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Neuntes Kapitel

Jäher Sturz.

Nur das Weib weiß, was Liebe ist, in Wonne und Verzweiflung. Bei dem Manne bleibt sie zum Teil Phantasie, Stolz, Habsucht: das Weib wird durch den Kuß ganz Herz vom Scheitel bis zur Fußsohle. Da ist keine Fiber, kein Nerv, der nicht jubelte oder – jammervoll zuckte!

Lisbeth kam nach dem Oberhofe, ohne zu wissen, wie. Ihr Busen klopfte, ihre Wangen waren heiß, sie drückte die Rolle Gold zärtlich an ihr Herz, denn er hatte sie ihr ja gegeben. Unaufhörlich flüsterte sie: Er ist gar zu gut; und wußte weiter nichts zu sagen. Ach das Wörterbuch eines liebenden Mädchen enthält nur diese fünf Worte und dann das Wörtlein: »du«; aber was ist der Reichtum aller Sprachen gegen die selige Armut dieses Wörterbuches?

Im Oberhofe tosete das Tanzgelag. Alles hatte sich nun nach dem Baumgarten gezogen, wo man Lichter und Laternen angezündet hatte, weil die Dämmerung bereits eingebrochen war. Die Gäste, welche nicht tanzten, saßen und standen umher. Lisbeth wurde durch den Lärmen zuerst aus ihren Träumen geweckt, sie schlüpfte von der Seitenpforte, durch welche sie wieder in den Hof eintrat, rasch in das Haus, um nicht bemerkt und dann wohl gar zum Tanze aufgefordert zu werden.

Sie ging nach ihrem Stüblein und zündete arglos ihr Lämpchen an, obgleich sie sich hätte sagen können, daß der Schein durch das Fenster ihre Anwesenheit verraten müsse. Aber sie hatte zu diesem und allem Ähnlichen keine Überlegung. Ihre Seele wallte, flutete, es war ihr zu Mute, als stehe sie auf einem hohen Berge, rote Wolken zu ihren Füßen rote Wolken, so weit sie blickte, und in der Ferne ragten goldene Kuppeln aus den roten Wolken hervor. Nun wußte sie, was Glück ist, sie konnte es aber nicht aussprechen.

Sie setzte sich an das Tischchen im Fenster, sah die Blumen an, die dort im Grase blühten, dann hob sie ein Blatt der Lilie auf, welches abgefallen war, und vereinigte es wieder sanft mit dem Kelche, dann warf sie durch das Fenster einen Kuß ihrem Wanderer nach, und bat die Lüfte, den Kuß ihm zuzubringen.

Sie stand auf und ging hin und her, denn ihr Gemüt war zu sehnsuchtsvoll und unruhig. Sie wollte das grüne Särglein aus ihrem Busen nehmen, da rührte sie mit ihrer Hand an die junge Brust, und es überflog sie bei dieser Berührung ein Schauer der Ehrfurcht vor ihr selbst. Ihr Leib kam ihr geheiligt vor, denn sie war geliebt.

Aber nicht lange blieb sie in dieser erhabenen Stimmung. Scherzender Jubel ergriff sie. Sie faßte ihre Schürze mit beiden Händen und machte zu dem Schrei der Musik da draußen für sich ein Tänzchen rund um das Zimmer. Dann fiel ihr die Geldrolle wieder ein, welche sie auf das Tischchen gelegt hatte. – Was sein ist, ist mein, ich muß doch sehen, wie viel er geerbt hat! rief sie. Er hatte ihr gesagt, er sei ein Förster aus Schwaben, der nach der hiesigen Gegend gereist sei, um eine Erbschaft zu heben. Als sie die Rolle öffnete, sah das Gold sie mit blitzenden Augen an. Sie zählte und zählte, das wollte für sie kein Ende nehmen. Nimmermehr hätte sie geglaubt, daß so viel Gold auf Erden sei. – Ach, ist er so reich? rief sie, fröhlich in die Hände klopfend, als sie die hundert und etlichen Doppelpistolen auf den Tisch gezählt hatte.

Da bauen wir uns ein eigenes Haus mit Milchkämmerchen und einem Brünnlein, klar und kalt! jauchzte sie. Jetzt aber laß sehen, wie sich das Gold in eine Reihe gezählt ausnimmt, so auf dem Haufen sieht man gar nicht, wie viel man hat. Ich will es am Boden in einer langen Reihe aufzählen, und die Lampe stelle ich dazu, so geht mir nichts verloren.

So badete der arme schöne Findling oben in den Wellen der seligsten Lust. Der Hofschulze aber sagte zum alten Schmitz, dem Sammler, der auch, wie er, den ganzen Tag über verdrießlich gewesen war und ihm jetzt eröffnete, daß er ihn notwendig über die Amphora und das Schwert Karls des Großen zu sprechen habe: Nach diesem, Herr Schmitz, jetzt habe ich eine notwendige Verrichtung. – Er hatte den Schein des Lämpchens in Lisbeths Stube wahrgenommen und sich sogleich vorgesetzt, zu ihr zu gehen, um, wie er für sich sagte, Ordnung in dem Handel zwischen ihr und dem Jäger zu stiften. Ich werde dem Kinde sagen – sprach er, indem er seinen Hut auf dem Haupte und den Stab in der Hand, langsam und bedächtig durch den Flur schritt. Bei seinem Vieh stand er einen Augenblick stille, denn die prächtig geschmückte Blässe stöhnte ungeachtet ihres Putzes an Stirn und Hörnern erbärmlich, und als er hinleuchtete, stand das arme Tier ganz krumm zusammengezogen. Was ist denn das nun wieder? rief der Hofschulze. – Was wird es sein, versetzte der Rothaarige, der aus einer dunklen Ecke des Stalles hervorkam, trotzig, das Vieh hat seinen Eigensinn, davon ist es krank, ich habe ihm aber schon was eingegeben. – Der Hofschulze beschaute mit zornigem Schmerz die Leiden seines besten Stücks; aber auch dieser Anblick entlockte ihm kein Fluch- oder Scheltwort, sondern er stieß nur sein gewöhnliches Ei! ei! ei! aus und setzte dann dumpf hinzu: Diese Hochzeit, auf welche ich gespart und gehofft habe, nimmt ein übles Ende.

Er stieg die Treppe empor und trat so hart auf, daß die Stufen dröhnten. Dann öffnete er die Thüre von Lisbeths Stube fest und rauh. Sie hatte die Lampe in der Hand und in dem Schürzchen die Goldstücke, mit denen sie ihr kindliches Spiel treiben wollte. Bei seinem plötzlichen Eintritt erschrak sie, faßte sich jedoch und blieb ruhig am Tischchen stehen.

Etwa eine Viertelstunde mochte er mit ihr in einem Gespräche gewesen sein, welches sie anfangs gar nicht verstand, als jemand der unter dem Fenster vorbeiging, einen Schrei, ein Klingen, wie von fallendem Gelde und ein Geräusch hörte, wie wenn einer zu Boden stürzt und dabei Gerät hart berührt. Zugleich erlosch der Schein. Der Mann blieb stehen und gleich darauf kam der Hofschulze aus dem Hause. – Was gab es da droben? fragte ihn jener. – Eben nichts, versetzte der Alte. Junge Frauenzimmer sind schreckhaft, wenn man ihnen die Sache in aller Manier bei dem rechten Namen nennt. Besser Leid tragen, als Schmach tragen. Er ging in den Baumgarten und gab der ersten Brautjungfer den Auftrag hinaufzugehen.

Das Mädchen verstand ihn in dem Getöse nicht recht und meinte, sie solle Lisbeth zum Tanze herunterholen. Sie sprang rasch hinauf und rief, um sich nicht zu lange von ihrem Vergnügen abzumüßigen, in die dunkle Stube hinein: Sind Sie hier? Sie werden gebeten zum Tanze zu kommen! erschrak aber heftig, als ihr aus der Ecke des Zimmers ein inniges Schluchzen antwortete. Bestürzt rannte sie hinab, fand unten ihre Gefährtin, und beide Mädchen kehrten darauf mit einem Lichte zurück.

Nun hatten sie einen Anblick, der selbst diese rohen Geschöpfe erschütterte. Denn an der Stelle, wo noch vor einer Viertelstunde eine Jubelnde und Frohlockende gestanden, lag nun eine Zerbrochene. Lisbeth war an dem Tische niedergesunken in ihre Kniee, ihre Arme hingen schlaff herab, schlaff ruhte der Leib in den Hüften, die blonden Locken hatten sich gelöst und umflossen das gebeugte und weinende Gesicht. Das Gold war ihrer Schürze entfallen und hatte sich, eine blanke Saat, um sie ausgestreut, nicht weit von ihr lag die ausgelöschte Lampe.

Die Mädchen standen eine Weile verlegen und stumm. Sie wußten mit diesem Bilde des tiefsten Schmerzes nichts anzufangen. Eine erhob die Lampe, zündete sie wieder an und stellte sie auf den Tisch, die zweite wiederholte schüchtern die Worte: Sie werden gebeten, zum Tanze zu kommen.

Hierauf hob Lisbeth ihr Antlitz gegen sie empor, und nun zogen sich die Mädchen voll Grauen aus der Stube zurück. Denn die Wangen waren leichenweiß geworden und so voll Thränen, daß sie strömenden Quellen glichen. Die Brautjungfern gingen hinunter zum Tanze, tanzten, hatten den Vorfall bald vergessen, und Lisbeth blieb allein. Denn niemand sprach unten von ihr, sonst wäre der Diakonus wohl zu ihr gegangen, da er sie sehr lieb hatte.

Als sie allein war, begann sie ein Werk, so ernst und traurig, als ihre Spiele von vorhin fröhlich und ausgelassen gewesen waren. Mit einem Blicke des Eckels und Abscheus sah sie das Geld am Boden an, dann überwand sie sich dennoch, raffte mit zitternden Fingern die Stücke auf, die nun nur noch ihre Schande widerspiegeln sollten, und rollte sie wieder ein, indem ein erhabener Hohn ihren Mund umzuckte. Dann warf sie die Rolle verächtlich in einen Kasten und verächtlich warf sie das grüne Särglein hinzu, und deckte dann ein Tuch über das Hingeworfene. Sie fand das Blatt mit Versen Oswalds an sie; da brachen noch einmal heftige Thränenfluten aus ihren Augen; es waren die letzten Zähren, welche sie heute Abend weinte. Dann hielt sie das Papier an die Flamme der Lampe und sah es kalt verlodern. Das Tuch, welches der Jäger ihr geschenkt, zerschnitt sie und ließ die Stücke zu Boden fallen, da, wo die Asche von dem Papiere lag. Nun nahm sie an sich entsühnende Handlungen vor. Sie wusch ihre Finger, die sie auf seinen Mund hatte legen müssen. Dann wusch sie die Lippen, welche seine Küsse geduldet und wiedergegeben hatten.

Alle diese Handlungen verrichtete sie schweigend, nicht einmal einen Seufzer stieß sie aus. Ihr Schmerz war so groß, daß er auch nicht durch ein Selbstgespräch sich erleichtern mochte. – In den Kelch der Rose, den der süßeste Hauch so eben aufgeschmeichelt, war ein ätzendes Gift getropft worden – fühlt ihr, wie die Rose in ihren keuschesten Tiefen zucken mußte? – Fragt ihr mich, ob sie dem glauben konnte, was der alte Bauer ihr gesagt, so antworte ich, daß ich es nicht weiß. Denn alles weiß der Dichter zwischen Himmel und Erden, aber eins weiß er nicht: das Innerste, Feinste, Heimlichste eines liebenden Mädchens.

Das kann ich sagen: Sie mußte ihre Seele schänden lassen, als diese nackt dalag vor Gott und Oswald, weil sie nichts von ihrer Seele für sich behalten, sondern alles an Gott und den Geliebten ergeben hatte. Nur in Gott und dem Geliebten wollte sie ihre Seele noch besitzen, da hörte sie, daß dieser Wille eine Sünde gewesen sei und eine Thorheit.

Sie weinte nicht mehr, ihre Augen waren heiß und trocken geworden. Ihre Gestalt hatte sich gestreckt, sie hielt sich gerader als sonst, ihre Bewegungen waren langsamer geworden, sie sah vornehm aus. Ruhig ordnete sie ihr Haar unter dem Mützchen, welches sie aufsetzte, dann verhing sie das Fenster und entkleidete sich still. Sie löschte die Lampe und bestieg ihr Lager, auf dem sie sich gerade ausstreckte, die Hände über der Brust gefaltet. In dieser Lage, worin sie kein Schlummer besuchte, obgleich sie die Wimpern geschlossen hielt, ließ sie, ohne daß ein Laut von ihr hörbar wurde, wie eine schöne Leiche, die Kräfte in sich wühlen, welche ein neues Leben der Auferstehung in ihr entzünden wollten.

*

Während die Geliebte so traurige Abend- und Nachtstunden zubrachte, stürmte der Liebende durch das Dunkel fröhlich der Gegend zu, die er am andern Morgen erreichen wollte. Er hatte noch immer sein Blumenkrönchen auf dem Haupte und noch immer sang er das Schifflied seines Freundes, freilich in lyrischer Unordnung, oft die letzte Strophe zuerst, und die erste zuletzt, auch wohl Verse der einen Strophe in die andere hinein. Nun wußte er, warum die Frauen ihm stets eine so wonnevolle Ahnung erweckt hatten, sie waren ihm die Traube gewesen aus dem Kanaan der Liebe, darin Milch und Honig fließt. An meine Mutter werde ich freilich nun weniger denken! rief er – oder noch öfter als sonst – setzte er gleich darauf hinzu. Sein Dasein war ihm voll, ganz, gerundet worden.

Er freute sich seines Streichs, seines Schwabenstreichs. Es ist im Grunde sehr gleichgiltig, daß sie Gräfin Waldburg-Bergheim wird, sagte er, aber eine Lust wird es doch sein, wenn ich sie aus dem Wagen hebe in die Fähre über den Neckar, und sie nun drüben auf der grünen Höhe das Schloß mit den beiden Seitenflügeln sieht und mich fragt: Ei, Oswald, wem gehört das prächtige Schloß? – Ich werde dann sprechen: Meine liebe Lisbeth, dem reichsten Kavalier der Gegend, und ich wollte dir eine unverhoffte Freude machen, ich bin sein Förster, wir wohnen auch auf der schönen Höhe, dort, sieh, in der kleinen Dienstwohnung, die du neben dem Schiefertürmchen schaust. Vorläufig bring' ich dich aber ehrbar zu meiner Frau Base, die bei der Herrschaft als Ausgeberin ist. – Nun steigen wir aus und gehen den Weg durch den Park sacht den Schloßberg hinan. Die Leute, die uns begegnen, grüßen gar ehrerbietig, da fragt die Lisbeth: Du mußt hier gute Freunde haben, Oswald? – O ja, versetze ich, die Leute halten etwas von mir, haben auch gar manches durch mich. – Nun sind wir am Schloß, gehen durch eine Hinterthüre ein, daß kein Aufsehen entsteht. Ich bring' sie ins purpurne Damastzimmer, da wird sie wohl etwas staunen über die Teppiche und die Vergoldungen und meinen, sie dürfe in dem prächtigen Raume nicht bleiben. – Bleibe immerhin und mache dir's bequem, Lisbeth, sage ich, der gnädige Herr ist gut und dir schon gewogen, ich habe ihm von wegen deiner geschrieben, werde mir nur nicht untreu um seinetwillen. – Jetzt habe ich eigentlich vor, daß ich aus dem Zimmer gehen und nach einiger Zeit wiederkehren will, aber ich glaube, daß ich mich nicht werde halten können, sondern ich werde mich unter der Thüre umwenden und sprechen: Hör' Lisbeth, noch ein Wort. Nimm mir's nicht übel, ich hab' dich doch betrogen. Ich bin leider nicht der Förster, sondern nur der Graf so und so. Willst du die Frau Försterin daran geben und seine gnädigste Frau Gräfin werden? – Da bin ich denn begierig, was für ein Gesicht sie machen wird. Und meine Hauptfreude ist, daß ich mir denke, sie wird nach dem ersten Schreck eben gar kein verlegenes oder absonders freudiges machen, sondern sanft und liebevoll antworten: Du sollst mir so lieb sein wie der Förster. – Es ist, wie gesagt, an allem dem wenig gelegen, aber es freuet einen doch, wenn man sein Lieb in Sammet und Seide kleiden kann, und ihm Perlen um den Hals hängen, und Brillanten in das Haar stecken und den Fuß der Trauten auf Teppiche von Brüssel setzen darf.

So schwärmte und scherzte sich der Jüngling die Bilder der lachendsten Zukunft zusammen. Es war hoch Mitternacht geworden und sein Körper denn doch der Ruhe bedürftig. Auf der Höhe des Gebirges fand er einen einsamen Schoppen. Er ging hinein und fühlte, daß der Raum voll Heu war. Abgehärtet durch seine Reisen und in den letzten Wochen nicht verwöhnt, stellte ihn dieses einfache Lager vollkommen zufrieden. Er beschloß, die Nacht in dem Schoppen zuzubringen. Als er die Augen schloß, sagte er: Jetzt wird sie träumen und dich auch im Traume mit lieben Namen nennen!

Das sagte er vielleicht in dem Augenblicke, als Lisbeth in ihrem Bette von den wütenden Schmerzen überwältigt, sich krampfhaft krümmte und endlich doch in ein leises und jammervolles Stöhnen ausbrach.

*

Als der Jäger am Morgen nach seinem schönsten Tage im Heu erwachte, schmerzte ihm heftig sein Kopf. Denn man sei so verliebt, als man will, der Duft von frischem Heu nimmt den Kopf ein, und er hätte den Tod von der unvorsichtig gewählten Lagerstatt haben können. Anfangs zwar hatten die lieblichsten Träume von Lisbeth sein Hirn umgaukelt. Ihm träumte, ein Bauer trete mit einem verschlossenen Korbe zu ihm und sage, darin sei ein Geschenk, der Herr wisse wohl von wem? Nun öffnete er den Korb, und ein weißes Täubchen war darin mit purpurroten Füßchen und purpurrotem Schnabel. Er erstaunte über die Weiße und Schönheit des Tierchens und hatte seine große Freude daran. Wie wurde ihm aber, als das Tierchen lein rotes Schnäblein öffnete und zu ihm sprach: Lisbeth schickt mich zu dir und läßt dir sagen – die Taube redete aber nicht aus; sie wurde ängstlich, flatterte scheu fort, und er bekümmerte sich im Traume darüber, daß er nicht zu erfahren bekam, was sein Mädchen ihm durch den zarten Boten hatte sagen lassen wollen.

Nach diesem hatte er verworrene Gesichter und gegen Morgen eins, was ihm kaum noch wie ein Traum vorkam, es schien ihm Wirklichkeit zu sein, die in seine vom Heuduft umwölkten Sinne fiel. – Es war ihm, als ob – oder vielmehr, es war in der That so. In einer anderen Ecke des Schoppens begann es sich zu rühren, und der Jäger sah, wie eine dunkele Gestalt sich reckte, er hörte, wie sie gähnte und darauf sprach: Mein Treu, ich glaub', 's ist halber sieb'n. Die Stimme war eine ihm ganz bekannte. Die Gestalt erhob sich, tastete umher und kam an den Ort, wo der Jäger lag, befangen von dem Dunste des Schoppens und unfähig, ein Glied zu bewegen, ängstlich starr unter der Last des Alps, der ihn drückte. – Ei, was a wüster G'sell! rief die Gestalt. Hast nit Heime finden können? Bist ins Heu gekrochen? Nun schlaf' aus, ich verstör' dich nit weiter.

Mit diesen Worten entfernte sich die Gestalt. Der Jäger wollte: Jochem! rufen, konnte aber keinen Laut aus der zusammengeschnürten Kehle bringen. So lag er noch eine Zeit lang. Endlich setzte sich das stockende Blut doch wieder gewaltsam in Bewegung, er konnte seine Arme und Füße regen. Hastig sprang er von dem gefährlichen Lager auf und eilte in das Freie, um Gottes reine Luft einzuatmen.

Draußen pfiff ihm ein rauher Nordwind entgegen. Ein brenzlicher Geruch schwebte in der Luft, und ein Bauer, der vorbeiging, sagte: Es giebt heute Haarrauch. Er fragte den Mann nach dem nächsten Wirtshause, welches ihm in einiger Entfernung auf einer Höhe gezeigt wurde. Sein Weg lief über ein hohes, braunes Heideland, in geringer Entfernung in der Tiefe sah er aber grüne Wiesen, durch welche sich der Fluß, der sie speiste, in zwanzig Windungen schlängelte. Scharen von Landleuten waren mit dem zweiten Hiebe auf den Wiesen beschäftigt. Auf manchen Wiesen wurde die Grummet auch schon gewendet.

Im Wirtshause heilte sich der Jäger von seinen Kopfschmerzen durch das kalte Wasser, in welches er sein brennendes Antlitz tauchte. Aber er blieb nichts destoweniger unwohl. In der Brust fühlte er ein eigenes Drücken und Wühlen, was ihn zwar nicht ängstlich machte, aber ihn doch an den Blutsturz erinnerte, den er als Achtzehnjähriger gehabt hatte und dem ähnliche Empfindungen vorhergegangen waren. Sein Arzt auf der Universität hatte ihn damals nach der Herstellung gewarnt und ihm gesagt, er müsse sich vor unordentlichem Leben und Gemütsbewegungen in acht nehmen, denn so vollsaftigen Konstitutionen, wie der seinigen, droheten beständig Rückfälle des Übels, wenn es einmal sich Bahn gebrochen habe. Nun war seine Lebensweise in den letzten Wochen freilich nicht die ordentlichste, seine Stimmung aber nur eine Gemütsbewegung gewesen.

Er nahm Speise und Trank, um dadurch die erregten Lebensgeister zu beruhigen. Wirklich fühlte er sich auch danach besser. Er fragte nach dem Schlosse, wo es liege? Da hörte er nun seltsame Dinge. – Sie müssen bald fertig sein da droben, der alte Herr Baron und das gnädige Fräulein und der fremde Herr, sagte der Wirt. Denn man sieht sie kaum noch außer dem Hause. Das sieht auch ganz gefährlich aus, und der Landbaumeister, der gestern hier vorsprach, sagte, wenn nicht bald repariert werde, so müsse die Obrigkeit Einsehen haben und auf Abtragung des Dinges dringen, welches jeden Tag einstürzen könne.

Der Jäger verwunderte sich über diese Reden, die mit Lisbeths Beschreibungen in so großem Widerspruch standen. Die Anwesenheit eines Fremden in dem sogenannten Schlosse kam ihm störend vor; er fragte den Wirt, was für ein Fremder das sei.

O, versetzte der Mann, diesen Menschen kann keine Menschenseele beschreiben; ich glaube aber, daß er Gold macht.

Der Jäger schüttelte den Kopf über die närrischen Nachrichten, die er hier empfing und machte sich rasch auf den Weg, denn ihn drängte es, das Geschäft, was seiner Liebe beigesellt war, zu Ende zu bringen. An diese dachte er mit aller Freude des Herzens und dennoch – schlich ein tragischer Hauch über die reinen Wellen, welche in seinem Busen wallten. Denn so ist es mit der Liebe. Am Tage nach der süßesten Erklärung wirst du, all dein Glück inniglich durchfühlend, verlegen sein, außer Fassung, in Zwiespalt mit dir und der Welt. Du wirst es nicht sagen, weder laut noch leise, aber einen Gedanken wirst du haben und zürnen, daß du ihn nicht unterdrücken kannst – den Gedanken: Wäre es noch gestern! Das ist keine Reue, das ist kein Wankelmut, aber du fühlst, vorbei sei das alte Leben, ein neues beginne. Und was dieses dir bringen werde, wissen nur die Spinnerinnen, deren Gesang du hörst, deren Werk aber erst in deiner Todesstunde offenbar wird.

In so unruhiger Bewegung machte der Jäger seinen Weg und sah nach einer Stunde das Ziel seiner Wanderung, das sogenannte Schloß auf einem kahlen Hügel liegen. Schon die Straße mit den ausgerissenen Steinen und den grundlos gewordenen Geleisen hatte ihn sonderbar überrascht, noch mehr aber setzte ihn das Ansehen des Gebäudes in Erstaunen. Er zweifelte einen Augenblick, ob er auch an der rechten Stelle sei. Als er aber die beiden Wappenlöwen sah, den stehenden und den liegenden, so mußte er sich davon überzeugen. Es war ganz still; nur die Bachstelzen liefen an der Pfütze im Hofe auf und nieder. Der verwilderte unordentliche Platz von Nesseln, Disteln und Wegerich, die zerstörte Pforte, das elende, klüftige, verfallene Haus mit dem durchlöcherten Dache, alles das sah in dem nun schon heranwehenden grauen Haarrauche noch unheimlicher und jammervoller aus als gewöhnlich.

Und dennoch ergriff unsern jungen Jäger bei dem Anblicke dieses bettelhaften Elends eine fromme Rührung, welche die zwiespältigen Empfindungen in seiner Brust verwischte, die von den sonderbaren Begegnissen des Morgens hervorgerufen worden waren. Denn er erinnerte sich an die anmutigen Beschreibungen, die ihm Lisbeth von dieser Zerstörung gemacht hatte, die er nun vor Augen sah. – So giebt es denn Gemüter, für welche das Häßliche nicht da ist, weil sie in allem nur das Schöne erblicken! rief er freudig aus. So blüht eine Unschuld des Geistes, welche rosengleich auch den ödesten Schutt überwächst und zudeckt.

*

[Als der Jäger endlich die verfallene Treppe erstiegen, findet er statt des Hausherrn, den er sucht, einen Fremden, der sich hier unter dem Namen des Freiherrn von Münchhausen aufhält, in dem er aber zu seinem Erstaunen den Schrimbs oder Peppel erkennt, zu dessen Verfolgung er ausgezogen. Eine Forderung auf Pistolen, welche jener nach dem wunderlichsten, sprunghaften Wechsel von Feigheit und Mut, Lüge und Rührung annimmt, ist die Folge der Begegnung. Ehe das Duell aber zustande kommt, hört der Jäger den alten Baron auf dem Söller poltern und eilt zu ihm, seine Bitte um Lisbeth vorzutragen. Der augenscheinliche Wahnsinn, in welchem derselbe in einem Chaos von altem Hausrat wütet, hält ihn zwar davon zurück, aber Lisbeths Name, den der Irre wiederholt und zärtlich ausruft, fesselt ihn, und ein Papier, das ihm in die Hände fällt, läßt ihn in Verbindung mit einem Geständnis, das Münchhausen ihm soeben ablegt, die den Beteiligten selbst völlig unbekannte Thatsache entdecken, das Lisbeth das Kind Münchhausens und der Tochter des Schloßherrn ist, eine Entdeckung, welche ihn bei der unerquicklichen Eigentümlichkeit dieser Eltern und dem wunderlich-widerwärtigen Hergange ihrer Begegnung vollständig zerschmettert. Schwankenden Schrittes schleicht er die Treppe hinab, scheu an Münchhausens Zimmer vorbei und flieht aus dem Schloß, dessen Abenteuer seine schönsten Hoffnungen zerstört.]

*

Umsonst würde man versuchen, den Ausdruck seines Antlitzes zu schildern. Ein halbes Lächeln wurde von Zügen des äußersten Schmerzes und einer zornigen Verachtung durchschnitten. Überraschung, Spott, herber Unwille, dieser vielleicht nicht auf einen einzelnen Menschen, sondern auf ein unbarmherzig neckendes Geschick, kämpften auf diesen reinen Wangen, auf dieser edlen Stirn, wie Sonnenblitze. Regenschauer, fahle Lichter und tückische Wolkenschatten an manchem Tage kämpfen. So setzte er seinen Weg fort.

*

Ist es möglich? bin ich verzaubert heute? oder bist du es wirklich? rief der junge Graf Oswald, der jetzt den Kamm des Gebirges wieder erreicht hatte, einen Menschen in blauem Kittel und Holzschuhen an, der ihm entgegenkam, ein großes Bund Heu auf dem Rücken.

Der alte Mensch sah auf, ließ zwar das Bund Heu sinken, gab aber sonst kein Zeichen lebhafter Verwunderung von sich, sondern sagte bloß: Ei, da sind Sie ja: Ich dacht' wohl, daß Sie mich nicht sitzen lassen würden. – Darauf küßte er seinem jungen Gebieter freundlich die Hand.

Jochem, bist du's, oder bist du's nicht?

Ja freilich bin ich's, mein Herr Graf.

Aber um des Himmels willen, wie kommst du denn hierher, und was treibst du hier? Und warum suchtest du mich denn nicht auf? – Er legte seine Hand auf den Kittel des Alten, gleichsam um sich durch das körperliche Gefühl zu überzeugen, daß ein wirklicher Mensch vor ihm stehe.

Der Alte ließ sich ruhig befühlen, ehe er antwortete. Denn er gehörte zu den Leuten, die nur selten aus der Fassung kommen. Er schob seinem jungen Gebieter das Bund Heu hin, dieser mußte sich darauf setzen, Jochem stellte sich vor ihn und erzählte nun folgendermaßen:

Will Ihnen alles vermelden, mein Herr Graf, sagte er, aber eins nach dem andern. Wie ich hierher komm'? Zurück von der großen Reis', die ich auf Ihren Befehl machte. Hab' mich immer rechts gehalten, wie meine Kommission lautete. kam erst nach Kassel, wüste Kerl' dort, sonst nichts zu sehen, dann nach Magdeburg, auch wüste Kerl' dort, sonst auch nichts zu sehen, dann nach Berlin, ebenfalls wüste Kerl' dort, ebenfalls sonst nichts zu sehen; und so retour wieder hierher über Magdeburg und Kassel, da's Geld grad' zur Hälft' ausgegeben war zu Berlin, und ich überdies meine Kommission schön ausgerichtet hatte alldort. – Was ich hier treib'? – Sitz' schon seit acht Tagen beim Bauer im Heu, helf' ihm Heu machen, um mir mein Tagbrot zu verdienen, denn der letzte Kreuzer war ausgegeben, als ich diese wüste Gegend wieder erreicht hatt', – Warum ich Sie nicht aufgesucht? – Hatten damals beim Abschied keine recht deutliche Sprach' mit einander geführt, wo ich meinen Herrn Grafen wieder finden sollt'. Dacht' also, das sicherste war', wenn ich sitzen blieb', wo ich eben war, denn das wußt' ich, daß mein Herr Graf mich aufspüren würden und abholen, und säß' ich im Mittelpunkt der Erd'. Blieb deshalb auch ganz ruhig und macht' in Zufriedenheit mein Heu, obgleich es eine Lebensart ist, die sich nicht ganz für meinen sonstigen Stand schickt. Dacht' aber immer: Heut kommt der Graf und holt dich ab, und kommt' er heut' nicht, so kommt er morgen und so hat sich's nun auch zugetragen.

Unserem Oswald that es nach den fratzenhaften Ereignissen des Tages wehmütig wohl, mit seinem Alten zusammen zu treffen. Eine Thräne trat in sein Auge. Er drückte dem Alten die Hand und sagte: Du hattest ganz recht, Jochem, als du glaubtest, ich werde nach dir forschen, und säßest du im Mittelpunkte der Erde. – Jochem blieb hierbei trocken wie immer und versetzte: Sie haben auch schwäbisch Blut im Leib, mein Herr Graf, und das verläßt einander nicht. – Oswald sah sich um und erblickte verwundert einen Heuschoppen in der Nähe, der ihm so vorkam, wie der, in welchem er die Nacht zugebracht hatte. Wo hast du in voriger Nacht geschlafen? fragte er?

Dort im Schoppen, versetzte der Alte, wie alle Nacht mein Amt ist, um dem Bauer sein Heu zu bewachen.

Sein Gebieter erzählte ihm nun, daß sie diesem Umstände zufolge schon in der Nacht unwissend zusammen gewesen seien, worüber Jochem anfangs erstaunte und äußerte, unter dem wüsten Volk wisse man gar nicht, was einem alles begegnen könne, es sei, erstaunlich, daß zwei Landsleut' zusammen im Heu lägen und einander nicht erkennten. Ich wollt' anfangs den Menschen, der sich da ins Heu eingedrungen, bei Nacht hinaustreiben, fügte er hinzu, ließ es aber doch sein, weil ich dacht', er möchte sich draußen erkälten. So ist Menschenfreundlichkeit doch immer etwas Gutes und zu vielen Dingen nutz.

Jochem, sagte der Graf, hättest du mich hinausgetrieben, so würdest du mich früher erkannt haben.

Dieser Einwurf machte den Alten verwirrt. Er sah stutzig vor sich nieder, dann ballte er die Faust und murmelte ingrimmig: Nun sag' ich's doch! In der Fremd', unter dem wüsten Volk steht alles windschief. Man weiß bei den Sachsen und Polacken nicht, ob man menschenfreundlich oder menschenfeindlich sein soll.

Er besann sich und fuhr fort: Von meiner Kommission habe ich noch gar nicht geredet. Den Schrimbs oder Peppel –

Laß ihn, unterbrach ihn sein Gebieter bestürzt.

Nein, seine Kommission muß man gehörig ausrichten! rief Jochem eifrig. Den Schrimbs oder Peppel hab' ich richtig gefunden. Ich hab' ihn auf der Schloßbrucken zu Berlin stehen sehen, er guckt' ins Wasser und ich sah ihn von hinten und da ging er fort und ich konnt' ihn nicht einholen, aber ich hab' mich nicht getäuscht und wenn wir nun uns beide dahin auf den Weg machen, so werden wir ihn gar nicht verfehlen.

Wie nach Homer der Mensch, er mag noch so unglücklich sein, immer Hunger behält, so giebt es auch Dinge, die den Betrübtesten zu lachen machen können. Der junge Graf Oswald war sehr betrübt, aber die Entdeckung Jochems, daß Schrimbs oder Peppel auf der Schloßbrücke zu Berlin gestanden habe, bewirkte, daß er lachen mußte. Jochem, der seine Sache sehr gut gemacht zu haben glaubte, fühlte sich dadurch etwas beleidigt. Nach einer Pause fragte er: Was hätten mir denn nun der Herr Graf zu befehlen?

Oswald war von seiner kurzen Lustigkeit schon wieder zurückgekommen. Er stand auf, ging heftig hin und her, ballte seine Hand, drückte sie wider die Stirn, sein schönes Antlitz zuckte vor Schmerz, er riß an seinen braunen Locken, er nagte an seiner Lippe. Der Alte, der sich in seinen jungen Herrn nicht zu finden wußte, stellte sich, die Kniee nach vorn gebogen, die Hände und Arme auf seine Schenkel gestemmt, hin und sah ihm traurig zu. Mit Ihnen ist etwas vorgegangen, mein Herr Graf, sagte er ehrlich und sanft.

Da trat Oswald rasch zu ihm. Er drückte den Kopf des Alten heftig gegen seine Brust und rief im herzzerreißendsten Tone: Ja! Ja! mit mir ist etwas vorgegangen! Leise weinend sagte er ihm ins Ohr: Ich habe eine Braut, Jochem! –

Aber hier brachen die Gefühle des alten trockenen Menschen mit einem Ungestüm aus, der nicht zu beschreiben ist. Jubelnd und schreiend stieß er seinen jungen Herrn, wie einen niedern Knaben von sich zurück, sprang in dem Nebel auf dem braunen Heideplatze schwerfällig und ungeschickt, wie ein alter treuer Hund, der den Herrn wiedersieht, umher, klatschte in die Hände und rief: Juchhe, Juchhe! Ach, das Glück, das ausbündige Glück! Ach, so sollen meine alten Augen denn noch den Tag erleben, wo ich meinem Herrn Grafen und seiner schönen, lieben, gnädigen Braut zur Hochzeit aufwarten darf! O, über den klugen Einfall von meinem Herrn Grafen! Ach, wo ist sie, wo ist das liebe, gute, gnädige Fräulein, daß ich ihr die Füße küsse und den Saum des Rocks? – Er mußte still stehen, hielt sich die Seiten, keuchte und war außer Atem.

Der junge Graf Oswald hatte sich auf die Erde geworfen, das Gesicht in das Heu gedrückt. Seine Arme waren ausgestreckt darüber hingebreitet: er schluchzte bitterlich. – Alles, alles kann die Liebe ertragen! jammerte er. – Not erträgt sie und Elend verkittet sie, und selbst die Untreue weiß sie zu überdauern und in die Bahn der Treue hold zurückzuführen! Aber eines erträgt die Liebe nicht: Das Lächerliche, das Scheußlich-Lächerliche! Mußt du lachen, wenn du dein Lieb im Arm hältst und denkst, woher sie rührt, so ist es aus mit der Liebe, aus! Liebe stirbt vom grellen Lachen! O mein süßer, einziger Tag – o du Tag meiner Tage! so rasch gingst du unter, herrliche Sonne? Ach, meine Brust, wie thut sie weh! Die Fratzen haben sie zerschnitten mit dem grellen Lachen und sie wird bluten, sehr bluten!

Er richtete sich empor und schüttelte sich wie vor Fieberfrost in dem häßlichen, kalten Dunst, da droben auf der Bergeshalde. Seine dunkeln Locken hingen ihm tief wie Wolken in das Gesicht. Dumpf sagte er: Nimm dieses Geld, Jochem, bezahle damit, was du etwa schuldig bist und deine Zehrung. Erwarte mich in der Stadt bei dem Diakonus. Morgen, oder vielleicht noch heute Abend, komme ich hin. Jetzt gehe ich nach dem Oberhofe, um dem Mädchen Adieu zu sagen.

Adieu? fragte der Alte, der aus dem Himmel seiner Freude gestürzt war.

Ich werde daß Mädchen, mit welchem ich mich verlobte, nicht heiraten, sagte Oswald, bemüht, seiner Stimme Festigkeit zu geben. Sie ging aber bei den letzten Worten in ein gebrochenes Zittern über. Er schritt schnell über den Abhang des Berges nach der Börde hinunter.

Der alte Jochem sah ihm nach. Er beschaute das Geld, welches ihm der Graf gegeben hatte, dann sah er die Stelle an, wo die Klagen seines Herrn erschollen waren, dann nahm er seinen Hut in die Hand und drehte ihn, Kopf und Krempe achtsam betrachtend, hin und her. Er setzte den Hut wieder auf und sprach sodann: Wenn dieser mein Herr Graf sich mit dem Mädchen verlobt hat, so wird er ihr nicht Adieu sagen, sondern sie heiraten.

Hierauf ging er nach dem Gehöft seines Bauern, um mit diesem alles in Richtigkeit zu stellen, seinen eigentlichen Rock wieder anzuziehen und sodann zu thun, was ihm der Graf befohlen hatte.


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