Hans Hopfen
Peregretta
Hans Hopfen

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223 Trotz seines selbstausgesprochenen Bedünkens scheint dieser Brief, wie die Folge lehret, denn doch in die schönen Hände gelangt zu sein, auf welche während des Schreibens in gutem oder bösem Glauben verzichtet worden. War's Zufall, war's Absicht, wer weiß es und was thut es auch zur Sache. Zwischen diesem ersten und dem folgenden Briefe, der ein weit späteres Datum trägt und eine andere Sprache spricht, mag ein ganzer Frühlingssturm von Worten und Küssen, Blicken und Seufzern über zwei jungen Seelen ausgeschmollt und ausgegrollt haben. Er scheint nach einer jener verzweifelnden Kaffeevisiten geschrieben zu sein, welche Dank den unvergleichlichen Pharisäersitten des neunzehnten Jahrhunderts ein nicht offizieller Liebhaber zuweilen zu machen genöthigt ist, wenn er nach langem Harren und Hoffen endlich einmal »aus Zufall« Diejenige von Angesicht zu Angesicht eine gute Stunde lang betrachten und beschwatzen will, die ihm, gäb's keinen Zufall, keinen Kaffee und keine alten Weiber, viel lieber um den Hals fallen würde. Doch das ist der Lauf der Welt und hier folgt 224

Ein zweiter Brief Heinrich's an Natalien.

13. Mai 185 . . Abends 9 Uhr.  

»Wenn's nicht so ärgerlich wäre, so könnte man darüber lachen, wie einer einen lieben Nachmittag lang in Gottes Namen dergleichen thut, als unterhielte es sich auf's Köstlichste mit einer guten, aber höchst langweiligen Frau Mama, mit einem ditto Fräulein Tochter, mit einem Paar koquetter alter Jungfern und einem polternden frischgemachten Herrn Lieutenant Sohn – alles um endlich, endlich auf dem Heimweg ein kurzes Viertelstündchen mit seinem herzigen Schatz plaudern zu dürfen – und dann kommt ein sehr ehrenwerther Herr Vormund »in den besten Jahren« daher, der bei seinem Sonntagskränzchen-Diner im chinesischen Hof zu viel »grand vin royal« genossen hat, und nachdem der alte Junggeselle sämmtlichen Unsinn, den er über Tisch nicht hat loswerden können, uns geduldigen Kindern vorgeschwatzt hat, nimmt er meine Natalie unter den väterlich befreundeten Schutz und Schirm und ich habe das einsame Nachsehen durch Regen.

Und gerade heute hätten wir uns so viel zu sagen und zu fragen gehabt, wenigstens ich zu Dir. So weiß ich nun Nichts, als was Du mir flüchtig zuraunen konntest, daß Du wieder einmal um meinetwillen hast weinen müssen. Jedes Thränlein, das 225 um meinetwillen aus Deinen schönen Augen geht, es fällt mir heiß und quälend in die Seele, obschon ich weiß, daß es ohne Leid nun einmal nicht abgeht, wenn sich zwei so recht von Herzen lieb haben auf dieser Erde.

Laß ihnen ihre Art, sie können's doch nicht ändern, und tröste Dich, liebes Herz. Schau' um Dich, wie jetzt Alles rund herum grünt und blühet in der schönen Herrgottswelt, und denke Der, welcher den Frühling schickt, er hütet auch unser junges Glück und wird es blühen und grünen lassen, wenn sein Frühling gekommen. Hör' ich jetzt Morgens die Vögel singen, dann denk' ich immer: nun treibt auch jener alte Baum in der Lindenauer Schießstätte wieder, darunter Du mir zum ersten Mal gesagt, daß Du mich lieb hast. Weißt Du's noch? – Gott segne den Baum und jene Beiden, die einst so bis in die Seelen vergnügt unter seinen rauschenden Zweigen gesessen.

Gib' wohl Acht, daß ich Dich bald wiederseh'. Und nun gute, gute Nacht, mein Lieb'. Ich will ausgehen und noch eins auf Deine Gesundheit trinken, damit Du besser schläfst heute Nacht. Du sollst nicht weinen, Natalie, ich bitte Dich, und wenn Du dieß liesest, so denk', ich küsse Dir die treuen Augen.«

 


 


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