessel, setzte ihn aufs Feuer und füllte ihn aus dem Schlauch mit Öl an, worauf sie Holz auf den Herd häufte und es zu einem heißen Feuer anfachte, um das Öl so schnell als möglich zu kochen. Als das Öl siedend heiß war, schöpfte sie es mit Töpfen aus und goß es, so heiß wie es war, der Reihe nach in die Schläuche, daß die Räuber, die nicht imstande waren zu entrinnen, zu Tode verbrüht wurden und jeder Schlauch einen Leichnam enthielt. In dieser Weise brachte die Sklavin durch ihre Schlauheit alle Räuber ohne Lärm um, daß nicht einmal die Hausbewohner etwas davon merkten. Als sie sich überzeugt hatte, daß alle Räuber tot waren, kehrte sie in die Küche zurück und verschloß die Thür, worauf sie Alī Bâbās Brühe kochte.

Kaum war eine Stunde darüber verstrichen, da erwachte der Hauptmann aus dem Schlaf und öffnete weit sein Fenster; als er sah, daß alles im dunklen Schweigen lag, klatschte er in die Hände als Zeichen für seine Leute herauszukommen, doch vernahm er keinen Laut als Antwort. Nach einer Weile klatschte er wieder und rief laut, doch erhielt er wiederum keine Antwort; als er dann auf ein drittes Rufen keine Antwort vernahm, ward er bestürzt und ging zum Stall hinaus, in dem die Schläuche standen, während er bei sich dachte: »Vielleicht sind alle eingeschlafen, wo die Stunde zum Werk genaht ist, und ich muß sie unverzüglich wecken.« Dann trat er an den nächsten Schlauch, doch wurde er durch den Geruch von Öl und verbranntem Fleisch erschreckt; und, wie er nun den Schlauch anfaßte, fühlte er, daß er vor Hitze dampfte. Ebenso fand er alle andern Schläuche. Er erkannte hieraus das Schicksal, das seine Bande betroffen hatte, und, für seine eigene Sicherheit besorgt, stieg er über die Mauer in einen Garten, von wo er in großem Zorn und Ärger sich in Sicherheit brachte. Inzwischen wartete Mardschâne, daß der Hauptmann aus dem Stall zurückkehren sollte; als er jedoch nicht erschien, erkannte sie, daß er die Mauer überstiegen hatte und geflohen war, denn die Straßenthür war doppelt verschlossen; und da die Räuber alle beseitigt waren, legte sie sich in völliger Ruhe und Sorglosigkeit schlafen.

Als noch zwei Stunden von der Nacht übrig waren, erwachte Alī Bâbā und begab sich ins Bad, ohne etwas von dem nächtlichen Abenteuer zu ahnen, da ihn die wackere Sklavin nicht geweckt hatte. Sie hatte dies nicht für rätlich gehalten, denn, hätte sie eine Gelegenheit gesucht, ihm ihren Plan mitzuteilen, so hätte sie sehr leicht ihr ganzes Vorhaben vereitelt. Die Sonne stand bereits hoch über dem Horizont, als Alī Bâbā aus dem Bade zurückkehrte. Er verwunderte sich höchlichst, die Ölschläuche noch im Stall stehen zu sehen und sprach: »Wie kommt es, daß mein Gast der Ölhändler seine Maultiere mit den Ölschläuchen noch nicht auf den Bazar getrieben hat.« Alsdann fragte er Mardschâne, was mit dem Ölhändler geschehen wäre, den er unter ihre Obhut befohlen hatte, worauf sie versetzte: »Gott, der Erhabene, schenke dir hundertunddreißig Jahre Heil! Ich will dir unter vier Augen über jenen Kaufmann Auskunft geben.« Da ging Alī Bâbā mit seiner Sklavin beiseite, die ihn zum Hause hinausnahm und zuerst die Hofthür verschloß. Dann zeigte sie ihm einen Schlauch und sprach zu ihm: »Ich bitte dich, schau' hier hinein und sieh, ob sich Öl oder etwas anderes darin befindet.« Wie er nun hineinschaute und einen Mann darin erblickte, schrie er laut auf und wäre vor Schrecken fast fortgelaufen. Mardschâne aber sagte zu ihm: »Fürchte dich nicht, denn dieser Mann ist nicht mehr imstande, dir Übles zuzufügen, da er tot ist.« Als Alī Bâbā diese beruhigenden Worte vernahm, rief er: »O Mardschâne, welchem Unheil sind wir entronnen, und wodurch ist dieser Elende des Schicksals Beute geworden?« Sie versetzte: »Gelobt sei Gott, der Erhabene! Ich will dir alles erklären; schweig jedoch und sprich nicht so laut, damit die Nachbarn nichts von dem Geheimnis erfahren und es für uns ein schlimmes Ende nimmt. Schau nun in einen Schlauch nach dem andern.« Da schaute Alī Bâbā der Reihe nach in alle Schläuche und fand in einem jeden einen voll gerüsteten und gewappneten Mann, doch waren alle zu Tode verbrannt. Sprachlos vor Staunen starrte er auf die Schläuche, und als er sich endlich wieder gefaßt hatte, fragte er: »Und wo ist der Ölhändler?« Sie erwiderte: »Über ihn will ich dir auch Auskunft geben. Dieser Schurke war kein Kaufmann, sondern ein treuloser Mörder, dessen honigsüße Worte dich fast bestrickt und ins Verderben gestürzt hätten. Und nun will ich dir sagen, was er war und was geschah. Da du aber soeben erst vom Bad kommst, solltest du zuerst wegen deines Magens und deiner Gesundheit etwas Brühe trinken.« Da ging Alī Bâbā hinein, und Mardschâne setzte ihm den Trank vor, worauf ihr Herr zu ihr sagte: »Nun möchte ich gern die sonderbare Geschichte hören; ich bitte dich, erzähle sie mir und beruhige mein Herz.« Hierauf erzählte ihm die Sklavin die Begebenheit mit folgenden Worten: »O mein Herr, als du mir befahlst die Brühe zu kochen und dich zur Ruhe zurückzogst, nahm deine Sklavin gemäß deinem Befehl einen saubern weißen Anzug heraus und gab ihn Abdallāh, worauf sie das Feuer anzündete und die Brühe aufsetzte. Als sie fertig gekocht war, hatte ich nötig eine Lampe anzuzünden, um den Schaum abzuschöpfen; da aber alles Öl ausgegangen war, klagte ich Abdallāh meine Verlegenheit, der mir riet, etwas Öl aus den Schläuchen zu nehmen, die in dem Stall standen. Infolgedessen nahm ich eine Kanne und ging zu dem ersten Schlauch, als ich plötzlich in demselben mit aller Vorsicht eine Stimme flüstern hörte: »Ist es jetzt Zeit für uns herauszukommen?« Ich war starr hierüber und vermutete, daß der vermeintliche Kaufmann einen Anschlag gegen dein Leben geplant hätte, weshalb ich versetzte: »Die Stunde ist noch nicht gekommen.« Alsdann trat ich an einen andern Schlauch und vernahm ebenfalls aus ihm eine Stimme, der ich die gleiche Antwort erteilte; und so machte ich es mit allen andern. Ich war nun überzeugt, daß diese Männer nur auf ein Zeichen von ihrem Hauptmann warteten, den du als Gast, im Glauben, es sei ein Ölhändler, in deine vier Wände aufgenommen hattest, und der diese Leute nur hierher gebracht hatte, dich zu ermorden und dein Gut und Haus auszuplündern und zu berauben. Ich gab ihm jedoch keine Gelegenheit seine Absicht auszuführen. Im letzten Schlauch fand ich Öl und nahm etwas davon, die Lampe anzuzünden. Dann setzte ich einen großen Kessel aufs Feuer und füllte ihn mit Öl aus dem Schlauch an, worauf ich eine heiße Glut unter ihm anfachte; und als das Öl siedend heiß war, schöpfte ich einige Kannen voll, um sie alle zu Tode zu brühen, und schritt von Schlauch zu Schlauch, in einen jeden das siedende Öl gießend. Nachdem ich ihnen in dieser Weise den Garaus gemacht hatte, kehrte ich in die Küche zurück, löschte die Lampen aus und stellte mich ans Fenster, um aufzupassen, was geschehen und was der falsche Kaufmann anstellen würde. Nachdem ich meinen Posten eingenommen hatte, erwachte der Räuberhauptmann und gab seinen Leuten wiederholentlich Zeichen. Als er jedoch keine Antwort erhielt, stieg er die Stufen hinunter und trat an die Schläuche; sobald er aber sah, daß alle tot waren, floh er in der Dunkelheit, ohne daß ich wüßte wohin. Nach seinem Verschwinden erkannte ich, daß er, da die Thür doppelt verschlossen war, die Mauer überstiegen und sich in den Garten niedergelassen hatte, von wo er dann weiter geflüchtet war; und so legte ich mich mit ruhigem Herzen schlafen. Dies ist die volle Wahrheit; schon seit einigen Tagen ahnte ich so etwas, doch verbarg ich es vor dir, da ich es nicht für angebracht hielt, weil ich fürchtete, den Nachbarn könnte etwas davon zu Ohren kommen. Jetzt aber geht es nicht anders an, als dir die Sache zu berichten. Eines Tages, als ich an die Hausthür kam, gewahrte ich auf ihr ein Zeichen von weißem Kalk und am nächsten Tage neben dem weißen ein rotes Zeichen. Ich wußte nicht aus welchem Grunde die Zeichen dort gemacht waren, jedoch machte ich dieselben Zeichen an den Nachbarhäusern, da ich vermutete, irgend ein Feind hätte dies gethan, um dadurch meinen Herrn zu verderben. Ich machte deshalb die Zeichen an den andern Häusern so genau denen an den unsrigen gleich, daß es schwer war, dasselbe unter ihnen herauszufinden. Urteile nun und erwäge, ob diese Zeichen und diese Schurkerei nicht das Werk der Räuber aus dem Dickicht ist, die unser Haus kennzeichneten, um es aus den andern herauszufinden. Von diesen vierzig Räubern sind noch zwei übrig geblieben, von denen ich nichts weiß; hüte dich daher vor ihnen und vor allem vor dem Hauptmann, der von hier lebend entkam. Gieb gut acht und sei auf der Hut vor ihm, denn, solltest du in seine Hände fallen, so würde er dich in keiner Weise schonen, sondern dich sicherlich umbringen. Ich will alles was ich vermag thun, dein Leben und Gut vor irgend einem Schaden zu bewahren, und deine Sklavin soll nicht in irgend einem Dienst nachlässig gegen ihren Herrn befunden werden.«

Als Alī Bâbā diese Worte vernahm, freute er sich über die Maßen und sagte zu ihr: »Ich bin mit dir über deine Führung sehr zufrieden; sag' mir, was ich dir anthun soll, und nimmer, so lange ich atme, werde ich deine wackere That vergessen.« Sie erwiderte: »Es geziemt uns vor allen Dingen die Leichname zu vergraben, damit das Geheimnis keinem einzigen kund wird.«

Hierauf nahm Alī Bâbā seinen Sklaven Abdallāh mit sich in den Garten, wo sie für die Räuber unter einem Baume ein tiefes Loch gruben, zu dem sie die Leichname, nachdem sie ihnen die Waffen abgenommen hatten, schleiften. Nachdem sie sie hineingeworfen hatten, bedeckten sie ihre Überreste mit Erde und ebneten den Boden, daß er so wie zuvor aussah. Ebenso versteckten sie die Schläuche, ihre Rüstungen und die Waffen, worauf Alī Bâbā die Maultiere einzeln oder zu zwei auf den Bazar sandte und sie unter dem geschickten Beistand seines Sklaven Abdallāh nach und nach verkaufte. So blieb die Sache verschwiegen und kam niemand zu Ohren. Indessen blieb Alī Bâbā in steter Aufregung, daß der Hauptmann oder die beiden überlebenden Räuber sich an seinem Haupt rächen könnten. Er hielt sich sorgsam verborgen und achtete darauf, daß niemand ein Wort von dem Vorfall und dem Reichtum erfuhr, den er aus der Räuberhöhle fortgeschafft hatte.

Inzwischen war der Räuberhauptmann in heißem Zorn und tiefem Verdruß in das Dickicht entflohen; der Verstand war ihm wie verstört und die Farbe seines Gesichtes war wie aufsteigender Rauch entschwunden. Er dachte über die Sache hin und her und beschloß zuletzt Alī Bâbā unbedingt zu ermorden, um nicht an seinen Feind alle seine Schätze zu verlieren, da dieser die Zauberworte kannte. Außerdem aber entschied er sich die That einzeln zu vollbringen; und nach Beseitigung Alī Bâbās wollte er eine neue Räuberbande um sich scharen und sein altes Räuberhandwerk, das seine Vorfahren bereits seit vielen Generationen betrieben hatten, weiter fortsetzen.

Mit diesem Beschluß legte er sich in jener Nacht zur Ruhe, und als er sich am andern Morgen erhob, legte er einen anständigen Anzug an und kehrte in einer Karawanserei in der Stadt ein, indem er bei sich sprach: »Zweifellos ist die Ermordung so vieler Leute dem Wâlī zu Ohren gekommen, und Alī Bâbā ist festgenommen und vor Gericht geführt; sein Haus ist dem Boden gleichgemacht und sein Gut konfisziert. Das Stadtvolk muß sicherlich Kunde hiervon haben.« Er fragte daher sofort den Pförtner des Châns: »Welche merkwürdigen Ereignisse sind während der letzten Tage in der Stadt vorgefallen?« Der Pförtner berichtete ihm alles, was er gesehen und gehört hatte, doch konnte der Hauptmann nicht das geringste von dem, was ihn am meisten anging, erfahren. Er ersah hieraus, daß Alī Bâbā vorsichtig und klug war, und daß er nicht nur so viele Schätze fortgeschafft, sondern auch so viele Menschenleben umgebracht hatte und mit heiler Haut davongekommen war; ja, er müßte selber scharf auf der Hut sein, um nicht in die Hände seines Feindes zu fallen und umzukommen. Hierauf mietete er sich einen Laden im Bazar, in den er ganze Ballen der feinsten Stoffe und feine Waren aus seinem Schatz im Dickicht schaffte. Dann setzte er sich in den Laden und begann zu handeln. Der Zufall wollte es aber, daß sich sein Laden gegenüber dem des verstorbenen Kâsim befand, wo nunmehr sein Sohn, Alī Bâbās Neffe, Handel trieb. Der Hauptmann, der sich den Namen Chwâdsche Hasan beigelegt hatte, schloß deshalb bald Bekanntschaft und Freundschaft mit den Ladeninhabern seiner Nachbarschaft und behandelte alle mit verschwenderischer Höflichkeit, vor allem aber war er gegen Kâsims Sohn, einen hübschen wohlgekleideten Jüngling, voll ausgesuchter Freundlichkeit und Herzlichkeit und saß häufig lange Zeit bei ihm und unterhielt sich mit ihm. Wenige Tage später traf es sich, daß Alī Bâbā, wie er es von Zeit zu Zeit that, seinen Neffen besuchte und ihn in seinem Laden sitzend antraf. Der Hauptmann erblickte ihn und erkannte ihn sofort, und eines Morgens fragte er den Jüngling: »Ich bitte dich, sag' mir, wer es ist, der dich von Zeit zu Zeit in deinem Laden besucht.« Der Jüngling erwiderte: »Es ist mein Oheim, der Bruder meines Vaters.« Da behandelte ihn der Räuberhauptmann mit noch größerer Freundlichkeit und Güte, um ihn desto leichter zu seinen Zwecken zu hintergehen, und machte ihm Geschenke und lud ihn zu sich zu Tisch ein, ihn mit den auserlesensten Gerichten bewirtend. Da gedachte Alī Bâbās Neffe bei sich, es wäre nur recht und schicklich den Kaufmann ebenfalls zum Abendessen einzuladen, und da sein Haus klein und beengt war, so daß er keinen Glanz entfalten konnte, wie es der Chwâdsche Hasan that, besprach er mit seinem Oheim die Angelegenheit. Alī Bâbā erwiderte seinem Neffen: »Du hast recht; du mußt deinen Freund in der besten Weise aufnehmen, wie er dich bewirtet hat. Morgen am Freitag schließe wie alle angesehenen Kaufleute deinen Laden und führe nach dem Morgenimbis den Chwâdsche Hasan ins Freie. Beim Spazierengehen führe ihn dann unvermerkt hierher, während ich Mardschâne inzwischen beauftrage die feinsten Fleischgerichte und alles zu einem Fest erforderliche herzurichten. Bemühe dich in keiner Weise, sondern vertraue die Sache meinen Händen an.« Infolgedessen holte am andern Tage, am Freitag, Alī Bâbās Neffe den Chwâdsche Hasan zu einem Spaziergang im Garten ab, und als sie zurückkehrten, führte er ihn in die Straße, in der sein Oheim wohnte. Als sie bei dem Haus angelangt waren, hielt der Jüngling an und sagte, indem er an die Thür pochte: »Mein Oheim hat viel von dir und deiner Güte gegen mich vernommen und trägt großes Verlangen dich zu sehen; solltest du einwilligen einzutreten und ihn zu besuchen, so würde ich von Herzen froh und dir dankbar sein.« Wiewohl nun der Chwâdsche Hasan in seinem Herzen frohlockte, auf solche Weise Zutritt ins Haus seines Feindes erlangt zu haben, und nunmehr hoffte bald sein Ziel durch Verrat zu erreichen, so zögerte er doch einzutreten und stand da, um sich zu entschuldigen und fortzugehen. Als aber die Thür von dem Pförtner geöffnet ward, ergriff Alī Bâbās Neffe seinen Gefährten bei der Hand und führte ihn nach langem Zureden hinein, worauf er unter Zeichen von großer Freude über das hohe Glück und die Ehre eintrat. Der Hausherr empfing ihn mit größter Freundlichkeit und Hochachtung und fragte ihn nach seinem Befinden, indem er zu ihm sprach: »O mein Herr, ich bin dir zu Dank verpflichtet, daß du so freundlich zu meinem Neffen gewesen bist, und ich sehe, daß du ihn noch zärtlicher liebst als ich selber.« Der Chwâdsche Hasan erwiderte ihm mit gefälligen Worten und sprach: »Dein Neffe hat mein ganzes Herz eingenommen, und ich finde großen Gefallen an ihm, da er, wiewohl noch so jung an Jahren, doch mit großer Klugheit von Gott, dem Erhabenen, ausgestattet ist.« So plauderten beide freundschaftlichst miteinander, bis sich der Gast mit den Worten erhob: »O mein Herr, dein Sklave muß sich nun von dir verabschieden; an einem spätern Tage jedoch wird er dir, so Gott will, der Erhabene, wieder aufwarten.« Alī Bâbā wollte ihn nicht gehen lassen und fragte ihn: »Wohin willst du gehen, mein Freund? Ich möchte dich gern zu Tisch einladen und bitte dich an unserm Mahl teilzunehmen, ehe du in Frieden heimgehst. Vielleicht sind die Gerichte nicht so kostbar als du zu essen gewohnt bist, jedoch bitte ich dich, mir diesen Gefallen zu thun und dich an meiner Speise zu erlaben.« Der Chwâdsche Hasan erwiderte: »O mein Herr, ich bin dir für deine freundliche Einladung sehr verbunden, doch mußt du mich aus einem ganz bestimmten Grunde entschuldigen; laß mich daher fortgehen, denn ich kann nicht länger hier verweilen und dein huldreiches Anerbieten annehmen.« Der Gastgeber erwiderte hierauf: »Ich bitte dich, mein Herr, sag' mir, was das für ein dringender und gewichtiger Grund ist.« Da versetzte der Chwâdsche Hasan: »Der Grund ist der, daß ich auf Rat des Arztes, der mich kürzlich von einer Krankheit kurierte, kein mit Salz zubereitetes Fleisch essen darf.« Da sagte Alī Bâbā: »Wenn dies alles ist, so beraube mich, ich bitte dich, nicht der Ehre deiner Gesellschaft. Da die Gerichte noch nicht gekocht sind, so will ich dem Koch verbieten sie mit Salz anzurichten. Bleib' eine Weile hier, ich will sofort wieder zu dir zurückkehren.« Mit diesen Worten ging Alī Bâbā hinaus zu Mardschâne und befahl ihr kein Salz an irgend eine der Speisen zu thun. Mardschâne verwunderte sich, während sie mit dem Kochen beschäftigt war, höchlichst über solchen Befehl und fragte ihren Herrn: »Was ist das für ein Mann, der Fleisch ohne Salz ißt?« Er erwiderte: »Was kümmert es dich, wer es ist? Thue nur nach meinem Geheiß.« Sie entgegnete: »Es ist gut. Alles soll nach deinem Wunsch geschehen.« Im stillen verwunderte sie sich jedoch über den Mann, der solch ein sonderbares Verlangen stellte, und wünschte sehr ihn zu sehen. Als daher alle Gerichte zum Auftragen fertig waren, half sie dem Sklaven Abdallāh den Tisch aufzutragen und das Mahl zu servieren; sobald sie aber einen Blick auf den Chwâdsche Hasan geworfen hatte, erkannte sie ihn, wiewohl er sich als fremden Kaufmann verkleidet hatte, und bemerkte obendrein, als sie ihn genauer ins Auge faßte, daß er einen Dolch unter seinem Gewand verborgen trug. Da sprach sie bei sich: »So! So! Das ist der Grund, weshalb der Schurke kein Salz essen will, um eine Gelegenheit zur Ermordung meines Herrn zu suchen, dessen Todfeind er ist. Indessen will ich ihm zuvorkommen und ihn unschädlich machen, ehe er meinem Herrn ein Leid zufügt.«

Nachdem Mardschâne ein weißes Tuch über den Tisch gedeckt und das Mahl aufgetragen hatte, kehrte sie in die Küche zurück und ersann sich ihren Plan gegen den Räuberhauptmann. Als Alī Bâbā und der Chwâdsche Hasan ihr Mahl beendet hatten, befahl Abdallāh Mardschâne den Nachtisch aufzutragen, worauf sie den Tisch abdeckte und frische und getrocknete Früchte auf Präsentiertellern servierte. Dann setzte sie neben Alī Bâbā einen kleinen Tisch mit drei Bechern und einer Flasche Wein und zog sich mit Abdallāh in einen andern Raum zurück, als ob sie ebenfalls das Nachtessen einnehmen wollte. Als nun der Chwâdsche Hasan, der verkleidete Räuberhauptmann, die Luft rein sah, frohlockte er mächtig und sprach bei sich: »Die Stunde ist für mich genaht, volle Rache zu nehmen; mit einem Dolchstich will ich diesen Kerl beseitigen und dann durch den Garten entfliehen und meines Weges gehen. Sein Neffe wird es nicht wagen sich mir zu widersetzen, denn, wenn er nur einen Finger oder eine Zehe zu diesem Zwecke rührt, schließt ein andrer Dolchstoß seine irdische Rechnung ab. Ich muß mich jedoch noch eine Weile gedulden, bis der Sklave und die Köchin gegessen und sich in der Küche schlafen gelegt haben.« Mardschâne beobachtete ihn indessen scharf und sprach bei sich, seine Absicht erratend: »Ich muß diesem Schurken keinen Vorteil über meinen Herrn einräumen, sondern durch irgend ein Mittel seinen Plan vereiteln und sofort seinem Leben ein Ende machen.« Hierauf wechselte die treue Sklavin, so schnell sie konnte, ihren Anzug und legte die Tracht von Tänzerinnen an; sie verschleierte ihr Gesicht mit einem kostbaren Tuch, band einen feinen Turban um ihr Haupt und um ihre Taille ein gold- und silbergesticktes Tuch, in das sie einen Dolch steckte, dessen Griff mit reicher Filigranarbeit und Juwelen verziert war. In solcher Verkleidung sagte sie zu Abdallāh: »Nimm dein Tamburin, damit wir zu Ehren des Gastes unsres Herrn spielen und singen und tanzen.« Abdallāh that nach ihrem Geheiß, und so traten die beiden in das Zimmer, indem der Bursche das Tamburin schlug und das Mädchen ihm folgte. Nachdem sie eine tiefe Verbeugung gemacht hatten, baten sie um Erlaubnis, eine Vorstellung zu geben und zu spielen und Kurzweil zu treiben. Alī Bâbā erteilte ihnen die Erlaubnis hierzu und sagte: »Tanzt und thut euer Bestes, daß sich unser Gast vergnügt und belustigt.« Und der Chwâdsche Hasan versetzte: »O mein Herr, du verschaffst uns in der That viele angenehme Unterhaltung.« Hierauf begann der Sklave Abdallāh das Tamburin zu schlagen, während Mardschâne ihre ganze Kunst entfaltete und die Zuschauer mit ihren anmutigen Schritten und ihrer gefälligen Bewegung höchlichst entzückte; und mit einem Male zückte sie den Dolch aus ihrem Gurt und schwang ihn, indem sie von einer Seite zur andern schritt, ein Schauspiel, das allen am besten gefiel. Bisweilen stand sie auch vor ihnen still, indem sie bald den scharfen Dolch unter ihre Achselgrube stieß, bald ihn auf ihre Brust setzte. Zum Schluß nahm sie das Tamburin dem Sklaven Abdallāh ab und machte, den Dolch immer noch in ihrer rechten Hand haltend, die Runde, um Geschenke zu empfangen, wie es der Brauch der Schauspieler und Possenreißer ist. Zuerst trat sie an Alī Bâbā heran, der ihr ein Goldstück ins Tamburin warf; ebenso warf sein Neffe einen Aschrafī hinein, worauf der Chwâdsche Hasan, als er sah, daß sie auf ihn zukam, seine Börse herauszuziehen begann, während sie sich ein Herz faßte und ihm schnell wie der blendende Blitz den Dolch in den Leib stieß, daß der Schurke sogleich tot zu Boden sank. Entsetzt rief Alī Bâbā in hellem Zorn: »Unselige, was hast du gethan, um mein Verderben herbeizuführen!« Sie versetzte jedoch: »Nein, mein Herr, vielmehr um dich zu erretten und nicht, um Leid über dich zu bringen, habe ich diesen Mann ermordet. Löse nur sein Gewand und schau', was du unter ihm entdecken kannst.« Da untersuchte Alī Bâbā die Kleidung des Ermordeten und fand einen Dolch in ihr verborgen, worauf Mardschâne sagte: »Dieser Schurke war dein Todfeind. Betrachte ihn wohl; er ist kein andrer als der Ölhändler, der Hauptmann der Räuberbande. Als er hierher kam, um dir das Leben zu nehmen, wollte er nicht von deinem Salz essen; und als du mir sagtest, er wünsche kein Salz am Fleisch, da schöpfte ich Verdacht und erkannte beim ersten Blick, daß er dich ermorden wollte. Gott, der Erhabene, sei gelobt, es ist so, wie ich es vermutete!«

Da überhäufte sie Alī Bâbā mit Danksagungen und sprach: »Nun hast du mich zweimal aus seiner Hand errettet.« Alsdann fiel er ihr um den Hals und rief: »Du bist frei, und als Belohnung für deine Treue vermähle ich dich mit meinem Neffen.« Indem er sich dann zu seinem Neffen wandte, sagte er: »Thu, wie ich es dir sage, und du wirst glücklich sein. Ich wünsche, daß du Mardschâne heiratest, die ein Muster von Pflichterfüllung und Treue ist. Du siehst nun, daß jener Chwâdsche Hasan allein deine Freundschaft suchte, um eine Gelegenheit zu finden, mir das Leben zu nehmen, dieses Mädchen aber ermordete ihn durch ihren Verstand und ihre Klugheit und errettete uns.« Alī Bâbās Neffe willigte sofort ein sie zu heiraten, worauf die drei den Leichnam aufhoben und ihn mit aller Vorsicht und Wachsamkeit forttrugen und ihn heimlich im Garten begruben, so daß lange Jahre niemand etwas davon erfuhr. Dann verheiratete Alī Bâbā seinen Neffen mit Mardschâne unter großem Pomp und feierte mit seinen Freunden und Nachbarn die Hochzeit mit dem größten Aufwand, indem er sich mit ihnen bei Gesang und Tanz und allerlei Lustbarkeiten vergnügte. Er hatte in allen Unternehmungen Glück, die Zeit lächelte ihm, und es öffnete sich ihm eine neue Quelle des Reichtums. Aus Furcht vor den Räubern hatte er, seitdem er den Leichnam seines Bruders Kâsim aus der Schatzhöhle im Dickicht geholt hatte, dieselbe kein einziges Mal besucht. Einige Zeit nach diesen Ereignissen bestieg er jedoch sein Reitpferd eines Morgens und zog mit aller Hut und Vorsicht dorthin. Als er keine Spur von Leuten oder Pferden wahrgenommen hatte, faßte er sich ein Herz und ritt nahe an die Thür heran. Dann stieg er ab und band sein Pferd an einen Baum, worauf er an den Eingang trat und die Zauberworte »Sesam, thue dich auf!« sprach, die er nicht vergessen hatte. Die Thür sprang wie gewöhnlich sofort auf, und als er nun eintrat, sah er die Güter und Schätze von Gold und Silber unberührt daliegen, so wie er sie verlassen hatte. Er ward hierdurch vergewissert, daß keiner der Räuber mehr am Leben war und außer ihm keine einzige Seele von dem Geheimnis jener Stätte etwas wußte. Er band sogleich in sein Satteltuch eine so große Ladung Aschrafīs, als sein Pferd zu tragen vermochte, und brachte sie heim; und in späteren Tagen zeigte er den Schatz seinen Söhnen und Enkeln und lehrte sie die Thür zu öffnen und schließen.

So lebte Alī Bâbā mit seinem Haus allzeit seines Lebens in Reichtum und Freude in derselben Stadt, in der er zuvor ein armer Mann gewesen war, und durch den Segen des verborgenen Schatzes stieg er zu hohen Würden und Ehren.

 


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