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(Herberge am Wienerberg)
Käsperle sitzt am Tisch, ißt und trinkt, dazu Frowald.
Käsperle. (ißt mit vielem Appetit) Jetzt mag geschehen was will – mag sich mein Herr Ritter im Wald draussen mit dem Meister Luzifer herumbalgen, so lang er Lust hat, ich sitz hier im Trocknen, und laß mir's gut schmecken.
Frowald. Wohl bekomms! guter Freund!
Käsperle. (mit gefülltem Mund) Gratias!
Frowald. So wie ich merke, seyd ihr auf euer bestandenes Abentheuer sehr hungrig?
Käsperle. Geht's mir auf die Seiten – denn wenn ich euch erwisch, ich schluck euch mit sammt eurer Zitter hinunter.
Frowald. Ihr wißt es doch, guter Freund! wer euch diese Mahlzeit bezahlt hat?
Käsperle. Das ist mir all eins, wenn ich's nur hab.
Frowald. Ein Wallfahrer kam vorhin in die Herberge, und gab dem Wirth 6 Goldgulden, um euch zu bewirthen.
Käsperle. S' ist schon recht; ich wollt, daß ich mehr so gute Freunde in der Welt hätt – (nimmt den Humpen) Mein Gutthäter soll leben! (trinkt)
Vorige. Ritter Günther.
Günther. Dank, dank, mein lieber Käsperle!
Käsperle. (erschrickt und setzt ab – bey Seite) Hat ihn der Teufel schon wieder da?
Günther. Wie ich sehe, geht es dir hier recht gut.
Käsperle. (mit vollem Mund) Passabel! Passabel! Wollt ihr mitspeisen, Herr Ritter! es ist euch von Herzen gegönnt.
Günther. Ich habe keine Zeit – mein Bleibens ist hier nicht lange – wichtige Unternehmungen fördern meine Eile.
Käsperle. Ich wünsch euch n' glückliche Reise.
Günther. Wenn du abgespeißt hast, folgst du mir in den Forst.
Käsperle. Wer?
Günther. Du!
Käsperle. Kann ohnmöglich seyn – ich steh heut vor Nacht gar nicht da auf.
Günther. Schurke! bist du nicht in meinem Dienst – mußt du mir nicht folgen, wohin ich will?
Käsperle. So lang ihr mit Menschen zu thun habt, ja, – aber gegen den Luzifer zieh ich nicht zu Feld, das sag' ich gleich.
Günther. Dummkopf! du begleitest mich zu einem Einsiedler in den nahen Forst.
Käsperle. Zu einem Einsiedler? ach – das ist etwas anders – auf alle Weiß, da geh ich mit euch – (steht auf)
Günther. Ich erwarte dich vor der Herberge. (ab)
Frowald. (zu Käsperle) Wie aber, guter Freund! wenn der Einsiedler ein böser Geist wäre? wenn er Macht hätte, sich in diese fromme Maske zu hüllen, um euch zu verführen?
Käsperle. (setzt sich wieder an den Tisch) Er geht nicht mit, er bleibt da!
Günther. (ruft) Käsperle!
Käsperle. Ja – ich komm ja schon! (ißt)
Frowald. Ihr werdet euren Ritter mürrisch machen, guter Freund! geht lieber mit ihm, es wird ja den Hals nicht kosten.
Käsperle. Aber meinen Buckel kanns kosten – ich spür' die Akzidenzeln ohnehin noch, die mir die verdammten Geister aufg'messen haben.
Günther. (kommt) Wo bleibt denn der Schurke so lange? Willst du dich auf den Weg machen.
Käsperle. (fällt vor ihm auf die Knie, weinend) Ach lieber Herr Ritter! laßt mich lieber da bey der Mahlzeit – ihr habt keine Ehr davon, wenn ihr mich mitnehmt.
Günther. (zieht sein Schwert) Schurke du! willst du mich äffen?
Käsperle. (schreit – springt auf) Haltet ein – ich geh ja schon. – Das ist ja ein verdammter Streich, wenn man einen ehrlichen Kerl mit Gewalt zum Belzebub prügelt. – (weint laut. Er jagt ihn. ab)
Frowald allein.
Glücklich bin ich, daß meine Bestimmung nicht fordert, dergleichen Abentheuer zu bestehen.
Lied. | |
Wie froh bin ich, daß ich ein Ritter nicht bin, Mein Leben fließt ruhig und lieblich dahin. Zwar kann sich ein Ritter viel Lorber erringen, Im hohen Turniere, der Liebe geweiht, Doch will ich mir lieber die Herzen ersingen Stets bin ich zum Zweykampf mit Küssen bereit. Beym labenden Humpen, beym kosenden Spiel, |
(Gemach auf der Stauffenburg.)
Hanns Stauffen sitzt im Lehnsessel, dazu der Schloßvogt.
Hanns. Da sitz' ich nun, alter Mann! ohne Kinder und Erben! Was nützt mir all das zusammengeraffte Gut – lachende Erben theilen sich darein, und der Vater hat kein Kind, das ihm die Augen zudrückt, und am Grabe ihm eine Thräne weiht; O Löbenstein! schrecklich hat sich die Vorsicht an deiner Blutschuld gerächt –
Berthold. Herr Ritter! Eine alte blinde Bettlerin, geleitet durch einen Knaben wünschte, euch zu sprechen.
Hanns. Ich will Niemand sehen, mit Niemand reden. – Im einsamen Gemach will ich mein Leben vertrauern, schrecklich büssen für die Strenge, die ich an meinem einzigen Kind ausübte –
Berthold. Soll ich die Hülflose so ganz leer – ohne Imbiß, ohne Zehrpfenning aus der Burg entlassen? –
Hanns. Nein! das sollst du nicht – reich ihr einen Labetrunk – gieb ihr Geld, so viel du willst – laß mir von jetzt an keinen Armen, keinen Nothleidenden ungetröstet von meiner Schwelle tretten.
Berthold. Belohn' euch Gott diese Gesinnung, edler Herr! Seht! da kommen sie.
Vorige. Mathilde als eine blinde Bettlerin, geleitet durch Jeriel, als Knaben.
Hanns. Woher kommst du, Unglückliche!
Mathilde. Tief aus dem Ungarlande. Mein Mann war Krieger unter Maximilians Heere, er starb den Tod für's Vaterland gegen die Sarazenen. Ich gerieth in die Gefangenschaft jener Barbaren – sie beraubten mich des Augenlichtes, um nicht mehr zu sehen Gottes schöne Erde, um mich nicht mehr zu weiden an ihrer Herrlichkeit.
Hanns. (bewegt) Armes Weib!
Mathilde. Nun führt mich mein Sohn umher, um gute Menschen zu suchen, die mir das Brod reichen, um mich kümmerlich zu ernähren.
Hanns. (nimmt den Kleinen, bewegt) Das sollst du nicht länger, gutes Kind! du sollst bey mir bleiben – ich habe keinen Erben meiner Habe – um meine einzige Tochter haben sie mich schändlich betrogen, die Buben! Du willst doch bey mir bleiben, lieber Kleiner! (schmeichelt ihm)
Jeriel. Wer wird aber die Mutter führen – wer wird sie nähren und pflegen, wenn sie mich nicht mehr hat?
Hanns. Berthold! leite die Mutter dieses Kindes in mein kostbarstes Gemach – reich ihr alles, was sie verlangt – diese arme Menschen sollen mir den Verlust meiner Tochter ersetzen – diesen Knaben will ich an Kindesstatt aufnehmen, ihn erziehen zum wackern Ritter – er soll der Erbe meiner Güter werden, und mir dann, wenn ich sterbe, mit dankbaren Thränen die Augen zudrücken.
Mathilde. Was wird aber eure Tochter Mathilde dazu sagen, wenn sie zurückkehrt, und diese ungebetenen Erben auf eurer Burg findet?
Hans. (staunend) Mathilde – meine Tochter? sagst du?
Jeriel. Wie? wenn sie noch lebte?
Hans. (läßt ihn langsam zur Erde nieder, in tiefem Hinstarren) Wenn sie noch lebte? (Jeriel winkt, das Bettlerkleid entfällt Mathilden, er verschwindet.)
Mathilde. Sie lebt, und liegt zu euren Füssen! Mein Vater!
Hans. Mathilde! (heisse Umarmung.)
Berthold. Gott! was ist das?
Hans. Komm an mein Herz – Mathilde! fühle, wie es der wiedergefundenen Tochter entgegen schlägt. – Gott! heute fühlte ich zum erstenmal, daß ein reicher Vater ohne Kinder ein armseliges Geschöpf ist – Berthold! schicke mehrere Knechte nach der Herberge am Wienerberg – dort werden sie Günther finden – lade alle Ritter und Nachbarn ein, und mache Anstalt zur Verlobung, (Berthold ab) ich will mich freuen, will jubeln – denn ich habe meine Tochter wieder gefunden, und was nützten mir alle Schätze der Welt, wenn ich sie ohne Kinder, ohne Enkel verlassen müßte.
Mathilde. O guter Vater! (küßt ihm die Hände.)
Hans. Ich war ein armer Mann, denn ich hatte kein Kind – jetzt bin ich reich, ich habe meine Tochter wieder. O Gott! der Mann fühlt des Lebensfreuden nur zur Hälfte, der keine Kinder hat. (ab)
(Herberge) Ritter Eckard. Veit.
Veit. Ihr hier, Herr Ritter! nun wäre die Sache einmal in Richtigkeit.
Eckard. Was für eine Sache?
Veit. Mit meiner Tochter. Sie soll in's Himmelsnahmen heurathen.
Eckard. Ich wünsche ihr Glück.
Veit. Was will ich auch machen? Wenn der Vogel flick ist, will er fliegen – und wenn das Mädchen erwachsen ist, will sie einen Mann. Das Beste ist also, der Vater willigt ein, sonst geräth sie auf Nebenwege, und dabey wird das Mädel geprellt.
Eckard. Ihr sprecht gewiß aus Erfahrung.
Veit. Traun! könntet fast Recht haben. 21 Jahre war ich verheurathet, nun bin ich schon 6 Jahre Wittwer – dürft mir glauben, Herr Ritter! hab' in meinem Wittwenstand oft manche Anfechtung zu bezwingen gehabt.
Eckhard. Ha, ha, ha! – wäre das möglich!
Veit. Ja – ja – und wer weiß, was jetzt geschieht, da mir der Bube die Dirne wegnimmt. – Werd's nicht allein so aushalten können.
Eckard. Ihr seyd ja schon bey Jahren.
Veit. Ha, ha, ha! aber immer noch in dem Alter, wo man ein Weiblein mit Ehren heimführen kann, ohne ausgelacht zu werden.
Lied. | |
Kein Alter ist von Liebe frey, Die Wahrheit ist zwar nimmer neu. Mit Kindern spielet schon die Liebe, Sie fühlen tändelnd dunkle Triebe, Und fliegt dem Jüngling Woll an's Kinn, So schielt er schon nach Mädchen hin. Kaum, daß der Frühling zwölfmal blüht, Der Liebe Macht ist wunderlich, |
Märtchen. Hans.
Hans. Ach – liebes Märtchen! jetzt sind wir doch einmal so nah daran, daß wir uns heurathen dürfen.
Märtchen. Ja – das hat auch Müh genug gekostet, bis der Vater eingewilliget hat. Du weißt, er ist etwas karg – und hättest du das Geld nicht erhalten – ich glaube, ich hätte dich nie zum Mann bekommen.
Hans. So hätte ich dich zuletzt entführt.
Märtchen. Nun ja – da hättest du es gut gemacht. – Wovon hätten wir denn leben wollen? siehst du, so ist es immer besser, wenn der Vater das Jawort dazu giebt.
Hans. Hast recht, liebes Märtchen! wir wollen auch einander lieb haben – daß es den Vater nie gereuen soll, uns das Jawort gegeben zu haben.
Duett. | |
Hans. | |
Heissa! wenn morgen Hochzeit ist, Wird Märtchen mein. Wie froh, wenn sie mich herzlich küßt, Werd' ich nicht seyn. Ja so vergnügt, wie ich alsdann – Ist auf der Welt Kein König und kein Rittersmann, Mit seinem Geld. |
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Märtchen. | |
Wenn's morgen in die Kirche geht, Von Haus zu Haus, Sich stolz an meinem Busen dreht Ein Blumenstrauß. So trag ich dann bis in die Nacht Den Hochzeitkranz, Dann geht es, daß der Boden kracht, Zum frohen Tanz. |
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Beyde. | |
Und wenn dann der Haushahn die Hennen früh weckt – { Bist du / Bin ich } schon Weib Dann wird auch gescherzet, gekoset, geneckt – Zum Zeitvertreib. Ich lieb dich als Weibchen, du liebst mich als Mann, Und ich schau kein anderes Weibchen mehr an. |
(tanzen ab)
(Wald. – Auf der Seite eine Einsiedler-Hütte.)
Ritter Günther, mit ihm Käsperle.
Günther. Siehst du – hier sind wir ja an Ort und Stelle – dort ist die Einsiedler-Hütte, die wir zu suchen haben.
Käsperle. (brummt für sich) Ja – wär wohl gut, wenn unser Herumvagiren einmal ein End hätt' – s'gescheideste war, wir zögen nach Haus.
Günther. Daß du doch dein verdammtes Raisoniren nicht unterlassen kannst, Bursche!
Käsperle. Hat wer jetzt raisonirt?
Günther. Geh dahin, und klopf an!
Käsperle. Wer? ich – die Ehr überlaß ich euch – (beys.) S'beste ist ich bleib in der Entfernung – da kann ich mich gleich auf die Fuß machen, wenn was konträrs vorgeht.
Günther. Memme! (geht dahin, klopft an)
Vorige. Marie als Einsiedler.
Geist. Willkommen, meine Söhne! in der Wohnung der Dürftigkeit.
Günther. Habt Dank, ehrwürdiger Vater!
Geist. Wollt ihr ein Lager von Baumblättern – klares Quellwasser und einige Erdfrüchte geniessen, so seyd mir willkommen.
Käsperle. (für sich) Das ist 'n saubere Kucheleinrichtung, dabey kann man fett werden.
Günther. Leckerbissen, ehrwürdiger Vater! sind meinem Gaumen fremd, und eure Früchte, gewürzt von freundlichen Händen werden mir besser behagen, als manchem Reichen seine hundert Gedecke.
Käsperle. (für sich) Das glaub ich – ihn futtert die Lieb –
Geist. Wie nennt ihr euch, guter Freund!
Günther. Günther von Schwarzenau!
Käsperle. (sehr geläufig) Ich heiß Käsperle – bin des Ritters Waffenknecht – bin ohne Ruhm zu melden weit und breit wegen meiner Unschuld und Tapferkeit berühmt.
Günther. (winkt ihm) Wirst du schweigen, oder (zum Geist) Frommer Greiß! man hat mich zu euch hieher gewiesen.
Geist. Günther! habt ihr Muth, euer künftiges Schicksal zu erfahren?
Günther. Ich bin Mann, und ihr fragt noch? Entdecket mir, ehrwürdiger Vater! mein Schicksal mit Mathilden.
Geist. So eben giebt der versöhnte Vater seiner Tochter das Jawort zu deiner Verlobung – (Er winkt. – Eine sanfte Harmonie ertönt. – Man sieht durch einen Schleyer in einen beleuchteten Saal; mitten steht eine Pyramide, mit Rosen umwunden, die transparenten Worte erscheinen: Günther und Mathilde. Sie und ein Jüngling, wie Günther knieen vor des Vaters Füssen.)
Günther. Gott! was seh ich – Mathilde! und mein Ebenbild! – (Die Kortine rauscht wieder herab.)
Käsperle. (entsetzt sich) Nein – Sapperment! wo die Bäume in die Luft spatzieren, bleib ich nicht länger. (will fort)
Günther. Käsperle, du bleibst hier –
Käsperle. (weinerlich) Aber was habt's denn davon, wenn ich z' Grund geh – ihr seht's ja ohnehin, daß mir s' Zittern in alle meine zwey Füsse kommt. –
Geist. Nun sahest du die Zukunft – Jüngling! jetzt blick auch in die Vergangenheit – (Er winkt – Die Kortine rauscht hinauf – Blitz und Donner – – Man sieht durch eben jenen Schleyer die offene See – fürchterlich toben die Wellen, der Sturm heult. – Ein Schiff, worauf sich ein Ritter, wie Günther befindet, scheutert, er wird in die See geschleudert, er kämpft mit der Fluth. – Ein alter Mann mit eisgrauem Bart erscheint in der Fluth, rettet ihn und trägt ihn an das Ufer. – Der Jüngling stürzt auf die Knie, erhebt die Hände gen Himmel, die Kortine rauscht herab. Käsperle stürzt vor Angst zur Erde und schreit.)
Günther. Ehrwürdiger Alter! Was soll das wogende Meer?
Geist. Das Sinnbild deines Lebens! Oft schon scheitertest du, nur mit Gefahr warst du errettet. – Frage mich nicht mehr – Jüngling! eine wichtige Pflicht, die ich schon dreyssig Jahre zu erfüllen heilig gelobte, treibt mich von hinnen. –
Günther. Und diese ist? –
Geist. (öfnet eine Bodenthüre) Hier unten haußt ein Unglücklicher, – schon dreyssig Jahre büßt er für seine Schuld, an der Menschheit verübt – er wünscht sich den Tod, und dieser flieht ihn so lange, bis ein muthvoller Jüngling kommt, ihn freywillig zu erretten aus dem Hungerthurme. –
Günther. Was hör' ich –
Geist. Harre hier meiner, Jüngling! Bald bin ich wieder bey dir! (Er steigt hinab)
Günther. Käsperle.
Günther. Ha! welcher Gedanke durchbebt mich – wie – wenn ich etwa am Ziele – (ruft) Käsperle!
Käsperle. (noch auf der Erde) Seyd still, gestrenger Herr! ich bin schon in der andern Welt. –
Günther. Steh auf, und folge mir.
Käsperle. (richtet den Kopf auf) Gehen wir in d' Herberg?
Günther. (drohend) Willst du mir gehorchen, Bube! Steh auf – oder –
Käsperle. (steht schnell auf) Er steht schon auf!
Günther. Nun folgst du mir Schritt für Schritt. – Ich ahnde, ich bin bald an dem Ziele meiner Vollendung. – (Er erhebt die Thüre)
Käsperle. Nun – was habts denn wieder für Kindereyen – werdet doch nicht, wie ein Erdzeissel, unter die Erden schlupfen.
Günther. (steigt hinab) Käsperle!
Käsperle. Gehts nur voran, ich komm schon nach – (beys.) Ja wer ein Narr wär! – da unten muß es so viele Eidexen und Kröten geben, daß man einen ordentlichen Thiergarten einrichten könnt. – (laut, ruft hinab) Seyd ihr schon weit unten, g'strenger Herr! (Eine Flamme strömt ihm entgegen, ein schwarzer Geist streckt seinen Kopf hervor, mit fürchterlicher Stimme)
Geist. Zurück – Muthloser! (die Thüre fällt zu)
Käsperle. Das ist mir grad recht – ich hab mir immer sagen lassen, was einen nicht brennt, das soll man nicht blasen, und wer unten nichts zu thun hat, soll oben bleiben. – Wo ist denn der Einsiedler hinkommen? (er schaut in die Hütte, worinn Jeriel sitzt, eben so gekleidet wie der Einsiedler, er liest in einem Buch)
Käsperle. Jeriel.
Käsperle. (nähert sich der Hütte) Mit Erlaubniß – wenn ich fragen darf –
Jeriel. (sieht auf) Was verlangst du, Fremdling!
Käsperle. (beis.) Donnerwetter! was ist denn das? der alte Herr ist ja eingangen!
Jeriel. (kommt heraus) Verlangst du meine Hülfe, guter Freund!
Käsperle. Auweh – da wird eine kleine Hülf heraus kommen – (beis.) Das ist ja ein verdammter Streich – der Einsiedler ist ja um ein paar Ehlen kürzer worden.
Jeriel. (Im Baßton) Du hast dich gewiß in diesem Forst verirrt? – (mit weiblicher Stimme) Käsperle!
Käsperle. (wendet sich um, wo die Stimme herkam) Was ist denn das? ist mir ja g'wesen, als wenn ich hätt' eine weibliche Stimm g'hört.
Jeriel. Darüber wundre dich nicht – es giebt eine Menge der holdesten Mädchen in dieser Gegend.
Käsperle. Da – so nah bey der Einsiedler-Hütte? Das Ding g'fallt mir nicht übel!
Jeriel. (mit weiblicher Stimme) Ach – mein lieber Käsperle! ach!
Käsperle. Frommer Herr! Frommer Herr! jetzt hat eine g'seufzt.
Jeriel. Sie rief dich bey deinem Nahmen.
Käsperle. Das mögen mir auch saubre Musterl seyn, die sich so nah bey den Einsiedlern aufhalten.
Jeriel. Du irrst, holder Fremdling! es sind lauter tugendhafte Geschöpfe – (seufzend) nur einen Fehler haben sie.
Käsperle. Einen Fehler? und der ist!
Jeriel. Sie sind sehr klein – nicht grösser wie ich – aber ein einziger verliebter Blick von einem Mann kann sie vergrössern.
Käsperle. Ha ha ha! – das müssen närrische G'schöpfeln seyn! (Sie verwandelt sich in ein steyrisches Bauernmädchen)
Jeriel. (in bäurischer Mundart) Nun so schau her – Käsperle! da bin ich ja!
Käsperle. Ha ha ha! – nein – das ist nichts – du bist mir z'klein.
Jeriel. Bist ein wunderlicher Mensch! für meinen Hiesel bin ich grad recht – er sagt immer, daß ich ja nicht grösser werden soll, sonst könnt er mich nimmer lieb haben.
Käsperle. Wie? Du hast also auch schon einen Buben, den du lieb hast?
Jeriel. Das versteht sich – komm nur mit mir in d' Herberg, du sollst ihn sehen.
Käsperle. Gehen wir – s' ist mir lieb, wenn ich aus der verdammten Hexengegend hinauskomm.
Jeriel. Ja – du wirst dich auch verwundern, was mein Hiesel für ein stattlicher Bue ist, und wie er mich so gern hat.
Steyrer-Liedchen. | |
Mein Hiesel – der ist mir, und ich bin ihm gut, Er hat so wie ich einen fröhlichen Muth. Er schäckert und lacht gern – mit mir doch allein, Mein Hiesel könnt gar um kein Haar besser seyn. Des Morgens – noch eh' er aufs Feld geht hinaus, Und Sonntags – da tanzt man brav landlerisch d'rein, |
(tanzt ab)
(Unterirdische Höhle) Kilian in Fesseln – er hat einen langen Bart. Ritter Günther bleibt im Hintergrunde stehen.
Kilian. Noch einmal will ich die Speisen geniessen, die ich aus der Hand meines Wohlthäters erhielt. Vielleicht nahet bald die Stunde, wo ich keiner mehr bedarf; ha! erwünscht sey mir der Augenblick meiner Erlösung (Günther tritt vor) Gott! wen seh' ich – Geist oder Mensch?
Günther. Ein Mensch, der kommt, um Menschen zu retten! Tröstet euch, Kilian! das Ende eurer Leiden ist nahe –
Kilian. Ihr kennet mich?
Günther. Der Vorsicht Wege sind wunderbar! Ihr seyd der Teufelsmüller!
Kilian. Nennt diesen Nahmen nicht – seine Erinnerung ist für mich Höllenqual.
Günther. Beruhiget euch – ich bin gekommen, eure Fesseln zu lösen. Wie geriethet ihr in diese Höhle?
Kilian. Ich nenne mich Ritter Kilian von Drachenfels; um Mord und Raub freyer üben zu können, bauete ich neben der Heerstrasse eine Mühle, und lockte Reisende dahin, um sie zu ermorden. Mein Weib verrieth mich – ich erschlug sie, floh aus der Mühle, um mich vor der Strafe zu sichern. Geister der Finsterniß brachten mich hieher – ich ward verdammt, 30 Jahre zu schmachten nach Leben und Tod, um für meine Greuelthaten zu büssen – Ein ehrlicher Einsiedler nährte mich bis hieher. –
Günther. Unglücklicher! die Ruhe deines Weibes fordert deine Rettung! – Folge mir!
Kilian. Aber diese Fesseln?
Günther. Ich vertraue auf die Mitwirkung eines höheren Wesens – ich bin seines Beystandes gewiß. (Die Fesseln lösen sich, und fallen auf die Erde. Kilian tritt vor)
Kilian. Was ist das? – ist es ein Traum, was ich sehe – Ritter! gebt mir eure Hand – laßt sie mit meinen Thränen benetzen.
Günther. Und nun folgt mir aus dieser Mörderhöhle – um den letzten Befehl des Geistes zu erfüllen.
Kilian. Ach – meinen Wohlthäter werde ich nicht mehr sehen, der Himmel lohne es ihm! Oft – wenn ich verzweiflungsvoll gegen mich selbst wüthete, da goß er lindernden Balsam in mein Herz. – (Donnerschlag)
Die Stimme des Geistes. Fasse Muth, Unglücklicher! das Schicksal reichet dir die Hand zur Versöhnung! (Stärkerer Donnerschlag)
(Die Bühne verwandelt sich in eine ländliche Gegend. – Auf einer Seite ein Haus, nebenbey ein Brunnen)
Kilian. Gott! wo bin ich – hier meine Wohnung – dieser Brunnen! ha! er erinnert mich an die letzte schreckliche That, die ich an meinem Weib verübte.
Günther. Hier in diesem Brunnen liegen die Gebeine deines Weibes begraben. Auf, Unglücklicher! vollziehe die letzte deiner Pflichten, um das Schicksal zu versöhnen. Steige hinab – der Geist deiner Gattin kann nur versöhnt werden, wenn deine Gebeine neben den ihrigen ruhen.
Kilian. Ich bin zu allem bereit! (Donnerschlag. – Ein fürchterliches Gewitter bricht aus. – Es wird finster. Kilian stürzt auf die Knie, mit erhobenen Händen)
Final-Musik.
Melodram.
Kilian. Gott! du bist schrecklich in deinem Donner – Fürchterlich weckst du den Verbrecher – er bebt und zittert – und hoft auf deine Gnade –
Geister-Chor. |
Ruhe winkt im düstern Grab, Auf vollziehe deine Pflicht! Steig mit vollem Muth hinab, Müder Wandrer! zage nicht! |
Melodram.
Kilian. Ja – muthvoll will ich erfüllen des Schicksals Schluß – (steht auf) Ruhe suche ich – und Ruhe finde ich nur im Grabe. (er nähert sich dem Brunnen)
Geister-Chor. (unter welchem er hinauf steigt)
Der Blitz durchkreuzt des Wetters Nacht, Der Sturmwind heult – der Donner kracht – Die Stunde naht – |
(Der Blitz erschlägt den Müller, der Brunnen stürzt mit ihm ein, und versinkt. Nach diesem schrecklichen Donnerschlag und Akkord geht die brausende Musik in ein schmelzendes Adagio über. – Marie kommt als verklärter Geist, blendend weiß gekleidet, aus eben dieser Versenkung. – Sie hat einen Palmenkranz in den Händen)
Melodram.
Ich bin versöhnt – mir winket Friede und Ruhe – Jüngling! du hast ritterlich gekämpft, dir werde die verheissene Belohnung – In jener Mühle findest du einen Schatz begraben, er seye dein Erbtheil – Eile in Mathildens Arme, der Schutzgeist der Liebe sey dein Begleiter – Nur durch deinen Muth, durch deine Entschlossenheit wandle ich rein in die Gefilde der Seligen. – (Sie erhebt sich – worunter folgender Sphären-Chor gesungen wird)
Chor. | |
Schön blüht in höhern Regionen Die Friedens-Palme dir! Dort wird die Vorsicht herrlich lohnen Dich – Dulderinn! dafür! |
(Die Bühne verwandelt sich in ein Wolkentheater. – Im Hintergrunde ein transparenter Regenbogen – mitten in einer Schleyerwolke Jeriel in seiner Glorie. In der Mitte der Bühne ein Altar mit brennendem Feuer) Hans von Stauffen. Mathilde. Ritter Kleeberg. Alle Vorige. Mathilde eilt in Günthers Arme, der Vater hält seine segnenden Hände über Beyde.
Schluß-Chor. (worunter alles zur Erde stürzt)
Geist der Liebe! bleib bey uns, Seye uns gewogen – Laß als Friedenszeichen uns Diesen Regenbogen. Wo du thronst, da blühen schön Deine reinre Triebe – Laß uns froh durchs Leben gehn An dem Arm der Liebe. |
Der Vorhang fällt.
Ende.