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Leonore. Magdelone.
Leonore. So ist es also völlig klipp und klar, Magdelone?
Magdelone. Ja, das sind richtige Eheleute, die kann keiner mehr auseinander bringen.
Leonore. Und Du hast selbst gesehen, wie sie getraut wurden?
Magdelone. Ja, mit diesen meinen Augen. Aber eine Teufelsgeschichte wird es werden, wenn der erfährt, daß er ein Dienstmädchen geheirathet hat.
Leonore. Das hat nichts zu sagen. Wäre er nicht so reich, so wäre sie für den liederlichen Kerl noch immer zu gut; für solch armes Mädchen aber ist es freilich schon etwas Großes, das kann ich mir denken, eine vornehme Dame zu werden. Aber wo mag nur Leander sein?
Magdelone. Gleich nach der Trauung empfahl er sich und versprach, auf den Abend wiederzukommen und seine Braut mit sich zu nehmen.
Leonore. Ha ha ha! Sieh doch, daß Du mir Pernille herschaffen kannst.
Magdelone. Ja, ich werde sie gleich herbringen. Inzwischen hoffe ich, daß das Fräulein Sorge tragen wird, daß sie mir ihr Versprechen hält; sie hat mir für meine Mühe vierhundert Thaler verheißen.
Leonore. Gewiß soll sie ihr Versprechen halten.
Magdelone. Nun geh' ich und hole sie.
Leonore. Habe ich Hohn und Kummer leiden müssen, so 191 habe ich mich dafür nun auch gehörig gerächt. Er schämte sich nicht einmal des Geschehenen, da er mit mir sprach, sondern höhnte und beleidigte mich noch obendrein; das ist doch wirklich der äußerste Grad von Nichtsnutzigkeit, in den ein Mensch verfallen kann. Nun weiß ich blos nicht, auf was für einen Fuß ich mich zu Pernille stellen soll; ich werde sie wol gnädige Frau nennen müssen, denn das erste Buch, das solche Dirnen lesen, wenn sie zu Reichthum und Ehre kommen, ist die Rangordnung. Aber da kommt sie.
Leonore. Pernille. Magdelone.
Leonore. Ich muß doch mal erst sehen, ob sie wirklich hochmüthig geworden ist. Nun, Pernille, wie geht es? (Pernille macht ein verdrießliches Gesicht und antwortet nicht.) Na, wie ist die Sache abgelaufen, meine liebe gnädige Frau?
Pernille. Ah, schön Dank, gnädiges Fräulein, für die Nachfrage, wir sind nun richtige Eheleute; in einer halben Stunde kommt er und holt mich ab zu seiner ganzen Herrlichkeit.
Leonore. Nun, das ist mir lieb, ich gratulire.
Pernille. Aber ist das gnädige Fräulein inzwischen wirklich nach dem Landhause gewesen?
Leonore. Nein, ich habe mich anders besonnen, ich habe einen Expressen an meinen Vater geschickt, damit er um so schleuniger herkommt; er wird, hoffe ich, den Augenblick hier sein.
Magdelone. Ich fürchte nur, wenn er den Zusammenhang erfährt, dann wird er Dich sitzen lassen, Pernille.
Pernille. Wenn das gnädige Fräulein gnädige Frau zu mir sagt, so kannst Du Deinen Mund wol auch daran gewöhnen, Magdelone. Meinen Rang und Stand hab' ich nun einmal; mag er mich sitzen lassen oder nicht, seine Frau bin und bleibe ich.
Leonore. Wo wollte er denn wol hinlaufen, um Dich sitzen zu lassen, er hat ja lauter Landbesitz, da muß er wol Stand halten.
Pernille. Nun ist blos noch zu überlegen, ob ich ihm die 192 Wahrheit noch heute Abend entdecken soll, bevor ich mit ihm zu Bette gehe.
Leonore. Darüber wird mein Vater entscheiden, er muß im Augenblick hier sein; gehen wir so lange hinein. (Alle ab.)
Leander. Heinrich.
Heinrich. Ich fange doch an, mich zu ängstigen, gnädiger Herr, wenn ich mir überlege, was ich so eigentlich auf des gnädigen Herrn Zureden gethan habe.
Leander. Verlaß Dich darauf, Heinrich, es ist der größte Dienst, den Du mir jemals geleistet hast.
Heinrich. Aber es war doch des gnädigen Herrn verlobte Braut?
Leander. Just dafür wollte ich sie bestraft wissen. Hätte ich nicht an ihr selbst Rache genommen, so hätte ich mich an ihrem Vater vergriffen, der mich an solche Dirne hat verkuppeln wollen.
Heinrich. Hat sie aber auch nur wirklich Vermögen?
Leander. Sie hat ansehnliches Vermögen schon allein von ihrer Mutter wegen, ohne daß ihr Vater ihr es zurückhalten kann; ich aber rufe den Himmel zum Zeugen an, daß es mir nicht um ihren Reichthum zu thun gewesen ist, sondern um sie selbst allein. Hättest Du gesehen, Heinrich, wie ehrbar sie sich in ihres Vaters Hause betrug, so lange ich da war, Du hättest es für unmöglich gehalten, daß sie von dieser Sorte wäre.
Heinrich. Ja, was die Frauenzimmer sich verstellen können, das ist was Unglaubliches. Indessen ich werde sie wol noch im Zügel halten, wenn ich nur erst fest im Sattel sitze. Einstweilen, wenn ich an ihren Vater denke, so zittern mir alle Glieder; ich fürchte, er kriegt mich zu packen und läßt mich ins Loch schmeißen.
Leander. Darum gräme Dich nicht; ich werde erst mit Seigneur Jeronimus reden und mich über die abscheuliche 193 Aufführung seiner Tochter beschweren; dann komm Du herein in Deiner Livree und erzähle ihm die ganze Geschichte. Wird er dann böse auf Dich und will sich rächen, so werde ich Dich in Schutz nehmen als ein ehrlicher Mann, oder wenn er seine Hand von seiner Tochter abzieht und sie verstößt, was mir das Wahrscheinlichste ist, so behält sie doch immer ihr Mütterliches. Aber wie hast Du Dich jetzt von ihr losgemacht?
Heinrich. Wie die Trauung vollzogen war, empfahl ich mich auf eine Stunde und versprach auf den Abend wiederzukommen und sie nach Hause zu führen. Ich hatte ordentlich Mühe, nur so lange von ihr loszukommen; denn sie ist verliebt wie eine Ratte, und ich glaube, sie zählt jede Minute, wo ich nicht da bin.
Leander. Ach, das ist eine entsetzliche Geschichte, die Nachwelt wird es für eine Fabel halten! Aber hier kommt Seigneur Jeronimus. Lauf' Du hinein und zieh' Dir rasch Deine Livree an, bis ich Dich rufe. (Heinrich ab.)
Jeronimus. Leander.
Jeronimus. Meine Tochter läßt mir durch einen Expressen sagen, ich möchte ohne Verzug zur Stadt kommen; ich begreife nicht, was das heißen soll, fürchtet sie etwa nicht zeitig genug ins Brautbett zu kommen? – Aber da ist ja Monsieur Leander. Sein Diener, mein lieber Schwiegersohn, wir haben wol beide einen Weg; hat Er meine Tochter schon gesprochen, seit sie in der Stadt ist?
Leander. Ja, gesprochen habe ich sie.
Jeronimus. Aber warum schickt sie mir nur einen Expressen?
Leander. Das mag sie wissen; sie wird ihrem Vater wol etwas zu entdecken haben, was ihr schwer auf dem Herzen liegt.
Jeronimus. Ei, das wäre; solltet Ihr das denn nicht wissen? 194
Leander. Nein, wir haben uns nur ganz flüchtig gesprochen.
Jeronimus. Ihr hattet wol keine Zeit zum Sprechen vor lauter Küssen, das ist mit Euch verliebtem Volk auch ein ewiges Gelecke.
Leander. Nein, für diesmal ist es ziemlich ehrbar abgegangen.
Jeronimus. Na, das kann ich mir denken; hätte ich nur hundert Thaler für jeden Kuß, den Ihr gekriegt habt, seit Ihr hier seid, ich wäre ein reicher Mann.
Leander. Ihr seid im Irrthum, Seigneur Jeronimus.
Jeronimus. Aber nun im Ernst, warum hat sie nach mir geschickt.
Leander. Davon weiß ich wahrhaftig nicht das Mindeste.
Jeronimus. Na, dann ist es gewiß ein Spaß, den Ihr mit einander verabredet habt. Aber ich werde schon noch dahinter kommen, wenn ich mit ihr spreche.
Leander. Daran zweifle ich freilich nicht.
Jeronimus. Ihr seid wol bange, nicht früh genug ins Brautbett zu kommen?
Leander. Ich wahrlich nicht; ob ihr die Zeit lang wird, das lasse ich ungesagt.
Jeronimus. Ja richtig, als ob Ihr nicht genau ebenso verliebt wärt wie sie, ha ha ha! Nun kommt, laßt uns hineingehen.
Leander. Ich habe in dem Hause nichts mehr zu thun.
Jeronimus. Ei was, jetzt ist keine Zeit mehr zum Spaßen, es wird gleich Abend sein; kommt, laßt uns hineingehen, Ihr habt gewiß ein Späßchen vor, ha ha ha! Aber alles zu seiner Zeit.
Leander. Ihr werdet allerdings ganz verfluchte Späßchen zu hören kriegen, wenn Ihr mit ihr selber sprecht.
Jeronimus. Sie hat sich doch etwa nicht gar trauen lassen, ehe ich gekommen?
Leander. Ja, allerdings, das hat sie.
Jeronimus. Ei, wahrhaftig, das ist mir nicht lieb, daß das 195 geschehen ist, das heißt auch gar zu hitzig drauf los gehen; Ihr hättet wol warten können, bis ich kam.
Leander. Sagt Ihr das zu mir? Ich fürwahr habe keine Schuld daran.
Jeronimus. Was Henker sind das für Narrenstreiche?
Leander. Sind hier Narrenstreiche verübt, so sind sie allein auf ihrer Seite verübt worden.
Jeronimus. Erst sagt Ihr, Ihr habt Euch nur ganz flüchtig gesprochen, und nun sagt Ihr, daß –
Leander. Ja, allerdings, ganz flüchtig, aber um so zärtlicher; denn das letzte Wort, das ich ihr die Ehre hatte zu sagen, war: hol' Dich der Teufel, Du Metze!
Jeronimus. Was Henker ist das, Schwiegersohn? Dabei möchte man ja rein verrückt werden!
Leander. Mein Herr, das Wort Schwiegersohn schneidet mich auf eine ganz verfluchte Art in die Ohren, verschont mich mit dem Titel.
Jeronimus. Wie? habt Ihr denn nicht selbst um meine Tochter angehalten?
Leander. Allerdings, das geb' ich zu!
Jeronimus. Habt Ihr Euch nicht mit ihr verlobt?
Leander. Das geb' ich ebenfalls zu.
Jeronimus. Seid Ihr also nicht mein Schwiegersohn?
Leander. Das geb' ich ebenfalls zu.
Jeronimus. Den Teufel mögt Ihr zugeben! Wollt Ihr jetzt zurücktreten, so verklag' ich Euch, so lange ich einen Schilling im Sacke habe.
Leander. Ihr zieht den Kürzern, Seigneur Jeronimus, Ihr verliert den Prozeß, ja Ihr habt ihn schon verloren.
Jeronimus. Wie sollte ich wol den Proceß verlieren?
Leander. Das werdet Ihr schon erfahren, sobald Ihr mit Eurer Tochter sprecht.
Jeronimus. Na, jetzt merk' ich schon, Ihr habt Euch gezankt.
Leander. Ja, es wird wol so etwas sein!
Jeronimus. Aber weshalb habt Ihr Euch denn gezankt? 196
Leander. Ich will der Erzählung Eurer Tochter nicht vorgreifen, mein Herr, sie wird Euch wol selbst genügende Auskunft geben.
Jeronimus. Gewiß werde ich es sofort erfahren. Aber das weiß ich zum Voraus, daß meine Tochter keinen Anlaß dazu gegeben hat; denn dazu – wiewol ich mein eigenes Kind nicht rühmen sollte – ist sie viel zu sanftmüthig und tugendhaft.
Leander. Ja wol, die Tugend selbst.
Jeronimus. Was Henker sind das für Capricen, Schwiegersohn?
Leander. Monsieur. ich bitte mich zu verschonen . . . .
Jeronimus. Was Henker ist das nur? Ich muß gleich hinein und mir Licht verschaffen.
Leander allein.
Leander. Sie soll ihm die Geschichte selbst erzählen, vertuschen läßt sie sich doch nicht länger. Er giebt ihr dann ein paar Ohrfeigen und läßt sie mit ihrem Lakaien laufen; denn weiter läßt sich doch nichts thun. Meinetwegen mag er thun, wozu er Lust hat; mir ist es genug, daß ich meine gehörige Rache habe. – Nun will ich ins Haus und den Heinrich bereit halten; denn wenn sie es nicht sagt, so soll er es thun. Ach, hätte ich sie nicht so sehr geliebt, so wäre jetzt auch mein Durst nach Rache nicht so groß! (Ab.)
Jeronimus. Leonore.
Jeronimus. Nein, komm nur heraus, damit er ebenfalls hört, was wir sprechen; aber er ist schon fort, wie ich sehe.
Leonore. Wer ist fort?
Jeronimus. Leander. 197
Leonore. Das glaub' ich wol, sein böses Gewissen hat ihm nicht erlaubt hier zu bleiben.
Jeronimus. Was Henker sind das nur für Zänkereien, in die Ihr da gerathen seid? Er wurde ganz wild, wie ich ihn Schwiegersohn nannte, den Grund aber wollte er mir nicht sagen, sondern verwies mich deshalb an Dich.
Leonore. Er schämt sich seiner Niederträchtigkeit und will deshalb, daß ich es sagen soll.
Jeronimus. Mir im Gegentheil schien er ein gutes Gewissen zu haben und die ganze Schuld Dir beizumessen.
Leonore. Die Sache ist diese: wie ich zur Stadt kam, finde ich Pernille im höchsten Staat; ich verwundere mich darüber und frage sie nach der Veranlassung, da bekennt sie, daß Leander sich im Laufe des Vormittags in sie verliebt und ihr die Ehe versprochen hat. Natürlich wollte ich es nicht glauben, bis die alte Magdelone es mir bestätigte, die hier im Hinterhause wohnt, auch sah ich an Pernillens Finger Leanders Ring, den ich wieder erkannte.
Jeronimus. Ei, das ist ja doch gar nicht möglich, daß ein Herr von seinem Stand und Reichthum ein Dienstmädchen heirathen will?!
Leonore. Er will sie nicht blos heirathen, sondern er hat sie sogar schon geheirathet. Aber freilich weiß er noch nicht, daß sie ein Dienstmädchen ist; sie hatte nämlich freie Hand über meine Kleider und meine ganze Einrichtung, und da hatte er sich denn eingebildet, sie wäre ein reiches, vornehmes Fräulein.
Jeronimus. Das ist doch die schrecklichste Geschichte, die ich noch all mein Lebtage gehört habe! Aber hast Du ihm denn schon früher solche Schlechtigkeit angemerkt?
Leonore. Hätte ich so etwas gemerkt, würde ich mich gewiß nicht mit ihm verlobt haben, vielmehr habe ich ihn, gerade wie Ihr selbst, mein Vater, jederzeit für einen honneten und gebildeten Cavalier gehalten, und nach der Lebensweise, die er in unserem Hause führte, konnten wir ja auch unmöglich etwas anderes denken. 198
Jeronimus. Allerdings, ich war ganz verliebt in seine trefflichen Eigenschaften.
Leonore. Das ist die Art, wie solche Menschen sich zu verstellen wissen! Dafür aber ist er auch furchtbar bestraft; denn wenn das bekannt wird, daß seine Braut ein Dienstmädchen ist, so wird er das Märchen der ganzen Provinz.
Jeronimus. Es giebt gar keine Strafe, die groß genug für ihn ist.
Leonore. Ich habe mir selbst alle mögliche Mühe gegeben, diese Ehe mit Pernille zu Stande zu bringen.
Jeronimus. Das war wohlgethan, meine Tochter.
Leonore. Hätte ich nicht diese Rache genommen, ich wäre vor Kummer und Aergerniß gestorben. Jetzt aber tröste ich mich und danke dem Himmel, der mich davon gerettet hat, solchem nichtswürdigen Menschen in die Hände zu fallen.
Jeronimus. Aber da kommt er ja aus dem Hause; ich muß ihm doch mal wirklich einen Spiegel vorhalten.
Leonore. Und ich gehe so lange hinein, denn sein Anblick ist mir unerträglich.
(Sie geht ab.)
Jeronimus. Leander.
Jeronimus. Zum zweiten Mal willkommen, Monsieur; jetzt weiß ich die ganze Geschichte.
Leander. Eine schöne Geschichte, nicht wahr?
Jeronimus. Ja, Monsieur, und Ihr seid ganz unschuldig.
Leander. Ja, was denn sonst?
Jeronimus. Solch ein niederträchtiges Betragen!
Leander. Sofern Er ihr Vater ist, bedaure ich Ihn von Herzen.
Jeronimus. Und ich gratulire mir von Herzen, daß es so abgelaufen.
Leander (zieht den Hut). Na, dann wohl zu bekommen. 199
Jeronimus (zieht ebenfalls den Hut). Ja, zu Ihm mag ich wol sagen: wohl zu bekommen. Er ist mir der richtige Kerl, Monsieur.
Leander. Einerlei, wie ich bin, für Seine Tochter war ich noch immer zu gut, und wenn Ihr noch einen Tropfen honnetes Blut in den Adern habt, so müßt Ihr das selbst sagen, nämlich wenn Ihr anders die Geschichte ordentlich erfahren habt.
Jeronimus. Ja, ich habe die Geschichte erfahren, das Schönste daran ist aber doch immer das Nachspiel.
Leander. Allerdings, das Nachspiel ist das Schönste.
Jeronimus. Wenn es Euch etwa am Stricke fehlt, Euch aufzuhängen, so will ich Euch einen leihen, das heißt unter der Bedingung, daß Ihr ihn mir wiedergebt, wenn Ihr ihn gebraucht habt.
Leander. Bildet Ihr Euch denn etwa gar ein, ich sehe es als einen Verlust an und werde mich vor Kummer aufhängen, weil ich Eure Tochter nicht gekriegt habe? Nein, vielmehr umgekehrt, ich freue mich darüber.
Jeronimus. Seit ich weiß, was für ein niederträchtiger Mensch Ihr seid, ist mir das allerdings sehr wahrscheinlich.
Leander. Wenn Ihr noch ihren Advocaten macht, so seid Ihr selbst ein niederträchtiger Mensch; was ich gethan habe, habe ich gethan, um mich zu rächen, und alle Welt wird sagen, daß ich Recht gethan habe.
Jeronimus. Aber womit hatte meine Tochter Euch denn beleidigt?
Leander. O mit nichts, mit nichts! Das ist ja eine bloße Kleinigkeit, sein gegebenes Wort brechen und eines andern Bedienten zum Manne nehmen.
Jeronimus. Ei, so soll Dich das Donnerwetter, Du Nichtsnutz! Das ist mir doch wirklich das Aeußerste von Niederträchtigkeit, sich selbst erst wie ein Lump betragen und nachher einer anständigen Dame aufbürden, was man selber gethan hat! Pfui tausend Teufel, Ihr seid nicht werth, daß Ihr das Leben habt!
Leander. Eure tugendsame Tochter, merk' ich, hat zu ihren 200 sonstigen Meriten auch noch dies hinzugefügt, daß sie ihren Vater am Narrenseil führt.
Jeronimus. Das lügt Ihr in Euren Hals! Und nun sag' ich Euch: Eure Frau ist mein Dienstmädchen Pernille, dieselbe, mit der Ihr Euch heute Vormittag versprochen habt!
Leander. Ha ha, das ist eine gehörige Nase, die sie dem alten Manne da drinnen gedreht haben! Aber für sie ist es bei alledem doch nur eine Galgenfrist. (Beiseite) Ich werde Euch gleich aus dem Traume helfen; Heinrich und Arv, kommt mal heraus!
Leander. Heinrich. Jeronimus. Arv.
Leander (zu Heinrich). Hier, Heinrich, hier ist Dein Schwiegervater; mach' ihm hübsch Dein Compliment.
Heinrich (auf den Knieen). Ach, gnädigster Herr Schwiegervater – ich –
Jeronimus. Ins Narrenhaus mit Dir, Du Hund! Bin ich Dein Schwiegervater?
Heinrich. Ich bin allerdings nur ein armer Bedienter, aber eben darum werdet Ihr einen desto gehorsameren Schwiegersohn an mir haben.
Jeronimus. Sieh her, Kamerad, da sind acht Schillinge, und nun pack' Dich, ich rede nicht gerne mit Verrückten, ich habe meinen Kopf schon allein voll genug.
Heinrich. Ach, ich bitte unterthänigst um Verzeihung –
Jeronimus. Bitte den lieben Gott um Verzeihung, der Dich zur Strafe Deines Verstandes beraubt hat, mir, so viel ich weiß, hast Du nichts gethan.
Heinrich. Ja, ich habe Ihm doch was gethan, und noch dazu etwas, worüber Er sehr böse werden wird; aber der ehrlichste Mensch, wenn er so in Versuchung gebracht wäre, hätte es nicht anders gemacht.
Jeronimus. Ja, allerdings, Du hast schwere Versuchungen; 201 ich bedaure Dich und will alle solchen Verrückten in mein tägliches Gebet einschließen.
Heinrich. Ich bin ja aber, weiß Gott, nicht verrückt, nur –
Jeronimus. Nein, verrückt bist Du nicht. Du hast blos den Verstand verloren; die ganze Stadt kommt mir heute wie ein Tollhaus vor. Pack' Dich, Kerl, da sind acht Schillinge!
Heinrich. Das ist aber doch wirklich zu wenig, eine einzige Tochter damit auszusteuern.
Jeronimus. Der arme Kerl, was dem sein Gehirn für Sprünge macht! Der Himmel erbarme sich Deiner, armer Junge; geh' hin und erzähle Dir was mit dem Cavalier da, der ist ebenfalls verrückt.
Heinrich. Das ist ja mein Herr, der wird mich schon in Schutz nehmen.
Jeronimus (zu Leander). Ist das Euer Diener?
Leander. Ja, das ist mein Diener und er ist vollständig bei Verstande.
Jeronimus. Na, das freut mich, daß Ihr glaubt, er ist bei Verstande; nun sehe ich doch, daß Ihr Eure Nichtswürdigkeiten in der Verrücktheit begangen habt, und das ist auch wirklich das Einzige, was Euch entschuldigt.
Leander. Verrückt oder nicht, er hat gerade Verstand genug gehabt, Euer Schwiegersohn zu werden.
Jeronimus. Bravo, das wird ja immer besser; na, adieu, Ihr klugen Köpfe mit einander.
(Er will gehen, Arv jedoch geht ihm nach und hält ihn zurück.).
Arv. Ach, gnädigster Herr, ich habe eine Bitte.
Jeronimus. Was willst Du denn?
Arv. Daß Heinrich angehalten wird, mir die fünfzig Thaler zu bezahlen, die er mir versprochen hat.
Jeronimus. Meinetwegen; Ihr könnt diesem Schlingel auch tausend Thaler geben, wenn Ihr Lust habt, Ihr Schubiacke!
Leander. Hört, mein werther Seigneur Jeronimus, ich habe Nachsicht mit Eurem wunderlichen Benehmen; was Ihr da eben erlebt habt, ist allerdings von der Art, daß es den stärksten Verstand über den Haufen werfen kann, mir selbst ging 202 es nicht anders, da ich es zuerst erfuhr. Nun habt aber die Güte und laßt Euch die Geschichte in aller Kürze erzählen und entscheidet dann selbst, ob ich im Unrecht bin oder nicht.
Jeronimus. Das will ich schon sachte mit anhören. Nun, wie ist die Geschichte denn?
Leander. Eure Tochter wirft mir vor, mein Verlöbniß gebrochen, mich im Laufe des heutigen Vormittags mit ihrem Mädchen verlobt und mit eben derselben heute Nachmittag Hochzeit gehalten zu haben; wenn ich nun beweisen kann, daß ich noch nicht drei Stunden in der Stadt bin, wollt Ihr dann noch für wahr halten, wessen Eure Tochter mich beschuldigt?
Jeronimus. Könnt Ihr mir das beweisen, so muß ich es wol glauben. Aber der Beweis, das ist eben die Schwierigkeit.
Leander. Hält Er Monsieur Leonard für einen ehrlichen und zuverlässigen Mann?
Jeronimus. Ja, gewiß, Leonard ist ein braver Mann und obenein ein guter Freund von mir.
Leander. He, Arv, spring' mal auf der Stelle zu Monsieur Leonard und bitte ihn, er möchte doch mal auf einen Augenblick herkommen. (Arv ab.) Monsieur Leonard wird Euch nun seinen Eid darauf ablegen, daß ich seit einem vollen Monat nicht in der Stadt gewesen bin, bis heute Nachmittag um zwei Uhr.
Jeronimus. Wenn Monsieur Leonard das wirklich beschwört, so weiß ich nicht mehr, was ich sagen soll.
Leander. Habt nur Geduld, bis er kommt, und hört dann den Zusammenhang. – Nämlich der Bediente hier hat während meiner Abwesenheit meine Kleider und Sachen zur Verfügung gehabt und aus purem Uebermuth, so wenigstens schwört er, hat er sich meiner Einrichtung bedient und den vornehmen Herrn damit gespielt. Eure Tochter, die schon seit einigen Tagen in der Stadt war –
Jeronimus. Ich weiß in der That nicht, wann sie gekommen ist, ob heute oder schon ein paar Tage früher; denn sie ist von dem Hauptgut gekommen, während ich erst heute zur bestimmten Stunde von dem Landhause hereinkam.
Leander. Ja, leider, Herr Jeronimus, zu ihrem Unglück 203 ist sie ein paar Tage früher hier gewesen; sie hat ein paarmal meinen Bedienten im Staat gesehen und hat sich in ihn verliebt.
Heinrich. Ich kann Euch zuschwören, daß ich von selbst niemals auf so was gekommen wäre. Aber sie kam mir selbst entgegen und schickte eine alte Kupplerin nach mir aus, die mich zu heute Vormittag zu ihr bestellte, und da haben wir uns denn verlobt und sind Nachmittag getraut worden. Das ist ja eben die Sache, weshalb ich vorhin auf die Kniee fiel und um Verzeihung bat.
Leander. Er wird sich überzeugen, Herr Jeronimus, daß alles in der That so ist.
Jeronimus. Aber genau dasselbe, was Ihr mir da von ihr erzählt, erzählt sie von Euch!
Leander. Das pflegt so zu gehen; wenn Einer etwas Böses gethan hat, so sucht er es einem andern in die Schuhe zu schieben. Ihr böses Gewissen und die Furcht von dem Zorn ihres Vaters hat sie veranlaßt, die Geschichte so umzudrehen.
Leonard. Jeronimus. Leander. Heinrich. Arv.
Leonard. Nun, was giebt es Neues? – Sieh da, da ist ja auch Seigneur Jeronimus; willkommen in der Stadt!
Jeronimus. Mein werther Herr Leonard, Er ist ein ehrlicher Mann, der mir gewiß die volle Wahrheit sagen wird; wir haben Ihn holen lassen, um durch Ihn Licht in einer gewissen Sache zu bekommen.
Leonard. Was ist das für eine Sache?
Jeronimus. Ich möchte gerne von Ihm wissen, wann Monsieur Leander zur Stadt gekommen ist.
Leonard. Ha ha ha! Das muß doch Monsieur Leander selbst am besten wissen. – Hast Du denn vergessen, Monfrère, wann wir zur Stadt gekommen sind?
Leander. Vergessen hab' ich es keineswegs, aber man will mir keinen Glauben schenken. Sprich daher frei heraus, 204 Monfrère, sind wir schon ein paar Tage in der Stadt gewesen, oder sind wir erst heute gekommen?
Leonard. Was für eine verhenkerte Frage das ist! Ihr wißt ja recht gut, daß wir heute gekommen sind.
Leander. Sind wir Vormittag gekommen oder Nachmittag?
Leonard. Für uns war es allerdings Vormittag, nämlich weil wir nichts zu essen gekriegt hatten, im Uebrigen war zwei Uhr vorüber. Aber wozu diese Frage?
Leander. Dazu, den ärgsten Schandfleck abzuwischen, der einem ehrlichen Manne jemals angethan worden. Die Sache ist diese –
Jeronimus. Laßt die Sache ruhen, mein Herr, ich habe sie satt, ich glaube dem Manne aufs Wort.
Leonard. Monfrère Leander und ich sind zusammen acht Tage auf dem Lande gewesen und sind heute um zwei Uhr in die Stadt gekommen, darauf kann ich einen Eid ablegen, und wenn das noch nicht genügt, so kann ich auch noch weitere Zeugen schaffen.
Jeronimus. Mein Herr, Er ist in meinen Augen der zuverlässigste Mann, den ich kenne, ich brauche weder Eid, noch Zeugen. Meine Tochter, merke ich wol, hat mich belogen, und allerdings, da sie im Stande war, so etwas zu thun, so kann mich das Weitere nicht mehr überraschen.
Leander. Dann paßt doch ein ander Mal besser auf Eure Worte; bin ich nun noch verrückt? bin ich ein Schuft? bin ich ein Nichtswürdiger? Als ich zur Stadt kam, war diese abgeschmackte Verlobung längst vollzogen; der Himmel ist mein Zeuge, wie weh es mir gethan und in welchen Zorn es mich versetzt hat, als ich mich überzeugte, daß es keine andere Genugthuung für mich gab, als meinen Bedienten seinen Weg zu Ende gehen zu lassen.
Jeronimus. Ach, ach, schon um meinetwillen hättet Ihr diese schmachvolle Partie verhindern sollen, wenn Ihr selbst auch allerdings genügend Ursache hattet, sie zu verlassen!
Leander. Es ist allerdings nur ein armer Bedienter, aber für sie, mein Herr, ist er doch noch immer zu gut. 205
Heinrich. Ach, theuerster Schwiegervater, verzeiht mir und nehmt uns beide zu Gnaden an!
Jeronimus. Eingesperrt sollst Du werden und aufgehängt!
Leander. Kein Haar auf dem Haupte sollt Ihr ihm krümmen!
Jeronimus. Nein, kein Haar krümmen, aber den Kopf abschlagen!
Leander. Er hat nichts verbrochen, sie ist die Verführerin.
Heinrich. Wenn niemand mehr stehlen sollte, wer möchte da noch Dieb sein; es giebt doch noch Gesetze und Recht im Lande.
Jeronimus. Allerdings, aber nicht zu Deinem Vortheil.
Heinrich. Ihr Mütterliches kann ihr doch nicht vorenthalten bleiben.
Jeronimus. Wie gesagt, morgen hängst Du am Galgen!
Leander. Da werden wir doch auch noch ein Wort mitsprechen. Fürs Erste citire ich Euch vor Gericht, weil Ihr mir solch sittenloses Frauenzimmer habt aufhängen wollen. Komm einstweilen mit, Monfrère Leonard, so will ich Dir die ganze Geschichte erzählen. (Beide ab.)
Jeronimus. Leonore.
Jeronimus (pocht an sein Haus). Heda, Leonore soll mal herauskommen, aber allein. Erst will ich ihr meinen Fluch geben und dann will ich sie einsperren lassen.
Leonore. Nun, lieber Papa, hat er gestanden?
Jeronimus. Komm nur mal her, Dir soll gleich der Hals umgedreht werden, Du Missethäterin!
Leonore. Ach, Himmel, was wird das, Papa?!
Jeronimus. Papa, Papa! bin ich Dein Papa? Dich mag wol einer von unsern Hofhunden gemacht haben, Sultan oder Fairfax, denn Menschliches ist nicht an Dir! (Sie weint.) Hol' mich der Henker, Du liederliche Dirne mit Deinen Krokodilsthränen, 206 in einen Käfig werde ich Dich sperren, aller Welt zum Spectakel, und Dich von den Dienstboten für Geld sehen lassen!
Leonore. Nein, das halte ich nicht aus! Und wenn Ihr tausendmal mein Vater seid, so weit geht Eure Macht über mich nicht; so würde ja kein Herr seine Sclaven ausschelten!
Jeronimus. So? Also Du darfst noch trotzen?
Leonore. Was habe ich denn auch gethan? Ja, ich trotze Euch und Jedem, der meinem ehrlichen Namen zu nahe tritt! Ich weiß, daß ich meinem Vater Gehorsam schuldig bin, aber – – ach Himmel, ich lasse meinen Vater zu mir bitten, um einen Trost und eine Stütze zu haben in meinem Elend, und nun muß ich mich noch obenein behandeln lassen, als wäre ich die nichtswürdigste Creatur?!
Jeronimus. Verdienst Du denn eine andere Behandlung, nachdem Du Dich so aufgeführt hast?
Leonore. Aber was habe ich denn gethan?
Jeronimus. Buchstäblich alles, was Du mir von Monsieur Leander vorgelogen, hast Du selbst gethan; Du hast Dein gegebenes Wort gebrochen, Du hast Dich aus Liederlichkeit mit einem gemeinen Kerl verheirathet, und nun kommst Du noch obenein und willst einen Narren aus mir machen und mich gegen einen ehrlichen Mann aufhetzen?!
Leonore. Ach, ach, das Herz bricht mir vor Jammer! Wagt er so etwas von mir zu sagen? Wagt er zu leugnen, was er eben erst vollführt hat?
Jeronimus. Gewiß, und er hat alle Ursache es zu leugnen, da er beweisen kann, daß es Lügen sind. Monsieur Leonard hat mir mit einem Eid bekräftigt, daß Leander seit einem Monat nicht hier in der Stadt gewesen, und daß er erst diesen Nachmittag zwei Uhr hereingekommen ist.
Leonore. Nein, nein, das halte ich nicht aus! Pernille und Magdelone, hierher, zu Hülfe! 207
Leonore. Jeronimus. Pernille. Magdelone. Nachher ein Notarius.
Leonore. Ach, kommt doch her und gebt Zeugniß für meine Unschuld! Leander schiebt seine eigene Bosheit auf mich und untersteht sich, meinem Vater zu sagen, er wäre eben erst in die Stadt gekommen!
Pernille. So muß das wol sein Geist gewesen sein, der sich heute Vormittag mit mir verlobt und mir diesen Ring gegeben hat.
Magdelone. Ganz dasselbe kann ich ebenfalls beschwören.
Jeronimus. Und er beweist durch glaubhaftes und unverdächtiges Zeugniß, daß ihm die ganze Geschichte angedichtet ist!
Magdelone. Aber, gnädigster Herr, der Notarius, der den Ehecontract aufgesetzt hat, ist ja noch im Hause, ihm werdet Ihr doch Glauben schenken, wenn Ihr auch uns übrigen für Lügner haltet; ich werde ihn gleich bringen.
Jeronimus. Wenn nun gar noch der Notarius für Euch zeugt, so weiß ich gar nicht mehr, was ich sagen soll. Aber erst will ich es doch hören, ehe ich glaube; ich fürchte, es sind bloße Ausflüchte. Bleibt Ihr nur hübsch hier, Ihr sollt mir nicht entwischen!
Leonore. Ich habe ein viel zu gutes Gewissen, als daß ich fliehen sollte.
Jeronimus. Ach, ach, wenn Gott das doch gäbe! Wenn Gott das doch gäbe!
Notarius (eintretend). Der gnädige Herr befehlen?
Jeronimus. Herr Notarius, ich bitte Ihn um alles in der Welt, sage Er mir aufrichtig: wer sind die beiden Personen, die heute in dem Hause hier getraut worden sind?
Notarius (auf Pernille zeigend). Da steht die Braut, gnädiger Herr, die wird es wol am besten sagen können.
Jeronimus. Aber mit wem wurde sie getraut?
Notarius. Mit einem jungen Herrn, der hier geradeüber wohnt. 208
Jeronimus. Das kann nicht sein, Herr Notarius, denn –
Notarius. Und ich sage, es ist in der That so; denkt Ihr etwa, daß ein Mann von meinem Charakter in Dingen, die sein Amt betreffen, lügt oder Spaß macht?
Magdelone. Ja, bei meiner Seele, sie ist in der That mit Leander verheirathet, das kann ich beschwören!
Leonard. Die Vorigen.
Leonard (ins Haus zu Heinrich sprechend). Adieu, Monfrère, gieb Dich zufrieden, Du hast Dich gehörig gerächt, das war eine verfluchte Geschichte.
Jeronimus. Seht her, da ist Monsieur Leonard, der das Gegentheil bezeugt.
Leonore. Wollt Ihr Euch unterstehen, Monsieur Leonard, und sagen, Leander ist erst heute Nachmittag in die Stadt gekommen?
Leonard. Wollt Ihr Euch unterstehen und sagen, daß es nicht so ist?
Leonore. Hier sind Zeugen darauf, daß er sich heute Vormittag mit einem Dienstmädchen verlobt hat.
Leonard. Und ich kann beschwören, daß er heute Vormittag zwei Meilen von hier entfernt gewesen ist.
Notarius. Seht Euch vor, Monsieur, was Ihr sprecht; ich selbst habe heute den Ehecontract zwischen ihm und diesem Fräulein unterzeichnet.
Leonard. Das ist wunderbar; noch hat mich doch kein Mensch auf einer Lüge betroffen. Wollt Ihr übrigens meinem Eid nicht glauben, so kann ich Euch ein Dutzend Zeugen verschaffen.
Jeronimus. Ach Himmel, was ist das für eine Confusion?! Meine Tochter beschuldigt Leander, daß er sie verlassen, Leander beschuldigt sie, dasselbe gethan zu haben. Hier sind glaubhafte Zeugen, die für sie sprechen, hier sind glaubhafte 209 Zeugen, die für ihn sprechen; wie soll da ein Mensch aus der Sache klug werden?
Leonard. Da ist kein anderes Mittel, um aus der Sache klug zu werden, Herr Jeronimus, als beide Parteien zu confrontiren; ich lasse mein Leben darauf, daß hier ein Irrthum ist. Bleibt nur alle ruhig hier, ich werde Leander mit seinen Leuten gleich holen. (Geht und holt sie.)
Notarius. Ich glaube weiß Gott auch, es ist ein bloßes Mißverständniß, die Sache ist sonst zu unbegreiflich.
Leander. Heinrich. Arv. Leonard. Jeronimus. Leonore. Pernille. Magdelone. Der Notar.
Leonard. Nun schweigt jetzt alle stille und laßt mich allein machen. (Redet zuerst Pernille an) Hört, behauptet Ihr wirklich, daß dieser ehrenwerthe Herr hier mit Euch verheirathet ist?
Pernille. Nein, Monsieur, das hab' ich auch noch niemals behauptet. Den Herrn kenne ich nicht, es ist ein Anderer, den ich meine.
Leonard. Und Du, Heinrich, wagst Du zu behaupten, daß Du mit diesem ehrenwerthen Fräulein verheirathet bist?
Heinrich. Nein, Monsieur, diese kenne ich gar nicht, das da ist meine Frau, der ich hiermit alles gestehe, und die ich um Verzeihung anflehe. (Fällt vor Pernille auf die Kniee.) Ach, Euer Wohlgeboren, seid doch nur nicht böse, daß ich statt eines großen Herrn nun auf einmal ein bloßer Lakai bin, bedenkt doch, wir sind alle Menschen, und Ihr selbst habt mich zuerst zu diesem Wagestück veranlaßt! Und doch würde ich es mir niemals erlaubt haben, hätte ich gewußt, daß Euer Wohlgeboren bereits mit Leander, meinem Herrn, verlobt waren, und daß dieser Herr hier, vor dem ich die allermeiste Angst habe, Euer Wohlgeboren Vater ist.
Pernille. Ah, Du also bist der Junker, mit dem ich mich verheirathet habe? (Reißt ihn an den Haaren.) 210
Heinrich. Ach, bringt mich doch nur nicht um, Euer Wohlgeboren! (Die Uebrigen machen ihn los und halten Pernille zurück.)
Pernille. Nein, nun höre Einer die Geschichte, ich dachte ihn anzuführen, und nun hab' ich mich selber angeführt! Weil ich ihn in seines Herrn Kleidern sah, so bildete ich mir ein, er wäre ein großer Herr, und da machte ich mir denn ebenfalls meines gnädigen Fräuleins Sachen und Kleider zu nutze, um auf die Art mein Glück zu machen. Ach, Himmel, ist es möglich, soll ich im Handumdrehen aus einer vornehmen Dame wieder die Frau eines bloßen Lakaien werden?!
Heinrich. Ei, daß Dich der Henker hole, so bist Du also ein bloßes Dienstmädel?! (Alle lachen.)
Pernille (giebt ihm eine Ohrfeige). Hier, das ist für Deine beiden Rittergüter!
Heinrich (ohrfeigt sie ebenfalls). Und das ist für Dein Mütterliches!
Pernille (schlägt wieder). Und das ist für Deine Schwester, Fräulein Fieke!
Heinrich (schlägt ebenfalls). Und das ist für Deinen Stammbaum!
(Sie fällt Heinrich in die Haare, er reißt ihr die Haube vom Kopf, die Uebrigen bringen sie auseinander.)
Leonard. Ruhe da, und gesteht, wie eine Sache zusammenhängt, bei der Eure Herrschaft in so hohem Grade interessirt ist!
Pernille. Ach, erlaubt nur erst, daß ich ihm die Augen auskratze!
Heinrich. Ach, erlaubt nur erst, daß ich ihr den Hals umdrehe!
Jeronimus. Still, sag' ich, und bekennt, wie alles zusammenhängt!
Pernille. Ich hielt den Hundsfott für einen großen Herrn.
Heinrich. Und ich hielt die Bestie für eine reiche Dame.
Pernille. Daß er ein Narr war, sah ich wohl.
Heinrich. Daß sie ein lockerer Vogel war, sah ich wohl.
Pernille. Aber just, weil er ein Narr war, that ich es erst recht. 211
Heinrich. Aber just, weil sie ein lockerer Vogel war, that ich es erst recht.
Pernille. Er hatte den Namen seines gnädigen Herrn angenommen und nannte sich Leander.
Heinrich. Sie hatte den Namen ihres gnädigen Fräuleins angenommen und nannte sich Leonore.
Pernille. Aber nun sehe ich wohl, daß er ein bloßer Schuhputzer ist.
Heinrich. Aber nun sehe ich wohl, daß sie ein bloßer Stubenbesen ist.
(Sie wollen wieder auf einander losschlagen, werden aber zurückgehalten.)
Leonard. Na, seht Ihr wol, Kinderchen, nun hört Ihr ja, woher der ganze Krieg entstanden ist; seid also nur wieder gut Freund und bittet einer den andern um Verzeihung.
Leander (kniet vor Leonore nieder). Angebetetes Fräulein, ich bekenne, daß ich mich aufs Aeußerste gegen Euch vergangen habe; nichts in der Welt hätte mich bewegen sollen, an Eurer Tugend zu zweifeln, allein diese wunderliche Begebenheit hatte mich ganz von Sinnen gebracht.
Leonore (kniet ebenfalls nieder). Ach, theurer Leander, ich bitte ebenfalls unter strömenden Thränen um Verzeihung!
Leander. Wäre meine Liebe kleiner gewesen, nie wäre mein Haß so weit gegangen.
Leonore. Hätte ich Euch minder heiß geliebt, ich hätte niemals diese Rache genommen.
Leander. Will Sie mir denn meine Missethat verzeihen?
Leonore. Will Er mir die meine denn ebenfalls nicht nachtragen?
Leander. Von ganzem Herzen verzeih' ich Ihr.
Leonore. Und ich will Ihm ganz gewiß nicht mehr böse sein.
(Während dieses Gespräches haben Heinrich und Pernille sich wieder geprügelt und müssen wieder auseinander gebracht werden. Leander und Leonore. nachdem sie sich umarmt, stehen auf.)
Jeronimus (weinend). Meine theuren Kinder, ich bitte Euch ebenfalls um Verzeihung alle Beide. 212
Leander. Ei, theurer Schwiegervater, seid doch davon still, dieselbe Veranlassung, die uns verführte, hat auch Euch das Blut warm gemacht.
Jeronimus. Aber was soll nun aus diesem verwetterten Paare werden, das durch seinen Muthwillen den ganzen Spectakel angerichtet hat?
Leander. Ei, theurer Schwiegervater, jetzt laßt uns nur an Lust und Freude denken; sie haben uns doch beide seit Jahren treu gedient, suchen wir sie denn mit einander zu versöhnen. Heda, Du junges Ehepaar, gleich hierher und Euch vertragen, Ihr seid gerade gut genug für einander.
Pernille. Aber er hat mich doch angeführt.
Heinrich. Nein, Du hast mich angeführt.
Leander. Ihr seid einander nichts schuldig geblieben; marsch vorwärts und Euch die Hände gereicht!
(Sie reichen einander die Hände.)
Magdelone. Aber, Pernille, Du hast mir doch vierhundert Thaler für meine Mühe versprochen.
Pernille. Sieh her, da hast Du vier Schillinge, Magdelone, mehr kannst Du unter diesen Umständen nicht kriegen.
Arv. Aber, Heinrich, wo bleibt das Geld, das Du mir versprochen?
Heinrich. Da hast Du eine Maulschelle; wär' die Geschichte anders ausgefallen, hättest Du sollen mehr kriegen.
Leander. Nun, damit es hier nichts als vergnügte Gesichter giebt, so mache ich Heinrich zu meinem Unterinspector. (Beide bedanken sich.) Und nun, holdes Herz, laß uns hineingehen und die richtige Hochzeit halten.
Heinrich. Das ist wahrhaftig ein schöner Posten, den ich gekriegt habe, aber um ihn recht zu schätzen, muß ich mir doch erst die Junkergrillen aus dem Kopfe schlagen, ich werde ein Vomitiv nehmen, um Pernillens Stammbaum sammt ihrem Mütterlichen herauszukriegen, dann wird mir wol besser werden. Und Du, mein Schnutchen, komm nur mit hinein und nimm was zu schwitzen, damit Du meine beiden Rittergüter ausschwitzest.