Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Ein Platz in Venedig, der im Hintergrunde an die offene Lagune stößt. Nach links vorne geht eine kleine, enge Gasse mit einem Bogen überwölbt, ebenso geht rechts eine schiefe, schmale Gasse. Im Erdgeschosse eines Eckhauses links ist ein Kaffeehaus, das erleuchtet ist und worin einige Gäste Billard spielen; vor diesem stehen kleine Tische im Freien. Der Platz ist mit Laternen beleuchtet. In einem kleinen Hause, das mit einer Seite in dem Gäßchen rechts, mit einer gegen den Platz heraussteht, ist im ersten Stock ein Zimmer erleuchtet.

An den Tischen sitzen: links Graf Prampero und seine Frau und rechts gegen die Mitte des Platzes Herr Paretti. Weiter rückwärts ein paar Schachspieler; ferner Lavache, ein Mann unbestimmten Alters in einem dürftigen, bis an den Hals zugeknöpften Mantel, der eifrig schreibt und eine große Menge beschriebenen Papieres vor sich hat. Mehrere Tische sind leer. Benedetto, der Oberkellner, steht bei den Schachspielern. Tofolo, der Kellnerbursche, bedient. Teresa sieht aus dem erleuchteten Fenster des kleinen Hauses, man sieht sie dann ein schwarzes Tuch um die Schulter schlagen.

 

Lavache

Herr Benedetto, darf ich Sie noch um etwas Papier bitten? Sie werden Ihre Großmut nicht bereuen.

Benedetto

winkt Tofolo Schreibpapier dem Herrn Lavache!

Graf Prampero

ein mit dürftiger Eleganz angezogener, sehr hagerer, alter Mann zu seiner Frau, nachdem er auf die Uhr gesehen Wünschst du noch zu bleiben oder soll ich –

Die Gräfin

eine sehr blasse Dame, um dreißig Jahre jünger als ihr Mann, zuckt die Achseln und sieht ins Leere

Der eine Schachspieler läßt eine Figur hinunterfallen. Graf Prampero steht eilig auf und überreicht sie, indem er den Hut abnimmt, dem Schachspieler. Der Schachspieler nickt dankend und spielt weiter. Teresa kommt aus dem Hause, steht in der Mitte und sucht Benedettos Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Graf Prampero

zu seiner Frau Es ist mehr als eine Woche, daß wir Florindo hier nicht gesehen haben.

Die Gräfin gibt keine Antwort.

Graf Prampero

Er scheint seine Gewohnheiten geändert zu haben.

Seufzt.

Die Gräfin gibt keine Antwort.

Graf Prampero

Es kann sein, daß man ihm begegnen würde, wenn man länger bliebe.

Sieht nach der Uhr.

Die Gräfin

Ich denke nicht daran. Warum sprichst du von ihm? Ich möchte wissen, was Herr Florindo uns angeht. Ich gehe fort.

Graf Prampero

Sofort. Darf ich dich nur um die Gnade bitten, einen Augenblick zu warten, bis ich Benedetto rufe? Benedetto, ich zahle.

Benedetto

zu dem Schachspieler Sie haben unverantwortlich gespielt, Herr. Man kann Ihnen nicht zusehen.

Geht langsam nach rechts zu Teresa.

Graf Prampero

mit erhobener, aber schwacher Stimme Benedetto!

Benedetto

Ich komme!

Tritt zu Teresa.

Tofolo bringt Lavache Schreibpapier, stößt dabei dessen Hut herunter. Graf Prampero steht auf, hebt den Hut auf, staubt ihn mit seinem Taschentuch ab und überreicht ihn dem Schreiber.

Lavache

Mein Herr, ich danke Ihnen sehr.

Graf Prampero

grüßt höflich. Die Gräfin sitzt unbeweglich und sieht finster vor sich hin.

Benedetto

Tofolo zurufend Frisches Wasser dem Herrn Paretti!

Teresa

zu Benedetto Wie ists mit dem Paretti?

Benedetto zuckt die Achseln.

Teresa

Er will nichts hergeben?

Benedetto

Gib acht, er ist mißtrauisch wie ein Dachs.

Teresa

Also?

Benedetto

Ich habe getan, was ich konnte.

Teresa

Ich bin drinnen schon auf Kohlen gesessen.

Benedetto

Er wollte vom Anfang an nicht.

Teresa

Am Anfang macht er doch immer seine Komödien.

Benedetto

Ich habe den Eindruck, für jeden andern als für Florindo wäre etwas zu machen.

Teresa

Was soll er gerade gegen Florindo haben?

Benedetto

Ich weiß nicht. Eine Laune, ein Mißtrauen. Mit Frauen und mit Wucherern lernt man nicht aus.

Teresa

Wenn er vom Anfang an nicht gewollt hätte, so wäre er nicht gekommen. Er setzt sich nicht ins Kaffeehaus, um kein Geschäft zu machen. Du darfst ihn nicht auslassen.

Graf Prampero

aufstehend Benedetto!

Benedetto

ohne sich zu regen Ich komme, Herr Graf, ich bin auf dem Wege zu Ihnen!

Teresa

Wenn er kein Geld gibt, so muß er anderes geben. Juwelen, Möbel, Ware, was immer.

Benedetto

Würde Florindo Ware nehmen?

Teresa

Sehr ungern natürlich, aber man nimmt schließlich, was man bekommt. Und es eilt.

Benedetto

Du bist mir rätselhaft.

Teresa

Du hast mir versprochen, daß du es machen wirst.

Benedetto

Wenn du noch mit ihm wärest – Aber alles für seine schönen Augen?

Teresa

Das verstehst du nicht. Er wird prolongieren müssen, ich werde es vermitteln. Er wird Ware übernehmen müssen, ich werde zu tun haben, sie für ihn zu verkaufen. Er wird zu mir kommen, wäre es nur um seinen Ärger auszulassen.

Benedetto

Du verlangst nicht viel.

Graf Prampero macht alle Anstrengungen, Benedetto herbeizuwinken.

Benedetto

Gewiß, Herr Graf, ich komme.

Bei Pramperos Tisch

Wir haben also die Mandelmilch der Frau Gräfin und was darf ich noch rechnen?

Graf Prampero

Sie wissen ja, Benedetto, daß ich abends nichts zu mir nehmen darf.

Gibt ihm eine Silbermünze.

Benedetto

Sehr wohl!

Gibt aus einem Schälchen Kupfermünzen zurück, geht dann zu Teresa hinüber.

Teresa

Das wäre was, wenn es einem Menschen wie dir nicht gelingen sollte, einen solch alten Halunken herumzukriegen. Brr, das Gesicht!

Benedetto

Ein sehr gutes Gesicht für sein Gewerbe. Sein Kopf ist so viel wert wie ein diskretes Aushängeschild. Er sieht aus wie der wandelnde Verfallstag.

Graf Prampero

zu seiner Frau Wenn es dir jetzt gefällig ist, meine Liebste –

Die Gräfin fährt aus ihrer Träumerei auf.
Graf Prampero reicht ihr ihr Täschchen.
Die Gräfin steht auf.

Graf Prampero

Wird dir der gewöhnliche kleine Rundgang belieben? Ich würde gerne beim Uhrmacher meine Uhr vergleichen. Oder der direkte Weg nach Hause?

Die Gräfin

Es ist mir namenlos gleichgültig.

Graf Prampero grüßt die übrigen Gäste, sie gehen über die Bühne und verschwinden in dem Gäßchen rechts.

Benedetto

zu Teresa Übrigens: Herr Barozzi spielt drinnen und du weißt, daß er es nicht gern hat, wenn er dich hier sitzen oder herumstehen sieht.

Teresa

heftig Das geht ihn gar nichts an, er hat mir nichts zu verbieten.

Sie setzt sich an einen leeren Tisch, Tofolo bedient sie, Paretti winkt Benedetto. Benedetto schnell zu Paretti.

Paretti

Wie kommen Sie dazu, dem Menschen das Schreibpapier zu kreditieren? Sind Sie der Wohltäter der Menschheit?

Benedetto

Im Ernst, Herr Paretti, es kann das früher nicht Ihr letztes Wort gewesen sein. Daß Herr Florindo –

Paretti

Wenn Sie den Namen noch einmal aussprechen, zahle ich und gehe.

Benedetto

Sehr gut!

Geht zu Teresa

Ich glaube, es wird etwas zu machen sein.

Teresa

Ja, Gott sei Dank! Was hat er gesagt?

Benedetto

Er hat gesagt, wenn ich den Namen noch einmal ausspreche, so zahlt er und geht.

Teresa

Nun, und?

Benedetto

Wenn er mit dem Fortgehen droht, so will er mit sich reden lassen.

Geht zu den Spielern.

Paretti

winkt Benedetto zu sich Wovon hält der Graf Prampero einen Bedienten? Die Leute haben nicht auf Brot. Was? Die Frau hat einen Liebhaber. Ja? Nein? Wieso nein?

Benedetto

Sie hat keinen, der erste und einzige, den sie jemals hatte, war eben der Herr, dessen Namen auszusprechen Sie mir verboten haben.

Paretti

Der Florindo? Der Mensch ist eine öffentliche Person. Ein Faß ohne Boden, und da soll ich mein gutes Geld, das heißt meinen guten Namen, meine Verbindungen hineinwerfen?

Eine maskierte Dame, begleitet von einer alten Frau, zeigt sich rechts, mustert die Gäste und verschwindet wieder.

Benedetto

Die Geschichte wäre unterhaltend genug, aber ich werde mich hüten, sie Ihnen zu erzählen. Ich fürchte ohnedies, daß Sie meine Stellung in der ganzen Sache falsch auffassen, Herr Paretti. Ich interessiere mich einfach für den jungen Mann, das ist alles.

Geht zu Teresa.

Teresa

ist aufgestanden Hast du die Maskierte gesehen?

Benedetto

Es wird eine Dame gewesen sein, die aus dem Theater kommt.

Teresa

Ah, es ist Florindos Geliebte.

Benedetto

Die Schneidersfrau?

Teresa

Kein Gedanke, wo ist die! Es ist die jetzige, ein junges Mädchen aus gutem Hause. Sie heißt Henriette. Sie ist eine Waise und hat einen einzigen Bruder, der in einem Amt ist. Ich freue mich, ich finde das unbezahlbar!

Benedetto

Was?

Teresa

Daß er jetzt die auch schon warten läßt.

Benedetto

Bestellt er sie hierher?

Teresa

Natürlich. Sie ist pünktlich wie die Uhr und läßt sich immer von derselben Person begleiten, die dann verschwindet. Ach Gott, das arme Geschöpf.

Lacht

Bis jetzt war er noch immer der erste und heute bleibt er schon aus. Jetzt hat sie noch vierzehn Tage vor sich, höchstens drei Wochen.

Zwei Herren kommen aus dem Kaffeehaus, gehen zwischen den Tischen durch.

Der Eine

Guten Abend!

Teresa

Guten Abend! Die Herren gehen nach links ab.

Benedetto

steht bei Paretti Nach einigen Wochen war Florindo der Gräfin überdrüssig. Er hat ein außerordentliches Talent, rasch ein Ende zu machen. Er verschwindet von einem Tag auf den andern. Er ist einfach nicht mehr zu finden. Er hat immer zwei oder drei Wohnungen, die er jedes Vierteljahr wechselt, und in keiner ist er je zu sprechen.

Paretti

Mit der Bekanntschaft werden Sie sich bei mir nicht beliebt machen.

Florindo ist von rückwärts aufgetreten und kommt langsam nach vorne. Anscheinend jemand suchend. Gleichzeitig treten Prampero und seine Frau aus der kleinen Gasse rechts und stoßen fast mit ihm zusammen, aber Florindo kommt geschickt an ihnen vorbei, indem er sie scheinbar übersieht.

Benedetto

weitersprechend Aber er hatte ohne die unglaubliche Anhänglichkeit gerechnet, die er dem Manne eingeflößt hatte. Der Graf kann einfach ohne Florindo nicht leben. Er hat hier im Kaffeehaus Szenen gemacht: ob er ihn beleidigt hätte? Ob die Gräfin ihn beleidigt hätte? Da haben Sie das Manöver. Da kommt Florindo und da die Pramperos, ach sehen Sie, er schneidet sie einfach. Gewöhnlich spricht er wenigstens ein paar Worte mit ihnen. Sehen Sie sich die kostbare Miene des Alten an und sehen Sie sich die Frau an. Schnell: wie sie dunkelrot wird. Ich glaube, es ist ihr einziges Vergnügen, sich jeden zweiten oder dritten Tag dieser Beschimpfung auszusetzen. Aber was wollen Sie, das ist wirklich die einzige einigermaßen aufregende Zerstreuung, die ihr Mann ihr bieten kann.

Florindo eilig nach vorne, sich umsehend. Prampero und seine Frau gehen quer über die Bühne rückwärts ab.

Teresa

tritt schnell zu Florindo, flüstert Das Fräulein war schon da.

Florindo

Was?

Teresa

Dort in der Gasse ist sie auf und ab spaziert. Tummeln Sie sich nur.

Die Maskierte und die Alte treten aus dem Gäßchen rechts. Florindo zu ihnen.

Florindo

Henriette!

Die Unbekannte

Ich bin nicht Henriette!

Florindo stutzt.

Aber es ist Henriette, die mich geschickt hat, um Ihnen etwas zu sagen.

Die Alte verschwindet lautlos.

Florindo

Henriette ist krank?

Die Unbekannte

Seien Sie ruhig, sie ist ganz wohl. Aber sie hat es nicht gewagt auszugehen, weil sie fürchtet, daß ihr Bruder heute ankommt.

Florindo

Ach, er sollte länger ausbleiben.

Die Unbekannte

Und Sie sind ärgerlich. Das ist sehr begreiflich. Es wäre peinlich für Henriette, wenn Sie nicht ärgerlich wären. Aber das erklärt Ihnen noch nicht, warum sie mich hergeschickt hat. Es handelt sich um etwas, das man schwer schreibt und noch weniger einer alten Begleiterin anvertraut.

Florindo

Sie machen mich recht unruhig.

Die Unbekannte

Wo kann ich fünf Minuten mit Ihnen sprechen?

Florindo

Hier, wenn Sie es nicht vorziehen, mit mir in eine Gondel zu steigen.

Die Unbekannte

Hier.

Florindo

Dann setzen wir uns.

Die Unbekannte zögert.

Florindo

Es ist unendlich weniger auffällig, als wenn wir hier stehen und uns unterhalten.

Sie setzen sich.

Sie wollen sich nicht demaskieren?

Die Unbekannte

Ich weiß nicht, ob ich es soll!

Florindo

Ich denke, daß das, was Sie mir zu sagen haben, wichtig ist. Bedenken Sie, um wieviel aufmerksamer ich Ihnen zuhören werde, wenn ich Ihr Gesicht sehe, als wenn ich mir die ganze Zeit den Kopf zerbreche, wie Sie aussehen können.

Die Unbekannte

Gut! Sie sollen mein Gesicht sehen, aber da ich unvergleichlich weniger hübsch bin als Henriette, so werden Sie so zartfühlend sein, mir kein Kompliment zu machen.

Nimmt die Maske ab.

Florindo

Oh, es tut mir so leid, daß Sie mir verboten haben –

Die Unbekannte

Es ist ein gewöhnliches Gesicht. Aber man hat mir gesagt, es ist eines von den Gesichtern, an die man sich mit der Zeit attachiert.

Florindo

Man braucht sehr wenig Zeit dazu. Ein Augenblick genügt.

Küßt ihre Hand.

Die Unbekannte

entzieht ihm ihre Hand Bleiben wir bei Henriette. Ich bin Henriettes beste Freundin. Wenn sie Ihnen nicht von mir gesprochen hat. –

Florindo

O doch. Ich hatte Sie mir nicht so jung gedacht. Denn Sie müssen die verheiratete Freundin sein, von der –

Die Unbekannte

Ganz richtig!

Florindo

Deren Namen sie mir niemals nannte.

Die Unbekannte

Das war mein Wunsch. Lassen wir mich aus dem Spiel, meine Rolle in eurem Stück ist nicht der Rede wert.

Florindo

Es ist die Sache des guten Schauspielers, aus der unbedeutendsten Rolle die erste zu machen.

Die Unbekannte

Wer sagt Ihnen, daß ich hier diesen Ehrgeiz habe? Jemals haben könnte?

Florindo

Ein ganz bestimmtes Gefühl, das ich viel lieber mitteilen als aussprechen möchte.

Die Unbekannte

Es gibt aber doch keine andere Möglichkeit ein Gefühl mitzuteilen als durch Worte.

Florindo

Ach!

Sieht sie an.

Die Unbekannte

Mein lieber Herr Florindo, ich werde mich meines Auftrages entledigen und Ihnen dann gute Nacht sagen!

Florindo

Ich danke Ihnen jedenfalls für dieses kleine Zugeständnis.

Die Unbekannte

Welches denn?

Florindo

Daß Sie mich nicht mehr für einen ganz gleichgültigen Fremden ansehen.

Die Unbekannte

Wie hätte ich das zugestanden?

Florindo

Indem Sie mir mit dem drohen, was vor zwei Minuten die natürlichste Sache von der Welt gewesen wäre: daß Sie fortgehen werden, sobald Sie mir nichts mehr von Henriette zu sagen haben.

Die Unbekannte

Sie sind sehr rasch bei der Hand, etwas was man Ihnen gesagt hat so aufzufassen, wie es Ihnen passen könnte.

Florindo

Das ist der gewöhnliche Kunstgriff, um sich durch das, was der andere spricht, möglichst viel Vergnügen zu verschaffen.

Die Unbekannte

Ja, bei einer Person, in die man verliebt ist.

Florindo

Ganz richtig, oder verliebt zu sein anfängt.

Die Unbekannte

Mein Gott! Sie kennen mich seit fünf Minuten, seien Sie nicht abgeschmackt.

Florindo

Mit dieser Sache hat die kürzere oder längere Zeit absolut nichts zu schaffen.

Die Unbekannte

Wollen Sie anhören, was ich Ihnen von Ihrer Freundin zu sagen habe?

Florindo

Ich warte darauf.

Die Unbekannte

Sagen Sie mir, wer ist die kleine Person, die hier herumschleicht? Sie macht Ihnen Grimassen, sie horcht auf jedes Wort, das wir sprechen.

Florindo

Ach das ist niemand.

Die Unbekannte

Wie, niemand?

Florindo

Das ist Teresa. Es ist die Nichte des Kellners hier. Die guten Leute besorgen alle möglichen Kommissionen für mich. Wollen Sie, daß ich sie Ihnen herrufe?

Winkt Benedetto

Er ist der größte Weltweise unter den Kellnern, den ich kenne.

Die Unbekannte

Der Dicke da? Es scheint, das Mädchen hat Ihnen etwas zu sagen.

Benedetto tritt an den Tisch.

Florindo

Benedetto, ich habe dieser Dame von Ihnen gesprochen!

Die Unbekannte

Dieser Herr hat eine sehr hohe Meinung von Ihnen.

Florindo ist rasch aufgestanden, geht zu Teresa. Sie sprechen miteinander.

Benedetto

Die aber noch nicht an meine Meinung von ihm heranreicht. Denn ich halte ihn geradezu für ein Genie. Freilich gehts ihm wie allen Genies –

Die Unbekannte

Inwiefern?

Benedetto

Daß er schließlich nur zu einer Sache auf der Welt gut ist.

Die Unbekannte

Und welche Sache ist das bei ihm?

Benedetto

Das werde ich mich wohl hüten, mit dürren Worten vor einer Dame auszusprechen, die alle Qualitäten hat, um bei dieser einen Sache sehr in Frage zu kommen.

Florindo

zu Teresa Hör zu!

Teresa

zu Florindo Ach, wer dir zuhört, ist betrogen, aber die dich hat, der ist wohl.

Florindo

nimmt seinen Platz an dem Tisch Wie finden Sie ihn?

Die Unbekannte

Mehr unverschämt als unterhaltend. Er macht mir kein Verlangen nach der Nichte.

Florindo

Das ist ein braves gutes Mädchen. Aber darf ich jetzt wissen, was Henriette –

Die Unbekannte

Diese Person ist Ihre Geliebte gleichzeitig mit Henriette!

Florindo

Sie irren sich.

Die Unbekannte

Lügen Sie nicht!

Florindo

Es steht Ihnen sehr gut, wenn Sie zornig sind. Ihre Art, vor Ärger zu erröten, ist ganz persönlich.

Die Unbekannte

Sie sind unverschämt. Es ist um Henriettes willen, daß mir das Blut ins Gesicht steigt.

Florindo

Ich schwöre Ihnen, es ist die unschuldigste Sache von der Welt. Es ist heute absolut nichts zwischen mir und ihr. Ich bin ihr Doyen.

Die Unbekannte

Was sind Sie?

Florindo

Ich bin der älteste ihrer näheren Bekannten.

Die Unbekannte

Und Sie finden es geschmackvoll, eine solche Bekanntschaft, wie Sie es nennen, ins Unbestimmte fortzusetzen?

Florindo

Ich würde es verächtlich finden, sie mutwillig abzubrechen. Ich habe eine reizende Erinnerung. Es ist eine gute und liebe Person.

Die Unbekannte

Ich denke, es wird richtiger sein, ich entledige mich meines Auftrages. Lassen wir also Ihre Freundin, die in Pantoffeln im Kaffeehaus sitzt. Es handelt sich darum, daß Carlo, Henriettes Bruder, wieder heute nach Venedig zurückkommt.

Florindo

Aber ich kenne ja Carlo!

Die Unbekannte

Sie begreifen, daß es Henriette sehr ängstlich macht, Sie und ihn in derselben Stadt zu wissen.

Florindo

Wir waren doch nahezu zeitlebens in derselben Stadt. Wissen Sie denn nicht, daß ich Henriette seit Jahren kenne? In Treviso im Hause ihrer Mutter verkehrt habe?

Die Unbekannte

Sie mögen zeitlebens in derselben Stadt gewesen sein, aber Sie waren nicht zeitlebens –

Florindo

Der Liebhaber seiner Schwester.

Die Unbekannte

Das wollte ich ungefähr sagen.

Florindo

Pah! Ein Bruder ist wie ein Ehemann. Er ist immer der letzte und schließlich –

Die Unbekannte

Ich glaube, mein Lieber, daß Sie Carlo sehr wenig genau kennen.

Florindo

Aber ich kenne ihn wie meinen Handschuh. Es ist sehr viel Ähnlichkeit zwischen Henriette und ihm. Beide sind melancholisch und hochmütig. Beide verachten das Geld und beide leiden entsetzlich darunter, keines zu haben. Es ist übrigens sonderbar: dieselben Züge, die mich an Henriette entzücken, habe ich an Carlo immer unerträglich gefunden. Aber er wird nichts erfahren.

Die Unbekannte

Er wird es eines Tages erfahren und das wird Ihr letzter Tag sein.

Florindo

Er wird mich herausfordern, ich werde in die Luft schießen, er wird mich fehlen. Beruhigen Sie Henriette.

Die Unbekannte

Aber Sie haben keine Ahnung, wie Carlo ist, wenn ihm wirklich etwas nahekommt. Carlo liebt seine Schwester zärtlich. An dem Tag, wo er es erfährt, sind Sie ein toter Mann, genau wie der Marchese Papafava.

Florindo

Wie welcher Herr?

Die Unbekannte

Ach Gott, die alte Geschichte in Treviso.

Florindo

Welche Geschichte?

Die Unbekannte

Was? Sie werden mir nicht sagen, daß Sie die Geschichte nicht kennen. Die Geschichte von Carlos Tante. Die Geschichte von dem schwarzen Pflaster. Mit einem Wort, die Geschichte mit dem Duell, das Carlo hatte, als er neunzehn Jahre alt war.

Florindo

Vielleicht habe ich sie gehört und wieder vergessen.

Die Unbekannte

Man vergißt sie nicht, wenn man sie einmal gehört hat. Ich habe übrigens Henriette geschworen, Sie an diese Geschichte zu erinnern.

Florindo

Und was soll welche Geschichte immer für einen Einfluß auf meine Beziehungen zu Henriette haben?

Die Unbekannte

Den, Sie fürs nächste sehr zurückhaltend, sehr vorsichtig zu machen.

Florindo

Das müßte eine sonderbare Geschichte sein.

Die Unbekannte

Es ist eine sehr sonderbare Geschichte. Und jedenfalls werden Sie um Henriettes willen so handeln müssen.

Florindo zuckt die Achseln.

Die Unbekannte

Hören Sie mir nur zu. Die Tante war noch jung und sehr hübsch.

Florindo

Eine Tante von Carlo und Henriette? Ich müßte sie kennen.

Die Unbekannte

Sie lebt nicht mehr. Sie hatte keine feste Gesundheit. Sie ist an den Folgen dieser Sache gestorben.

Florindo

Sie war Witwe?

Die Unbekannte

So gut als das. Ihr Mann lebt zwar heute noch, aber er hat niemals mitgezählt. Carlo war damals wie gesagt achtzehn Jahre alt und verliebte sich mit aller Leidenschaft einer scheuen verschlossenen Natur in die Tante.

Florindo

Die Tante verlangte sich nichts Besseres.

Die Unbekannte

Ganz richtig. Aber das Bessere war wie so oft der Feind des Guten. Es existierte schon jemand, der seit vier oder fünf Jahren alle Rechte innehatte.

Florindo

Die jetzt dem Neffen eingeräumt werden sollten.

Die Unbekannte

Erzählen Sie oder erzähle ich?

Florindo

Sie natürlich, ich wäre in der größten Verlegenheit.

Die Unbekannte

Der Marchese Papafava, das ist der Herr, um den es sich handelt, war nicht sehr tolerant. Gelegentlich im Hause der Dame äußerte er sich ziemlich scharf über den jungen Menschen und sagte: wäre der Respekt nicht, den er der Hausfrau schuldig sei, so hätte eine gewisse Un-bescheidenheit dem Herrn Neffen unlängst eine Ohrfeige von seiner Hand eingetragen. In diesem Augenblick tritt Carlo in den Salon, und während alle sehr still sind, sagt er: Ich nehme die Ohrfeige als empfangen an, Herr Marchese.

Florindo

Sie gehen miteinander in den Park.

Die Unbekannte

Nicht so schnell. Sie vergessen, daß die Tante und ein paar andere Menschen den kleinen Dialog mit angehört hatten.

Florindo

Man konnte die beiden doch nicht hindern.

Die Unbekannte

Man versuchte es wenigstens, das heißt, die andern Menschen verschwanden und die Tante blieb allein mit den beiden Herren. Sie weint, sie bittet, sie wirft sich glaube ich vor ihnen nieder.

Florindo

Die arme Frau!

Die Unbekannte

Sie schwört ihnen, daß, wenn einer von ihnen den andern tötet, sie für den Überlebenden weder Liebe noch Freundschaft, sondern nichts als unauslöschlichen Haß hegen werde.

Florindo

Wie kann sie das wissen?

Die Unbekannte

Was wollen Sie.

Florindo

Wie kann man wissen, ob man jemand hassen wird? Es ist ebenso töricht, auf Jahre hinaus Haß zu versprechen als Liebe.

Die Unbekannte

Kurz, die arme Tante fiel schließlich ohnmächtig zusammen, ohne es erreicht zu haben. Am nächsten Morgen duellierten sich die beiden. Carlo bleibt unverwundet und läßt den Marchese mit einem Stich durch die Lunge in den Händen der Ärzte. In der gleichen Stunde erscheint Carlo als wenn nichts geschehen wäre –

Florindo

Ihm war ja nichts geschehen.

Die Unbekannte

Im Salon der Tante, die erstaunt ist, auf seiner Wange ein handgroßes schwarzes Pflaster zu sehen. Was bedeutet das, fragte sie, ohne zu lachen, denn es war etwas in seiner Miene, was nicht zum Lachen stimmte. Haben Sie Zahnschmerzen oder was sonst? Ich trage das seit gestern abend, sagte er in einem gewissen Ton. –

Florindo

Sie erzählen sehr gut.

Die Unbekannte

Was machen Sie für ein zerstreutes Gesicht?

Florindo

Ich dachte an den Augenblick, da Sie die Tante und ich Carlo wären, daß wir beide allein in Ihrem Zimmer wären und was jetzt geschehen würde.

Die Unbekannte

Es geschieht gar nichts, als daß er aufsteht, in den Spiegel sieht und sagt: Ja, es kommt mir wirklich etwas groß vor, dann vom Toilettetisch eine Schere nimmt –

Florindo

Ah, es war also ein Schlafzimmer, wo sie ihn empfangen hatte, und nicht ihr Salon.

Die Unbekannte

Schweigen Sie.

Florindo

Ich finde das durchaus begreiflich.

Die Unbekannte

Eine Schere nimmt, das Pflaster herunternimmt, ringsum davon einen kleinen Rand abschneidet und es dann wieder an seine Wange drückt. Wie finden Sie mich jetzt, liebe Tante, sagte er dann. Jedenfalls um eine Kleinigkeit weniger lächerlich als früher, sagte sie.

Florindo

Und?

Die Unbekannte

Der Marchese Papafava wird unverhoffterweise gesund. Carlo fordert ihn zum zweitenmal und verwundet ihn zum zweitenmal, dann zum dritten- und endlich zum viertenmal. Nach jedem Duell schneidet er von seinem Pflaster einen kleinen Rand weg. Es war schließlich nicht mehr viel größer als eine mouche –

Florindo

Und die?

Die Unbekannte

Die nahm er an dem Tag herunter, da er die Nachricht bekam, daß der Marchese an einem Rückfall seines Wundfiebers gestorben war.

Florindo

Und die Tante?

Die Unbekannte

Ihre Gesundheit war nie sehr stark gewesen, sie konnte die Sache nicht aushalten.

Eine kleine Pause.

Florindo

Ich sage, daß ich diese Handlungsweise hinter einem Menschen wie Carlo nie gesucht hätte, und daß er mich jetzt mehr interessiert als früher.

Die Unbekannte

Sie werden mir Ihr Wort geben, Henriette von jetzt an nur zu den Stunden und an den Orten zu sehen, die sie selbst Ihnen vorschlägt; vor allem keinen Versuch zu machen, eine Begegnung zu erzwingen, wenn eine solche durch Tage, vielleicht durch Wochen unmöglich sein sollte.

Florindo

Ach, wie können Sie oder wie kann Henriette das verlangen. Sie muß mich für einen ausgemachten Feigling halten.

Die Unbekannte

Aber zum Teufel, mein guter Mann, es handelt sich nicht allein um Sie, es handelt sich vor allem um Henriette. Sie kennen Henriette ebensowenig, als Sie Carlo kennen.

Florindo

Ich kenne Henriette nicht? Sie überraschen mich.

Die Unbekannte

Ein Mann kennt niemanden weniger als eine Frau, die zu rasch seine Geliebte geworden ist. Henriette, daß Sie es wissen, ist genau aus dem gleichen Holz geschnitten wie Carlo. Wenn Sie und Carlo aneinandergeraten, so sind Sie ein verlorener Mensch. Aber noch vorher wirft sich Henriette aus dem Fenster.

Florindo

Was soll ich machen?

Die Unbekannte

Mir Ihr Wort geben, daß Sie sie, wenn es notwendig wird, in diesen nächsten Wochen sehr wenig sehen werden.

Florindo

Gut, ich gebe es, aber unter einer Bedingung.

Die Unbekannte

Die wäre?

Florindo

Daß ich dafür Sie sehr oft sehen werde.

Die Unbekannte

in unsicherem Ton Mich? Was soll dieser Unsinn?

Florindo

zwischen den Zähnen Es ist ernst!

Die Unbekannte

lehnt sich zurück Sie sind ein sonderbarer Mensch. Ich weiß wirklich nicht, was ich aus Ihnen machen soll.

Florindo

Demnächst Ihren Liebhaber ganz einfach.

Die Unbekannte

steht auf Abgesehen davon, daß Sie sehr unverschämt sind. – Es würde Sie also nichts kosten, ein Wesen wie Henriette, das ihr Götzenbild aus Ihnen gemacht hat, zu betrügen. Mit mir, die Sie zum ersten Male sehen, mit der kleinen Person dort, mit wem immer!

Florindo

steht auf Mit wem immer natürlich nicht.

Die Unbekannte

Jetzt begreife ich allerdings, daß Sie Henriette nicht heiraten. Ich war recht naiv, mir darüber den Kopf zu zerbrechen.

Florindo

Ich habe Henriette sehr lieb.

Die Unbekannte

Arme Henriette!

Florindo

Ich sage Ihnen, daß ich Henriette liebhabe.

Die Unbekannte

Sind Sie ernsthaft?

Florindo

Ich bin sehr ernsthaft und ich frage Sie sehr ernsthaft, was entziehe ich Henriette von dem Maße von Glück, das ich ihr zu schenken fähig bin, wenn ich heute, jetzt, hier, wo ich nicht so viel für Henriette tun kann, Sie sehr liebenswürdig finde?

Die Unbekannte

Was Sie da reden ist ja monströs!

Florindo

kalt Finden Sie? Dann haben Sie in gewissen Dingen wenig erlebt, oder über das, was Sie erlebt haben, sehr wenig nachgedacht. Sie wiederholen entweder gedankenlos eine Allerweltsheuchelei oder –

Die Unbekannte

Oder?

Florindo

Oder Ihre Natur wäre sehr arm, sehr dürftig.

Die Unbekannte

Und wenn sie weder arm noch dürftig ist,

wenn sie es nicht ist?

Florindo

dicht an ihr Da sie es nicht ist –

Benedetto

hat sich Florindo genähert Herr Paretti, mit dem Sie zu sprechen wünschen.

Florindo

Später!

Benedetto

Er will nicht länger warten.

Florindo

Später!

Benedetto geht ab

Florindo

fortfahrend Da Sie weit davon entfernt sind, eine karge und dürftige Natur zu sein, so brauchen Sie nur den Halbschlaf verschnörkelter Begriffe abzuwerfen, um mir zuzugestehen –

Die Unbekannte

Niemals werden Sie mich dazu bringen, Ihnen das zuzugestehen. Wenn Sie das, was wir nun einmal Liebe nennen, jeder Verpflichtung gegen das andere Wesen entkleiden, so ist es eine recht gemeine kleine Pantomime, die übrigbleibt.

Florindo

Verpflichtung? Ich kenne nur eine: das andere Wesen so glücklich zu machen als in meinen Kräften steht. Aber in der kleinen Pantomime, die, wie Sie sagen, dann übrigbleibt, verehre ich auf den Knien das einzig wahrhaft göttliche Geheimnis, den einzigen Anhauch überirdischer Seligkeit, den dieses Dasein in sich faßt. Liebhaben, das ist wenig? Glücklich machen, im Atem eines geliebten Wesens die ganze Welt einsaugen, das ist die verächtliche kleine Pantomime, vor der Sie das Kreuz schlagen? Arme Frau! Ich möchte nicht Ihr Mann sein.

Die Unbekannte

Lassen Sie meinen Mann aus dem Spiel, wenn ich bitten darf.

Florindo

Aber ist es nicht über alle Begriffe wundervoll, daß uns die Kraft gegeben ist, diese Zauberkraft von Geschöpf zu Geschöpf? Gibt es etwas Zweites so Ungeheueres als den Blick des Wesens, das sich gibt! Ist denn nicht die geringste unbeträchtlichste Erinnerung an eine Gebärde der Liebe stark genug, uns in den Tagen der Stumpfheit und Verzweiflung durch die Adern zu fließen wie Öl und Feuer? Wie? Hören Sie mich an! Es gibt eine Frau, die einmal ein paar Wochen lang meine Geliebte war –

Die Unbekannte

Es muß kurzweilig sein, auf Schritt und Tritt seinen Ariadnen zu begegnen.

Florindo

Diese Frau –

Die Unbekannte

Und noch kurzweiliger, selber eine davon zu sein.

Florindo

Diese Frau –

Die Unbekannte

Unbegreiflich genug, daß sich immer wieder ein Wesen findet –

Florindo

Diese Frau –

Die Unbekannte

Wenn alle Frauen Sie sehen würden, wie ich diesen Augenblick Sie sehe!

Florindo

Diese Frau war nicht sehr schön und nicht geschaffen, ein reines dauerndes Glück weder zu geben noch zu empfangen.

Die Unbekannte

Um so besser für die Frau in diesem Falle.

Florindo

Sie irren sich. Man ist um so viel beneidenswerter als man fähig ist, rein und stark zu fühlen. Aber dieser Frau war eines gegeben, sie verstand zu erröten. Ihre verworrene Natur hätte nie das entscheidend süße Wort, nie den völlig hingebenden Blick gefunden. Aber das dunkelglühende Erröten ihres blassen Gesichtes, wenn sie mich ins Zimmer treten sah, werde ich niemals vergessen, und wenn die Erinnerung daran in mir aufsteigt, so liebe ich diese Frau mit einer schrankenlosen Zärtlichkeit.

Die Unbekannte

Indessen haben Sie diese Frau den Hunden vorgeworfen, und wenn Sie sie in einem Salon oder auf der Straße begegnen, kehren Sie ihr den Rücken, das wette ich.

Florindo

Seien Sie gut, Sie werden sehen, es ist nicht häßlich, meine Geliebte gewesen zu sein.

Die Unbekannte

Sie sind unverschämt.

Florindo

Es ist Ihnen übrigens seit langem bestimmt, es zu werden. Sie selbst –

Die Unbekannte

Was?

Florindo

Sie selbst, indem Sie nicht wollten, daß Henriette mir Ihren Namen sage... – Was war das anderes als eine versteckte Zärtlichkeit, ein leises Sichannähern im Dunkeln? Und heute dieses Herkommen, dieses verliebte Lauern in der Ecke dort drüben –

Die Unbekannte

Ich habe für heute genug von Ihnen, gute Nacht!

Florindo

hält sie an den Handgelenken, lachend Nicht so schnell! Wer gute Nacht sagt, muß auch guten Morgen sagen.

Die Unbekannte

Sie sind frech und zudem irren Sie sich sehr.

Florindo schüttelt den Kopf

Die Unbekannte

Und wenn Sie sich nicht irrten – Was sollte denn das alles?

Florindo

Die Frage verdient keine Antwort.

Die Unbekannte

Im Augenblick, wo man weiß –

Florindo

Wollen Sie dem Geist der Natur Vorschriften machen? –

Die Unbekannte

– daß es doch so schnell endet.

Florindo

Der uns glühen macht und uns, wenn wir erkaltet sind, wieder zur Seite wirft? Sind Sie so stumpf und kennen nicht den Unterschied zwischen erwählten und verworfenen Stunden? Wenn es endet! Wenn es da ist, daß es da ist! Darüber wollen wir uns miteinander erstaunen! Daß es uns würdigt, einander zum Werkzeug der ungeheuersten Bezauberung zu werden!

Die Unbekannte

So ist es nicht, lassen Sie mich. Es kann sein, daß Sie mir gefallen. Ich will nicht ableugnen, aber Sie sind nicht so verliebt in mich, wie Sie es sagen. Sie wollen mich haben, das ist alles. Ihnen ist nicht, als wenn Sie sterben müßten, wenn ich dort hinter der nächsten Ecke verschwinde.

Florindo

Das weiß ich, aber ich weiß, daß es deinesgleichen gegeben hat, und niemand sagt dir daß sie schöner waren als du, die aus mir einen Menschen machen konnten, der sich mit geschlossenen Augen wie ein Verzückter ins Wasser oder ins Feuer geworfen hätte, wenn das der Weg in ihre Arme gewesen wäre. Einen Menschen, der über die Seligkeit eines Kusses weinen konnte wie ein kleines Kind, und wenn er in dem Schoß der Geliebten einschlief, von seinem Herzen geweckt wurde, das vor Seligkeit zu zerspringen drohte.

Die Unbekannte

eifersüchtig In Henriette waren Sie so verliebt? Ich glaube es nicht!

Florindo

Was kümmert uns jetzt, ob es Henriette war oder eine andere. Wer sagt dir, daß du nicht heute nacht hierher gekommen bist, um es mich aufs neue erleben zu machen.

Die Unbekannte

Ich fühle, daß Sie mich nicht so liebhaben, wie Sie es sagen.

Florindo

Ich fühle nichts, als daß eine göttliche Empfindung mir sehr nahe ist. Und da du es bist, die vor mir steht, so wird wohl nicht die leere Luft daran schuld sein. Sage, daß du jetzt mit mir gehen wirst.

Die Unbekannte

sich zusammennehmend Nein, du hast mich nicht lieb genug.

Florindo

Sie sind eine sonderbare Frau.

Die Unbekannte

Gar nicht. Worüber beklagen Sie sich? Eben war ich ja ganz nahe daran, den Kopf zu verlieren. Kommen Sie, gehen wir zu den Leuten. Dort hinüber. Nein, sehen Sie nur den alten Mann! Den alten Abbate da! Sehen Sie doch den Menschen.

Sie nimmt Florindos Arm.

Florindo

ärgerlich Was finden Sie an ihm so Besonderes?

Die Unbekannte

Sehen Sie doch nur seine Augen an. Wie er da herumgeht, wie ein Heiliger! Wie ein Mensch aus einer ganz anderen Zeit.

Sie bleiben stehen.

Der Pfarrer ist von rückwärts aufgetreten und steht schon seit einer Weile unschlüssig vor dem Kaffeehaus.

Teresa

geht auf den Pfarrer zu, knixt vor ihm Suchen Sie etwas, Herr Abbate? Kann ich Ihnen mit etwas dienen?

Der Pfarrer

grüßend Sie sind sehr gütig, gnädige Frau. Allerdings suche ich jemand, an den ich mich wenden kann, um eine Auskunft zu erbitten.

Teresa

Vielleicht kann ich sie Ihnen geben.

Die Unbekannte

gleichzeitig zu Florindo So werden Sie nie aussehen, auch wenn Sie noch so alt werden.

Der Pfarrer

zu Teresa Nämlich ob das Passagierschiff, die Barke meine ich, die nach Mestre fährt, wirklich hier an diesem Platze anlegt.

Florindo

zur Unbekannten Ich verzichte darauf.

Teresa

zum Pfarrer Hier, Herr Abbate, jeden Morgen pünktlich um sechs Uhr.

Der Pfarrer

Ich danke sehr, und wenn ich mir noch eine Frage erlauben dürfte: die Barke befördert doch mehrere Personen?

Teresa

Vier oder fünf ganz leicht, wenn sie nicht zu viel Gepäck haben.

Die Unbekannte

zu Florindo Niemals werden einer Frau die Tränen in den Hals steigen über den Ausdruck Ihrer Augen!

Der Pfarrer

nachdenklich Wenn sie nicht zu viel Gepäck haben! Es handelt sich um meine Nichte und eine dritte Person, die Magd meiner Nichte, eine sehr brave Magd. – Da kann ich also hoffen, daß alles in Ordnung gehen wird. Aber gnädige Frau, Sie stehen, während ich mich mit Ihnen unterhalte. Verzeihen Sie meine Ungeschliffenheit.

Führt sie an einen der Tische, beide setzen sich.

Es ist nämlich schon fünfunddreißig Jahre her, daß ich Venedig nicht betreten habe. Ich bin der Pfarrer von Capodiponte, einem kleinen Dorf im Gebirge, und heute bin ich gekommen, um meine Nichte abzuholen, die sich hier in Venedig einige Wochen aufgehalten hat.

Teresa knixt.

Der Pfarrer

Da werden Sie mir gewiß auch sagen können, gnädige Frau, ob diese Zetteln, die mir heute morgen der Barkenführer gegeben hat, Ihnen richtig ausgestellt und verläßlich scheinen.

Teresa

erstaunt Ah, Sie haben also schon mit dem Barkenführer gesprochen?

Der Pfarrer

Ja gewiß! Er hat mir genau die Stelle gezeigt, wo seine Barke anlegt, ganz dieselbe, die Sie so gütig waren mir zu zeigen, und hat mir die Stunde der Abfahrt aufgeschrieben. Hier, sehen Sie, sechs Uhr und hier wieder sechs Uhr.

Hält ihr die Scheine hin

Und er hat mir auch versichert, daß er mein Gepäck und das meiner Nichte mühelos in seiner Barke unterbringen wird.

Die Unbekannte

gleichzeitig zu Florindo Er hat Augen wie ein Kind, ich finde ihn unaussprechlich rührend. Er ist auf der Reise und er ist sicherlich sehr arm. Ich möchte ihm etwas schenken.

Florindo

Wo denken Sie hin?

Die Unbekannte

Ja, ich möchte ihm etwas schenken. Wenn ich nur Geld bei mir hätte.

Der Pfarrer verabschiedet sich mit abgezogenem Hut von Teresa.

Florindo

zieht seine Börse Da nehmen Sie so viel Sie wollen, aber Sie werden ihn beleidigen.

Die Unbekannte

Ich wette, er nimmt es, wie ein Kind es nehmen würde.

Tritt auf den Pfarrer zu

Herr Abbate –

Der Pfarrer nimmt den Hut ab.

Die Unbekannte

Dieser Herr dort und ich haben eine Wette miteinander gemacht, und ich hoffe, Sie werden mir helfen sie zu gewinnen.

Der Pfarrer

Ganz gewiß, gnädige Frau, wenn ich etwas dazu tun kann.

Die Unbekannte

Dann habe ich schon gewonnen, denn Ihr guter Wille entscheidet. Nicht wahr, Sie sind auf der Reise, Herr Abbate, und das Reisen ist eine unbequeme Sache? Es gibt die Postillons und die Schiffsleute und die Wirte und die Kellner und was nicht noch alles. Es schwirrt einem der Kopf davon.

Der Pfarrer

Sie haben sehr recht, gnädige Frau.

Die Unbekannte

Sehen Sie, man gibt sein Geld aus, man weiß nicht wie.

Der Pfarrer

Sie sind gewiß schon sehr viel gereist, gnädige Frau.

Die Unbekannte

Es geht, aber sehen Sie, wie ich da vor Ihnen stehe, habe ich heute eine kleine Summe im Spiel gewonnen. Ein paar Goldstücke, nicht der Rede wert, aber die mir doch sehr zustatten kämen, wenn ich gerade eine Reise vor mir hätte.

Der Pfarrer

Sicherlich, man verbraucht sehr viel Geld, wenn man reist.

Die Unbekannte

Nicht wahr! Und da ist nun das Ärgerliche, ich reise nicht. Gerade die nächste Zeit werde ich kaum über Venedig hinauskommen; da habe ich mir gedacht, ob Sie nicht so liebenswürdig sein wollten, die kleine Reise, für die diese Goldstücke nun schon einmal bestimmt waren, an meiner Stelle zu tun.

Der Pfarrer

Ich verstehe Sie nicht ganz. Sie wünschen mir einen Auftrag zu geben?

Die Unbekannte

Der Auftrag bestünde darin, daß Sie mir den Gefallen erweisen müßten, und da Sie ohnehin reisen, geht es ja in einem, diese paar Münzen hier unter die Leute zu bringen.

Der Pfarrer

Diese Münzen?

Die Unbekannte

Indem Sie sie ausgeben, an Postillons, Schiffsleute, Wirte und Kellner, ganz nach Ihrer Bequemlichkeit.

Der Pfarrer

Aber wofür?

Die Unbekannte

An Vorwänden, Ihnen Geld abzunehmen, wird es den Leuten schwerlich fehlen.

Der Pfarrer

Ah, jetzt verstehe ich Sie, meine Dame. Sie sind sehr gütig, meine Dame, aber diesen Auftrag auszuführen, bin ich ein zu ungeschickter Reisender. Verzeihen Sie mir, meine Dame.

Nimmt den Hut ab, grüßt auch nochmals gegen Teresa hin und geht links vorne ab.

Die Unbekannte

zu Florindo Laufen Sie ihm nach, bitten Sie ihn, mir meine Unüberlegtheit zu verzeihen. Schnell, Florindo. Ich habe nicht den Mut, es zu tun.

Der Pfarrer

tritt von links wieder auf und geht auf sie zu, indem er den Hut abnimmt Ich komme zurück, denn ich habe Sie um Verzeihung zu bitten, meine Dame.

Die Unbekannte

Ich bin es, mein Herr, die Sie um Verzeihung bitten muß.

Der Pfarrer

Das sagen Sie nur, um mir eine verdiente Verlegenheit zu ersparen, aber ich muß Sie bitten, mir die Ungeschicklichkeit eines Landbewohners zugute zu halten. Sie haben unstreitig aus der Dürftigkeit meines Auftretens darauf geschlossen, daß meine Gemeinde arm ist. Und wirklich, es gibt unter meinen Pfarrkindern sehr arme, sehr dürftige. Es war an mir, gnädige Frau, die geistreiche Form zu verstehen, um diesen Bedürftigen durch mich eine Wohltat zu erweisen, die ich mit dankbarem Herzen annehme.

Die Unbekannte

Sie beschämen mich, mein Herr.

Der Pfarrer

Da sei Gott vor, gnädige Frau.

Florindo

leise Jetzt müssen Sie ihm mehr geben. Schnell nehmen Sie, nehmen Sie alles.

Die Unbekannte

strahlend Wir haben unsere Wette fortgesetzt und durch Ihr Zurückkommen haben Sie mich das Vierfache gewinnen lassen.

Gibt ihm das Geld.

Paretti, der von seinem Platz aus gespannt zusieht, fährt zusammen.

Der Pfarrer

Wir werden Ihrer Güte in vielen Gebeten gedenken. Sie werden in vielen Familien unseres kleinen Dorfes die unbekannte Wohltäterin heißen.

Die Unbekannte

Das verdiene ich nicht.

Verneigt sich. Der Pfarrer geht ab.

Die Unbekannte

Haben Sie je etwas Ähnliches gesehen? Ich glaube, das ist der einzige Mensch, der mir je begegnet ist, der des Namens eines Christen würdig ist.

Florindo küßt ihr beide Hände.

Paretti

indem er seinen Stock nimmt und den Stuhl, auf dem er gesessen ist, umstößt Das ist ein Verrückter! Das ist ein Dieb! Mit diesem Menschen will ich nichts zu tun haben.

Benedetto sucht vergeblich ihn zu beruhigen.

Florindo

Sie waren entzückend!

Die Unbekannte

Ich war gerührt und war vergnügt, daß ich freigebig sein durfte wie eine große Dame.

Florindo

Sie haben mein Herz klopfen gemacht.

Die Unbekannte

Und ich habe meinen Kopf wiedergefunden.

Florindo

Was soll das?

Die Unbekannte

Still, mein Lieber. Wir spielen nicht mit gleichen Einsätzen. Sie waren niemals in Gefahr, den Ihren um meinetwillen zu verlieren.

Florindo

Ah!

Die Unbekannte

Und ich werde Ihnen jetzt gute Nacht sagen und sehr vergnügt und glücklich nach Hause gehen.

Florindo

Das dürfen Sie nicht!

Die Unbekannte

Das muß ich, mein Lieber. Ich bin allzu sehr überzeugt, daß Sie ein reizender Liebhaber sein können.

Florindo

In welch traurigem Ton Sie das sagen.

Die Unbekannte

Es wäre unverantwortlich von mir, wenn das Beispiel der armen Henriette –

Florindo

Was heißt das?

Die Unbekannte

Henriette ist allzu rasch Ihre Geliebte geworden, und ich wie Henriette bin keine von denen, um derentwillen Sie sich ins Wasser oder ins Feuer stürzen.

Florindo

Wie können Sie das wissen?

Die Unbekannte

Pst! Alles was mir übrigbleibt ist, Sie an mich zu binden, durch das einzige, was Ihnen meinen Besitz ein wenig kostbar machen kann: die Mühe, die Sie aufwenden müssen, um ihn zu erlangen, und die kleinen Schmerzen, die hoffentlich mit dieser Mühe verbunden sein werden. Sie werden mich vielleicht einmal von einem Tag auf den andern verlassen, aber Sie sollen mich nicht von einem Tag auf den andern gehabt haben. Adieu!

Will gehen.

Florindo

Ich werde Sie begleiten!

Allmählich haben sich die Tische und das Kaffeehaus geleert. Benedetto und der andere Kellner verschließen mit Holzladen die Türe und die Fenster.

Die Unbekannte

Das werden Sie nicht tun. Sie werden mir Ihr Wort geben, mir weder nachzugehen, noch sich zu kümmern, wo ich in meine Gondel steige. Jetzt werden Sie mir Adieu sagen und sich dort in das Kaffeehaus setzen.

Florindo

Sie sehen, man hat es eben geschlossen.

Die Unbekannte

Dann werden Sie mir den Rücken kehren und nach dieser Richtung dort fortgehen.

FIORINDO

Nicht einmal Ihren Namen soll ich wissen?

Die Unbekannte

Sehen Sie, ob niemand hersieht, und dann geben Sie mir schnell einen Kuß.

Florindo

Niemand!

Die Unbekannte

tritt schnell zurück Doch! Dort im Dunkeln ist jemand. Das ist ja wieder diese Person. Was will sie noch?

Florindo

Sie wohnt in diesem Hause, ganz einfach.

Die Unbekannte

Das ist kein Grund, auf der Schwelle herumzulungern.

Florindo

Ich kann mir denken, was sie will, aber –

Die Unbekannte

Ah! Sie sind also in einem ununterbrochenen Kontakt mit ihr?

Florindo

Es ist weiter nichts, als daß das arme Geschöpf darüber traurig ist, weil sie mir Geld verschaffen wollte und nichts daraus geworden ist. Aber hören Sie –

Die Unbekannte

Geld? Diese Person Ihnen?

Florindo

Ja, von einem alten Herrn, der dort saß. Einem

Wucherer, um das Kind beim Namen zu nennen.

Die Unbekannte

Geld Ihnen?

Florindo

Ja! Sie hören doch. Aber es handelt sich –

Die Unbekannte

Wie? Sie sind nicht reich?

Florindo

Ich?

Die Unbekannte

Wie alle Welt behauptet.

Florindo

Ärmer als die Möglichkeit. Aber ich gewinne zuweilen oder ich verschaffe es mir auf andere Weise. Aber nicht davon –

Die Unbekannte

Und Sie haben mir eine solche Summe geschenkt, um mich eine kindische Laune befriedigen zu lassen?

Florindo

Ich beschwöre Sie, verderben Sie nicht alles, indem Sie davon sprechen. Es gibt nichts Widerlicheres, als über Geld zu sprechen.

Die Unbekannte

Wem sagen Sie das? Mein Mann spricht nie von etwas anderem.

Florindo

Sie sind entzückend.

Die Unbekannte

Ach, ich sehe schon, ich werde Sie nicht los. Bitte, rufen Sie mir die kleine Person dort her.

Florindo

Ich? Hierher?

Die Unbekannte

Ja, Ihre Freundin dort! Die Dame mit den Pantoffeln. Ich möchte mit ihr sprechen. Es wäre mir sehr leid, wenn Sie mir doch nachgingen und mich dadurch zwängen, anzunehmen, Sie hätten keine Diskretion – für die Zukunft. Bitte rufen Sie mir Fräulein Teresa her. Wie? Sie wollten mir wirklich diesen Gefallen nicht tun?

Florindo geht hin, Teresa ziert sich, endlich kommt sie, knixt.

Die Unbekannte

zu Teresa Sie sind sehr gefällig für den Herrn Florindo!

Teresa

Es ist darum, weil er so gut ist. Er ist das einzig gute Mannsbild, das ich kenne. Sie werden sehen, gnädige Frau.

Die Unbekannte lacht.

Teresa

Oder wahrscheinlich wissen Sie es schon.

Florindo geht zu Benedetto, sagt ihm etwas. Benedetto schließt noch einmal die Türe des Kaffeehauses auf, geht hinein. Florindo wartet vor der Türe auf ihn.

Die Unbekannte

schnell zu Teresa Wenn Sie ihn liebhaben, wie können Sie es ertragen, daß er jeden Monat eine neue Geliebte hat?

Teresa

Mein Gott! Ich kenne ihn so lange, und dann, was kann ich da machen? Nehmen Sie an, Sie haben ein Kind, das Sie recht liebhaben, und es macht sich alle Augenblicke schmutzig. Werden Sie es darum weggeben? Es bleibt doch Ihr Kind und Sie werden es ihm immer wieder verzeihen. Und wenn er dann wieder einmal zu mir kommt –

Die Unbekannte

Ah! Er kommt doch zuweilen?

Benedetto ist herausgekommen, zählt Florindo Geld auf, das dieser zu sich steckt.

Teresa

O weh! Wenn Sie wüßten, wie selten. Es ist nicht der Rede wert.

Die Unbekannte

Armes Ding, und Sie sind wirklich sehr hübsch.

Teresa

Das sagt die gnädige Frau nur so, um schmeichelhaft zu sein. Aber dann ist er wirklich so gut, so gut. Wenn man ihn unter vier Augen hat, kann er einem nichts abschlagen. Sie werden sehen.

Florindo tritt zu ihnen.

Teresa

Man spricht so gut mit der gnädigen Frau. Man möchte ihr alles sagen.

Florindo

Das finde ich auch.

Benedetto und der Kellnerbursche sind abgegangen.

Die Unbekannte

halblaut zu Florindo Sie werden jetzt mit ihr da hineingehen. Da wo sie wohnt. Das verlange ich zu meiner Sicherheit. Ich werde nicht eher von hier fortgehen, bis Sie mit ihr im Hause sind. Nicht wahr, Teresa, Sie haben dem Herrn Florindo verschiedenes zu sagen?

Florindo

Aber –

Die Unbekannte

Gehen Sie, es handelt sich um Ihre kleinen Geschäftsangelegenheiten.

Florindo

Aber Sie –

Die Unbekannte

Gehen Sie jetzt. Was tut es Ihnen, für fünf Minuten in dieses Haus zu gehen?

Florindo fügt sich.

Die Unbekannte

Schnell, schaffen Sie ihn fort.

Florindo und Teresa gehen ins Haus, erscheinen gleich darauf am Fenster.

Die Unbekannte

Teresa, machen Sie die Fensterladen zu! Ich will nicht, daß er sieht, wohin ich gehe.

Florindo wirft der Unbekannten einen Kuß zu. Teresa drängt ihn vom Fenster weg.

Die Unbekannte

hinaufsprechend Ach, und was soll ich Henriette sagen?

Florindo wirf ihr über Teresa weg noch einen Kuß zu.

Die Unbekannte

Ich werde sie jedenfalls sehr beruhigen.

Teresa schließt den Fensterladen.
Die Unbekannte geht nach rückwärts ab, indem sie ein Liedchen summt.


 << zurück