Henrik Ibsen
Das Fest auf Solhaug
Henrik Ibsen

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ZWEITER AKT

(Eine Birkenwaldung neben dem Hause, von dem eine Ecke links sichtbar ist. Ein Fußsteig führt auf die Berghalde im Hintergrund hinauf. Dem Steig zur Rechten schäumt ein Bach hernieder, der sich zwischen Felsblöcken und Steinen verliert. Es ist helle Sommernacht. Die Tür zum Hause steht offen; die Fenster sind erleuchtet. Man hört drinnen Musik.)

Die Gäste (singen in der Feststube.)
    Die Fiedel klinge! Bei Saitenklang
    Tanzen wir bis zum Morgen lang.
    Wie lustig die Dielen dröhnen!
    Die Jungfern brennen so hell wie Blut;
    Das machen die Bursche, – mit keckem Mut
    Umfahn sie die Hüften der Schönen.

(Knut Gaesling und Erik von Haegge treten aus dem Hause. Musik, Tanz und Jubel tönt weiter während des Folgenden gedämpft heraus.)

Erik. Wenn es Dich nur nicht reuen wird, Knut.

Knut. Laß mich nur machen.

Erik. Ja, ja, aber gewagt bleibt es doch. Du bist des Königs Vogt. Da ergeht an Dich der Befehl, Gudmund Alfsön zu fahen, wo Du ihm beikommen kannst. Und nun, da Du ihn in nächster Nähe hast, sagst Du ihm Deine Freundschaft zu und läßt ihn frei fahren, wohin es ihm beliebt.

Knut. Ich weiß, was ich tue. In seiner eignen Behausung hab' ich ihn gesucht, und da war er nicht zu finden. Und wenn ich es nun unternähme, ihn hier dingfest zu machen, – meinst Du wohl, daß da Frau Margit gewillt wäre, mir Signe zum Weib zu geben?

Erik (gedehnt.)
Nein, im Guten wohl nicht, aber –

Knut. Und im Bösen möcht' ich ungern vorgehn. Gudmund ist übrigens auch mein Freund von altersher; und er kann mir viel nützen. (Bestimmt.) Darum bleibt es bei dem, was ich gesagt habe. Heut abend soll niemand hier auf dem Hof erfahren, daß Gudmund Alfsön friedlos ist; – morgen mag er zusehen, wie er sich selber hilft.

Erik. Ja, aber des Königs Gebot?

Knut. Ah, des Königs Gebot! Du weißt so gut wie ich, des Königs Gebot wird hier in unsern Gauen nicht groß geachtet. Sollte des Königs Gebot immer gelten, so müßte mancher prächtige Kerl unter uns für Brautraub und Männermord büßen. – Nun komm! Ich möchte wissen, wo Signe –?
(Sie gehen rechts ab.)

(Gudmund und Signe kommen den Fußsteig im Hintergrunde herab.)

Signe. Sprich weiter! Du redest mir nie zu viel;
Es hört sich wie lieblichstes Saitenspiel.

Gudmund. Signe, mein holdes, mein reizendes Mädchen!

Signe (mit froher, stiller Verwunderung.)
Ich – ich bin ihm lieb!

Gudmund.                     Ja, niemand als Du!

Signe. Ich bände Dich fest mit goldenem Fädchen?
Ich gäb' Deinem Sinn die ersehnte Ruh?
O, darf ich Dir traun?

Gudmund.                     Das darfst Du fürwahr!
Hör' mich, Signe, Jahr um Jahr,
Ob es winterte oder Sommer blühte,
Trug ich Euch beide in treuem Gemüte.
Doch fühlt' ich noch unklar zu Euch zwein; –
Dich sah ich immer als Elflein klein, –
So wie sie unter des Waldes Bäumen
Gern spielen, während wir schlafen und träumen.
Doch seit ich mich heute auf Solhaug schaue,
Da, fühl' ich, ist mir der Schleier gefallen, –
Ich sehe, wie Margit die stolzeste Fraue,
Doch Du die holdseligste Maid von allen.

Signe (die seinen Worten nur halb gelauscht hat.)
Ich weiß noch, wir saßen am lohenden Herd,
Eines Winterabends, vor Jahren und Jahren; –
Du sangst von dem Mägdlein mit goldigen Haaren,
Die der Neck am Grunde zum Weib begehrt.
Da vergaß es Vater und Mutter unten,
Vergaß es Bruder und Schwester drunten,
Vergaß sich von Himmel und Erde fort,
Vergaß seinen Gott und sein heiliges Wort.
Doch dicht am Ufer, da stand sein Gespiel;
Ihn dünkte das Leben ohn' Zweck und Ziel;
Voll Leide griff er der Harfe Saiten,
Das klang so laut und lang in die Weiten.
Das Mägdlein, tief auf des Bergsees Grund,
Erwachte und ward seines Bannes gesund.
Was half dem Neck die ohnmächtige Wut? –
Es floh zwischen Lilien hin über die Flut
Und ward wieder Mensch unter Menschen hinfort
Und glaubte wieder an Gott und sein Wort.

Gudmund. Liebste!

Signe.             So ging auch ich dahin
Wie eine träumende Schläferin;
Bis Du mir heute der Liebe Macht
Enträtselt; – da bin ich selig erwacht.
Nie sah ich früher den Himmel so blau,
Noch die Welt von so strahlender Weite;
Ja selber die Sänger in Wald und Au
Versteh' ich an Deiner Seite.

Gudmund. So mächtig ist Liebe; – in unserer Brust
Weckt sie Sinnen und Sehnsucht und Lust. –
Doch komm, nun laß uns zu Margit gehn.

Signe (verschämt.)
Soll sie –?

Gudmund.   Wir wollen ihr alles sagen.

Signe (wie vorher.)
Ach Du, – ich würde in Flammen stehn; –
Willst Du's nicht lieber ohne mich wagen?

Gudmund. Nun gut, auch so.

Signe.                       Und ich warte hier, ja?
(Horcht nach rechts.)
Oder besser – drunten am Sturzbach! – Da
Hör' ich Knut Gaesling mit Gästen kommen!

Gudmund. Dort wartest Du?

Signe.                       Bis Du ihr Urteil vernommen.

(Sie geht rechts ab. Gudmund geht ins Haus. Margit kommt von links hinter dem Hause hervor.)

Margit. Die Stube strahlt von festlichem Glanze,
Die Weiber und Männer drehn sich im Tanze.
Doch mir ward so schwül und beklommen zu Mut, –
Gudmund war nicht zu sehen.
(Atmet tief.)
Hier außen ist's still; hier weilt es sich gut,
Wo mich nächtliche Winde umwehen.
(Grübelt eine Weile.)
Dieser arge Gedanke – ich kenn' mich nicht mehr!
Er treibt und ängstigt mich hin und her.
Das Fläschchen – mit seinem Wundersaft –?
Ein Tropfen davon – in des Feindes Becher, –
So siecht ihm langsam die Lebenskraft,
Und nichts mehr rettet den armen Zecher.
(Wiederum Pause.)
Wüßt' ich, daß Gudmund – empfänd' er mit mir, –
Ich trüg' kein Bedenken –

(Gudmund kommt zur Haustür heraus.)

Gudmund.                         Margit, Du hier?
So allein? Ich suchte Dich drinnen im Haus.

Margit. Ich floh aus dem Dunst in die Nachtluft hinaus. –
Siehst Du die weißen Nebelweben
Lautlos über das Moor herschweben?
Hier ist nicht Dunkel noch Helle allein;
Hier – wie in mir – herrscht zweifelnder Schein.
(Blickt ihn an.)
Nicht wahr, – wenn Dein Fuß solche Nacht durchzieht,
Da weißt Du oft selber nicht, wie Dir geschieht;
Doch bricht es wie heimliches Leben hervor
Aus Blättern und Blumen, aus Büschen und Rohr!
(Mit plötzlichem Übergang.)
Weißt, was ich möchte?

Gudmund.                         Nun was?

Margit.                                             Daß ich
Eine Elfe wäre, im Walde drinnen.
Wie wollt' ich da listige Zauber spinnen!
Glaub' mir –!

Gudmund.                     Was fehlt Dir, Margit? Sprich!

Margit (ohne auf ihn zu hören.)
Wie wollt' ich singen, wie wollt' ich klagen!
Klagen und singen in Nächten und Tagen!
(Mit steigender Erregung.)
Wie wollt' ich es locken, das mutige Blut,
Durch den grünen Wald – in die Felsenkammer; –
Vergessen wär' aller irdische Jammer
In unserer Liebe brennender Glut!

Gudmund. Margit! Margit!

Margit (immer leidenschaftlicher.)
                        Und Mitternacht, Du
Legten wir uns zur süßesten Ruh!
Und stürb' ich auch bis zum Morgenrot, –
Sag', wär' es denn nicht ein seliger Tod?

Gudmund. Du redest im Fieber!

Margit (bricht in Lachen aus.)
                              Hahahaha!
Lachen! Lachen! Das löst!

Gudmund.                             Ja, ja,
Du bist noch immer so maßlos wie je!

Margit (plötzlich ernsthaft.)
Du darfst mich nicht so durch Schelten strafen –
So bin ich nur nachts, wenn die Menschen schlafen;
Am Tage bin ich so scheu wie ein Reh.
Und was ist denn weiter? Erinnre Dich, wie
Die Weiber in fremden Landen sind, – sie,
Die schöne Prinzessin – ja, sie war wild;
Dagegen bin ich wie ein Lamm so mild.
Sie schmachtete nicht nur, sie hatte auch Mut;
Sie sann auf Tat; und sieh, das

Gudmund.                                     Wie gut!
Du mahnst mich daran! Den wertlosen alten
Scherben – wozu ihn noch länger behalten!
(Zieht das Fläschchen hervor.)

Margit. Das Fläschchen! Du meinst –?

Gudmund.                                 Ich hob es noch auf,
Weil ich dachte, ich hätte dann leichteren Kauf,
Wenn des Königs Haufe nach mir begehrt.
Doch all das verlor heut für mich seinen Wert.
Nun stütz' ich mich fröhlich auf mich und mein Schwert;
Und kommt es zum Schlimmsten, so stehn mir im Streite
Gesippen und Freunde zur Seite.
(Will das Fläschchen gegen einen Felsen werfen.)

Margit (faßt ihn beim Arm.)
Nein, halt!

Gudmund.   Was hast Du –?

Margit.                               Ein besseres Ziel.
Der Neck dort soll es empfangen.
Er hielt mich so oft durch sein munteres Spiel
Und sein seltsames Singen gefangen.
Gib her!
(Nimmt ihm das Fläschchen aus der Hand.)
            Da hast Du's!
(Tut, als ob sie es in den Bach würfe.)

Gudmund (geht nach rechts und blickt in die Tiefe hinab.)
                                  Warfst Du's hinein?

Margit (indem sie das Fläschchen versteckt.)
Du sahst doch –
(Geht flüsternd dem Hause zu.)
                        Nun mag mir Gott gnädig sein!
Nun heißt es nichts oder alles wagen!
(Lauter.)
Hör', Gudmund –

Gudmund (nähert sich.)
                          Ja?

Margit.                         Ich möchte Dich fragen, –
Es geht eine Sage hier unter den Leuten –
Von der Kirche da drunten; die sollst Du mir deuten.
Es war eine Frau und ein Edelknab',
Die hielten einander so wert;
Und als sie vorausging ins frühe Grab,
Da sprang er ins eigene Schwert.
Sie trug man zur südlichen Kirchenwand,
Ihn grub man im Norden ein; –
Nie wollten früher Blumen am Rand
Der geweihten Mauern gedeihn;
Im nächsten Lenz aber sproßte ein Flor
Aus ihrer Herzen Flammen
Und rankte sich über das Kirchdach empor
Und spann sich blühend zusammen. –
Nun deute mir das!

Gudmund (blickt sie forschend an.)
                            Mir ist nicht klar –

Margit. Man kann's verschieden deuten, wohl wahr!
Doch glaub' ich, die Deutung ist recht und schlicht:
Was sich liebt, das trennt auch die Kirche nicht.

Gudmund (leise.)
Alle Heiligen, wenn –! Nun gilt es zu eilen
Und alles ihr mitzuteilen.
(Laut.)
Sag', Margit, – willst Du mir helfen, wenn –?

Margit (freudig bewegt.)
Ob ich will!

Gudmund.     Ja, ich meine –

Margit.                               Was hast Du?

Gudmund.                                               Nun denn!
Du könntest mich heut noch so glücklich schaun –

Margit (ausbrechend.)
Gudmund!

Gudmund.   Hör' mich, ich will Dir vertraun –
(Er hält plötzlich inne. Vom Ufer des Baches her schallen Stimmen und Gelächter.)

(Signe und einige junge Mädchen kommen von rechts. Knut, Erik und mehrere jüngere Männer folgen ihnen.)

Knut (noch in einiger Entfernung.)
Gudmund Alfsön! Halt! – ich möchte ein Wort mit Dir sprechen.
(Er bleibt im Gespräch mit Erik stehen. Die übrigen Gäste gehen inzwischen ins Haus zurück.)

Margit (zu sich selbst.)
Ich könnte ihn heut noch so glücklich schauen –! Was kann er anders meinen, als –! (Halblaut.) Signe, – liebe, liebe Schwester!
(Sie faßt Signe um die Hüfte und geht mit ihr im Gespräch nach dem Hintergrund, die Anhöhe hinauf.)

Gudmund (leise, indem er ihnen mit den Augen folgt.)
Ja, so ist es am ratsamsten. Signe und ich müssen von Solhaug fort. Knut Gaesling hat sich mir ja als Freund gezeigt; er wird mir gewiß helfen.

Knut (leise zu Erik.)
Ja, sag' ich, ja. Gudmund ist ihr Vetter; er kann meine Sache am besten führen.

Erik. Na, wie Du willst.
(Geht ins Haus.)

Knut (kommt näher.)
Hör' mal, Gudmund –

Gudmund (lächelnd.)
Kommst Du mir zu sagen, daß Du mich nicht länger frei herumgehn lassen darfst?

Knut. Darfst? Sei deshalb unbesorgt; Knut Gaesling darf alles, was er will. Nein, es handelt sich um was andres. – Du weißt wohl, ich gelte hier in unsrer Gegend für einen wilden, unbändigen Kerl –

Gudmund. Ja, und wenn das Gerücht nicht lügt, so –

Knut. O nein, dies und das mag ja wohl wahr sein –. Aber nun sollst Du hören –
(Sie gehen im Gespräch die Anhöhe im Hintergrunde hinauf.)

Signe (zu Margit, während sie den Steig beim Hause herabkommen.)
Ich versteh' Dich nicht. Du sprichst, als ob Dir ein unerwartetes Glück zu teil geworden ist. Was meinst Du denn damit?

Margit. Signe, – Du bist noch ein Kind. Du weißt nicht, was es heißt, in ewiger Furcht zu schweben, daß – (Plötzlich abbrechend.) Denk Dir, Signe, – hinwelken, sterben zu sollen, ohne gelebt zu haben!

Signe (blickt sie verwundert und kopfschüttelnd an.)
Nein, aber Margit?

Margit. Ja, ja, Du begreifst das nicht. Gleichviel –

(Sie gehen im Gespräch wieder die Anhöhe hinauf. Gudmund und Knut kommen auf der anderen Seite herab.)

Gudmund. Nun, wenn es so steht, – wenn Dir dies tolle Leben nicht länger behagt, so will ich Dir den besten Rat geben, den Dir ein Freund geben kann: nimm Dir eine ehrbare Maid zur Frau.

Knut. Schau', schau'! Und wenn ich Dir nun sage, daß ich just an dasselbe gedacht habe?

Gudmund. Nun dann viel Glück und Heil, Knut Gaesling! Aber nun wisse, daß auch ich –

Knut. Du? Gehst Du auch mit solchen Gedanken um?

Gudmund. Ja, das tu' ich! – Aber des Königs Ungnade –, ich bin ja ein friedloser Mann –

Knut. Ei, das soll Dich wenig kümmern. Außer Frau Margit weiß hier ja noch niemand darum; und solange ich Dein Freund bin, hast Du einen Menschen, auf den Du Dich vollständig verlassen kannst. Nun hör' aber –
(Er fährt flüsternd fort , während sie die Anhöhe wieder hinangehen.)

Signe (indem sie und Margit abermals zurückkommen.)
Aber so sag' mir doch, Margit, –

Margit. Mehr darf ich Dir nicht sagen.

Signe. Da will ich ehrlicher gegen Dich sein. Aber antworte mir zuerst auf eins. (Verschämt, zaudernd.) Hat Dir – hat Dir niemand etwas über mich gesagt?

Margit. Über Dich? Nein; was denn?

Signe (wie vorhin, schlägt die Augen nieder.)
Du hast mich heut morgen gefragt: wenn nun ein Freier erschiene –?

Margit. Jawohl. (Leise.) Knut Gaesling – sollte er schon –? (Gespannt, zu Signe.) Nun? Und dann?

Signe (leise, jubelnd.)
Der Freier ist gekommen! Er ist gekommen, Margit! Damals ahnt' ich nicht, wen Du meinst: aber jetzt –!

Margit. Und was hast Du ihm geantwortet?

Signe. O, das weiß ich nicht. (Schlingt die Arme um ihren Hals.) Aber die Welt dünkt mich so schön und reich von dem Augenblick an, da er mir sagte, er hätte mich lieb.

Margit. Aber Signe, Signe, ich begreife nicht, daß Du so bald –! Du hast ihn ja bis heute kaum gekannt.

Signe. O, ich versteh' mich ja noch so wenig auf Liebe; aber eins weiß ich, wahr ist das, was in dem Liede steht:
    Sie keimt so leicht; in der flüchtigsten Stund'
    Faßt sie Wurzel im Herzensgrund –

Margit. Mag sein. Ist es aber so, dann hab' ich nicht länger nötig, Dir etwas zu verheimlichen. Ah –

(Sie hält plötzlich inne, da sie Knut und Gudmund näherkommen sieht.)

Knut (vergnügt.)
Schau', das gefällt mir, Gudmund. Hier ist meine Hand.

Margit (leise.)
Was ist das?

Gudmund (zu Knut.)
Und hier die meine.
(Sie schütteln einander die Hände.)

Knut. Aber nun wollen wir uns auch beide sagen, wen wir –

Gudmund. Gut. Hier auf Solhaug, unter all den schönen Weibern, hab' ich sie gefunden, die –

Knut. Ich auch. Und ich entführe sie noch heut Nacht, wenn's vonnöten ist.

Margit, (die sich unbemerkt genähert.)
Alle Heiligen!

Gudmund (nickt Knut zu.)
Dasselbe ist auch meine Absicht.

Signe, (die ebenfalls zugehört hat.)
Gudmund!

Gudmund und Knut (flüstern miteinander, während sie beide auf Signe zeigen.)
Die dort!

Gudmund (wird stutzig.)
Ja, meine.

Knut (ebenso.)
Nein, meine.

Margit (leise, halb verwirrt.)
Signe!

Gudmund (wie vorher, zu Knut.)
Was meinst Du damit?

Knut. Ich will doch Signe –

Gudmund. Signe! Signe ist meine Braut vor Gott.

Margit (mit einem Aufschrei.)
Sie war's! Nein, nein!

Gudmund (sie erblickend, leise.)
Margit! Sie hat alles gehört!

Knut. Alle Wetter! Steht es so? – Hört, Frau Margit, Ihr habt nicht nötig, so verwundert zu tun; ich durchschaue jetzt das Ganze.

Margit (zu Signe.)
Aber Du hast doch eben gesagt –? (Erfaßt plötzlich den Zusammenhang.) Gudmund meintest Du!

Signe (verwundert.)
Ja, wußtest Du das nicht? – Aber was fehlt Dir, Margit?

Margit (mit fast tonloser Stimme.)
O nichts, nichts.

Knut (zu Margit.)
Und heut früh, da Ihr mir mein Wort abnahmt, heut abend keinen Unfrieden hier zu stiften, – habt Ihr also gewußt, daß Gudmund Alfsön zu erwarten war! Haha, bildet Euch nur nicht ein, daß Ihr mit Knut Gaesling Possen treiben könnt! Signe ist mir lieb geworden. Noch am Vormittag war es nur mein unbesonnenes Gelübde, das mich trieb, um sie zu freien; aber jetzt –

Signe (zu Margit.)
Er? Das war der Freier, an den Du dachtest?

Margit. Still, still!

Knut (ernst und bestimmt.)
Frau Margit, – Ihr seid Signes ältere Schwester; eine Antwort sollt Ihr mir geben.

Margit (mit sich selbst kämpfend.)
Signe hat ihren Bräutigam schon gewählt; – mehr kann ich nicht sagen.

Knut. Gut! So hab' ich auf Solhaug nichts weiter zu schaffen. Aber nach Mitternacht – merkt's Euch – da ist der Tag um! Da dürftet Ihr mich wohl wiedersehen, und dann mag das Glück entscheiden, wer Signe heimführt, Gudmund oder ich.

Gudmund. Ja, versuch's nur! Es soll Dich eine blutige Stirn kosten!

Signe (voll Angst.)
Gudmund! Bei allen Heiligen –!

Knut. Hab' Geduld, hab' nur Geduld, Gudmund Alfsön! Eh' die Sonne aufgeht, bist Du in meiner Gewalt. Und sie – Deine Braut –. (Geht zur Tür, winkt und ruft leise.) Erik! Erik, komm! Fort zu unsern Gesippen! (Drohend, während Erik sich in der Tür zeigt.) Ja, – weh' Euch allen, wenn ich wiederkomme!

(Er und Erik gehen links im Hintergrund hinaus.)

Signe (leise zu Gudmund.)
Ach, aber so sag' mir doch, – was soll das alles bedeuten?

Gudmund (flüsternd.)
Wir müssen beide noch heut nacht Solhaug verlassen.

Signe. Gott steh' mir bei! – Du willst –!

Gudmund. Verrate uns nicht! Kein Wort zu irgend einem Menschen; nicht einmal zu Deiner Schwester.

Margit (für sich.)
Sie – sie ist es! Sie, an die er kaum gedacht hat bis zum heutigen Tag. Wär' ich frei gewesen, so weiß ich wohl, wen er gewählt hätte. – Ja, frei!

(Bengt und die Gäste, Männer und Weiber, kommen aus dem Hause.)

Junge Mädchen und Bursche (singen:)
    Auf! Weiter hier draußen gescherzt und gelacht
    Auf blumigem Wiesenraine,
    Daß rings der Vögelein Volk erwacht
                          Im Birkenhaine!

    Auf! Weiter erbaue nun Tanz und Sang
    Die fröhlichste Festgemeine, –
    All Leid muß enden beim Fiedelklang
                          Im Birkenhaine!

Bengt. Recht, so soll es sein! Das gefällt mir! Ich bin lustig und mein Weib ist lustig; und darum sollt auch Ihr lustig sein alle miteinander.

Einer von den Gästen. Ja, laßt uns ein Versturnier veranstalten!

Viele (rufen.)
Ja, ja, ein Versturnier.

Ein anderer Gast. Nein, laßt das lieber bleiben; das bringt nur Unfrieden in die Gesellschaft. (Mit gedämpfter Stimme.) Bedenkt, daß Knut Gaesling heut auf dem Schloß ist –!

Mehrere (untereinander flüsternd.)
Ja, ja, das ist wahr! Ihr erinnert Euch noch an das letzte Mal, da er –. Man sei auf der Hut – das ist das Beste!

Ein alter Mann. Aber Ihr, Frau Margit –; ich weiß, Euer Geschlecht war allzeit sagenkundig, und Ihr selbst wußtet viele schöne Geschichten, da Ihr noch ein Kind wart.

Margit. Ach, ich habe sie alle, alle vergessen. Doch fragt meinen Vetter Gudmund Alfsön; der singt Euch gern eine lustige Geschichte.

Gudmund (leise, bittend.)
Margit –

Margit. Ei, was setzest Du für ein kläglich Gesicht auf! Lustig, Gudmund! Lustig! Ja, ja, es fällt Dir nicht so leicht, glaub's wohl. (Lachend, zu den Gästen.) Er hat heut abend die Waldelfe geschaut. Sie wollt' ihn verführen; aber Gudmund ist ein treuer Gesell. (Wendet sich wieder zu Gudmund.) Nun ja, die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Wenn Du Dein Herzlieb übers Gebirg' und durch die Wälder entführst, so wende Dich ja nicht um; schau' niemals zurück; – die Waldelfe sitzt hinter jedem Busch und lacht; und zuletzt – (Mit gedämpfter Stimme, indem sie dicht an ihn herantritt:) kommst Du doch nicht weiter, als sie will.
(Sie geht nach rechts hinüber.)

Signe (leise.)
O Gott, o Gott!

Bengt (geht vergnügt unter den Gästen umher.)
Hahaha! Frau Margit versteht so etwas zusammenzusetzen. Wenn sie erst einmal will, so macht sie's viel besser als ich.

Gudmund (für sich.)
Sie droht mir. Ich muß ihr die letzte Hoffnung rauben; eher beruhigt sich ihr Gemüt nicht. (Wendet sich zu den Gästen.) Ich kenn' ein kleines Lied. Wenn Ihr Lust habt, es zu hören, so –

Mehrere Gäste. Bitte, bitte, Gudmund Alfsön!

(Man schließt um ihn einen Kreis; einige sitzen, andere stehen. Margit lehnt an einem Baum rechts vorn. Signe steht links in der Nähe des Hauses.)

Gudmund (singt:)
    Ich ritt durch weite Wälder,
    Ich fuhr nach fremdem Strand;
    Doch meine Braut, die freit' ich mir
    Im lieben Heimatland.

    Da war eine böse Elfe,
    Die wollt' vor Neid vergehn:
    Nie soll mit ihm sein feines Lieb
    Am Traualtare stehn.

    Hör' mich, Du böse Elfe,
    Was machst Du Dir Beschwer?
    Zwei Herzen, die in Liebe eins,
    Die trennst Du nimmermehr!

Ein alter Mann. Das ist ein schönes Lied! Schau', wie die jungen Burschen verstohlen dort hinüber gucken. (Zeigt auf die Mädchen.) Ja, ja, jeder hat schon die seine, glaub's wohl.

Bengt (macht Margit Zeichen.)
Ja, und ich hab' die meine, das weiß ich genau. Hahaha!

Margit (leise, bebend.)
O, all den Spott und Hohn dulden zu müssen! Nein, nein! Nun muß ich das Äußerste versuchen.

Bengt. Was fehlt Dir? Du bist ja so blaß.

Margit. Es geht bald vorüber. (Wendet sich zu den Gästen.) Mir ist, als ob ich vorhin gesagt hätte, ich hätte all meine Geschichten vergessen. Aber eine ist mir doch noch eingefallen.

Bengt. Recht so, mein Frauchen! Heraus damit!

Junge Mädchen (bittend.)
Ja, erzählt, erzählt, Frau Margit!

Margit. Fast bin ich bange, daß sie Euch wenig gefallen wird; aber sei dem nun, wie ihm wolle.

Gudmund (leise.)
Alle Heiligen, sie will doch wohl nicht –

Margit. Es saß einmal eine Jungfrau fein
Wohl auf ihres Vaters Schloß;
Sie säumte Seide, sie säumte Lein, –
Trübeinsamkeit war ihr Genoß.
Sie ging so verlassen und freudlos umher
In den leeren Stuben und Sälen;
Doch nährte ihr Herze gar hohes Begehr,
Nur einen vom Adel zum Manne zu wählen. –
Da stieg Bergkönig aus seinem Schacht
Und kam mit Gold und Mannen
Und führte des dritten Tages Nacht
Sie – als sein Weib – von dannen.
Nun saß sie im Berge und ließ sich den Met
Aus goldenem Horne entgegenschäumen,
Das Tal lag da wie ein blühendes Beet, –
Sie sah seine Pracht nur in Träumen. –
Da war ein Spielmann, jung und fein,
Sang draußen im Lichte der Sonnen;
Das klang bis zum Schoße der Felsen hinein,
Wo ihr Sommer um Sommer verronnen
So wundersam löste sich nun ihre Qual; –
Auf sprang das Bergtor in weitem Bogen;
Gottvaters Friede lag über dem Tal,
Nun ward ihr Auge um nichts mehr betrogen.
Ihr war, als sei bei des Harfentons Macht
Zum ersten Male ihr Herz erwacht,
Als ob ihr nun erst erschlossen werde,
Wie reich, wie überreich die Erde.
Nun müßt ihr wissen allesamt, –
Den, der zum Felsenkerker verdammt,
Kann Harfenspiel leicht vom Banne befrein!
Nun sah er sie schmachten, hörte sie schrein, –
Doch er warf seine Harfe in seinen Kahn,
Zog seidene Segel auf seine Rah'n
Und steuerte über das salzige Meer
Samt seiner Braut – auf Niewiederkehr.
(In steigender Leidenschaft.)
Du rührtest so herrlich der Saiten Gold, –
Nun ward ich dem Leben von neuem hold!
Ich muß fort, ich muß fort in die grünen Tale!
Ich sterbe da drinnen im steinernen Saale!
Er spottet nur mein! Er umfaßt sie, er
Flieht mit ihr über das salzige Meer.
(Schreit auf.)
Mit mir ist es aus; die Felsen winken!
Sonne leuchtet nicht mehr; alle Sterne versinken.
(Sie wankt und sinkt ohnmächtig an einen Baum.)

Signe (ist weinend hinzugeeilt, um sie in ihren Armen aufzufangen.)
Margit! Schwester!

Gudmund (zugleich, stützt sie.)
Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sie stirbt!

(Bengt und die Gäste scharen sich unter Ausrufen des Schreckens um sie.)


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