Luise Hensel
Gedichte
Luise Hensel

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Untreue, Reue, neue Treue

          Ich habe einen Liebsten funden,
Derselb' ist nicht von dieser Welt,
Dem hab' ich einzig mich verbunden,
Ihm treu zu sein in allen Stunden;
Er ist's, der mir allein gefällt.

Früh stand er schon an meiner Wiegen,
Sah lächelnd auf mein kindlich Spiel,
Ich tat so gern mich an ihn schmiegen
Und forschte nur in seinen Zügen,
Ob auch mein Spiel ihm wohlgefiel.

Er hatte mir von weißer Seiden
Ein feines Kleidchen angetan:
»0 Lämmlein, komm zu meiner Weiden!
Nun mußt du dich von allem scheiden,
Was dies Gewand beflecken kann.«

O wär' ich doch mit dir gegangen,
Du treuer Hirt, mit dir allein!
Ein andrer wies mir Glanz und Spangen;
O weh! die goldnen Ketten schlangen
So fest sich um das Herze mein.

Da ging ich mit dem Fremden lieber
Und riß mich los von meinem Herrn;
Der sah noch oft zu mir herüber,
Ich sah wohl auch nach ihm hinüber,
Doch immer schien er mir zu fern.

Bald dreht' ich mich in bunten Tänzen
Und träumte nur von Tand und Scherz;
Ich tat an schnöden Festen glänzen
Und war geschmückt mit eitlen Kränzen,
Und hatte doch kein ruhig Herz.

Da dacht' ich einst, welch blut'ge Wunden
Für mich der treue Heiland trug;
Ich dacht' an frühe sel'ge Stunden
Die ganze Welt war mir verschwunden
Ich weint', und weinte nie genug.

Da sah ich meinen Heiland stehen,
Er war so ernst und war so mild;
Ich mußte immer nach ihm sehen;
Mein Herze wollte fast vergehen
Und war mit Lieb' und Leid erfüllt.

Ich meint', er würde mich nicht kennen,
Mein Kleid war nicht mehr weiß und rein.
Bang tat ich seinen Namen nennen
Und wollte nie mich wieder trennen
Und ganz und gar sein eigen sein.

Da sah er meine Tränen fließen.
Da rief er freundlich: »Lämmlein, komm!«
Froh eilt' ich hin zu seinen Füßen;
Sein Blut tat auf mich niederfließen,
So ward ich wieder rein und fromm.

So hab'ich meinen Liebsten funden,
Der besser ist als diese Welt,
So hab' ich ihm mich neu verbunden.
Ihm treu zu sein zu allen Stunden:
Er ist's, der einzig mir gefällt.

Berlin, 1816

 


 


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