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Wenn ein Mensch als seine wesentlichste Begabung einigen Fleiß aufweisen kann, und wenn er sich nicht scheut, gelegentlich die Nacht zum Tage zu machen, dann läßt sich ein erkleckliches Quantum zusammenschreiben, wenn die Jahre so dahinlaufen. Wobei natürlich über die Qualität des Geschriebenen noch nichts ausgesagt ist. Aber wer entscheidet über das „gewogen und zu leicht befunden?“ Das Publikum? Es ist gewiß in vielen Fällen an dem Erfolg eines Buches weit schuldiger als der Autor. Es gibt eine ganze zeitgenössische Literatur, die sich mit ihrer arroganten und verspielten Inhaltslosigkeit selber zu Tode verurteilen würde, wenn sie nicht von dem indifferenzierten Appetit der Zeitgenossen für Leckerbissen erklärt würden. Und die Kritik? Der Kritiker hat eine so schwere Aufgabe, und sein Amt als Geschichtsschreiber des jeweiligen Tages (oder Abends, je nach der Ausgabe des Blattes) belastet ihn so sehr mit Irrtümern und Urteilen, die der nächste Sonnenaufgang widerlegt, daß man nicht mit ihm rechten soll. Am wenigsten darf es der Autor, und nicht einmal so sehr aus äußeren Gründen als aus inneren. Denn wenn ein Autor die opinio necessitatis einmal begriffen hat, erwächst ihm daraus mindest die Begabung, nicht alles zu publizieren, was er geschrieben hat.
Da fällt ein Zwischenruf: „Warum schreibt er es dann erst?“ Darauf gibt es eine Antwort. Es gibt sogar zwei. Entwicklungen lassen sich in ihren Stadien nicht überspringen. Wenn es der Mensch vor seiner Geburt nicht tut, sollte er es nachher umso weniger tun. Das Schreiben von Büchern ist nicht eine Beschäftigung von Anmut, eingeleitet vom Kuß der Musen. Es ist eine Kärrner-Arbeit, mühsam, verantwortungsvoll und nicht ungefährlich. Wenn man so durch das Bergwerk seinen Weg gräbt, dann liegt viel glänzendes Material da, das durch den Schein einen Wert vortäuscht, den es nicht hat. Einigen ist es gegeben, es mit der Sicherheit des Genies zu erkennen und gleich in den Abgrund zu werfen. Und andere müssen es erst in ihren Karren laden und eine Strecke mit sich schleppen, um es dann erst fallen zu lassen. Und es ist doch keine unfruchtbare Arbeit. Man räumt sich damit den Weg frei für dasjenige Schaffen, für das man sich dann eines Tages bekennt. Was in der Praxis so aussieht, daß man sich – wie im Tagebuch – gewisse Dinge von der Seele schreiben muß. Es genügt nicht, sie einfach wegzudenken. Nein, sie müssen erst bis zu ihrer endgültigen Gestalt geformt und bearbeitet werden. Dann erst kann man sie von der Seele rein und ohne unnötige Schrammen abheben und dem Orkus übergeben. Wenn einem dafür der Papierkorb zu prosaisch erscheint, kann er die feierliche Form des Scheiterhaufens wählen. Auf einem abgeernteten Beet im Garten läßt er sich gefahrlos errichten. Jungen Autoren, die im Winter damit den kleinen Stubenofen heizen wollen, weil sie nicht das Geld haben, sich etwas Holz zu kaufen, kann ich aus eigener Erfahrung von solchen Versuchen abraten. Sie verstopfen nur den Ofen und lassen die Kälte nur noch bitterer erscheinen.
Als ich einmal – irgendwo unten im Tessin – vor einem solchen Scheiterhaufen des seelischen Ballastes stand, tauchte plötzlich jener Freund auf, der meinem Einakter zu ungewollter Geburt verholfen hatte. Er zerstörte nie etwas, das er geschrieben hatte. Darum mißbilligte er mein Tun. Er sagte vorwurfsvoll: „Das ist Selbst-Zerstörung!“ Ob er recht hat? Ich bin der Idee nicht weiter nachgegangen.
Zu der Frage: „Warum schreibt er es dann?“ ist noch die zweite Antwort nachzutragen. Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, daß er etwas anderes sei als das, was er ist, und was er auch sein soll? Sogar Rodin wäre gern ein Maler gewesen. Unsere Wünsche schlagen gern über die Ufer, die die Wirklichkeit ihnen setzt. Ich bin in meinem Leben vielen Schauspielern begegnet und immer, wenn ein wirklich guter Komiker darunter war – ein Part, das ebenso viel Überlegenheit wie Resignation verlangt – hat er in einer Stunde der Schwäche eingestanden, daß seine wirkliche Kraft und Begabung eigentlich in Heldenrollen liege! Aber es sind Intriganten da, die ihm diese Rollen streitig machen.
Der Schreibende wird durch solche Intriguen nicht gehemmt, eine Rolle zu spielen, die er begehrt. Ihm steht der Weg frei, sich als Heldenvater zu versuchen, um dann reumütig zu seiner Begabung als Komiker zurückzukehren.
In den mancherlei Nebenrollen, die ich auf diese Weise gespielt habe, war nichts von unglücklicher Liebe. Im Gegenteil: in diesen Novellen und Romanen habe ich mich, so lange ich daran schrieb, äußerst wohl und beheimatet gefühlt. Ich habe mich nicht einmal geschämt, als sie publiziert wurden. Sie haben nie irgend welche Publizität gewonnen, und es ist nicht schade darum, daß die Zeit ihnen ein Ende gesetzt hat. Der größte Teil hat seine Beschließung ebenfalls auf dem Scheiterhaufen gefunden. Aber für ihn bin ich nicht verantwortlich. Er ist von den Trägern der Himmlerschen Kultur arrangiert worden, lange Jahre nachdem ich Deutschland verlassen hatte. Aber ich sehe darin keinerlei Grund zu einer tragischen oder dramatischen Gebärde. Es ist ein ganz sachlicher Vorgang, bei dem mich sogar eine Vorstellung angenehm berührt: meine Bücher sind erst relativ spät in Deutschland verboten worden, und das aus gutem Grunde. Ich hatte mich vor den Herren der neuen Kultur dadurch exponiert, daß ich auf die jüdischen Schwimmer Österreichs eingewirkt hatte, nicht an der Olympiade in Berlin teilzunehmen. Der Brief, in dem ich es tat, fand seinen Weg in die Presse. Im Ergebnis entzog man mir die deutsche Staatsangehörigkeit – ein höchst gleichgültiger Vorgang – und brachte den Rest meiner in Deutschland befindlichen Bücher zum Auto da Fé. Da die Mehrzahl der Schreibenden dieses Schicksal schon früher erlitten hatten, entging ich der peinlichen Situation, mit einigen von ihnen, gegen die ich ein höchst aktives Ressentiment hege, noch einmal zusammen zu treffen, und sei es auch nur auf dem Scheiterhaufen.
Eines Seitensprunges will ich noch gedenken, beziehungsweise ihn eingestehen, weil es noch lebende Zeitgenossen gibt, die den Beweis dafür in Händen haben. Sie haben sich nämlich das Buch käuflich erworben – was durchaus nicht für ihren literarischen Geschmack spricht – und bewahren es sogar auf, oft in der deutlich zugegebenen Absicht, mein Selbstbewußtsein damit zu dämpfen, was durchaus für ihre freundschaftliche Teilnahme an meinem seelischen Wohlergehen spricht. Aber die Geschichte hat einen lehrhaften Hintergrund, und sie mag jungen Autoren, die sich auf das Schreiben versteifen, den Glauben an das Wunder und das Vertrauen zum wirtschaftlichen Wert des zweitrangigen stärken.
Ich saß eines Tages am Ufer des Lago Maggiore, ganz ausgeliefert der Schönheit dieser Landschaft, und ganz verloren an das unlösbare Rechenexempel, zehn Schweizer Franken (meinen Bestand an barem Geld) auf dreißig Franken (gleich einem Monat Mietzins) und weitere fünfzig Franken (dem Minimum für einen Monat notwendigster Nahrungsmittel) proportional aufzuteilen. Ich bin schon auf dem Gymnasium ein so bekannt schlechter Mathematiker gewesen, daß ich mich bei allen Prüfungen auf das Wunder verlassen mußte. Es tauchte auch jetzt auf, und zwar in Gestalt eines zufälligen Bekannten, der jetzt als Lektor eines Verlages die Ufer der norditalienischen Seen abgraste. Er graste sie nach Autoren ab, die imstande waren, ihm Manuskripte für eine Sammlung von Detektiv-Geschichten zu liefern. Er bot ein gutes und promptes Honorar. In mir brannten der Neid und das ungelöste Rechenexempel. Er fragte mich, ob ich Autoren kenne, die solche Manuskripte hätten. Daß Not „erfinderisch“ im vollsten Sinne des Wortes macht, erfuhr ich damals. Ich erklärte ihm, selber einer von jenen Autoren zu sein. Er verlangte sofort das Manuskript zu sehen. Ich sagte erfinderisch: „Es ist noch im Stenogramm. Und ich weiß nicht, ob sich die Abschrift lohnt.“ – „Erzählen Sie mir kurz den Inhalt und ich werde mich auf der Stelle entscheiden.“
Über den See her leuchtete weiß gegen heiter blauen Himmel die Kappe des Monte Fridone, zu dessen Füßen ich später die produktivsten Jahre meines Lebens verbrachte. Jetzt lächelte ich ihn aus der Ferne an und bat ihn mit heidnischer Gläubigkeit, mich „erfinderisch“ zu machen. Er tat es. Er erzählte mir eine Geschichte, und der Lektor und ich hörten zu; jener aufmerksam, ich verwundert. Als der Fridone zuende erzählt hatte, war die Geschichte verkauft. Das Honorar war hoch, nicht nur für jemanden, der vor einer unlösbaren Rechenaufgabe steht. „Wann werden Sie das Stenogramm abgeschrieben haben?“ fragte jener. Ich sagte wie in Trance: „In zehn Tagen.“ Die letzten 10 Franken wurden in Maismehl, Brot, Butter, Kaffee und Zigaretten angelegt. Den Betrag für die Absendung des Manuskriptes lieh mir der Postmeister von Ascona, als er die Summe las, mit der ich es gegen Verlust zu versichern gedachte. Arbeitszeit und Einnahmen gegeneinander abgewogen, ist dieses die erfolgreichste literarische Arbeit meines Lebens gewesen. Sie hat es mir zudem ermöglicht, sorgenlos, wenn auch nicht sorglos, das Material für das erste Buch zu bearbeiten, mit dem ich mich durchsetzen konnte, den „Sabbatai Zewi“.
Ich habe nie wieder „Fridone“-Geschichten geschrieben, obgleich noch mehr als einmal ähnliche unlösbare Rechenexempel dazu hätten Anlaß geben können. Dagegen habe ich mehrfach versucht, der historischen Linie, für die ich mich entschieden hatte, die Treue zu brechen. Es gab ein Gebiet, das mich mit fast magischer Gewalt immer wieder anzog und das auch heute noch seine gefährlich ablenkende Kraft nicht ganz eingebüßt hat: das menschliche Problem in Palästina. Dreimal habe ich den Versuch gemacht, es in der Form eines Romans zu fassen und zu gestalten. Ich bin jedesmal daran gescheitert. Das wundert mich nicht, denn ich bin kein Romancier. Verwunderlicher ist es schon, warum es den vielen Schreibern, die sich hier im Lande als Romanciers betätigen, nicht gelungen ist; es gibt bis heute nicht eine einzige literarische Leistung, die nach Form und Inhalt auch nur annähernd das Niveau der Darstellung menschlicher Probleme erreicht, das wir von Europa her gewohnt sind. Der Grund scheint nicht nur darin zu liegen, daß die moderne hebräische Literatur weder eine Tradition noch Vorbilder hat, sondern wesentlich darin, daß das menschliche Problem – das heißt das Problem des Individuums – das einem anderen Einzelwesen oder einem Vorgang seiner Umwelt begegnet und sich mit ihm auseinandersetzt – daß dieses Problem des Menschen hier immer wieder verschlungen wird vom Problem der Masse oder vom Problem des Kollektivs. Dieses Volk der Individualisten kennt merkwürdigerweise keine Individuen. Wenn es sich zur Welt hinwendet, ist die kleinste Einheit, in der es denkt, „das jüdische Volk“, worunter allerdings zuweilen nur die jüdischen Massen Osteuropas verstanden werden. Und wenn es sich zur eigenen Welt in Palästina wendet, ist die kleinste Einheit, in der es denkt, die Partei, oder die Gruppe, oder der Verein. Das Individuum hat dazwischen keinen Platz. Nur ein paar Lyriker tun das ihrige und stellen sich unentwegt in den Mittelpunkt ihrer eigenen Welt. Es wird noch lange dauern, bis das Problem „Mensch“ hier wirklich entdeckt wird, sodaß es den Anspruch auf Geltung und Gestaltung erheben kann.
Was also bleibt, wenn einer auf diese Weise Auslese hält oder wenn die Umstände – die gebetenen und die ungebetenen – sie für ihn besorgen? Es bleibt eine bescheidene Sammlung von einem knappen Dutzend Büchern, die sich erst mit der Zeit verlieren werden, und es bleibt die Saubucht.
Das Wort mag wegen seiner ersten Silbe bei zarten Naturen Anstoß erregen. Aber der Gesamtbegriff enthält nichts Anstößiges. Mir ist der Ausdruck lieb und vertraut. Ich weiß nicht genau, wo ich ihn aufgelesen habe. Ich vermute, daß er mir in der Schweiz zum ersten Mal begegnet ist. Aber als ich ihn hörte und seine Bedeutung mir erklärt wurde, fand ich, daß ich nie eine prägnantere Bezeichnung gefunden hatte für etwas, das jeder Mensch von auch nur geringer Phantasie unbedingt besitzen muß: jene Ecke in einer Schublade oder in einem Kasten oder auf dem Schreibtisch, in der jene Sachen aufbewahrt werden, von denen man sich um ihrer zukünftigen Bedeutsamkeit willen nicht trennen kann: das Taschenmesser mit der halben Klinge; die Schraube, die als wichtiger Bestandteil zu einem Apparat gehört, der aber trotzdem weiter funktioniert; das Stückchen Kupferdraht; das 2-Heller-Stück, das man uns 1911 betrüglicherweise am Hafen von Triest in die Hand gedrückt hat; die Visitenkarte des Führers durch die Tempel-Ruinen von Baalbek; Reste von Farbstiften und der morsch gewordene Korken zu der längst zerbrochenen Medizin-Flasche. Wer das nicht besitzt, sollte ehrlich darum trauern.
Warum eigentlich? Nur weil diese Saubucht ein unerläßlicher Friedhof der Vergangenheit und ein mit Zukunft geladener Urgrund ist, für alle diejenigen, die dem natürlichen Sammeltrieb jedes Menschen irgendwann einmal haben „Lebewohl“ sagen müssen? Ich meine damit nicht die großen und potenten, die sozusagen berufsmäßigen Sammler, seien sie nun Passionierte oder Snobisten; ich meine den Normal-Menschen, für den in der Jugend das Sammeln eine ständige Begleiterscheinung seiner geistigen Entwicklung war.
Das Sammeln war jeweils die Intensivierung dessen, was er im Augenblick gerade lernte. Es ist ein pädagogisches Medicum von ungeheurem Wert. Und es ist erregend! Wenn man nahe dem Meere aufwächst, ist das erste Sammelobjekt wahrscheinlich die Muschel und der Seestern. Die wirkliche Stimme des Meeres kann man ja nur hören, wenn man eine große Muschel an das Ohr drückt. Alles andere ist akustische Täuschung. Aber diese Muscheln werden eines Tages zum Tauschobjekt degradiert, wenn von der Schule aus der erste geologische Ausflug veranstaltet wird. Dann beginnen die Jahr-Millionen der Erde zu sprechen, und ihre Zeugnisse sind Versteinerungen, ein Ammonshorn oder ein Donnerkeil und ein Abdruck im Schiefer oder im Kalkstein. Und es sind farbige und kristallisch glänzende Steinbrocken, meistens aus purem Gold und Silber, wenn es die Erwachsenen auch nicht glauben wollen. Aber auch die verschwinden eines Tages, weil die Geographie in den Gesichtskreis tritt. Nun müssen Briefmarken und Münzen als Zeugen dienen. Allerdings waren bei uns die Münzen keine kostbaren Altertümer, sondern eben Münzen kleinster Währung der Länder, darunter viel chinesisches Geld mit dem viereckigen Loch darin. Und die rollten eines Tages dahin für ein Unternehmen, das erhebliche finanzielle Mittel verlangte: für das Aquarium und das Terrarium, die Schritt halten mußten mit dem, was wir von der Geschichte der Natur lernten. Wir hatten es fertig gebracht, uns vom Abbruch einer Brauerei einen kleinen niedrigen Wassertank zu erstehen. Er wurde im Hof unter einem der großen Birnbäume eingegraben. Dann zogen wir mit einem Weidenkorb und zwei langen Stricken in die Marschwiesen hinaus, die durch ein Netz von Gräben voneinander getrennt sind. Der Korb wurde ins Wasser geworfen. Rechts und links an den Ufern ging einer von uns, und so zogen wir mit den Stricken den Korb im Eiltempo durch das Wasser. Und was sich im Korb verfing, von der Wasserspinne bis zum winzigen Weißfisch, wanderte in den Tank. Und mancher Schulaufsatz entstand da, während wir bespritzt und beschmutzt dort kauerten. Ich weiß nicht, wohin der Tank geraten ist. Er war eben eines Tages nicht mehr da, wie so die meisten Dinge im Leben. Aber ich freue mich, daß er war. Und wenn ich heute diese Dinge vor mir wieder aufstehen lasse, dann ist es nicht aus Sentimentalität oder weil ich der „alten guten Zeit“ einen Tribut abstatten will. Sondern ich möchte der Jugend davon erzählen, besonders der Jugend in Palästina, der man nicht die Zeit läßt, sich groß zu spielen. Man hat es so eilig, weltanschaulich gefestigte Greise aus ihnen zu machen, weil ihre Erzieher fast alle noch nicht mit ihren eigenen Problemen fertig geworden sind. Wie arm ist eine Jugend, die sachlich ist. Ich weiß: Ihr seid alle technisch überaus begabt oder am politischen Leben der Welt fachmännisch interessiert, und Ihr bildet euch alle am Reader’s Digest. Schön und gut. Aber die Liebe zum kleinen Ding, zum kleinen Zeugnis der Natur, zu der Bescheidenheit vor der Schönheit des kleinen Farbigen und Wohlgestalteten und Märchenhaften: das alles müßt Ihr euch wieder erwerben. Sonst geht der Zauber aus der Welt. Er wird aufgefressen von der Zweckmäßigkeit und das Verdauungsergebnis ist Desillusion und Nihilismus.
Man sublimiert eine Menge Dinge im Leben, und zwar die meisten aus dem Grunde, weil einem nichts anderes übrig bleibt. Und den Rest der Dinge versachlicht man, weil die Überzeugung, etwas sei zweckmäßig, einem das Recht zu mancherlei Spielereien gibt. So habe ich es nach beiden Richtungen hin mit der besagten Saubucht gehalten. Zur Seite der Zweckmäßigkeit liegen die Werkzeuge der Tischlerei und der Haushantierungen, die früher dazu dienten, die müden Zwischenstunden auszufüllen, und die vielleicht, das heißt niemals wieder aktive Auferstehung feiern werden. Und der sublimierte Teil besagter Bucht besteht in höchstwahrscheinlich bewußt unordentlich gehaltenen Mappen verschiedenster Farbe, in denen Entwürfe und Skizzen liegen, die einmal in der Hast des Augenblicks, und weil sie für eine Sekunde den Herzschlag beschleunigten, niedergeschrieben wurden. Sie sind sublimierte Messer ohne Klingen, hypothetische Schrauben, die in kein Holz hineingehen, Stücken Kupferdraht, durch die einmal ein lebendiger Strom ging, falsche Münzen, die wir uns im Selbstbetrug selber in die Hand gedrückt haben; Visitenkarten mit angemaßten Titeln, mit denen wir einmal glaubten, uns der Welt vorstellen zu können; und viele kleine Farbstifte, die damals wirklich bunt waren. In Kürze gesagt: eine sublimierte und zum Symbol erhobene Saubucht.