Jean Paul
Jean Pauls Briefe und bevorstehender Lebenslauf
Jean Paul

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Fünfte poetische Epistel

Meine Hausvaterschaft – das Kinderkonzert.

Leipzig. Zahlwoche, 98.

Aber die Zahlwoche geht mich nichts an, kaum als Buchhändlerwoche. – Gott erhalte diesen Frühlingshimmel über uns so lange blau, bis ich unter ihm weg nach Weimar abfliege! – Ich kann nicht recht in die Epistel hinein, lieber Otto – eine blaue Mundtasse neben meinem Ellenbogen, woraus ich trinke, perturbiert mich in meinem planetarischen Lauf. Augusta, die mit Mann und Schwester dagewesen (ich habe dirs aber geschrieben), schenkte mir das perturbierende Weltkörperchen. Reise unter einer milden wolkenlosen Sonne, liebe Seele, sowohl nach Haus als durchs Leben! –

Im letztern Fall bin ich in der jetzigen Epistel. Du solltest uns beide, die Neuvermählten, sehen im ersten Jahre unserer Freiheit von der Welt – nämlich jetzt, denn wenns da ist, kommst du ohnehin –, wie wir dasselbe mit italienischen Tagen, Nachmittagen und Stunden durchwinden! –

Ich distinguiere nach der Zahl meiner Landessassen vier Jahrszeiten der Liebe gegen eine Frau: die erste ist die Liebe gegen sie vor der Verlobung oder der Frühling – die zweite, heißere, nämlich der Sommer, fällt nach derselben und dauert bis an den Altar – die dritte, der magische träumerische sanfte Nachsommer, den andere das Honig- oder Flitterjahr nennen (ein Flitterjahrhundert wär' etwas), werd' ich sogleich an mir selber malen, wenn ich die vierte genannt, den hellen reinen häuslichen Winter der Freundschaft, die durch einerlei Zwecke, durch gegenseitige Unentbehrlichkeit, durch eine lange Gemeinschaft des Lebens und Duldens und Freuens so sehr zwei Herzen mit allen ihren Wurzeln ineinander verwickelt, daß es mir oft wehe tut, daß die Hand der Zeit dem armen, so oft beraubten Menschen gerade im kalten schwerheilenden Alter die weiteste Wunde macht und ihm das Beste aus der Brust schmerzlich zieht, das eingewurzelte zweite Herz.

Wo bin ich? Aber der Komödienzettel, der mir mit seinem angekündigten Trauerspiel hergelegt wurde, führte mich so tief in jenes.

Ach das Hyblahonig-Jahr! – Ich weiß nicht, ob ichs nicht das tausendjährige Reich der Liebe heiße. Urteile selber! – Man sitzt droben in seiner Studierstube in neuer Wäsche wie BuffonEr zog sich weiß und reinlich zu seinem Schreiben an. und schreibt an den besten Schriften weiter, und die emsige Seele im weißen Hausgewand will nur durchlaufen, um den Mann nicht zu stören; aber er legt die Feder über das Dintenfaß und gibt ihr die Hand und zieht sie an sich, und sie bückt sich lesend gegen das, was er hingesetzt – Mit größerem Feuer, weil ihr ja alles zugute kommt, sowohl die Schöpfung als die Ehre und der Ehrensold, tunkt er wieder ein und denkt unter den schönsten Szenen ans Essen! – Denn das Essen Neuvermählter ist das einzige echte oder das mit seinen Kindern; bei jedem andern als Einsiedler oder als Gast möcht' ich ebensogern Zähne und Schlund in die Tasche stecken. Er aus seiner, sie aus ihrer Küche kommend – beide füreinander arbeitend – streitend nicht um, sondern gegen die köstlichsten Bissen – und so recht lange beisammensitzend ohne Mittagsschlaf, leicht, zufrieden, offen, warm, zart und lustig – welche Hochzeitgäste! – Kann der junge Mann nicht sogar scherzen über seine Schreibereien wie Siebenkäs? Er kann, sollt' ich denken, leicht sagen, das Fixum für seine satirischen Digressionen und Extrablätter setz' er ihr zum Nadelgelde aus – die Sporteln für das Tragische könne man für die Kinder aufheben – von der bloßen Geschichte werde gelebt und gewirtschaftet – mit trocknen Abhandlungen gegen Philosophen und Kritiker könne man Gäste traktieren.

Ich halte diese Zeit für die neuesten die man im Leben hat, denn alles ist neu darin, jeder Gast, jede Woche, jede Hoffnung. Aber doch wird der Honig derselben aus hoch hinauf bedornten Blumen genommen; diese Zeit nährt einen Seufzer, der die Liebe darin so unendlich zart und heilig, aber auch so bange macht. Schon seit zehn Jahren – denn ich kann nichts erleben als vidimierte Kopien dessen, was ich schon zehnmal gedacht und geschrieben habe – trag' ich mich mit der Angst vor einem Tage herum, der zwar meist in jedem Jahre wiederkommt, der aber im ersten einem liebenden Manne immer so erweichend vorschweben muß, daß ich nicht begreife, wie er das teuere leidende Wesen ohne innigste Rührung und Liebe ansehen kann, das so allein ohne ihn über einen schmalen scharfen Steig zwischen Alpengrüften gehen muß, indes er drüben fest auf seinem breiten Boden sitzt.

Aber ich will nicht in die heilige Wolke treten, womit der Allgütige eine fremde Zukunft bedeckt; ja sie bleibe mit ihren Farben auch auf einer darauf folgenden Wonne verhüllend, welche der Dichter schwer ahnen und nur der Vater fühlen und nur, wer beides ist, beschreiben kann.

Ich sollte statt eines Absatzes eine Epistel anfangen, weil ich uns beide auf einmal in die späte vierte Jahrszeit der Liebe führe über manche Berge und Jahre hinweg. Du sollst sie nach dem Andreastage beurteilen, den ich aus der Jahrszeit aushebe. Die Häuslichkeit und Ehe gleicht dem Magnet auch darin, daß sie im physischen Winter in Norden, bei Nordwinden und nassem Wetter größere Kräfte zeigt.

Du kannst dir denken, daß ich am Andreastage so aufstehen werde, daß ich keine meiner jetzigen Westen um mich zuknöpfen könnte. Stelle dir einen stattlichen proportionierten Funfziger vor, so schwer wie seine vielen Werke, der ein ernsthafter Mensch sein könnte, wenn er sonst wollte! Aber diesen wird nie dieses Hokuspokus-Leben an mir erleben, das uns auf der gestirnten Bühne des Universums zu bloßen Statisten macht, wenige Genies ausgenommen, die es zu Bedientenrollen treiben oder gar zu solchen, wo sie geprügelt werden. Es ist mir überhaupt trotz meines lieb- und geistlichen Wohlbefindens immer so, als wär' ich noch gar nicht recht ins Leben hinein, als schwebt' ich außen darum, als müss' es etwas Festers und Dichteres sein; oder hat mich vielleicht der Komet der zweiten Welt – welches wohl sein kann, da er vor vielen Jahren im November mit seinen Anziehungskräften zu nahe vor mir vorüberging – mit den Wurzeln herausgezogen und hat mich so wie eine Hyazinthe in der Luft hängen lassen, wiewohl blühend? Indes schnellet dieses Tremplin oder Schwungbrett einen Mann über manchen zwickenden Krebs und giftigen Dunst empor – und die Freuden, die aus Erdarten präparierten ausgenommen, behält man alle. Vielmehr setzet man dadurch vor alle blendende Freuden italienische Transparents, mit Mondschein bemalet, ja alle reichen Auen liegen in einem verklärenden Mondlicht um uns – und endlich steigt doch am Horizont der Kopf des Freund Heins als Sonne auf. –

Ich nehme einen solchen Andreastag, wo es schon zugewintert hat und man im Kampanertal, wo der italienische Tag geblüht, sehr waten muß. Die Kinder freuen sich über den tiefen Schnee und stampfen darin versuchsweise herum und erkälten sich, um sich nachher zu erwärmen. Sie erwarten auf nachmittags ihren Herrn Paten; das bist – du. Was du nämlich von Tauf- und Geschlechtsnamen an dir hast, hab' ich zweimal zu Gevatter gebeten, einmal männlich, einmal weiblich flektiert, so daß die Namen eben zu 7 Köpfen zulangten. Es wird früher abgesessen – vieles gebohnt – seltene Tassen werden vorgehoben, nämlich ein Paar mehr für dich; denn ich kenne nichts Häßlicheres, als gerade das Schönste ungebraucht zu sparen wieder für einen Sparer; und wär' ich ein Erzengel, für welchen, wie ich mir oft gedacht, ein ganzes Weltensystem nur eine mit Brillanten besetzte Achttageuhr mit Terzienzeigern von Monden ist, und hätt' ich diese Uhr, ich trüge sie auf Reisen und überall.

Du bist kaum herein und hast noch den Schnee an: so sprech' ich schon vom Fortgehen, woraus heute in jedem Betrachte nichts wird; jeder Festtag will eine unbestimmte Länge, und diese hat nur ein Abend. Jetzt erst lass' ich dich ein Wort mit deiner lärmenden Namensvetterschaft sprechen. Christian und Otto werden dich freuen, auch Hans, der Philosoph, an den ich den Brief adressiert, weiß für sein Alter Bescheid. O sieh auch die blasse stille Christine an, die sich an die Hand ihres Vaters schmiegt und so verschämt und freundlich die blauen Äugelein zu dir aufrichtet, die leibhafte Mutter! –

Abends sind sie gesonnen, dem Paten ein Konzert zu geben, und der Vater ist als Musikdirektor dabei angestellt.

Vorher fahren wir beide, nach dem Verbrauch der seltensten Tassen, in Diskursen in der warmen Stube auf und ab. Die Frau steht noch auf dem ökonomischen Horeb und Sinai und fertigt 10 Gebote aus, und nur in der Dämmerung und abends hat sie eine ruhige Stunde für uns. Die gute Seele will lieber den Freund entbehren, den sie mit mir liebt, um mehr für ihn zu sorgen; so sind die guten Weiber; die weiblichen Kraftgenies hingegen sind wie wir. Ich und du werden nicht fertig miteinander und sind doch nicht uneinig – hab' ich nicht von Welthändeln mit dir zu reden, und von gelehrten Sachen, von der Auswechslung unserer Manuskripte, von der Stadt und von meinem Pfarrer in Spitz? – Ich werde dich dann (ich sag' es hier voraus, und du kannst mich beim Wort halten) daran erinnern, daß die Weissagung, die ich in der Vorrede dieses Buchs aussprach, nur zu wohl eingetroffen. Wir werden unsere Gedanken darüber haben, daß der egoistische Handel, eine höhere Art von Kommerzspiel, immer weiter greift und daß die Liebe jetzt nur als HermerotesDiese Statue stellte den Gott der Kaufleute mit dem Amor verschmolzen vor; die zweite ihn mit der Minerva; die dritte seinen Rumpf unter Herkules' Kopf. Pitiscus und Schöttgen. darzustellen ist, die Weisheit als Hermathena, die Kraft als Hermeraklae. – Wie wär's in dieser Wärme möglich, auf den Polterabend der lauten Kinder hinzuhören, denen auf dem Lande stets ein Gast das lustige Feuerwerk loszündet und denen er einen hübschen Ast vom Freiheitsbaume abhauet und zulangt? –

Auf einmal lispelt die blaßwangige blauäugige Christine den Brüdern etwas ins Ohr – wer errät es nicht? –, und die Brüderschaft stürzt hinaus, Hans, den großen Philosophen, ausgenommen, der an den philosophischen Schreibfingern des Vaters mit auf- und abtrabt und schon etwas Rechtes sein will. Ich sage dirs auf griechisch, was sie vorhaben. Endlich machen die Wildfänge die Türe weit auf (ganz wie es bei meinen guten Eltern war; daher ich auch glaube, der Geschmack an dem häuslichen Leben nehme einen Teil seiner Süßigkeit aus der damit verbundnen stillen Wiederholung des kindlichen her), und nun zieht unser alter Holzhacker eine sperrige weitästige Birke mit dem Stamm voran rauschend herein, und Christian trägt noch einen dünnen Holunderbaum nach. Die Mädchen schleppen Wasser zu, das heißeste, was die Küche liefert, und Lauge als Düngesalz, und Hans der Philosoph den größten Topf im Hause. Und so wird der Spalierbaum in seinen Treibwinkel mit Schnüren eingespannt, und kein Stamm- und Freiheitsbaum verschließet schönere Blüten und Früchte, als er liefern wird. O ihr seligen Kinder, noch indische Götterchen auf Blumen, oder Genien, die halb darin eingescheidet wachsen! Jedes grüne Blatt ist euch ein Blütenblatt, indes unsere Blüten, gleich denen eines Baums in Portugal, oft Fliegen gleich sehen! – Ihr braucht keine künftige, noch weniger vergangene Freude zu einer gegenwärtigen, indes wir tief in euere Zeit hinabgraben müssen, um Abdrücke von Blumen uns zu holen, wie auch in der physischen Erde die Blumenabdrücke unter allen am tiefsten liegen.

Dann kommt das Hesperien der Dämmerung, und wir sitzen nieder, und die Kleinen setzen sich um und auf uns. Ich hoffe, du lügst dann so gut wie ich über das in der Höhe ziehende Christkindlein und über viele ihm entfallne Goldflitter, die du auf dem Schnee angetroffen und von welchen du einige wirklich vorzeigen kannst. Ich will bloß auf etwas Rotes am Himmel aufmerksamer machen, aber nicht darüber disputieren, kommts vom Abendrot oder vom Widerschein der goldnen Flügel des heiligen Christs oder seiner roten Stettiner her. Während du deine Flitter vorweisest, behäng' ich ungesehen den Baum; und wenn Hermine hereinkommt – der sie mehr glauben als mir, weil der Vater oft nur spaßet –, soll sie gegen den Baum hin sagen. »Was ist denn da?« In der Tat wissen wir beide nicht, was wir dazu sagen sollen, daß ein Marzipanherz, ein Goldapfel, eine Silbernuß und ein Marienbild aus Kandis nebst Wachslichtchen daran hängen, und ich frage die Kinder, ob es, welches ich nicht vermuten sollte, nicht schon vorher unsichtbar daran war, als der Holzhacker die Bäume brachte. Der Geruch der Sachen macht jeden attent; man möcht' ihn ätherisch oder aus fernen Frühlingen herkommend nennen. –

Am Ende dieser Kinder-Mythen muß Rosinette ein wenig bei uns verharren; die in den fernen Zweigen angezündeten Fixsterne aus Wachs und vielleicht der breite, über die halbe Stube hingelegte Mondschein schmücken die vertrauliche Dämmerung aus. Es wird vernünftig von Haushalten gesprochen, das ich zwar nicht verstehe, aber aus guten Gründen mit führen helfe, weil ein Poet, um nicht ohne Haltung zu zerrinnen, immer das idealische oder poetische Leben mit etwas vom bürgerlichen (es sei ein Amt oder eine Handarbeit oder Ökonomie) versetzen muß, wie man goldne Gefäße mit Kupfer legiert, damit sie weniger abgeführet und verbogen werden. Wir sehen dann ins Abendrot der vergangnen Zeit und reden von vielem, von Hof – und den umliegenden Ortschaften – und von den alten Sonntagen – und von den alten Dämmerungen, worin um uns, wenn wir in Diskursen auf- und abliefen, alle Sterne am Himmel der Wahrheit blitzten – und von Frühlingen, die schon unter zwanzig Frühlingen verschüttet liegen – – Wie schön ist es, wenn zwei Menschen miteinander veralten, und keine Jugend ist verloren, wenn der Jugendgenoß noch nicht verloren ist! – Wir sprechen ferner von den ersten Jahren meines Ehestandes, wo ich noch das Glück hatte, am Titan fortzuschreiben, und wo ich oft mitten aus der Bildergalerie der heißesten Liebe weglaufen konnte und am Munde der guten Gattin (du mußt ihre rechte Hand halten und ich die andere) mir selber zum Modell der Schildereien leicht saß. Es wird davon gesprochen, wie ich sogleich in den ersten Jahren meinen eleganten Kleiderschrank, der mich rot im Modekalender unterstreichen sollte, abgedankt und nichts mehr angezogen habe als einen platten Überrock und unter ihm wenig von Betracht. Ich beschwöre dann wieder, daß sich auf der Erde in jedem Beisammenleben der Kopf erschöpft, Witz und Phantasie und Verstand; nur aber nie ein gutes Herz, das eine ewige Quelle ist, und ich tadle es, daß wir für die Ehe nicht dem letztern zuerst nachjagen. Ich erzähle dirs im Feuer, daß diese gute Hermine das einzige Wesen ist (außer noch einem), dem ich von meinen heimgegangnen Eltern so viel und lange erzählen darf, als ich nur will, dem ich aber auch teilnehmend zuhöre, wenn es sich über die Verwandten seines Herzens liebend ergießet.

Fehler freilich hat jeder Verfasser; und die Gute wird es dir zwar nicht sagen, aber ich, daß ihr Ehekonsort sonst (jetzt fast gar nicht) mitten im dichterischen Feuer leicht anderes fing und daß er da (wiewohl übrigens ein Lamm) beträchtlich aufprasselte; inzwischen hat er sich sehr geändert und gibt bei seinen schöpferischen Sturmwinden, wie Hausväter bei andern, mehr auf Feuer und Laternen acht. Die Scholastiker sagen, dem Himmel sei das Sitzen und Stehen und jede Kleinigkeit einer Person im Zölibat gefälliger als die größten Tugenden einer verehelichten – wahrhaftig ein Ehemann ist der leibhafte Himmel: aus fünf Haaren, die ihm die Verliebte zu einem Ringe steuert, macht er mehr als aus einem Kopfe voll grauen, den eine Frau durch Sorgen für ihn aufsetzt.

Endlich kommt Licht, und ein Kind ums andere bringt sein Tafelzeug, und zuletzt setzen wir uns mit dem hungrigen geschwätzigen Siebengestirn zu Tisch. Nur Kinder und Geliebte sind die senk- und waagrecht tiefen und auslaufenden Wurzeln, womit man sich fest und nährend an die Erde klammert. Ich hoffe, du sollst bei diesem Triklinium oder petit souper auf mehr als eine Probe der warmen zarten Aufmerksamkeit geraten, womit dir das schöne Herz meiner Hermine stille Achtung und Liebe ausdrückt. Ists aufzutreiben am Andreastag, so schaff' ich Ackersalat oder Rapünzchen (valeriana locusta) herbei, weil mir (aber besonders im Februar) bei diesem Kraut immer ist, als hab' ich den Frühling an der Gabel. Vorschneiden mußt du.

Und nun laß uns, wenn du satt und froh bist, aufstehen und das Konzert nicht versäumen, das die sieben kleinen Weisen geben wollen. Der Kapellmeister setzt sich als Klavierist an ein altes Cembalon und hämmert ein Arioso – einer von den Jungen ist der erste und letzte Violinist – Hans der Philosoph streicht, weil er wie seine ganze Gewerkschaft etwas unbeholfen ist, bloß den Baß mit seinem Orpheus-Arm – und der Rest singt, von der schönen Vorsängerin, der Mutter, angeführt. Ach wenn du so den alten guten Hausvater im Zirkel seiner unschuldigen Ripienisten siehst, die noch nicht fühlen, was sie singen und geigen – und wenn du die sanfte blauäugige Sopranistin Christine an der Hand hast und meine Rosinette ein paar kleinere Diskantistinnen – und wenn so viele teuere kleine Stimmen immer mehr mein Herz umstricken und fortziehen, sogar das vor mir auf dem Basse ernst arbeitende Spielmännchen – und wenn ich immer die sehnsüchtigen Augen gegen die runden Rosengesichterchen und gegen dich und die Mutter aufschlagen muß – und ich merke, daß uns bald die Rührung überwältigen wird – und wenn die feuchten Augen die Noten schwer sehen und ich lieber aufhöre und die Mutter die nächsten Kinder küsset und du deine holde Kleine – und wir nasse Augen haben, ohne daß die guten Kinder begreifen, was uns fehlt: – – welche Stunde, lieber Otto, für drei Menschen, die verbunden sind! Und du, Allgütiger, der du sie in deiner Ewigkeit hast, solltest du sie versagen? –


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