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(1899.)
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Ich war Student in Berlin, in meinem vierten oder fünften Semester, als ich in Hotho's Colleg über Aesthetik die Bekanntschaft eines langen blonden Jünglings machte, der unter den wenigen Zuhörern allein mein Interesse auf sich zog.
Er pflegte zu Anfang der Stunde sich eines so besinnungslosen Nachschreibens zu befleißigen, als ob jedes Wort des Professors die Offenbarung eines tiefen Geheimnisses wäre. Nach einer Viertelstunde aber stockte die Feder, der Kopf des eifrigen Schülers sank hinter dem breiten Rücken seines Vormannes auf die Brust herab, und die wohlklingende Stimme vom Katheder lullte ihn in einen sanften Schlummer, aus dem er erst, wenn der Professor aufstand und den Hörsaal verließ, sich schwerfällig ermunterte und mit verträumten Augen um sich sah.
Schon am zweiten Tage, als wir die Linden hinunter eine Strecke weit zusammengingen, redete ich ihn an und fragte ihn, wie ihm die Hegel'sche Dialektik zusage. Sein hübsches, rundes Gesicht erröthete ein wenig. Er mochte in meiner Frage einen heimlichen Hohn wittern, da Gott selbst Denen, die er liebt, die Philosophie, und zumal die Hegel'sche, nicht im Schlaf zu bescheren pflegt. Dann gestand er mit einem gutmüthig verlegenen Lächeln, er könne zwar noch nicht urtheilen, glaube aber doch in diesem Colleg nicht das zu finden, was er sich davon versprochen habe. Er sei eigentlich nach Berlin gekommen, um Jura und Cameralia zu studieren, da sein Papa, ein Rittergutsbesitzer in der Altmark, wünsche, daß er sich einmal zum Landrath qualificieren möchte. Nun könne er dem trockenen Jus keinen Geschmack abgewinnen. Er sei auf dem Lande aufgewachsen, von Hauslehrern mit Hängen und Würgen durch das Abiturientenexamen gebracht worden, eigentlich aber mit Leib und Seele Landwirth, was nicht hindere, daß er sich im Stillen in seinen Mußestunden leidenschaftlich aufs Dichten verlegt habe. Es sei das eine noble Passion wie andere auch, nicht so kostspielig wie Hazardspiel oder das Halten eines Rennstalls, und für die langen müßigen Wintermonate ein angenehmer Zeitvertreib, der einen hindere, sich den Sect anzugewöhnen. Bei unserm Professor habe er nun gehofft, einige praktische Winke und technische Anleitung zu erhalten, da er sich ausschließlich mit der schwersten Dichtgattung, der dramatischen, beschäftige, wobei man eine Belehrung nicht wohl entbehren könne. Nun aber sei in dem spitzfindigen Vortrag – wenigstens bis jetzt – nicht das Mindeste von solcher Art zu finden, und mit den schwierigen Definitionen und der berühmten Trichotomie locke man keinen dramaturgischen Hund vom Ofen. Er werde daher, wenn es nicht bald besser würde, das Collegiengeld schießen lassen und die Stunde nützlicher anwenden mit Billardspielen in dem Café hinter der katholischen Kirche, wo eine hübsche Kellnerin sei.
Die freimüthige Art, wie er sich äußerte, die bescheidene Selbstironie, mit der er über seine dramatischen Exercitien sich noch weiter erging, nahmen mich rasch für ihn ein. Wir versprachen, uns gegenseitig zu besuchen, und so setzte ich die Bekanntschaft fort, auch nachdem er – seit der fünften oder sechsten Stunde – aus Hotho's Auditorium verschwunden war.
Ob ich durch das ganze Semester dem guten Jungen treu geblieben wäre, weiß ich nicht. So sehr ich bei jedem neuen Begegnen dem Menschen in ihm mehr und mehr gute Seiten abgewann, der angehende Dramatiker stellte meine Langmuth auf immer härtere Proben. Junker Hans von N. hatte sich in seiner ländlichen Abgeschiedenheit nur an dem Friedrich Schiller der ersten Periode und dann an Friedrich Hebbel gebildet, von dem ihm freilich nur die Judith, die Genovefa und Herodes und Mariamuße in die Hände gekommen waren. Während er aber, unter dem Einfluß einer zartsinnigen Mutter, die wilden Triebe seines junkerlichen Bluts im Leben zügeln gelernt hatte, war seine Phantasie desto toller mit ihm durchgegangen, zumal er von der wirklichen Welt nicht viel mehr erfahren hatte, als was sich auf einem rationell bewirthschafteten märkischen Rittergut lernen läßt.
Die Folge war gewesen, daß er in seinen dramatischen Versuchen einem wilden Blutdurst die Zügel schießen ließ und so viel Gräuel häufte, wie nur irgend in fünf Akten Raum haben. Ich weiß noch, daß mich in der Mitte seines Trauerspiels Fredegunde, des ersten, das er mir vorlas, eine körperliche Uebelkeit anwandelte und ich ihn bitten mußte, das Weitere auf morgen zu verschieben. Ein sehr guter Rothwein, den ihm der Papa geschickt hatte, stellte mich bald wieder her. Ich wußte aber die Fortsetzung zu vereiteln, indem ich ihm eine kleine Vorlesung über das Wesen des Tragischen hielt, dessen Forderungen sein Stück leider nicht genüge.
Ein Ugolino, den er dann folgen ließ, war nicht glimpflicher in der Verwendung des Grauenhaften, doch zum Glück so unerhört und unmäßig entsetzlich, daß der Schauder in sein Gegentheil umschlug und ich in ein unwiderstehliches Lachen ausbrach, in das der Dichter nach der ersten Verblüffung fröhlich einstimmte.
Ich gab nun auch meinerseits einige tragische Erstlinge zum Besten, die dank meiner glücklicheren häuslichen Umgebung ein wenig genießbarer, doch auch noch herzlich unreif waren, und so tasteten wir uns gemeinsam weiter die ersten rauhen Stufen zum Olymp hinauf und schlossen uns dabei als gute Wandergesellen immer herzlicher an einander an, bis dies vergnügliche Poetisieren eines Tages jäh unterbrochen wurde.
Der Papa Rittergutsbesitzer wurde durch einen plötzlichen Schlaganfall hingerafft. Die trostlose Wittwe rief den Sohn zu sich und wollte ihn nicht mehr von ihrer Seite lassen. Mit dem juristischen Studium hatte es nun ein Ende, da kein landräthlicher Ehrgeiz in der breiten Brust des jungen dramaturgischen Landwirths wohnte, und auch unsere hoffnungsvolle Freundschaft kam zu einem frühen Hinwelken. Denn nur im ersten Jahr tauschten wir noch Briefe, die immer seltener wurden und endlich – ich glaube, zuerst von meiner Seite – völlig ausblieben.
Lange Jahre hörte ich dann nichts weiter von diesem Studienfreunde. Der Dichtkunst schien er jedenfalls entsagt zu haben. Weder ein Theaterzettel noch ein gedrucktes Drama erinnerte die Welt und mich an seinen Namen.
*
Nun war es wohl dreißig Jahre später, in Weimar, an einem der ersten Goethetage.
Man hatte Nachmittags beim Festmahl gesessen, der Regen der feierlichen Toaste war verrauscht, auch das sanftere Geplätscher einiger humoristischer Trinksprüche hatte aufgehört, und die strenge Tischordnung begann sich aufzulösen. Man ging, das Sectglas in der Hand, an der langen Tafel herum, mit diesem oder jenem Bekannten anzustoßen oder zu einem kleinen Geplauder sich zu ihm zu setzen.
Schon während des Essens hatte ich einen stattlichen Herrn mit kahler Stirn und stark angegrautem Vollbart bemerkt, der weit von mir entfernt saß, aber öfters einen forschenden Blick auf mir ruhen ließ und auch einmal sein Glas erhob und sich gegen mich verneigend mir bemerklich machte, daß er mir zuzutrinken wünsche.
Ich hatte mich vergebens bemüht, mich zu besinnen, wo ich diesem unbekannten Freunde und Gönner schon einmal begegnet sein mochte. Nun entschloß ich mich endlich, aufzustehen und, gerade auf ihn zugehend, mit ihm anzustoßen, da man ja auch mit Wildfremden an diesem Tage in dem großen Namen des Dichters sich verbrüdert fühlt.
Er erhob sich sogleich mit einem feinen, gutmüthigen Lächeln.
Sie kennen mich wohl nicht mehr? sagte er. Ich kann es nicht anders erwarten. Dreißig Jahre sind eine hübsche Zeit, die meine Haare denn auch benutzt haben, mir von der Stirn unters Kinn zu rutschen. Aber wenn ich Ihnen meinen Namen nenne, Hans von N–.
Ich schlug herzlich in die dargebotene breite Rechte ein. Jetzt fand ich mich in den Zügen seines offenen, leicht gebräunten Gesichts wieder zurecht, aus dem die kleinen hellen Augen noch mit der alten Treuherzigkeit mich anblickten. Trotz seines blanken Vorhaupts und des ergrauten Bartes war noch eine gewisse jugendliche Frische über seiner Erscheinung verbreitet.
Ich schlug ihm vor, wenn er keine andere Verabredung habe, mit mir ins Freie zu gehen, was er bereitwillig annahm. Er sei ja nicht so verbauert, sagte er lächelnd, daß er sich nicht mit einem gewissen Stolz als ein unwürdiges Mitglied der Goethegesellschaft fühle. Aber auch der frommste Gläubige sehne sich endlich aus der Kirche hinaus, wenn er vier Stunden lang habe predigen hören. Uebrigens sei ja die Festrede sehr interessant gewesen und auch einige der Toaste, und überhaupt das ganze Fest – auf seinem einsamen Gute werde es noch lange in ihm nachklingen.
Wir nahmen unsere Hüte und wandelten durch die Stadt, ziemlich schweigsam. Unsere Jugend ging mit uns, was immer Anfangs etwas feierlich stimmt.
Erst als wir in die Belvedereallee hinauskamen, lös'te sich seine Zunge. Ich erfuhr, daß er im Ganzen genommen ein glückliches Leben geführt hatte, bei den Gardedragonern gedient, sich früh verheirathet, die Kriege 66 und 70 mit Auszeichnung mitgemacht und vor drei Jahren seine gute Frau verloren hatte. Nun führe ihm die älteste Tochter das Haus, die sich nicht verheirathen wolle, nachdem ihr Bräutigam als junger Leutnant vor Metz gefallen sei.
Als er so weit gekommen war und nun wohl erwartete, auch ich würde jetzt einen Generalbericht über Leben, Thaten und Abenteuer abstatten, blieb ich stehen und sagte: Von der Hauptsache, lieber Freund, haben Sie noch geschwiegen.
Von der Hauptsache?
Wenigstens, als was sie mir erscheint, heute mehr als sonst erscheinen darf, da uns doch der Goethetag zusammengeführt hat. Wie hat es in all den langen Jahren um Ihre zweite Seele gestanden?
Er blieb stehen und sah mich rathlos an.
Nun, lachte ich, es haben doch zwei Seelen in Ihrer Brust gewohnt, eine landwirthschaftliche und eine dramaturgische. Hat die letztere sich nicht mehr geregt und ist am Ende gar auf den böhmischen oder französischen Schlachtfeldern für ewig verstummt?
Er lächelte vor sich hin.
Sie sind im Irrthum, Verehrtester, das heißt, Sie gehen von einer falschen Voraussetzung aus. Eine zweite Seele, eine Poetenseele – nein, die war's nicht, die mich zum Dramenschreiben trieb, nur, wie ich Ihnen schon damals erklärte, eine noble Passion, ein Sport, zu dem ich mit der Zeit die Lust verlor. Ich hatte diesen Hang von meiner guten Mutter geerbt, die, ehe sie heirathete, Verse machte und Märchen dichtete. Wär's eine richtige zweite Seele gewesen, die hätte sich durch den Kanonendonner von Königgrätz nicht zum Schweigen bringen lassen. Eine Weile freilich – die Winterabende auf dem Lande sind lang, und Müßiggang ist aller Laster Anfang – eine Weile habe ich noch fortgefahren, meine Schauerspiele zu verfassen. Das wurde mir am Ende auch langweilig, da sie mir von keiner Bühne angenommen wurden. Und ich hatte nicht einmal das schmerzliche Vergnügen, die Todtgeborenen von einem scharfen kritischen Messer, wie Sie es führten, secieren zu lassen. Nur ein einziges Mal gelang es mir, durch eine Aufführung über meine Fehler, mein Unvermögen selbst aufgeklärt zu werden. Und seltsam, dazu half Jemand mit, die einzige Person dieser Art, die mir je begegnet ist, in deren Brust in der That zwei Seelen wohnten.
Nämlich, was man so gewöhnlich darunter versteht, ist ganz alltäglich und nicht der Rede werth. Es giebt ja kaum einen Menschen, der nicht von scheinbar widersprechenden Trieben bewegt würde, der sich nicht heute mit klammernden Organen, mit seiner ganzen Sinnlichkeit an die Erde gefesselt und morgen schon, oder vielleicht gar in der nämlichen Stunde sich von etwas Höherem angezogen fühlte. Von zwei verschiedenen Seelen kann man aber erst sprechen, wenn wirklich Hohes und unrettbar Gemeines in derselben Natur aneinander gekuppelt, eine Nachtigall und eine Kröte, eine Eidechse und ein Skorpion in demselben Käfich zusammen eingesperrt sind. Und auch dies, wie gesagt, habe ich, doch nur einmal in meinem Leben, in einem merkwürdigen Exemplar mit Augen gesehen.
Ich drang in ihn, mir mehr davon zu sagen, und er schien sich nichts Besseres zu wünschen, als mir, wie damals seinem Studiengenossen, auch heute noch sein Herz auszuschütten.
*
Es ist lange her, sagte er, indem er seinen Arm unter den meinen schob und seinen weitausgreifenden Schritt mäßigte. Nur fünf, sechs Jahre, nachdem ich das Gut übernommen hatte. Inzwischen hatte ich mein Jahr abgedient, ein wenig Hauptstadtplaisir genossen, übrigens meiner Mama nicht den Gefallen gethan, mich standesgemäß zu verlieben.
In Ermangelung von etwas Besserem also, womit ich mir die müßige Zeit vertrieben hätte, setzte ich meine Dichterei fort, in dem Stil, den Sie ja leider kennen. Noch zwei oder drei Trauerstücke, in denen es toll genug zuging. Nicht einmal der dicke Michaelsohn, an dessen Agentur ich mich wandte, wollte sich mit dem hoffnungslosen Vertrieb dieser Ungeheuer befassen. Endlich aber that ich denn doch einmal, was man einen Griff nennt: ein fünfaktiges Stück in derber Prosa, ein Stoff, den auch Sie einmal behandelt haben, aber als ein weiser Mann novellistisch, da das Grauenhafte darin die berühmte »Macht der Finsterniß« fast noch überbietet. Ich war übrigens nicht durch Ihre Meraner Novelle angeregt worden, auch haben Sie selbst ja das Motiv nicht erfunden, sondern die Volkstradition hat es Ihnen zugeführt, da sich dieser tragische Zug in mancherlei localen Varianten mehrfach vorfindet. Ich meine die Geschichte von dem Mädchen, das einen Soldaten zum Liebsten hat, den die Sehnsucht treibt, in der Nacht aus der Garnison ins Gebirge zu entfliehen, nur um sie zu sehen, und der nach seiner freiwilligen Rückkehr gleichwohl als Deserteur erschossen werden soll. Der Offizier, bei dem die Braut um Begnadigung bittet, verspricht sie ihr auch um den Preis ihrer Ehre, und als sie dann erkennt, daß sie betrogen, ihr Bräutigam trotzdem füsiliert worden ist, lockt sie den teuflischen Verführer in einen Hinterhalt und ermordet ihn. Ihre Version, mit dem Ameisenhaufen, in den sie den Erwürgten, den Kopf nach unten, hineinhängt, konnte ich für die Bühne nicht brauchen. Ich begnügte mich mit einem Dolchstoß. Aber auch so war's haarsträubend genug, und ich hatte wenig Hoffnung, es aufgeführt zu sehen. Gleichwohl machte ich einen schlauen Versuch damit.
Mein Vater hatte als junger Mann im Regiment, wo er diente, den Fürsten von *** kennen gelernt und seine besondere Gunst gewonnen. Nun war das ein alter Herr geworden, der eine einzige Leidenschaft neben der für die Weiber hatte, sein fürstliches Theater, in welchem er den lieben und getreuen Einwohnern seines Duodezländchens gnädigermaßen Zutritt gestattete. Notabene, sie mußten sich artig aufführen, immer zu klatschen bereit sein, und auch in den Referaten in dem einzigen Zeitungsblättchen der Residenz über die Aufführungen, die dreimal wöchentlich stattfanden, durfte kein böses kritisches Wort sich hervorwagen.
Denn der Landesherr, den die wohlverdienten Lorbeeren Meiningen's nicht schlafen ließen, war sein eigner Director, Regisseur und Garderobier und übte von Kritik, so viel er nöthig fand, höchstselbst auf den Proben und mit den Damen auch wohl hinter den Coulissen. Trotzdem ging Alles so gut und glatt wie nicht an jedem Hof- oder Stadttheater, woraus erhellt, wie wenig dazu gehört, den Thespiskarren in Gang zu erhalten, wenn eine selbstbewußte Autorität sich vorspannt.
An diesen hohen Herrn, von dem ich wußte, daß er die sogenannten »starken« Stücke bevorzugte, schickte ich mein Manuscript und erhielt schon nach wenig Tagen ein äußerst verbindliches Schreiben des nominellen Intendanten: Serenissimus habe mit Beifall die Dichtung zur Kenntniß genommen, die ihn um so mehr interessiert habe, da der Verfasser der Sohn eines alten Regimentskameraden sei. Hochdieselben würden das Stück sofort ausschreiben und einstudieren lassen und könnten sich für eine treffliche Besetzung verbürgen. Zumal für die weibliche Hauptrolle würde ich schwerlich an irgend einer anderen Bühne eine glücklichere Vertreterin finden.
Wie sehr mich diese frohe Botschaft beglückte, können Sie sich schwerlich vorstellen. Sie haben es wohl leichter gehabt, auf die Bretter zu kommen. Mir war zu Muth, wie einem Schmetterling, der die Puppe sprengt; aus dem dunklen Dilettanten sollte plötzlich ein anerkannter Dichter werden, dessen Gesicht beim Licht der Lampen einer dankbaren Mitwelt gezeigt würde. Und da so ein Dilettant von den Schwierigkeiten der wahren Kunst keine Ahnung hat, zweifelte ich auch keinen Augenblick an der Vortrefflichkeit meines Machwerks und seinem Erfolge.
Nur die Geduldsprobe von sechs Wochen, bis es zur Aufführung kam, wurde mir sauer. Endlich aber erschien der mit Schmerzen erwartete Brief, der mir den Tag der Premiere anzeigte und es mir anheimstellte, mich schon zu einigen der letzten Proben einzufinden.
Gerade an Goethe's Geburtstage traf ich in der kleinen Residenzstadt ein. Ich sage Ihnen nicht den Namen. Von meinem verehrten fürstlichen Gönner gehen ohnehin so viele Geschichten um, die sein Bild in wenig schmeichelhaftem Lichte zeigen, daß ich, da ich ihm Dank schuldig bin, die Chronik seiner Schwächen nicht noch vermehren will. Er war eben nicht schlimmer, als mancher andere seiner hohen Brüder und Vettern, denn selbst heutzutage soll es noch kleine und große Machthaber geben, die ihr Theater nicht viel anders ansehen, als Ludwig der Vielgeliebte seinen Hirschpark.
Ich kam gerade noch zur rechten Zeit, um gleich ins Theater zu gehen. Daß zu Ehren des großen Gedenktages Iphigenie gegeben wurde, gab mir einen günstigen Begriff von dem künstlerischen Geist, der an dieser Bühne herrschte. Der Intendant, den ich in seiner Loge begrüßte, lud mich ein, neben ihm Platz zu nehmen. Er reichte mir den Theaterzettel und sagte: Sie haben gleich Gelegenheit, die Heldin Ihres Stücks in einer ihrer Glanzrollen zu sehn. Wie? sagte ich etwas betroffen, Iphigenie – Fräulein Ludmilla Palm? Die erhabene Griechin und mein Mädchen aus dem Volk, das einer wilden Katze ähnlicher ist, als einer Priesterin? – Der höfliche Herr lächelte: O die kann Alles! Sie werden noch Wunder erleben.
Und in der That wurde mir ganz wunderbar zu Muth, als der Vorhang aufging und aus der etwas dürftigen Tempeldecoration die Priesterin hervortrat, »heraus in eure Schatten, rege Wipfel«. Sie blendete nicht sogleich durch ihre Erscheinung, obwohl sie wundervoll gewachsen war und sich bewegte, als hätte sie nie andere Kleider getragen als diese griechischen Gewänder. Ich wußte nicht einmal sogleich, ob ihr Gesicht mir gefiel, die Augen schienen mir zu klein, oder drückte sie sie nur halb zu, da sie in die Lampenhelle trat? Ueber dem etwas großen, nicht roth geschminkten Munde sah ich den zarten Schatten eines dunklen Flaums. Aber mit den ersten Worten, die sie sprach, verwandelte sich das alles, es wurde ein Antlitz von so hohem Reiz, der Blick der braunen Augen drang einem so ins Innerste, der Wohllaut dieser Stimme war so unwiderstehlich – ich saß wie verzaubert in der Loge neben dem Intendanten, der sich die langen Fingernägel polierte und dazwischen zuweilen mit dem Opernglas das Publikum musterte, daß ich das Theater völlig vergaß und Alles, was auf der Bühne vorging, mit leidenschaftlichem Antheil miterlebte.
Mir selbst erschien das um so merkwürdiger, da ich – es hört uns hier doch Niemand von unsrer Goethegesellschaft? – bei allem Respect vor der dichterischen Größe und Schönheit dieses Werkes immer eine Abneigung gefühlt hatte, es aufführen zu sehen. Ich vermißte darin den heftigen dramatischen Pulsschlag, der doch wahrlich schon im Stoffe lag. Was Teufel, wenn eine Königstochter, die unter die Barbaren und Menschenopferer verschlagen ist, endlich .ihren Bruder und seinen Freund wiederfindet, von denen sie ihre Rettung hoffen darf, und ihre Freude so gemessen feierlich äußert in den erhabensten Worten, aber ohne jeden unmittelbaren Naturlaut – na, Sie haben ja meinen eignen Stil kennen gelernt, meinen »Räuberstil«, und werden es entschuldigen, wenn ich mich zu einer Majestätsbeleidigung gegen den Weimarer Olympier hinreißen ließ.
Damals aber, von diesen Lippen, mit dem Accompagnement dieser Blicke und Gesten – ich sage Ihnen, es wurde Alles Natur, ohne daß es aufhörte, die höchste Kunst zu sein. Von Akt zu Akt wuchs mein Entzücken Als das Stück zu Ende war, saß ich regungslos wie in einem tiefen Traum, aus dem mich die Stimme des Intendanten weckte, der fragte, ob ich der Künstlerin in ihrer Garderobe vorgestellt werden möchte.
Ich willigte mit heimlichem Widerstreben ein. Gern hätte ich meinen Traum noch stundenlang fortgeträumt.
Und freilich, die Begegnung mit meiner Zauberin war sehr dazu angethan, mich zu entzaubern. Ich erkannte sie erst gar nicht wieder, in dem langen Pudermantel vor ihrem Spiegel sitzend, während die Garderobiere ihr das künstliche Haargeflecht auflös'te und sie selbst sich die Schminke vom Gesicht rieb.
Denn sie ließ sich in diesem Geschäft nicht stören, als wir eintraten, warf mir einen kurzen Seitenblick zu und äußerte auf mein enthusiastisches Lob, sie sei heute schlecht disponiert gewesen und gar nicht mit sich zufrieden. Dann sprach sie von einigen Stellen, wie die eigentlich hätten herauskommen müssen, stand plötzlich auf und recitierte sie, wobei ich staunte, wie auf einmal mitten in der lächerlichen Unordnung ihrer Toilette die ganze priesterliche Hoheit wieder über sie kam, und setzte sich dann wieder vor ihren großen Spiegel, um mit dem Abschminken fortzufahren.
Es klopfte an der Thür der engen Garderobe. Das ist Se. Durchlaucht! flüsterte sie hastig. Schieben Sie geschwind den Riegel vor, Baron! Dann, als eine gebieterische Baßstimme draußen Einlaß begehrte, antwortete sie im ruhigsten Ton, der gnädigste Herr möge verzeihen, sie sei in einem unmöglichen Zustand, dazu habe sie Migräne, sie könne heut nicht mehr die Ehre haben –
Das alles mit spitzbübischen Mienen und Blicken nach uns hin begleitet, bis Serenissimus nach einigem weiteren erfolglosen Parlamentieren sich brummend zurückzog.
Es ist mir unerträglich, wandte sie sich an den Intendanten, nach einer solchen Rolle, die mir noch in allen Nerven nachzittert, den Alten zu sehen und sein Kunstgeschwätz anzuhören. Sie werden das begreifen, sagte sie zu mir, wenn Sie die Ehre haben, morgen zur Audienz oder gar zur Tafel befohlen zu werden. Er ist ja unser gnädigster Landesherr und ein guter Mann. Aber von Poesie hat er keinen Dunst. So! Und nun muß ich die Herren verabschieden. Die weiteren Toilettengeheimußisse dürfen von profanen Männeraugen nicht entweiht werden.
*
Ich kam in der seltsamsten Aufregung in mein Hôtel zurück. Zum erstenmal empfand ich einen leisen Zweifel an meinem eigenen Stück, eine Art Beschämung, daß diese herrliche Künstlerin sich herablassen sollte, mein unvollkommenes Gebilde zu verkörpern. Für sie war das Beste eben gut genug, ein neuer Shakespeare wäre überglücklich gewesen, ihr neue Rollen auf den Leib zu schreiben. Und nun ich armseliger Pfuscher! Fast fühlte ich mich getrieben, mein Stück zurückzuziehen.
Indem ich, allen Ernstes hierüber nachsinnend, in dem Speisesaal mein Abendessen verzehrte und einen schlechten Rothwein dazu trank, öffnete sich plötzlich die Thür, und sie selbst, Iphigenie, trat ein.
Außer mir waren nur wenige Gäste im Saal, ein paar alte Herren aus der Stadt, die Karten spielten, einige Handlungfreisende. Die Meisten erhoben sich von ihren Stühlen, die gefeierte Künstlerin zu begrüßen, die mit einem leichten, freundlichen Nicken dankte. Sie trug ein bequemes Negligé von weicher, etwas verblichener Seide, das ihrem schönen Wuchs sich leicht anschmiegte, eine Art Mützchen von schwarzem Sammet auf dem lose aufgesteckten nußbraunen Haar. Als sie mich an meinem kleinen Tisch erblickte, ging sie gerade auf mich zu und streckte mir ihre weiße, weiche Hand entgegen, die, etwas breit und ohne schlanke Fingerspitzen, nicht eben aristokratisch aussah. Am Ringfinger der linken Hand trug sie einen sehr breiten goldenen Reif mit einem Türkis. Keine Ohrringe, keine Broche. Im Ganzen eine reizende, aber mehr bürgerliche Erscheinung.
Nun lassen Sie sich erst ordentlich begrüßen, sagte sie. Vorhin in meiner Garderobe war ich gar nicht ich selbst, erst nur das, was der alte Goethe aus mir gemacht hatte, und dann – in der Gegenwart des Barons, dieser Höflingspuppe, friert mir immer alle Natürlichkeit ein. Aber ich bin Ihnen ja Dank schuldig; Sie haben mir eine so famose Rolle geschrieben.
Ich sagte, nachdem ich ihre Iphigenie gesehen, erschiene mir's wie eine Beleidigung, ihr zuzumuthen, daß sie sich auf so ein dilettantisches Product einlassen sollte.
Lassen Sie das gut sein, erwiderte sie. Die Rolle ist sehr dankbar, Sie werden sehen, was für einen Bombenerfolg ich damit haben werde. Und übrigens – Goethe in Ehren – immer sich auf den Höhen der Dichtung aufzuhalten, erträgt man nicht; man muß wieder auf die Erde hinunter, wenn man nicht aus seiner Menschenhaut fahren soll. Rosen sind sehr hübsch; auf die Länge macht einem der süße Duft übel, man sehnt sich nach Unkraut, und wären's Brennesseln.
Ich lachte. Danke für das Compliment!
Nein, nein, versetzte sie eifrig, auf Ihr Stück paßt das nicht, obwohl zarte Häute finden werden, daß es zu stark brennt. Aber nun, eh' wir weiter so geistreiche Reden führen, muß ich an meine leiblichen Bedürfnisse denken. Da kommt mein Souper. An einem Spieltage esse ich nicht ordentlich zu Mittag, das hol' ich alles nach der Vorstellung nach.
Ich setzte mich zu ihr und sah ihr mit Vergnügen bei ihrem Essen zu. Sie hatte eine seltsame Manier, gegen alle Regeln der guten Gesellschaft sich der Hände statt der Gabeln zu bedienen. Ihre Cotelette schnitt sie in der Mitte durch, nahm den Knochen in die Hand und biß dann mit ihren blanken Zähnen ganz appetitlich ins Fleisch hinein. So verfuhr sie auch mit einem gebratenen Huhn, das ihr der Kellner zierlich zerlegt vorgesetzt hatte. Es war allerliebst anzusehen, wie sie die einzelnen Stücke von den Knöchelchen lös'te, ohne sich mehr als die äußersten Fingerspitzen anzufeuchten.
Sie finden meine Esserei unschicklich, sagte sie. Ich habe aber immer, wenn ich gespielt habe, einen unwiderstehlichen Trieb, mich von der Kunst bei der Natur zu erholen, so recht, als könnte ich in den Urzustand zurückkehren. Zumal heute – wenn ich nicht etwas Unanständiges thäte, ließe mich das feierliche Gedicht die halbe Nacht nicht schlafen. Nachdem ich mein Hühnchen so sans façon verschlungen habe, wie keine Priesterin thun würde, bin ich wieder bloß ein irdisches Frauenzimmer, das seine neun Stunden in einem Strich schlafen kann.
Sie bestellte dann ein Glas Bier.
Nein, Verehrteste, sagte ich, ein so gemeines Getränk darf heute nicht über die Lippen kommen, die so goldene Worte gesprochen haben. Auch mein geschmierter sogenannter Bordeaux ist dessen nicht würdig. Sie müssen mir schon erlauben, in einem edleren Wein auf Ihr Wohl und unser Stück mit Ihnen anzustoßen.
Wenn Sie Lust auf Champagner haben, trinken Sie ihn nur allein, sagte sie ruhig. Mir ist nur dies unschuldige Bier zuträglich. Und übrigens – Sie wissen noch nicht, was für ein Klatschnest diese gute Stadt ist. Wenn die Herren da drüben mich mit Ihnen Sect trinken sehen, steht es morgen bei allen Kaffeeschwestern fest, daß ich mir einen dritten Liebhaber angeschafft habe.
Ich mußte lachen. Auch mir wäre nicht damit gedient, den Titel ohne das Amt zu erhalten. Aber wer sind denn die beiden anderen?
Nun, Nummer eins ist natürlich Serenissimus. Solange er das Scepter über seinen glücklichen Unterthanen schwingt, ist es so ausgemacht, wie die Artikel des Katechismus, daß die erste Liebhaberin oder die Heroine seines Theaters – zuweilen alle Beide – den Rang einer Favoritin einnehmen. Gewiß manchmal auch nur den Titel ohne Amt. Das aber ist eine der kleinen Schwächen des gnädigsten Herrn. Er würde glauben, eins seiner fürstlichen Vorrechte einzubüßen, wenn er nicht wenigstens den Schein wahrte, als ob er wie der Großherr jeder seiner Theatersklavinnen das Schnupftuch zuwerfen könnte. Auch ich war zu seiner maîtresse en titre ausersehen. Er machte meine Bekanntschaft in Berlin, wo ich am königlichen Theater ein paar Monate lang in Nebenrollen beschäftigt wurde. Sofort erkannte er mein Talent für größere Aufgaben und täuschte sich nur darin, daß er mich auch für jene andere Rolle befähigt glaubte. Ich komme übrigens nun erst recht gut mit ihm aus, theils weil er ein bischen Respect vor mir fühlt, dann aber auch, weil er noch nicht alle Hoffnung aufgegeben hat. Nun, Sie werden ja selbst sehen, daß es kein großes Verdienst ist, ihm gegenüber seine Tugend zu bewahren.
Und Nummer zwei? fragte ich.
Sie zuckte verächtlich die Achseln.
Nummer zwei ist der alberne Baron, unser verehrter Intendant. Er hatte sonst Vollmacht, Alles, was sein gnädigster Herr übrig ließ, aufzulieben. Da die Hoflakaien ausschwatzten, ich hätte das fürstliche Schnupftuch nicht aufgehoben, glaubte er nun seinerseits an die Reihe zu kommen. Ich habe ihm aber gründlich seinen und meinen Standpunkt klar gemacht und bin seitdem nicht mehr bei ihm in Gnaden. O das Geschmeiß! Wie sehn' ich mich von hier fort! Eilende Wolken, Segler der Lüfte, wer mit euch wanderte, mit euch schiffte!
Warum sie denn hier bliebe, fragte ich, da ein Talent, wie das ihre, der größten Bühne zur Zierde gereichen würde.
Das war eben meine Dummheit, daß ich mich auf einen zehnjährigen Contract einließ, und obenein einen so lumpigen. Aber ich war dreiundzwanzig Jahr alt, und über der Aussicht, alle ersten Rollen zu spielen, war mir alles Andere gleichgültig, besonders die geringe Gage. Serenissimus behalte sich vor, sie bald zu erhöhen, versicherte die Intendantenpuppe. Ja wohl, wenn ich auch jene andere »erste Rolle« zu seiner Zufriedenheit gespielt hätte! Auch sonst ist er ein guter Haushälter und verschwendet keinen Groschen. Sie werden sehen, daß man Sie befragt, ob Sie statt der üblichen Tantième nicht lieber seinen Hausorden haben wollen, der keine sechs Thaler Goldwerth hat. Nun, ich kenne Ihren Ehrgeiz nicht und will nichts gesagt haben.
Sie hatte indessen noch ein zweites und drittes Glas Bier getrunken und stand jetzt auf. Gute Nacht! sagte sie. Morgen ist auch ein Tag und zwar ein großer für Sie: zum erstenmal auf einer Probe eines eigenen Stücks. Sagen Sie mir nur Alles, was ich Ihnen nicht zu Dank mache. Auch Serenissimus wird seinen Senf dazu geben, daran kehren Sie sich aber gar nicht, der versteht nur etwas von Decorationen, Beleuchtung und der richtigen Aussprache des r, das man ihm gar nicht genug schnarren kann. Wenn Sie sich in Gunst bei ihm setzen wollen, loben Sie ihm den Menschen, der heute den Arkas gespielt hat und in Ihrem Stück den Offiziersburschen macht. Der ist nämlich sein Geschöpf. Er war früher fürstlicher Stallknecht und hat sich dem gnädigsten Herrn eben durch sein rr eingeschmeichelt, so daß er ihn von den Pferden wegnahm und sich herabließ, höchstselbst ihm Declamationsstunde zu geben. Wie weit er's damit gebracht hat, haben Sie selbst gesehen. Also – bei Philippi sehen wir uns wieder. Nein, Sie dürfen mich nicht zu meinem Zimmer hinaufbegleiten. Der alte Herr dahinten ist die böseste Zunge der ganzen Stadt, und er würde dann nicht daran zweifeln, daß Sie der Dritte im Bunde seien.
Sie gab mir mit freundlichem Nicken die Hand und verließ den Saal.
*
Diese Nacht schlief ich schlecht. In meinen Halbtraum klangen beständig Verse aus der Iphigenie hinein, dazwischen sah ich das Gesicht der Priesterin, aber nicht in der griechischen Hoheit, sondern wie sie den Mund mit den weißen Zähnen öffnete, um in die Cotelette einzubeißen, und darüber den leichten dunklen Flaum auf der Oberlippe. Ich fühlte ein lebhaftes Bedürfniß, das weiche Haar, das ihr aufgelös't über die Schläfen fiel, zurückzustreichen, überhaupt irgend etwas an ihr zu liebkosen, mehr wie an einem guten Kinde, als an einem reizenden Weibe. Warum hatte ich ihr nicht einmal die Hand geküßt? Uebrigens war ich durchaus noch nicht in sie verliebt. Etwas Ungezügeltes, Zigeunerhaftes an ihr – ich meine im Sinne der Theater-Bohème – war mir antipathisch, wenn mich auch der große Zug ihres Wesens lebhaft erregte.
Darüber schlief ich dann endlich ein.
In aller Herrgottsfrühe wurde ich durch ein starkes Klopfen an meiner Thür geweckt. Ich sprang im Hemde aus dem Bette und fragte, wer draußen sei. Es war ein Hoflakai, der mir die Botschaft brachte, Seine Durchlaucht erwarte mich um neun Uhr zur Audienz.
Ich fand mich natürlich pünktlich zur bestimmten Stunde im Schlosse ein und wurde von einer ganzen Reihe Lakaien, jeder in einem anderen Zimmer, die mich wie einen Ball einander zuwarfen, ins Allerheiligste befördert. Meinen fürstlichen Gönner fand ich denn auch, wie ich ihn mir nach allerlei Notizen vorgestellt hatte, einen etwas beleibten Herrn in der Mitte der Fünfziger, mit gefärbtem Haar und Bart, sehr sorgfältig gekleidet, ja stutzerhaft, und in seinen Bewegungen von gesucht jugendlicher Munterkeit. Uebrigens durchaus gnädig, ja wahrhaft wohlwollend, so daß ich noch jetzt mit aufrichtiger Ergebenheit an ihn zurückdenke. Daß Fräulein Ludmilla Palm ihm zärtlichere Gefühle eingeflößt hatte, konnte ich ihm nicht zum Vorwurf machen.
Er fragte nach meinem Vater, erzählte von ihrem Zusammensein in Berlin, erkundigte sich nach meinen dramatischen Arbeiten und schloß endlich mit der Bemerkung, es sei noch zu früh, mich seiner Frau vorzustellen, er behalte sich das für den Abend vor, wo ich mich zur Tafel einfinden sollte. Dann reichte er mir die Hand, sagte: Auf Wiedersehen auf den weltbedeutenden Brettern! und ich war entlassen.
Die Probe begann um Zehn. Sie haben das ja auch durchgemacht, ich brauche Ihnen meinen Zustand zwischen Aufregung, Dumpfheit, Enttäuschung und Entzücken nicht zu schildern. Die Enttäuschung erfuhr ich durch den armseligen Eindruck, den alle Nebenfiguren und die ganze mise-en-scène auf mich machte. Das alles blieb weit hinter der Vorstellung meiner Phantasie zurück.
Was sie aber weit übertraf, war das Spiel der Hauptfigur, die mir ganz neu und tausendmal ergreifender erschien, als ich sie in mir getragen hatte. Besonders die Scene, in der das Mädchen, das eben erfahren hat, wie sie betrogen worden, gleichwohl sich bemüht, Wuth, Haß und Verzweiflung nicht ausbrechen zu lassen, sondern dem Verführer gegenüber sich stellt, als liege ihr gar nichts mehr an dem erschossenen Liebsten, da sie in seinem Mörder einen weit begehrenswertheren Liebhaber gefunden habe – die kätzchenhaften Töne, mit denen sie ihn an sich zu locken suchte, dann, nachdem er versprochen, zum Stelldichein zu kommen, der triumphierende Blitz aus ihren Augen, die tückische Demuth, mit der sie ihm die Hand zu küssen Miene machte – das alles war von so überwältigender Wahrheit und mit so meisterlichen Nüancen durchgeführt, daß mir die Thränen in die Augen traten und ich nichts weiter thun konnte, als nach dem Aktschluß stumm und blaß zu der großen Künstlerin hinzustürzen und ihr wieder und wieder die Hand zu küssen.
Sie lachte mich, die Augen zudrückend, lustig an. Keine Spur von ihrer Iphigenie war in ihrem Gesicht mehr zu finden.
Im letzten Akt werde ich nur markieren, sagte sie. Es greift mich zu sehr an, und ich bin ohnehin heute nicht recht »bei Organ«. Aber ich habe mir alle Töne schon gründlich zurechtgelegt. Sie werden, hoff' ich, mit mir zufrieden sein.
So ging die Probe weiter. Sie hatte schon in den ersten Akten einige Aenderungen gemacht, Striche und kleine Uebergänge, alles sehr praktisch, wie sie denn überhaupt sich als Regisseur aufspielte. Und Alle gehorchten ihr ohne Widerrede. Sie hatte einen ganz genialen Theaterinstinct.
Im letzten Akt überraschte mich's zuerst sehr unliebsam, daß sie eine ganze Scene und sogar den großen Monolog des schurkischen Offiziers, in dem er zweifelt, ob er ihr noch trauen kann, gestrichen hatte. Ich that mir gerade auf diese Partieen etwas Besonderes zu gut. Aber wie ich's mit Augen sah und ihr wundervolles Spiel, obwohl sie nicht mit der Stimme herausging, überzeugte ich mich, daß sie Recht gehabt hatte. Ich war schon so unter ihrem Zauber, daß ich sogar gewünscht hätte, sie möchte auch bei der Vorstellung nur markieren.
Als es aus war, klatschte ich ganz selbstvergessen und wurde durch ein Bravo! aus der Prosceniumfloge secundiert. Da, im Dunklen, hatte Serenissimus der Probe beigewohnt. Er kam jetzt auf die Bühne, begrüßte mich hoheitsvoll und machte, Ludmilla gegenüber, einige Bemerkungen, auf die sie nur mit einem überlegenen Rümpfen der Lippe erwiderte.
Der Indendant erschien nur als der stumme Schatten seines gnädigsten Herrn.
Wenn der Dichter zugegen ist, sagte er wie entschuldigend zu mir, eklipsiere ich mich. Uebrigens steht das Stück ja fest. Wir haben schon vier Proben gehabt, aus Achtung vor Ihnen. Sonst begnügen wir uns mit dreien.
Abends dann das Diner bei Seiner Durchlaucht. Ich ging mit Ludmilla, die in einem nicht eben neuen, aber sehr geschmackvollen seidenen Kleide war, ein dunkles Federhütchen auf dem braunen Haar, den kurzen Weg vom Hôtel nach dem Schlosse zu Fuß. Alle Leute auf der Straße sahen uns nach. Sie haben hier noch keinen lebendigen Dichter gesehen, lachte meine Begleiterin.
Der Empfang oben bei den Herrschaften war ein wenig steif. Die Fürstin, eine vornehme Erscheinung in grauen Haaren, mit sehr zarten, regelmäßigen Zügen und großen blauen Augen, die viel geweint zu haben schienen, begrüßte mich huldvoll, sprach aber nicht von meinem Stück, das sie auch nicht interessieren konnte, da mir Ludmilla erzählt hatte, daß sie nie ins Theater ging. Sie ignorierte das Bestehen eines solchen völlig, wie wenn sich's um einen Privatharem ihres Gemahls gehandelt hätte. Sie selbst widmete ihre Zeit wohlthätigen Aufgaben, was sie bei ihren Unterthanen sehr beliebt gemacht hatte, und ernster Lectüre. Seltsamerweise hatte sie zu der jetzigen Primadonna des Fürsten eine Zuneigung gefaßt, nachdem ihre Hofdame ihr erzählt hatte, Ludmilla spreche ein vorzügliches Französisch. Sie hatte sie darauf hin kommen lassen, und da sie von ihr gehört, sie habe ein Jahr in Paris zugebracht, den Wunsch geäußert, daß sie ihr dreimal in der Woche vorlesen möchte, meist aus den Predigten Bossuet's oder den Schriften von Port Royal. Es ist ein bischen langweilig, sagte Ludmilla, aber ich lerne dabei, wie sich eine richtige große Dame benimmt, was ich für gewisse Rollen brauchen kann. Die gute Fürstin hat dabei wohl auch die Nebenabsicht, für mein Seelenheil zu sorgen und mich vor den Fallstricken, die ihr Gemahl mir legt, zu bewahren. Das wäre freilich nicht nöthig, da ich es schon allein besorge.
Es war nur eine kleine Tafel, außer den Herrschaften nur der Hofmarschall und jene Hofdame. Der Fürst führte fast allein die Conversation, meist über Theatersachen und neue Stücke, mit unglaublich wenig Verständniß, so daß Ludmilla manchmal eine kleine boshafte Anmerkung nicht unterdrücken konnte. Die Fürstin fragte mich nach den Zuständen bei uns auf dem Lande und gönnte mir einen huldvollen Blick, als ich davon sprach, wie meine Mama sich ihrer bäuerlichen Untergebenen annahm.
Uebrigens aß man vorzüglich, und ein Champagner erster Qualität wurde gleich zu den Austern eingeschenkt.
*
Ich verbrachte die nächste Nacht in fieberhafter Aufregung, wie ein Feldherr vor der ersten Schlacht.
Am Vormittag fand dann noch eine Generalprobe statt, Ludmilla aber hatte mir verboten, derselben beizuwohnen. Es denkt da keiner von uns an wirkliches Spielen, man überhört sich nur noch einmal seine Rolle. Sie würden einen entsetzlichen Eindruck empfangen.
Zu Mittag blieb sie auf ihrem Zimmer. Auch mir war nicht recht lustig zu Muthe. Sie kennen wohl auch diesen öden, fast seekranken Zustand des Magens am Tage einer Première. Nicht daß ich ein eigentliches Hinrichtungsgefühl gehabt hätte; dazu war ich selbst zu sehr hingerissen von Ludmillas Spiel, und die Erstaufführung in dem kleinen Neste war ja auch selbst wie eine Generalprobe mit Ausschluß der Oeffentlichkeit. Item, »ich wollte, es wäre Abendszeit und der König wäre gekrönt«.
Nun, es ging am Abend Alles, wie die Frommen sagen, »über Bitten und Verstehen«. Eine so athemlose Aufmerksamkeit hatte ich noch kaum bei einem Publikum wahrgenommen, zuweilen lief's wie ein dumpfer Schauer durch die Reihen des bis auf den letzten Platz gefüllten Parkets, ein paarmal hörte man unterdrücktes Stöhnen und Schluchzen, und nach den großen Scenen der Heldin lös'te sich das bedrückte und gepeinigte Gemüth der Zuschauer in endlosem Klatschen. Das Stärkste aber brachte der letzte Akt.
Aus dem Kätzchen, das mit seinen tückischen Seidenpfötchen den Mörder und Betrüger umschmeichelt hatte, wurde eine wilde Katze, die so furchtbare thierische Laute, solch ein blutgieriges Fauchen und Sprühen zwischen den weißen Raubthierzähnen vorstieß, daß einem das Herz erbebte. Solch ein rasendes Triumphgeheul, als die Rache geglückt war, dann ein so erschütterndes Zusammenbrechen bei dem Gedanken, die Strafe sei unmächtig, die Schuld zu sühnen, den geliebten Todten wieder lebendig zu machen – ich erlebte das alles in schaudernder Verzückung mit und vergaß ganz, daß ich diese furchtbaren Scenen, freilich nur viel unvollkommener, in der eignen Phantasie getragen hatte, bis der Vorhang fiel und ich, von Ludmilla aus der Coulisse gezogen, vor den Lampen erscheinen und mich unbeholfen genug verbeugen mußte.
Was dann noch folgte, wie ich den Kranz aufhob, den Serenissimus mir zuwerfen ließ, die Lobsprüche des hohen Herrn, der mich in seine Loge beschied, die Gratulationen des Intendanten und des Personals – das alles machte ich durch wie berauscht und kam erst wieder zu einer nüchternen Besinnung, als ich in meinem kahlen Hôtelzimmer anlangte. In jener halben Stunde glaubte ich wahrhaftig – verzeih' mir's Gott! – ich sei ein großer Dichter.
Ich entschloß mich endlich, in den Speisesaal hinunterzugehen, wo ich Diejenige zu finden hoffte, der ich dieses märchenhafte Glück verdankte. Ich traf sie, eben aus dem Theater zurückkehrend, im Corridor vor der Thür ihres Zimmers. Ich gratuliere! rief sie mir entgegen. Nun, habe ich zu viel gesagt? Ein Bombenerfolg. Und nun sollen Sie mir auch den Kuß geben, den der Autor seiner Heroine schuldig ist. Ich habe mich schon abgeschminkt.
Sie hielt mir ihren vollen, halbgeöffneten Mund entgegen, und ich umarmte sie in zitternder Erregung. Zauberin! flüsterte ich. Was machen Sie aus mir? Ich werde ewig –
Husch! machte sie und legte mir die kühle Hand auf den Mund. Nichts von Ewigkeit. Der schöne Augenblick muß einem armen Menschenkinde genug sein. Gehen Sie voran, ich folge sogleich, und heute dürfen Sie auch die Wittwe Cliquot in Eis stellen lassen. Nach der Première würde ein Dichter bei dem Kellnerpersonal in den Verdacht der Knauserei kommen, wenn er mit seiner Primadonna in Bier auf die Gesundheit seines Stückes anstieße!
Sie glitt vorbei und in ihr Zimmer, und ich hörte, wie sie den Riegel hinter sich vorschob. Sie mochte mir angemerkt haben, daß ich sehr wenig geneigt war, mich mit dem einen Kusse abspeisen zu lassen.
Als sie dann zu mir hinunterkam, war sie merkwürdig gehalten und ernst, keine Spur mehr von der wilden Katze. Ihre Stimme, deren kreischende, bestialische Accente mir noch im Ohr klangen, war sanft und weich, ihr Blick hoheitsvoll. Doch so oft ich von dem Stück und ihrer erschütternden Leistung anfangen wollte, immer lenkte sie wieder davon ab und sprach von der neuen Rolle, die sie eben einstudierte, der Jungfrau von Orleans. Ich, in meinem wildrealistischen Eifer, erlaubte mir einiges Achselzucken über den hohen Ton, den diese einfachen Bauern gleich zu Anfang anschlagen, und übte auch sonst eine unartige Kritik an dem ganzen Stück. Da kam ich aber übel an. Ich hatte nur zu staunen, wie sie sich Alles zurechtgelegt, den Charakter des begeisterten Mädchens über gewisse bedenkliche Widersprüche hinweg zu einer festen Einheit gestaltet hatte. Wir zankten uns sogar ein wenig, es kam zu keiner so recht gemüthlichen oder gar gehobenen Stimmung, auch nippte sie nur an ihrem Glase, und plötzlich stand sie auf, sagte mir: Gute Nacht! und ließ mich allein.
*
Ich blieb in sehr unmuthigen Gedanken zurück, und auch die Flasche Sect, die ich langsam allein austrinken mußte, konnte mir den Aerger nicht von der Seele spülen, den Aerger über meine Eselei. Denn warum mußte ich, wenn sich diese seltene Künstlerin, die alle Mittel hatte, mit der Darstellung der gemeinen Wirklichkeit ihr Publikum zu fesseln, und dennoch dem Ideal einer höheren Kunst treu bleiben konnte, – warum mußte ich armseliger Dilettant mir einfallen lassen, sie darin irre zu machen? Die Tage des alleinseligmachenden Naturalismus waren ja noch fern. Da hätte ich, die gänzlich veränderte Gesinnung der Welt für mich anführend, auf den überwundenen Standpunkt eines gewissen Schiller mitleidige Blicke werfen dürfen. Damals aber, gegen Ende der fünfziger Jahre – es war geradezu eine Tollheit, und mir wäre ganz recht geschehn, wenn ich mir dadurch die gute Meinung meiner verehrten Freundin für immer verscherzt hätte.
Verehrt – nein, der Ausdruck paßte nicht mehr recht. Ich konnte mir's nicht verhehlen, ich hatte mich in das herrliche Mädchen bis über die Ohren verliebt, nicht in der banalen Art, wie man wohl für eine hübsche Schauspielerin Feuer und Flamme ist, eine Glut, die nur durch die sinnlichen Reize geschürt wird, sondern eine Liebe war's, die zugleich aus Bewunderung und Hochschätzung ihres Geistes und Charakters entsprang. Freilich, gewisse Züge an ihr stießen mich auch jetzt noch ab, das Aufflackern einer vulgären Zügellosigkeit, jene Wildkatzennatur, die sie nicht so täuschend tragiert haben würde, wenn sie nicht ein Stück ihrer selbst gewesen wäre. Sie schien sich aber selbst darüber klar zu sein und sich zu bemühen diesen Hang zu unterdrücken. War sie doch gerade am heutigen Abend mir in einem Licht erschienen, als ob sie an ihre so glänzend durchgeführte Rolle nur mit Widerwillen zurückdächte.
Nun, ich war schon so weit, daß ich es für eine beglückende Lebensaufgabe hielt, ihr bei diesem Läuterungsproceß zu helfen. Zunächst aber wollte ich mich jeder Buße unterziehen.
Aber sie ließ es nicht dazu kommen. Sie begegnete mir am anderen Tage mit ganz heiterem Gesicht. Das Stück war gegen die Gewohnheit, da sonst in der Woche nur dreimal gespielt wurde, schon auf den nächsten Abend wieder angesetzt, die ganze Stadt sprach von nichts Anderem, wieder waren schon am Vormittag alle Billette vergriffen. Und als der Erfolg wieder der gleiche war, eher noch stärker, wurde eine dritte Aufführung für den Sonntag beschlossen, wo vorher schon ein anderes Stück, ein Singspiel, angesetzt gewesen war.
Eine große Oper gab es in diesem Ländchen nicht. Der Fürst war einsichtig, vielleicht auch ökonomisch genug, sein Theaterbudget nicht mit den Gagen für hohe Tenore und erste Sängerinnen zu belasten. Nur dann und wann konnten sich die getreuen Unterthanen an einem Liederspiel aus der guten alten Zeit ergötzen, wofür die Stimmen und die Gesangskunst seines Schauspielerpersonals eben aufreichten.
Ich hätte nun, nachdem ich mein Stück auch zum dritten Mal gesehen, eigentlich abreisen können, da ich hier nichts mehr zu thun hatte. Serenissimus hatte mich noch zweimal zur Tafel gezogen, beim zweiten Mal richtig, wie Ludmilla mir angekündigt, in der Voraussetzung, daß ich keine Tantième beanspruchen würde, mir seinen bunten Vogel ins Knopfloch gesteckt; zu Hause erwartete mich meine Mutter, der ich noch den ausführlichen Siegesbericht schuldig war, und dringende Erntearbeiten – und doch verschob ich meine Abreise von einem Tage zum anderen. Wie ich ohne den täglichen Verkehr mit diesem Mädchen fernerhin leben sollte, konnte ich mir nicht vorstellen. Ich wartete in fieberhafter Spannung, ob ich nicht auch in ihrem Betragen etwas von wärmeren Gefühlen für mich entdecken könnte. Leider blieb sie sich in ihrem vertraulichen, aber nicht zärtlichen Wesen mir gegenüber völlig gleich.
Und so ließ ich mich hinhalten von Tag zu Tag, die ganze Woche hindurch. Sie hatte erklärt, mein Stück müsse eine Weile ruhen, es greife sie zu sehr an, nach einer kleinen Pause würde es wieder einen ganz neuen Aufschwung nehmen, da man auch in dem Nachbarländchen darauf aufmerksam geworden war und Bestellungen auf Billets gemacht hatte. In den kleinen Lustspielen, die eingeschoben wurden, hatte sie nichts zu thun. Für Benedix bin ich nicht geschaffen, sagte sie. Ich fand denn auch wirklich, daß sie sich in den Stücken und unter den Collegen, die darin spielten, wie ein Adlerweibchen unter Krähen ausgenommen haben würde.
Doch ging sie ins Theater, und ich durfte in der Schauspielerloge neben ihr sitzen, was mir der Herr Intendant augenscheinlich verargte. Was aber lag mir an seiner Gunst und Gnade? Nach der Vorstellung saßen wir dann noch stundenlang beisammen, sie immer bei ihrem Bier, trotz meiner Versuche, sie zum Sect zu bekehren. Wir führten die interessantesten Gespräche, und ich bestärkte mich mehr und mehr in meiner leidenschaftlichen Ueberzeugung, daß es mir unmöglich sein würde, ihren Umgang zu entbehren.
*
Am nächsten Sonntag, wo Abends, da mein Stück ruhen sollte, das Singspiel angesetzt war, fragte sie mich Morgens, ob ich nicht Lust hätte, Nachmittags einen Ritt mit ihr zu machen. Ein Pferd aus dem fürstlichen Marstall stehe ihr jederzeit zu Gebote, und der gnädigste Herr werde ohne Zweifel, wenn sie ihn darum bitte, auch mir eines bewilligen.
Sie schrieb ein Billet, das ins Schloß getragen wurde. Sofort kam der huldvolle Bescheid, Serenissimus würde selbst gern von der Partie sein, sei aber durch Regierungsgeschäfte verhindert und wünsche viel Vergnügen.
Er war früher zuweilen mit ihr ausgeritten, was, wie sie lachend sagte, den getreuen Unterthanen zeigen sollte, wie fest sie im Sattel seiner Gunst sitze.
Nachmittags brachte ein fürstlicher Stallknecht die beiden Gäule, Ludmilla erschien in einem dunkelgrünen Amazonenkleide, das ihre schöne, volle Gestalt eng umschloß, auf dem Kopfe nicht den abgeschmackten Cylinder, sondern ein polnisches, pelzverbrämtes Mützchen, das ihr entzückend stand.
Sie nickte mir, da ich sie mit weitaufgerissenen Augen stumm bewunderte, liebenswürdig schalkhaft zu und ließ sich von mir in den Sattel heben. Es kam mir zum ersten Male vor, als sähe ich etwas wie Zärtlichkeit in ihren feuchtglänzenden Augen. Und so ritten wir davon, ein Schauspiel für die guten Bürger, die sonntäglich feiernd vor ihren Häusern saßen.
Als wir aus der Stadt heraus waren, setzte sie ihr Pferd in einen schlanken Trab, und wir ritten eine Weile schweigsam durch die weiten Wiesen und abgeernteten Felder, dann durch Wälder, die sich eben herbstlich zu färben anfingen. Ich hatte genug zu thun, sie zu betrachten, wie ruhig sie auf ihrer sehr feurigen Stute saß, wie jede ihrer Bewegungen Kraft und Anmuth zeigte. Nie war sie mir schöner erschienen, nie zugleich mehr geeignet, als Herrin eines Ritterguts allen junkerlichen Nachbarn und ihren Damen zu imponieren. »Das Herz schwoll mir so sehnsuchtsvoll«, ich überlegte, daß sich's heute oder nie entscheiden müßte, denn eine günstigere Stunde konnte ich nicht hoffen, da ich heute offenbar auch ihr als ein flotter Cavalier erschien, dessen Ritterdienste eine Frau nicht verschmähen dürfte.
Als wir daher zu einer Anhöhe gelangten, wo wir unsere Thiere im Schritt gehen lassen mußten, faßte ich mir ein Herz und fragte sie, ohne den Umschweif einer weiteren Liebeserklärung, ob sie sich wohl denken könne, so hoch zu Roß an meiner Seite als meine theure Gutsherrin durch die Parkwege meiner Besitzung dahinzureiten.
Sie lachte, doch nicht abweisend, nur wie über eine lustige Schnurre. Was Ihnen auch einfällt! sagte sie.
Ich erwiderte, es handle sich durchaus nicht um einen müßigen Einfall, ich hätte, was ich gesagt, mir sehr gründlich überlegt, der Gedanke, ohne sie auf der Scholle meiner Väter leben zu sollen, sei mir unerträglich; ich wüßte alles, was sie dagegen einwenden könne, das sei alles nicht von entscheidendem Gewicht, nur die Hauptsache freilich, ob sie mich werth halte, ihr Gatte zu werden, mache mir Sorge, aber ich dächte auch nicht, daß sie mich jetzt schon leidenschaftlich lieben möchte, wie ich sie; erst mit der Zeit – nun, Sie können sich das Weitere selbst ergänzen.
Sie antwortete nicht sogleich. Sie strich mit der behandschuhten Hand ihrem Pferde liebkosend über die Mähne und sah vor sich hin. Endlich wandte sie sich zu mir um, wie wenn sie in meinem Gesicht lesen wollte, ob ich auch in gutem Ernst gesprochen hätte. Dann sagte sie sehr nachdenklich und langsam:
Aber Sie kennen mich ja noch gar nicht!
Ich lachte. Ich fing an, ihr eifrig auseinanderzusetzen, was ich von ihr hielte, wie gut ich sie in diesen vielen Tagen studiert hätte, und zuletzt nickte sie und sagte: Das mag alles sein. Aber es ist noch viel mehr in mir, wovon Sie keine Ahnung haben. Und dann – nein, es ist doch unmöglich! Sie hätten mich nicht so überfallen sollen.
Ich suchte ihre Hand zu fassen, die sie mir auch überließ. Was ich an bittenden, beschwörenden und verheißenden Worten an sie hinredete, entsinne ich mich nicht mehr. Ich weiß nur, ich war innerlich sehr zufrieden mit meiner Beredsamkeit.
Ich schilderte ihr unser künftiges Leben, wie meine Mutter, trotz ihrer aristokratischen Vorurtheile, sie in ihr Herz schließen, die ganze Dienerschaft, alle Gutsknechte sie vergöttern, und wie auch die Nachbarn von ihr bezaubert werden würden. Ich weiß freilich, sagte ich, welch ein Opfer ich Ihnen zumuthe. Es wird Ihnen viel kosten, Ihrer Kunst zu entsagen. Aber eine kleine Entschädigung kann ich Ihnen doch versprechen. Was Sie selbst der Bühne entziehen, wird ihr in anderer Weise zu gute kommen, indem ich an Ihrer Seite, unter dem Einfluß Ihrer genialen Natur und Ihres seinen Verständnisses mich zu einem viel bedeutenderen Dramatiker entwickeln werde, als ich in der Einsamkeit, ohne meine Muse neben mir, jemals zu werden hoffen dürfte.
Sie lächelte seltsam zu diesen Worten, seufzte ein wenig und sagte dann, ihre Hand wieder frei machend: Von allem, was Sie mir gesagt haben, lieber Freund, macht das letzte Argument den geringsten Eindruck auf mich. Sie haben mich durch Ihre Wahl so hoch geehrt, daß ich Ihnen nur durch volle Offenheit für Ihr Vertrauen danken kann. Ob ich als Ihre Frau wirklich die beneidenswerthe Rolle spielen würde, die Sie mir zutrauen, weiß ich nicht. Auf Ihre Production aber würde ich nicht den Einfluß haben, den Sie erwarten. Denn – Sie dürfen mir darum nicht böse werden – ich glaube gar nicht, daß Sie ein wirkliches Talent haben.
Ich war so verblüfft durch diese trockene Erklärung – ein Todesurtheil sans phrase – daß ich unwillkürlich meinem Pferd die Sporen gab, was es zu einem steilen Aufbäumen veranlaßte.
Als es sich wieder beruhigt hatte, fuhr sie uneingeschüchtert fort:
Sie werden sagen, darüber hätte ich kein Urtheil, und der Riesenerfolg strafe mich Lügen. Aber, bester Freund, bei aller Bescheidenheit muß ich mir doch sagen, daß es mein Erfolg war. Sie haben eine Rolle geschrieben, kein Drama, und wenn diese Rolle von einer Anderen gespielt worden wäre, die aus der unzulänglichen Skizze nicht erst ein volles Bild zu machen gewußt hätte, wäre das Publikum schwerlich von dem Ganzen überzeugt und hingerissen worden. Das gute Beste daran habe übrigens nicht ich gethan, sondern der Stoff. Ein wirklicher Dichter hätte aus diesem packenden Sujet etwas ganz Anderes gemacht, und die Leblosigkeit aller Nebenfiguren beweis't mir eben, daß Sie kein solcher sind, daß Sie nur zufällig einmal statt einer Niete einen Treffer gezogen haben, den Sie dann auch nicht auszubeuten wußten. Was Sie mir von Ihren anderen Arbeiten und Plänen erzählt haben, bestärkt mich darin. Sie sind – verzeihen Sie den harten Ausdruck – ein geistvoller Dilettant, aber das eigentliche Künstlerblut fließt nicht in Ihren Adern. Ich rede nicht von allem Ungeschickten, technisch Mangelhaften in Ihrem Stück, obgleich der richtige Dramatiker gleich vom ersten Anfang an Bescheid weiß, was auf der Bühne wirkt. Aber Ihre ganze geistige Anlage – nein, ich sage nichts weiter. Sie sind mir jetzt ohnehin böse genug. Und ich schätze Sie doch so sehr. Ich wollte nur die Illusion nicht aufkommen lassen, als ob ich etwas dazu beitragen könnte, Ihnen eine stolze Poeten-Zukunft zu verschaffen.
Während sie so lange und hastig sprach, immer bemüht, den schonendsten Ausdruck zu finden, hatte ich Zeit gehabt, mich zu fassen und mein verwundetes Selbstgefühl zu unterdrücken. Ich wollte eben erwidern, ich sei ihr für ihre Offenheit unendlich dankbar, ich sähe darin einen Beweis ihrer wahrhaft freundschaftlichen Gesinnung, aber – und so weiter; da fing sie wieder an:
Ich behaupte nicht, daß diese meine Ansicht richtig sei. Wer weiß, ob Sie mich nicht noch einmal beschämen. Wir vom Theater irren uns in der Regel über den Erfolg neuer Stücke. Warum sollte ich über die Zukunft eines neuen Dichters richtig prophezeien? Was ich aber ganz gewiß weiß, mein verehrter Freund, ist, daß ich nicht die wahre, große, besinnungslose Liebe für Sie fühlte, die über jedes andere äußere Bedenken sich hinwegsetzt und selbst den Verzicht auf eine Künstlerlaufbahn im Augenblick wenigstens leicht und gleichgültig macht.
Ich kann davon mitreden, denn einmal habe ich diese Liebe kennen gelernt. Und das sollen Sie jetzt erfahren. Ich war erst zwanzig Jahre alt, jetzt also liegen fünf Jahre dazwischen. Seit Kurzem hatte ich mich von meinem Vater getrennt und war auf meine eigne Hand nach Berlin gegangen, hatte dort im Wallnertheater ein kleines Engagement bekommen, für dritte Rollen. Und da, bei einem Sprung auf der Bühne, verstauchte ich mir den Fuß, achtet's erst nicht, bis ich am anderen Morgen vor Schmerzen den Fuß nicht aufsetzen konnte. Meine Zimmerfrau doctorte erst dran herum, es wurde aber nur schlimmer. Da holte sie einen Studenten, der auch im Hause wohnte, einen sehr hübschen, schwarzhaarigen Menschen und so schüchtern mir gegenüber wie ein Abendmahlskind. Nun, der heilte meinen Fuß in acht Tagen, während deren ich Zeit hatte, sein feines Gemüth und seinen ritterlichen Charakter kennen zu lernen. Als ich fragte, was ich ihm schuldig sei, wurde er blutroth, schüttelte den Kopf und wollte aus der Thüre. Da warf ich ihm die Arme um den Hals und küßte ihn, und seitdem waren wir unzertrennlich.
Er wollte mich heirathen, gegen den Willen seiner Eltern, die kleine Leute waren und Eine vom Theater nicht zur Schwiegertochter haben wollten. Er wartete nur sein Examen ab. Da vergiftete er sich bei einer Section, und in drei Tagen war Alles aus, und ich mußte mein kurzes Glück begraben.
Es hatte kaum acht Monate gedauert.
Seitdem haben mir Manche gesagt, daß sie mich besitzen möchten, in Ehren und Unehren. Auch die ehrbaren Bewerber wies ich ab. Ich konnte keinen lieben so recht von Herzen. Einen so ehrenvollen Antrag, wie den Ihrigen, habe ich nicht erhalten. Aber nun Sie wissen, daß ich eine »Vergangenheit« habe, werden Sie wohl selbst einsehen –
Ich unterbrach sie. Das könne meinen Sinn nicht ändern. Ich betrachtete sie nun als eine Wittwe und würde überhaupt ein eitler Narr sein, wenn ich glaubte, ich sei ihre erste Liebe.
Sie hielt ihr Pferd an und reichte mir mit einem warmen Blick die Hand.
Sie sind ein guter Mensch, sagte sie. Wenn mir nur um eine sogenannte Versorgung zu thun wäre, wenn ich überhaupt nur an mich dächte, könnte ich bei Niemand besser aufgehoben sein. Aber Sie wären's nicht bei mir. Denn wie gesagt, Sie kennen mich noch nicht. Wie ich Ihnen bisher erschienen bin, das ist nur eine Hälfte von mir, meine bessere Hälfte. Die schlimmere käme doch einmal zum Vorschein, und Ihre Frau Mama würde dann Recht behalten mit ihrer Abneigung gegen die hergelaufene Komödiantin, wenn sie auch eine Weile um ihres Sohnes willen gute Miene zum bösen Spiel gemacht hätte.
Denn sehen Sie, ich kann wirklich von mir sagen, zwei Seelen wohnen in meiner Brust, eine edle, gesittete, strebsame, mit der sich gut hausen läßt, und eine, die gern einmal über die Schnur haut. Wenn die mit mir durchgeht – hoffentlich kriegen Sie das nicht zu sehen – wird mein bester Freund an mir irre. Ich könnte mich z. B. auf Ihrem Gut in den Großknecht verlieben oder beim Erntefest Cancan tanzen oder decolletiert in die Kirche kommen. Daß ich so zwieschlächtig bin, ist die Schuld meiner Eltern. Mein Papa war von Hause aus Schullehrer, sogar auf einem Dorf. Als da einmal eine Schmiere Vorstellungen gab, wurde er vom Theaterteufel besessen und ließ sein Abcbuch und das spanische Röhrchen im Stich, um das armselige Wanderleben mitzumachen. Auch hatte er wirklich Talent und brachte es endlich zum Schmierendirector. In dieser Eigenschaft lernte er meine Mutter kennen, eine Wasserpolackin von großer Schönheit, ich bin nicht halb so hübsch; übrigens war sie ganz ungebildet und, ich fürchte, auch nicht allzu tugendhaft gewesen. Das gab nun nicht gerade eine Musterehe. Denn mein Papa, bei all seiner Wander- und Theaterlust, blieb doch immer ein Stück Schulmeister, wollte seine Frau bilden, was ihr widerwärtiger war, als wenn er sie geprügelt hätte. Hernach, als er sah, sie blieb zügel- und regellos, mußte ich seinen pädagogischen Schrullen still halten, was ich ihm noch im Grabe danke. Denn er brachte es dahin, daß ich nicht so ganz wild aufwuchs, wie wenn die Mutter allein Macht über mich gehabt hätte, und nur, als er mich geradezu streng hielt und jedes unschuldige Kokettieren mit hübschen Collegen oder Zuschauern mir untersagen wollte, hielt ich's eines Tages nicht mehr bei ihm aus und brannte ihm durch.
Die Mutter war schon ein paar Jahre früher gestorben. Sie hatte sich auf einer Bauernhochzeit gütlich gethan, zumal mit Trinken, und sich dann nicht abhalten lassen, in einem kalten Teich bei Nacht zu baden. Der Papa lebte noch, um mein Début mit anzusehen. Er hatte eine große Meinung von meinem Talent, das er als seine Erbschaft betrachtete. Nur daß ich seinen Namen nicht weitertragen wollte, um ihn unsterblich zu machen, nahm er mir sehr übel. Schon dieser Name aber war bezeichnend für die zwei Seelen in mir. Ludmilla Bratfisch – Sie begreifen, daß ich so in Berlin nicht auftreten wollte.
Aber der Name thut's freilich nicht. Auch Ludmilla Palm ist ein sonderbares Zwittergeschöpf geblieben, mit der ein correcter Ehemann Ihres Schlages betrogen wäre. Also nicht wahr? wir reden nicht weiter davon. Wir können ja darum erst recht gute Freunde bleiben, weil Sie es so gut mit mir gemeint haben und ich zu Ihrem Besten mich nicht darauf einlassen wollte.
*
Wir waren während dieser langen Aussprache sacht auf die Höhe des Weges gekommen, an die Grenze des Gebiets unseres gnädigsten Herrn, und sahen nun in das Nachbarländchen hinein, das im sonntäglichsten Sonnenglanz mit Feldern und Forsten wie eine reinlich ausgetuschte Landkarte vor uns lag. Am Fuß des sanft sich niedersenkenden Hügelzuges lag ein stattliches Haus, vor welchem allerlei ausgeschirrte Wagen standen; an der Seite dehnte sich ein Wirthsgarten, man sah an runden weißen Tischen bürgerlich gekleidete Leute sitzen und Kinder unter den Bäumen spielen.
Das ist das Schützenhaus, erklärte mir Ludmilla. Aus dem nahen Städtchen pilgern die Honoratioren an Sonn- und Feiertagen da hinaus, zuweilen ist auch Musik. Richtig, da hört man schon die Baßgeigen. Ich war schon einmal hier mit Seiner Durchlaucht, der sich aber auf dem fremden Grund und Boden nicht lange aufhielt. Nun wollen wir aber eine Viertelstunde rasten, die Pferde werden so durstig sein, wie ich selbst. Ich habe mich ganz heiß gesprochen.
Ich war, wie Sie denken können, nicht gerade dazu aufgelegt, unter diesem vergnügten Volk mich niederzulassen.
Was ich von ihr zu hören bekommen, hatte mich allzu hart getroffen. Zwei Lebenshoffnungen waren mir zerstört worden: ich sollte dieses wundersame Weib nicht besitzen und mich nicht einmal durch die keuschen Küsse der Muse für das versagte Liebesglück trösten lassen. Vielleicht war sogar die Wunde, die meine Dilettanteneitelkeit empfangen, brennender als die andere. Denn ganz gab ich die Hoffnung, sie dennoch mir geneigt zu machen, nicht auf.
So ritten wir langsam die Straße nach dem Schützenhause hinab. Ein Bursch, der sich Ludmilla's noch von ihrem ersten Besuch erinnerte, nahm uns die herrschaftlichen Pferde ab und versprach, gut für sie zu sorgen. Wir sahen uns dann in dem Baumgarten um, doch war kein Tisch frei, auch nicht in dem bretternen Gartenhäuschen, in das sich ein Liebespaar zurückgezogen hatte.
Also ging sie mir in den Saal voran, wo wir die feinere Gesellschaft fanden, lauter gute Bürger mit ihren Frauen und Kindern, denen man's am Gesicht ansah, daß sie die Flasche sauren Weins mehr anstandshalber, als weil er ihnen schmeckte, bestellt hatten. Die Frauen und Töchter tranken Kaffee und kalte Schale, alles saß im weiten Umkreis an den Wänden herum, damit die Mitte für die Tanzenden frei blieb. Auf einer niederen Bühne hatten die Musikanten Posto gefaßt, zwei Geigen, eine Clarinette und ein vom Alter ganz geschwächter Contrabaß, an dem ein kleines dürres Männchen herumfingerte, wie ein Affe an einem Kamel.
Ich wäre am liebsten gleich wieder umgekehrt, da ein blauer Qualm von schlechtem Tabak, gemischt mit dem süßlichen Duft billiger Parfums und Pomade, den Saal durchzog. Sie aber, obwohl sie ihr feines Stumpfnäschen rümpfte, schritt unbedenklich auf den einzig freien Tisch unter der Musikantenbühne zu und ließ sich daran nieder, obwohl die Schnurr- und Brummtöne über ihr geradezu erschütternd herabtönten. Wohl oder übel mußte ich folgen.
Ein Kellner eilte herbei, sie bestellte Kaffee und Kuchen. Ich zündete mir eine Cigarre an, rauchte heftig und sah vor mich hin. War mir doch alles gleichgültig in dem dumpfen Zustande, den diese Umgebung noch steigerte. Sie aber schien all' ihre beste Laune wiedergefunden zu haben.
Sie machte mich, während die tanzenden Paare an uns vorüberwirbelten, mit halblauten witzigen Glossen auf die verschiedenen drolligen Manieren der jungen Spießbürger aufmerksam und kritisierte die allerdings oft lächerlichen Toiletten der Mütter. Ich konnte nicht widerstehen; trotz meines Herzeleids riß ihre Munterkeit mich fort, während ich mir doch sagen mußte, welch ein reizendes Menschenbild an meiner Seite saß, das ewig für mich verloren sein sollte.
Auf einmal faßte sie mich am Arm.
Sehen Sie da drüben das wunderliche Paar, den schönen jungen Menschen, dem der aschblonde Haarschopf so tief über die weiße Stirn fällt, und die schwermüthigen Augen, und wie er den Hals in der blauen Cravatte windet, als säß' er in einem Halseisen? Das Fräulein neben ihm ist desto mehr von der Natur vernachlässigt und hat den Mangel durch eine auffallende Toilette und übertriebenen Goldschmuck ersetzen wollen. Sie gleicht schon jetzt der alten Dame neben ihr, nur daß sie noch ganz mager ist, der junge Mensch ist offenbar ihr Bräutigam, eine Geldheirath, die ihm in der Seele zuwider ist. Ja, wer sich verkauft, der muß es selber bezahlen.
In diesem Augenblick brachte der Kellner das Bestellte. Auf Ludmilla's halblaute Frage berichtete er, es sei allerdings ein Brautpaar, sie die Tochter eines reichen Spinnereibesitzers, er der Sohn des größten Herrenschneiders in der Stadt, daher sein flotter Anzug, er selbst aber rühre keinen Finger im Geschäft, er hätte auch eine weit Hübschere kriegen können, da er nicht aufs Geld zu sehen brauche, die Sache sei durch die Väter arrangiert, man bedaure allgemein den Bräutigam &c.
Ludmilla hatte kein Auge von dem jungen Provinzadonis verwandt, und wie er jetzt, augenscheinlich ungern, aufstand und das kleine, etwas schiefe Figürchen im Saale herumschwang, folgte sie dem ungleichen Paar mit lebhaftestem Interesse. Sie selbst war von den Beiden bemerkt worden, mit sehr verschiedenem Eindruck. Während das Mädchen der schönen Fremden eifersüchtige Blicke zuwarf und sich bemühte, eine gewisse Geringschätzung über ihr einfaches Amazonengewand an den Tag zu legen, wandte der junge Mann selbst während des Tanzes die Augen nach ihr zurück und starrte dann, als er wieder an seinem Tische Platz genommen hatte, mit unverhohlener Bewunderung zu ihr hinüber.
Was finden Sie nur an dem Gecken? flüsterte ich unmuthig, da auch sie ihn beständig fixierte. So ein müßiger Bursche, der das Geld seines Vaters durchbringt und sich mit einer solchen kleinen Vogelscheuche einläßt, bloß des schnöden Mammons wegen!
O, sagte sie, wir können nicht wissen, welchem Zwang er vielleicht gehorchen muß. Jedenfalls trägt er sein Joch schwer, und es wäre ihm zu gönnen, daß er sich noch frei machen könnte. Es ist wirklich Schade um so einen reizenden Jungen.
Indem setzte die Musik eben wieder ein, zu einem Galopp im schnellsten Tempo. Wie von einer unsichtbaren Macht emporgeschnellt, stand Ludmilla auf, und eh' ich noch fragen konnte, wohin sie wolle, war sie quer durch den Saal geschritten zu dem Tisch des Bräutigams. Ich sah, wie sie einige Worte an das Mädchen richtete, wie dann der Bräutigam sich rasch erhob, seine Handschuhe anzog und darauf, die schlanke Gestalt der Schauspielerin umfassend, sich mit ihr durch den Saal schwang.
Das ungewöhnliche Ereigniß, daß eine Fremde sich in den Tanz mischte, machte einen so lebhaften Eindruck, daß alle übrigen Paare zu tanzen aufhörten und an den Wänden stehend diesen Beiden zuschauten, die sich nun allerdings ein wenig anders ausnahmen, als alle Uebrigen.
Auch die Musikanten schienen zu fühlen, daß sie für solche Tänzer ein Uebriges thun müßten. Sie geriethen in einen so feurigen Zug, die Geigen klangen wie vom Sturmwind beflügelt, die Klarinette konnte kaum nachkommen, und der sonst so schläfrige Contrabaß machte die muntersten Sprünge. Sie ist eben eine Zauberin! seufzte ich vor mich hin. Alles muß ihr parieren. – Endlich ging den Instrumenten denn doch der Athem aus, da das Paar unermüdlich herumras'te. Als dann aber die Musik anhielt und sich zufällig eben die Saalthür öffnete, sah ich, wie sie dem jungen Menschen etwas zuraunte und sich dann mit ihm, immer noch im Takt des Galopps, ins Freie schwang.
*
Das schien mir denn doch etwas zu stark, und auch an den Gesichtern aller im Saal Zurückgebliebenen konnte ich die Miene höchster Befremdung und Mißbilligung bemerken. Ich sah, wie die Mutter der Braut heftig auf sie hineinsprach und das fahle Gesichtchen der kleinen Puppe sich röthete. Eine mitleidige oder boshafte Bekannte trat zu ihnen und flüsterte etwas, während sie mit dem Kopf nach der Thür wies, durch die das tanzende Paar verschwunden war. Selbst die Musikanten schienen über den sonderbaren Vorfall ihre klugen Glossen auszutauschen.
Welche Laune hatte das tolle Geschöpf angewandelt?
Ich ertrug es endlich nicht länger, ruhig abzuwarten, bis sie des Spiels müde geworden. Ich bezahlte unsern Kaffee und verließ den Saal.
Draußen im Garten konnte ich sie nicht entdecken. Aber die Blicke der anderen Gäste halfen mir auf die Spur. Sie waren alle nach dem Pavillon gerichtet, in dem vorhin das Liebespaar gesessen hatte. Deren Platz hatte nun Ludmilla mit ihrem Tänzer eingenommen. Sie saßen, in eifriges Gespräch vertieft, an dem kleinen Tisch sich gegenüber, und eben ergriff der schöne Schneiderssohn ihre Hand, die sie auf dem Tische liegen hatte, wie wenn er etwas bitten oder geloben wolle. Da sah sie zur Seite, erblickte mich und nickte mir unverlegen lächelnd zu. Dann stand sie auf, trat, den jungen Mann mit einer hoheitsvollen Geberde verabschiedend, aus dem Sommerhäuschen und schritt gerade auf mich zu.
Es wird spät, sagte sie. Wir müssen an den Rückweg denken. Verzeihen Sie, daß ich Sie eine Weile allein gelassen habe. Es war gar zu amüsant.
Sie wartete eine Erwiderung nicht ab, sondern ging mir voran dem Ausgang des Gartens zu. Auf der Schwelle der Saalthür, die eben geöffnet worden war, stand die verlassene Braut, mit einem Gesicht, das wahrhaft mitleidswürdig zwischen Zorn und Schmerz kämpfte.
Ihr Herr Bräutigam wartet auf Sie dort im Pavillon, sagte Ludmilla freundlich. Ich hab' ihn einen Augenblick Ihnen entführt, es war so heiß drinnen im Saal, ich liefere ihn aber unversehrt zurück. Guten Abend!
Damit ging sie an der Gesellschaft, die hinter dem gekränkten Fräulein ins Freie drängte, vorbei, rief dem Burschen, die Pferde vorzuführen, und setzte dann ihren schmalen Fuß in meine Hand, sich hinaufhelfen zu lassen. Sofort trieb sie ihr Pferd zu einem munteren Galopp an und schien unbekümmert um alle die Augen, die ihr nachstarrten, wie einer bösen Fee, die Unheil gestiftet hat.
Als ich sie eingeholt hatte, zog sie die Zügel an und ließ ihr Pferd im Schritt gehen. Das war einmal lustig, sagte sie, und Ihre mißbilligende Miene kann mir den Spaß nicht verderben. Dieser arme Junge! Es ist richtig, wie ich dachte. Der Vater hat gedroht, ihn zu enterben, wenn er das garstige Schätzchen verschmähte. Er fühlte sich wie erlös't, als er mit mir tanzte, und er war's, der mich dann ins Freie schwenkte. Wer ich wäre, wollte er wissen. Als ich's ihm gesagt, erklärte er, auch sein Wunsch sei gewesen, sich der Bühne zu widmen. Er habe schon ein paar Mal in einem Liebhabertheater gemimt. Nur sein Papa – O, sagt' ich ganz feierlich, wenn Sie das heilige Feuer im Busen fühlen, müssen Sie sich frei machen. Wie können Sie sich jetzt schon ins Ehejoch bücken, ein so hübscher Mensch, dem alle Wege noch offenstehen! Kommen Sie zu uns, ich empfehle Sie dem Fürsten, ich gebe Ihnen Unterricht, in einigen Jahren werden Sie schon für kleine Rollen – und so weiter. Er strahlte vor Glück und Verehrung und Zärtlichkeit, er war eben im Begriff, mir ewige Liebe und Treue zu schwören, da kamen Sie mir zu Hülfe. Denn allzuweit wollte ich den Spaß nicht treiben.
Sie lachte übermüthig. In diesem Augenblick kam mir ihr Mund geradezu häßlich vor.
Sie haben's, fürcht' ich, schon zu weit getrieben und den Menschen nun auf dem Gewissen. – Und ich hielt ihr eine längere Strafrede, über die sie erst lachen wollte; dann aber wurde sie ernsthaft und sagte zuletzt:
Sie mögen ja Recht haben, lieber Freund. Aber was wollen Sie? Ich konnte es nicht mitansehen, wie der hübsche Junge schon jetzt sich unter dem Pantoffel krümmte. Und dann – ich sagt' es Ihnen ja – auch wenn's noch viel schlimmer gewesen wäre, ich konnte nicht widerstehen, das wasserpolackische Blut riß mich fort. Und nun werden Sie auch einsehen, »so was« heirathet man doch nicht, zumal wenn man ein correcter Gentleman ist und tugendhafte Grundsätze hat. Uebrigens ist's Schade, daß ich Sie nicht liebe; Sie hätten eine herrliche Geliebte an mir, und einer solchen ließen Sie ja auch Manches durchgehen, was man seiner Gemahlin nicht verzeiht. Nun aber, bitte, reden wir nicht mehr davon!
*
Wir hatten leider doch noch davon zu reden. Nicht von meiner hoffnungslosen Werbung, aber von dem Vorfall im Schützenhause.
Am anderen Tag, da wir uns an der Table d'hôte zusammenfanden, war sie sehr schlecht gelaunt.
Sie haben Recht behalten, sagte sie leise zu mir. Denken Sie, dieser wahnsinnige Mensch! Heut Morgen, ich war noch im Schlafrock, bringt mir das Mädchen eine Karte »Alfred Kasimir«. Kenn' ich nicht. Nehme von Unbekannten keine Besuche an. Gleich darauf klopft's, ich unbesonnener Weise, rufe herein! Da stürmt mir mein gestriger Tänzer ins Zimmer, mit einem riesigen Blumenstrauß, fällt mir zu Füßen, sprudelt mit glühenden Backen, was ihn gerade nicht verschönerte, so was wie eine Liebeserklärung heraus, er habe die verhaßte Fessel gelös't, er hoffe natürlich nicht gleich auf Gegenliebe, erst wenn er auch ein großer Künstler geworden wäre. –
Sie können denken, daß es mich Künste gekostet hat, den armen Narren halbwegs wieder zur Vernunft zu bringen. Am meisten schmerzte ihn, daß ich ihm jede Hoffnung raubte, als Schauspieler es zu etwas zu bringen. Schon weil er das Theater-R nicht besäße. Und dann mußte er mir versprechen, seine Braut und den eignen Papa zu versöhnen. Ich will nicht Schuld daran sein, daß der gute Junge enterbt wird. Auch schien er mir heut Morgen ganz uninteressant und lange nicht mehr so hübsch. Ich merkte, daß es nicht Schade darum ist, wenn er ein philisterhafter Spießbürger bleibt, wie alle seine Kameraden.
Mit diesem fatalen Nachspiel war's aber leider noch nicht zu Ende.
Wir saßen noch bei Tische, da wurde Ludmilla ein Brief gebracht, der den Poststempel des Nachbarstädtchens trug.
Sie las ihn, und ein Schatten fiel über ihr Gesicht. Dann lachte sie etwas gezwungen auf und reichte mir das Blatt.
Es war ein grober Schmähbrief, natürlich anonym, in welchem sie gefragt wurde, ob sie denn an ihren vielen Liebhabern am fürstlichen Hose und in der Residenzstadt noch nicht genug habe und sich noch Anbeter in der Nachbarschaft suchen müsse. Sie möge sich in Acht nehmen, der Krug gehe so lange zu Wasser, bis er breche &c.
Ich gab ihr das Blatt mit stummem Achselzucken zurück. Ich lege dies zu dem Uebrigen, sagte sie. Ich habe schon eine hübsche Sammlung anonymer Briefe. Ein Philosoph könnte darin den Stoff zu einer Abhandlung über die menschliche Bosheit schöpfen.
Nachmittags besuchte ich den Intendanten, den ich fragen wollte, wann er mein Stück wieder anzusetzen gedächte. Er wies mich deßhalb an Ludmilla. Was aber fällt dem Teufelsmädchen ein? sagte er. Die macht ja schöne Geschichten. Und nun erzählte er mir, was ich gestern miterlebt hatte, aber in der Entstellung durch das böswillige Gerücht, das bereits in allen Häusern herumgegangen war.
Danach hätte sie mit einem verlobten jungen Manne so lange kokettiert, bis er seine Braut habe sitzen lassen, um nur mit ihr zu tanzen. Zuletzt habe er sie in einen Pavillon geführt, Champagner kommen lassen und sich eine Stunde lang mit ihr eingeschlossen. Und dann sei sie mit erhitztem Gesicht und zerzaus'ten Haaren allein herausgekommen, die Braut sei in Ohnmacht gefallen, und was dergleichen Ausschmückungen mehr waren.
Ich hütete mich, meiner Freundin davon zu sagen. Sie war schon gestraft genug und blieb bis zum Abend für sich allein. Als sie mir dann aber wieder begegnete, war ihr Gesicht durch einen bitteren Zug entstellt. Sie erzählte mir, daß sie gegen Abend noch zwei anonyme Briefe, und zwar aus der Stadt erhalten hatte, die von jener Scene im Schützenhause Anlaß nahmen, auf die empörendste Weise sie zu verunglimpfen. Vergebens suchte sie die Sache leicht zu nehmen. Sie wisse, daß eine Schauspielerin, die den Männern gefalle, auf die Feindschaft der Frauen gefaßt sein müsse. Ihre Collection sei um zwei werthvolle Nummern vermehrt worden. Es gelang ihr aber nicht, ihre gewöhnliche Munterkeit wiederzuerlangen. Und als sie vollends im Inseratentheil des »Anzeigers« ein Gedicht fand, das in hämischer Weise auf den Vorfall Bezug nahm, sah ich, daß ein paar helle Tropfen unter ihren langen Wimpern vortraten, die sie vergebens zurückzudrängen suchte.
Glauben Sie nicht, raunte sie mir zu, daß mich diese elenden Pöbelangriffe schmerzen. Ich weine nur aus Ekel und Ingrimm, und weil ich mich selbst verachte, daß ich vor solchem Gefindel meine heilige Kunst prostituiere.
Aber sie sollen mich kennen lernen!
*
Ich wußte nicht, wie sie das meinte. Ich sprach ihr zu, an diese armseligen versteckten Angriffe keinen Gedanken zu verschwenden: wenn sie als Jungfrau von Orleans aufträte, würde sie einen Triumph feiern, der alle bösen Zungen zum Schweigen brächte.
Sie ließ mich reden und blieb bei ihrem Sinn.
In dieser Woche fand ein Wohlthätigkeitsconcert statt, bei dem sie mitzuwirken versprochen hatte. Der Rathhaussaal, der zu diesem Zweck mit Laubwerk und Kränzen geschmückt worden war, konnte nicht Alle fassen, die theilnehmen wollten. Denn die Honoratioren der Stadt betheiligten sich nicht nur mit ihrem Eintrittsgelde, sie stellten auch die concertierenden Kräfte in singenden und klavierspielenden Töchtern und einem Dilettantenquartett geigender Bürgerssöhne.
Ludmilla hatte zugesagt, Schiller's Glocke zu recitieren. Als sie das Podium betrat, empfing sie eisiges Schweigen, während man alle Anderen, die vor ihr aufgetreten waren, mit lebhaftem Klatschen begrüßt hatte. Sie verneigte sich trotzdem mit einem liebenswürdigen Lächeln und sah dabei in ihrem bis an den Hals gehenden weißen Seidenkleide zum Entzücken aus, so daß schon ein paar junge Leute, trotz des mütterlichen Verbots, Miene machten, das Versäumte nachzuholen, als sie schon mit ihrer schönen vollen Stimme die Recitation begann.
Ich habe das Gedicht mehrfach und von berühmten Sprechern vortragen hören, nie so herrlich und mit so unwiderstehlicher Wirkung. Als sie geendet hatte, war denn auch das Eis gebrochen, und eine Hochflut von Beifall, ein wahrer Sturm braus'te durch den Saal. Sie verneigte sich nun kurz zum Dank und verließ rasch die Bühne. Aber man klatschte so wüthend, es schien, man schämte sich nun doch, eine solche Künstlerin unwürdig behandelt zu haben, und wurde nicht müde, ihren Namen zu rufen, bis die kleine Thür sich endlich wieder öffnete und sie an den Rand des Podiums vortrat. Da stand sie ein paar Secunden lang, den Kopf hoch aufgerichtet, und ließ die Augen stolz über das erregte Publikum schweifen. Dann hob sie ein wenig die Hand und sagte, da Alle gespannt auf ihre Worte lauschten: Ich danke für den freundlichen Beifall, der natürlich mehr dem unsterblichen Gedicht, als meinem bescheidenen Vortrag gegolten hat. Jedenfalls ist es mir lieber, wenn ich doch einmal beklatscht werden soll, daß es, wie heute, mir ins Gesicht geschieht, als, wie sonst in dieser Stadt Brauch ist, hinter meinem Rücken.
Eine Todtenstille folgte auf diese Rede, die ganz gelassen vorgebracht und mit einer stolzen Verbeugung begleitet wurde. Als die Sprecherin dann verschwunden war, lief ein Gemurmel, Gezischel und Geraune durch die Versammlung, das nicht zur Ruhe kam, auch als das Haydn'sche Quartett als letzte Nummer des Programms seine ersten Tacte ertönen ließ.
Hernach, als wir uns nach dem Concert im Speisesaal unseres Gasthofs wiederfanden, – sie auf ihrem Zimmer zu besuchen, hatte sie mir streng verboten – war sie noch in der Stimmung des Triumphs.
Hab' ich's gut gemacht? fragte sie und glänzte mich an.
Wundervoll! sagte ich. Ich habe die Glocke nie so wahrhaft künstlerisch vortragen hören, die Uebergänge aus dem Ton des Meisters in die reine Lyrik nie so fein und alles in eins verschmolzen.
Unsinn! sagte sie. Davon red' ich nicht. Wer kann das Unmögliche möglich machen, all' die hohe Dichterweisheit aus der Seele und Kehle eines einfachen Glockengießers hervorgehen lassen! Nein, meinen Speech am Schluß mein' ich. Ich bin so froh, ich hab s ihnen gut gegeben, nicht zu viel und nicht zu wenig.
Wenn es Ihre Absicht war, es für immer mit diesen Biederweibern zu verschütten, konnten Sie's nicht geschickter anfangen, sagte ich.
Sie lachte. Es ist mir sehr gleichgültig, ob sie mich nun erst recht beklatschen. Einmal mußt' es heraus. Ich wäre sonst erstickt. Aber horch! Was ist das?
Unter unseren Fenstern begann eine schöne leise Nachtmusik, wir horchten eine Weile, dann sagte sie: Das wird dem Faß den Boden ausstoßen. Die Männer nehmen offen für mich Partei gegen die Frauen. Sehen Sie, wie die jungen Leute unten um die Musikanten herumstehen und zu unsern Fenstern heraufschmachten. Ich muß mich doch meinen Freunden zeigen.
Sie wartete nur, bis das Stück zu Ende war, dann riß sie das Fenster auf, verneigte sich mit ihrer ganzen Anmuth und rief, mit den Armen weit hinauswinkend: Taufend Dank für die schöne Musik! Ich fühle mich unendlich geehrt und beglückt! – Hoch Ludmilla! scholl es von unten zurück, die Musikanten fielen mit einem Tusch ein, der Platz unten füllte sich immer mehr, sie wandte sich lachend zu mir um und sagte: Nicht wahr, einer regierenden Fürstin könnten ihre getreuen Unterthanen nicht begeisterter huldigen?
Ich gönnte dem lieben Wesen ihre Genugthuung, konnte mich aber eines bangen Vorgefühls nicht erwehren, als ob sie auch diese glückliche Stunde mit allerlei Unholdem würde bezahlen müssen. Und mein prophetisches Gemüth sollte leider Recht behalten.
Am nächsten Tage wurde sie für den Nachmittag zur Audienz bei Ihrer Durchlaucht befohlen. Als sie zum Gehen gerüstet war, begegnete ich ihr vor ihrem Zimmer. »Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang!« scherzte ich. Sie zuckte die Achseln. Den Kopf wird's nicht gleich kosten, und im schlimmsten Fall – ich bin ja keine Leibeigene und die Welt ist weit.
So ging sie, und ich erwartete mit Ungeduld ihre Rückkehr.
Es wurde spät, bis ich sie die Treppe wieder heraufkommen hörte.
Ich ging ihr entgegen. Nun, wie ist's gegangen? rief ich. Sitzt der Kopf noch fest?
Fester als je. Aber kommen Sie in mein Zimmer. Jetzt, wo ich meine Schiffe verbrannt habe, brauche ich für meinen Ruf ja nicht mehr besorgt zu sein.
Ich folgte ihr hinein, es sah höchst unordentlich in dem großen Zimmer aus, vertrocknete Kränze und Bouquets auf der Kommode, Hüte und Kleider über das Bett geworfen; ein paar ausgeschriebene Rollen fegte sie vom Sopha weg, um mir neben sich darauf Platz zu machen. Und nun erzählte sie.
Sie war gleich bei der Fürstin vorgelassen worden, die würdige Dame hatte sie aber mit einem steinernen Gesicht empfangen und ohne weitere Vorrede sich angeschickt, ihr über das mehrfache Aergerniß, das sie gegeben, eine strenge Predigt zu halten. Sie hatte ihren Bossuet mit Nutzen studiert. Alles brachte sie zur Sprache, den Auftritt im Schützengarten, ihre Ansprache nach dem Concert, sogar die Serenade benutzte sie, um die verwerflichen kleinen Künste zu tadeln, mit denen sie die Männer an sich zu ziehen suche. Und sie hätte doch das beste Vorbild, wie man sich zu betragen habe, um ohne Furcht und Tadel durch die Welt zu gehen. Gott habe ihr die Gnade erwiesen, sie in Kreise zu bringen, in die Nähe, ja Intimität mit Personen, die – und so weiter.
Ich hatte das alles, sagte sie, in stummer Zerknirschung, mit niedergeschlagenen Augen wie in der Kirche angehört, dabei an ganz andere Dinge gedacht, man schien mit meiner demüthigen Haltung zufrieden zu sein, und was sollte ich auch sagen, um der guten Dame, die über die Schranken ihrer Etikette nie hinausgeblickt hatte, meinen Standpunkt klar zu machen? Es langweilte mich nur, das süßliche Parfüm, das von ihr ausströmte, machte mir übel, ich sehnte mich nach der huldvoll ausgestreckten Hand, die mich absolvieren und nach dem ehrfurchtsvollen Handkuß entlassen würde. Da trat Serenissimus selbst herein, etwas erhitzt von einem Ritt, in der heitersten Laune, die sich aber sogleich in landesväterlichen Ernst verwandelte, als er mich wie eine arme Büßerin auf dem Tabouret der Fürstin gegenüber sah.
Nun, liebe Constanze, sagte er, hast du unseren jungen Wildfang ins Gebet genommen? Hoffentlich nicht allzu streng. Wir müssen bedenken, sie ist denn doch an fond ein Theaterkind mit etwas Bohèmeblut in den Adern – einer genialen Natur muß man Manches hingehen lassen – und wenn sie nur lernen wird, die Dehors zu wahren. –
Damit trat er an mich heran und klopfte mir mit zwei Fingern seiner rechten Hand auf die Backe. War es diese Liebkosung, die ich wie eine Insulte empfand, oder der herablassende Ton, was mich empörte, genug, ich fuhr von meinem Sitz in die Höhe und sagte: Ich danke den Herrschaften für gnädige Straf'! Wenn ich bisher die Dehors nicht hinlänglich gewahrt habe, so kam es nur daher, daß mir die Dedans wichtiger waren und ich trotz meines Theaterbluts es verschmähte, im Leben Komödie zu spielen. Ich werde mich bemühen, auch das Talent zum Heucheln in mir auszubilden, und bitte unterthänigst um Nachsicht mit meiner geringen Begabung dafür.
Nach diesen Worten, auf die beide hohe Gatten in verblüfftem Schweigen verharrten, machte ich meinen tiefsten Hofknix und zog mich in höchst correcter Haltung zurück. Als ich aber die Flügelthür hinter mir sacht geschlossen hatte, blieb ich stehen, drehte mich um und – Sie werden sich entsetzen – streckte die Zunge gegen das fürstliche Boudoir aus. Es war stärker als ich, all' die fade Heuchelei und die verlogene Tugendsimpelei schnürten mir die Kehle zu, ich mußte mir mit einer Ungezogenheit das Herz erleichtern.
Leider aber hatte ich nicht bemerkt, daß der Kammerdiener Seiner Durchlaucht im Vorzimmer lauerte. Der Mensch ist mein geschworener Feind. Meine Vorgängerinnen hatten sich beeilt, seine Gewogenheit sich zu erkaufen. Das hatte ich versäumt, da ich kein Interesse daran hatte. Nun sah ich, als ich an ihm vorbeiging, den tückischen Blick, mit dem er mir schadenfroh seine Reverenz machte. Sofort wußte ich: in den nächsten zehn Minuten sind die Herrschaften davon unterrichtet, mit welcher haarsträubenden Grimasse ich mich von ihnen beurlaubt hatte.
Sie schwieg einen Augenblick und wandte sich dann mit einem liebenswürdigen Lächeln zu mir.
Seien Sie meinetwegen nicht betrübt, lieber Freund. Sie sehen ein, meine Rolle hier ist ausgespielt. Nach Allem, was geschehen ist, würde mich selbst Serenissimus nicht halten können –, auch wenn ich mich jetzt auf Gnade und Ungnade ihm ergeben wollte. Dazu habe ich weniger Lust als je, und der Haß und Zorn von Philisterweibern ist noch unsterblicher, als ihre Dummheit. Also heißt's, sein Bündel schnüren und den Staub dieser Stadt von den Füßen schütteln. Wohin der Wind mich wehen wird, weiß Gott. Mir ist nicht bange um mich: Unkraut vergeht nicht. Zunächst kann ich's eine Weile aushalten, auch ohne Engagement. Denn – nun, daß ich meinen Platz überall ausfülle, werden Sie mir bezeugen können. Ich werde mich um Gastspiele bemühen. Wenn ich in Ihrem Stück auftrete – Sie erlauben mir's doch? – bin ich meines Erfolges sicher. Also hören Sie wohl noch von mir. Jetzt aber muß geschieden sein. Ich habe zu packen. Und morgen mit dem Frühzug –
Schon morgen! rief ich in höchster Bestürzung. Und wohin wollen Sie? Wohin es auch sei, ich begleite Sie.
Das wäre ein schlechter Dienst, den Sie mir und sich erwiesen. Damit es hieße, ich hätte mich von Ihnen entführen lassen! Bedenken Sie, was Ihre Frau Mutter dazu sagen würde! Nein, theurer Freund, wir trennen uns ganz vernünftig gleich jetzt, auch morgen früh dürfen Sie nicht mit einem Blumenstrauß an die Bahn kommen, hören Sie? Sie haben mir viel Freundliches erwiesen, viel Freundschaft, das werde ich Ihnen nie vergessen. Auch Sie werden mir ein dankbares Andenken bewahren; habe ich Sie doch abgehalten, eine große Dummheit zu begehen, die Sie lebenslang bereut haben würden. Und somit – adieu!
Sie faßte meine Hand und stand auf. Ich erhob mich mechanisch. Daß es die letzte Stunde sein sollte, in der ich ihre Augen sah, ihre Stimme hörte, konnte ich nicht fassen. Als wir die Thür erreicht hatten, umarmte sie mich herzlich und küßte mich dreimal auf den Mund. Dann drängte sie mich hinaus und schob hinter mir den Riegel vor. Es war geschehen, ich hatte sie verloren.
*
Wir hatten uns schon seit einer guten Weile auf einer Bank unter den hohen Bäumen der Allee niedergelassen. Nun verharrte er, nachdem er das Letzte gesagt, wohl zehn Minuten in Schweigen und Sinnen, worin ich ihn nicht stören mochte. Ein feuchter Glanz war in seine Augen getreten, die ganze leidenschaftliche Stimmung, in der er jenes Abenteuer durchlebt hatte, schien sich seines Gemüths wieder bemächtigt zu haben.
Endlich riß er selbst sich aus diesem Brüten heraus, sah nach der Uhr und stand dann rasch auf.
Wir müssen nach der Stadt zurück, wenn wir nicht zu spät zum Festtheater kommen wollen. Gut, daß sie nicht die Iphigenie aufführen. Ich habe seither mich nie wieder entschließen können, das Stück zu sehen, und könnte es heute noch weniger.
Ihre Freundin, sagte ich, muß kein glückliches Loos gefunden oder dem Theater früh entsagt haben. Bei ihrem Talent hätte ich doch wohl von einer Ludmilla Palm gehört, wenn sie der Bühne treu geblieben wäre. Sind Sie selbst ihr nie wieder begegnet?
Doch, sagte er mit schwermüthigem Nicken, ein einziges Mal, etwa sechs Jahre nach all diesen Ereignissen. Ich war inzwischen längst verheirathet, glücklicher Gatte und Vater und eifriger Landwirth geworden. Die unglückliche Passion für das Dramenschreiben hatte ich an den Nagel gehängt. Wenn sich so was wie ein Rückfall in diese Kinderkrankheit melden wollte, brauchte ich nur an Ludmilla's Kritik meines erfolgreichen »Zugstücks« zu denken; sogleich war ich von diesem Fieber wieder geheilt.
Da führten mich einmal Geschäfte nach Berlin. In der Charlottenstraße, nahe beim Schauspielhause, sehe ich eine weibliche Gestalt mir entgegenkommen, die bei meinem Anblick stutzt, mit halb zugedrückten Augen mich forschend anblickt und dann rasch mit ausgestreckter Hand auf mich zu eilt.
Sie war's, meine alte Freundin, über und über erröthend in der Freude des Wiedersehens. Ich kam mir wie ein armer Sünder vor, daß mir das Herz bei ihrem Händedruck nicht mehr so stürmisch klopfte.
Aeußerlich war sie wenig verändert, nur etwas magerer die Wangen und nachlässiger in der Kleidung.
Ob sie hier am Schauspielhaus engagiert sei, fragte ich. Sie schüttelte lächelnd den Kopf. So hoch hinaus dürfe sie nicht mehr wollen. Sie habe vergebens bei allen größeren Bühnen angeklopft, freilich mitten in der Saison, nirgend habe man Herein! gerufen. Die ersten Fächer – und andere seien ihr zu gering gewesen überall besetzt, ihr leidenschaftlicher Wunsch, die Jungfrau von Orleans zu spielen, habe nirgend Gehör gefunden. Da endlich, als ihr bischen Erspartes aufgezehrt, habe sie sich entschlossen, in Frankfurt an der Oder ein Engagement anzunehmen, wo die erste Heldin und Liebhaberin durch Mutterfreuden für einige Monate dienstunfähig geworden sei. Da habe sie sich denn einmal recht satt spielen können, sei dann auch an andere Provinzbühnen gekommen und habe viel Gutes und Böses erfahren. Von letzterem mehr, wie ich ihr wohl ansähe. Und als sie wieder einmal ohne Stellung war, sei ihr ein Zeitungsblatt in die Hand gekommen, eine Annonce darin, in der ein älterer Herr eine Vorleserin gesucht habe, die auch des Französischen mächtig sei.
Ich bin dann augenblicklich nach Berlin gefahren, sagte sie, und hatte das Glück, Gnade vor den Augen dieses Millionärs zu finden, die noch nicht so ganz verdunkelt waren, daß er nicht an den Beaux-restes meines ehemaligen »angenehmen Aeußeren« Gefallen gefunden hätte. Desgleichen an meinem Französisch, Vormittags zwei Stunden Zeitungen, gegen Abend drei Stunden französische Lectüre, Gottlob nicht wieder Bossuet, sondern Romane. Also endlich ein festes Engagement mit einer sehr anständigen Gage, bei der ich nur eine einzige Rolle spiele, eine, die Ihnen vielleicht meiner nicht würdig scheinen wird – die Rolle einer Erbschleicherin.
Ja, lachte sie, als sie meine betroffene Miene sah, ich könnte es zu etwas weit Höherem bringen, aber da sind wieder die zwei Seelen, die in meiner Brust wohnen, im Wege. Der alte Herr – er ist übrigens erst sechzig – hat mir nämlich einen ganz ehrenvollen Heirathsantrag gemacht. Die eine der beiden Seelen, die gemeine wasserpolackische, redete mir zu, einzuwilligen, die andere, vornehme, aber unkluge, fühlte sich empört, daß ich mich verkaufen sollte. Habe ich doch damals Ihre Frau nicht werden wollen, weil ich Sie nicht so liebte, wie meinen armen Studenten. Und so bedankte ich mich für die mir zugedachte Ehre und beschloß, mich in das Testament des guten Mannes einzuschleichen. Er hat noch eine Tochter, die aber an einen Geldsack verheirathet ist und sich gegen den Papa sehr herzlos beträgt. Aus der schlauen Absicht, deren Erbtheil zu verkürzen, mach' ich mir gar kein Gewissen. Und so ist es immerhin möglich, daß ich Sie noch einmal in einer eignen Equipage mit zwei Vollbluttrakehnern auf Ihrem Gut besuche und Ihrer Frau Gemahlin das Vergnügen mache, eine Jugendliebe ihres Mannes kennen zu lernen, die zu seinem und ihrem Glücke mehr Vernunft gehabt hat, als er.
Wir trennten uns heiter, mit der Verabredung, daß ich sie Abends in eine Theaterloge führen sollte. Ein Telegramm rief mich nach Hause, wo eins der Kinder erkrankt war. So blieb es das letzte Mal, daß wir uns begegnet waren. Ihre Hoffnung aber, noch einmal Capitalistin zu werden, ging nicht in Erfüllung. Wenigstens las ich schon zwei Jahre später in der Zeitung, daß beim Untergang eines Dampfers, der nach Amerika fuhr, auch eine ehemalige Schauspielerin, die dort habe auftreten wollen, Fräulein Ludmilla Palm, verunglückt sei.
So war der Kampf der beiden Seelen in ihrer Brust zu dem Frieden gekommen, den sie im Leben nie gefunden haben würde.
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