Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Wir haben bereits gezeigt, wie bedeutend die Rolle war, die den Fußgängern in der Nachrichtenvermittlung des Altertums und des Mittelalters zufiel. Aber dieselben nehmen auch jetzt noch, trotz aller Eisenbahnen und Telegraphenlinien, im Verkehrsleben eine viel erheblichere Stelle ein, als man gewöhnlich glaubt. Nicht bloß in Ländern mit ungeordnetem Verkehrsleben, wo die Briefbesorgung fast ausschließlich auf Fußboten angewiesen ist, sondern auch bei Völkern mit alter hochentwickelter Kultur kommt den pedes apostulorum noch gegenwärtig ein äußerst beträchtlicher Anteil an der Postbeförderung zu. Die japanischen Postboten, der zahlreichen Bevölkerungsklasse entnommen, welche sich mit der Geschwindigkeit ihrer Beine ihr Brot verdient und durch ihre Schnelligkeit und Ausdauer von jeher die Bewunderung der Europäer erregt hat, tragen ihre Briefe, Zeitungen usw. in zwei mächtig großen, durch eine Stange miteinander verbundenen Bambuskörben auf der Schulter; sie werden von Station zu Station regelmäßig abgelöst, und der Dienst wird auch des Nachts nicht unterbrochen. Die 502 Kilometer betragende Entfernung zwischen den beiden Hauptstädten des Landes wurde von der Botenpost vor Einführung der Eisenbahnen gewöhnlich in vierthalb Tagen zurückgelegt. Die ausschließlich für Regierungszwecke bestimmte chinesische Reichspost besitzt ein zahlreiches Personal von Fuß-Depeschenträgern, die in »starke Männer« und »Schnell-Läufer« geteilt werden. Auch in Britisch-Indien wird ein ansehnlicher Teil der Postbeförderung durch Eilboten bewirkt, die sich zum Überschreiten der zahlreichen, oft brückenlosen Flüsse sehr sinnreich aus Kürbissen oder Töpfen hergestellter Flöße bedienen. Trotz dieser Hilfsmittel, und obwohl das Postfelleisen während der Regenzeit mittels Seilbahnen über die Ströme geführt wird, ist diese Art der Postbeförderung oft namhaften Verzögerungen ausgesetzt, da die Boten zur Zeit des Hochwassers nicht selten mit unüberwindlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Ähnlich ergeht es den marokkanischen Boten, die unter normalen Verhältnissen den Weg von Tanger bis nach Mogador in vierzehntägigen Fußmärschen zurückzulegen pflegen. In Europa sind Zahl und Umfang der Fußpostkurse ebenfalls beträchtlicher, als man sich in der Regel vorstellt.
Außer den Fußboten, die die Postsendungen weiterbefördern, damit sie ihren Bestimmungsort erreichen, gibt es auch viele solche, welche dieselben, nachdem sie schon den Bestimmungsort erreicht haben, an die Adressaten abliefern; wir meinen die Briefträger. Die lokale Ortsbriefträgerschaft – zum Unterschiede von der Landbriefträgerschaft, welche von Orten mit Postämtern nach solchen ohne Postämter wandert – gestaltet sich je nach der Organisation des Postwesens in den einzelnen Ländern verschieden. Die Aufgabe des englischen » postman«, der die Poststücke ganz einfach in die an den meisten Häusern angebrachten Briefaufnahmekasten wirft, oder des französischen » facteur«, welcher berechtigt ist, die Briefe für sämtliche Hausbewohner beim Hausbesorger abzugeben, ist eine leichtere, als die des deutschen und österreichisch-ungarischen Briefträgers, dessen Gänge auf zahlreichen Vorder- und Hinterstiegen und Stockwerken sehr mühsam sind und der oft lange vor einer Tür warten muß, um vielleicht nur eine Preisliste oder eine Geschäftsanzeige an einen darob nicht selten unwilligen Adressaten zu bestellen. Speziell die Londoner Briefträger haben am Sonntag gänzlich Ruhe, denn dort wird die Heilighaltung dieses Tages so weit getrieben, daß an demselben Posten weder abgesandt, noch ausgetragen werden.
Die Ausbildung der Landbriefträgerschaft ist ein Werk der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während noch in den Vierzigerjahren allüberall die Landbewohner selbst für die Abholung ihrer Post aus dem nächsten Postorte sorgen mußten, ist heutzutage in den meisten europäischen Ländern der Landbriefbestelldienst staatlich wohlorganisiert und zu einem wirksamen Hebel der Verbindung des flachen Landes mit den Städten geworden. Ans der Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Rüstigkeit der Orts- wie der Landbriefträger beruht ein Hauptteil der ganzen Kulturleistung des Postinstituts. Nicht Wind, noch Wetter, nicht Schnee noch Flut darf den regelmäßigen Gang dieser Unermüdlichen hemmen. Auf grundlosen Pfaden müssen im Frühling und Spätherbst die friesischen und litauischen Landbriefträger durch Moor und Sumpf waten und froh sein, wenn ihnen anhaltender Winterfrost und feste Schneedecke die Anwendung von Schlittschuhen ermöglichen. Die des französischen Jura bedienen sich langer, flacher Schneeschuhe, die den Marsch auf stark verschneiten Wegen erleichtern. Die Landbriefbestellung in den sandigen Heiden des französischen Departements Landes wird auf Stelzen ausgeführt. In Indien, Großbritannien, Österreich und anderwärts hat auch das moderne Allerwelts-Fahrrad bereits vielfach im Postbestelldienst Verwendung gefunden. Neben den Schwierigkeiten, die sich dem Briefträgerdienste durch Beschaffenheit des Bodens und des Klimas entgegenstellen, treten zuweilen solche anderer Art auf. Raubmörderische Anfälle, wie sie in Wien und Berlin gegen Geldbriefträger verübt wurden, kommen glücklicherweise nur höchst selten vor, und die Fälle, in welchen einem Landbriefträger auf freier Straße von Strauchdieben die Posttasche abgenommen wird, unterliegen gewöhnlich einer sorgfältigen Erörterung nach der Richtung, ob nicht der angeblich Beraubte an sich selbst zum Missetäter geworden, um ein Defizit zu verdecken. Dagegen mehren sich die dahingehenden Klagen der Landpostboten, daß sie beim Betreten der Gehöfte von bösartigen Hunden gebissen werden. In einem seiner Berichte stellt der englische Generalpostmeister die Zahl dieser Fälle als eine bedeutende hin und wirft die Frage auf, ob diese Vorkommnisse etwa einer Abneigung des Hundes gegen die Postuniform zuzuschreiben seien.
Nun zu den im Postdienste verwendeten Reittieren! In Persien wird die Verbindung bis an die russische Grenze durch Reitposten bewirkt, welche aus einem Kurier und einem Postillon bestehen und die etwa 80 geographische Meilen betragende Strecke in 80 Stunden zurücklegen. Von großer Leistungsfähigkeit sind als Kuriere die tatarischen Reiter, welche den Posttransportdienst auf den keineswegs musterhaften Straßen des osmanischen Reiches versehen. Was China betrifft, dessen Reichspost dem Kriegsministerium untersteht, so stehen der Pekinger kaiserlichen Zentral-Postpferde-Station 500 Kurierpferde und 250 Reiter zur Verfügung. Nach einem uralten Verwaltungsprinzip gelten die 500 Pferde für unsterblich; ihre Zahl muß stets vollständig sein, und es ist nicht erlaubt, eines als gestorben zu melden. Die mongolischen Kuriere, deren sich die chinesische Staatspost bedient, stehen im Rufe großer Schnelligkeit und Ausdauer; es soll sogar vorkommen, daß sie mit wichtigen Papieren 30-40 Stundenmeilen ohne Unterbrechung zurücklegen. Sehr beträchtlich ist die Postreiterei naturgemäß in Ländern, in denen das Reiten ohnehin zu den Lebensgewohnheiten der Bevölkerung gehört, so z. B. in Mexiko, in der argentinischen Republik und in Australien.
An die Stelle des Pferdes tritt in Gebirgsländern und im Süden das Maultier, dessen sicherer Fuß die schwindelnden Pfade und die schwankenden Brücken der Andenpässe und der nordindischen Gebirgsriegel ohne Zaudern und Straucheln betritt. Die Boten, welche die chinesische Privatpost von Station zu Station transportieren, reiten oft auf Eseln, die auf allen Stationen vermietet werden. Die Eigentümer der Tiere gehen nicht mit, da diese so gut abgerichtet sind, daß sie sich keinen Schritt über die nächste Station hinausführen und daher auch kaum stehlen lassen, sondern allein zurücklaufen. Demzufolge muß auf jeder Station ein anderer Esel gemietet werden. Unter heißen Himmelsstrichen – in Indien, Ägypten, China und den südlichen Küstenländern des Mittelmeers – tritt das genügsame Kamel in beträchtlichem Maße in den regelmäßigen Beförderungsdienst der Post. Am wichtigsten ist auch die bezügliche Aufgabe des Höckertieres in dem pflanzenarmen Gebiete Innerasiens und auf den Karawanenpfaden der Sahara. Das »Schiff der Wüste« ist, wie Oberpostrat P. D. Fischer sich in seiner hochinteressanten Schrift »Post und Telegraphie im Weltverkehr« treffend ausdrückt, auch ihre Post. Der Wüstenpostreiter sitzt, die »Kürbisflasche neben dem Postfelleisen und das tröstliche Pfeifenrohr zur Hand, mit gekreuzten Beinen« hoch auf dem Dromedar und vollbringt gleichmütig seinen Ritt, der für Tier und Reiter große Gefahren birgt.
Der Postverkehr wird ferner auch durch mit Rädern versehene Behelfe – gewöhnliche Wagen und Eisenbahnwaggons – besorgt. Was zunächst die ersteren betrifft, so ist deren Mannigfaltigkeit groß, denn diese Fuhrwerke richten sich einerseits nach den ethnographischen Verhältnissen und dem Kulturgrade eines Landes, andererseits nach der Verschiedenheit der mit der Postwagenbeförderung verbundenen Zwecke. Postverwaltungen, die sich außer der Brief- und der Geldpost auch mit der Fahrpost befassen, d. h. Pakete und Gepäck befördern, bedürfen natürlich anderer Fahrzeuge; befördern sie überdies Personen, so kommen sie auch mit Güterpost- und Packwagen nicht mehr aus. Im Gebiete der deutschen Reichspost z. B. sind nicht weniger als achtzehn verschiedene Postwagen im Gebrauch – vom winzigen Stadtbriefkarriol bis zum stattlichen neunsitzigen, mit vier rüstigen Pferden bespannten Personen-Postwagen. Vergleicht man diese Musterleistung der Wagenbaukunst mit den vorsintflutlichen Marterkasten, die in früheren Zeiten und noch vor etwa hundert Jahren gang und gäbe waren, so wird man dankbar anerkennen, daß alles unendlich besser und bequemer geworden.
Im deutschen Reichspostgebiete wurden im Jahre 1903 von Wagenposten täglich durchschnittlich ca. 240 000 km zurückgelegt (insgesamt über 87 Mill.), in Frankreich ca. 173 000, in Italien 90 000, in Schweden 30 000, in Österreich-Ungarn rund 210 000, in Rußland ca. 155 000, in Holland 31 000, in der Schweiz 22 000 Kilometer. Die letztere relativ anscheinend zu hohe Zahl erklärt sich aus der Mannigfaltigkeit der Postverbindungen, die von der eidgenössischen Verwaltung im Interesse des ausgedehnten Reiseverkehrs und der darauf beruhenden Reise-Industrie ihres Landes aufrecht erhalten werden. Der Personenverkehr auf den Alpenposten war und ist ein ungemein reger. Vor Eröffnung der Gotthardbahn bildete die Gotthardpost jahrhundertelang den Hauptverkehrsweg zwischen Italien und der Schweiz und kursierte trotz der gewaltigen Paßhöhe Sommer und Winter ohne Unterlaß. Da die Straße nur während eines geringen Teiles des Jahres schneefrei ist, so mußte der Post oft mit den größten Anstrengungen eine Bahn durch die Schneemassen gebrochen werden. Bei starkem Schneefall gelang es nicht, auch nur für die schmale Spurbreite des Postschlittens freien Weg zu schaffen; man grub dann Tunnels von oft beträchtlicher Länge durch den Schnee. Die Reisenden wurden auf kleinen, ein- bis zweisitzigen, mit je einem Pferde bespannten Schlitten, die in langer Reihe einander folgten, befördert; im ersten Schlitten saß der Postillon, im letzten der Kondukteur. Manchmal blieb die Post mitten auf dem Passe im Schneesturme stecken, und die Passagiere mußten froh sein, wenn sie in einem Zufluchtshause Obdach fanden.
Eine besonders große Mannigfaltigkeit an Mitteln der Postwagenbeförderung herrscht in Rußland zufolge der ungeheuren Ausdehnung und der tiefgreifenden klimatischen und ethnographischen Verschiedenheiten dieses Reiches, auf dessen weiten Straßen sich von Pferden, Maultieren, Ochsen, Eseln, Renntieren und Hunden gezogene Postfuhrwerke bewegen, welche vom eleganten Personenwagen, bis zur offenen Schlittenkufe herab alle Spielarten dieses Verkehrsmittels erschöpfen. Ganz eigentümliche Fahrposteinrichtungen besitzt Skandinavien. Daselbst besteht neben den von der Postverwaltung selbst unterhaltenen Diligenzen, Paket- und Karriolposten seit alter Zeit noch die Verpflichtung einzelner, »Posthöfe« genannter Bauerngüter, die Posten durch ihre Pferde zu befördern. Überdies hat sich aus der altnordischen Gastfreundschaft – mit der fremde Reisende von den Landbewohnern nicht bloß beherbergt, sondern auch weitergeschafft zu werden pflegten – für die Anwohner der Landstraßen eine jetzt gesetzlich geregelte Fahrschuldigkeit für Extraposten entwickelt, wonach die Betreffenden gegen gewisse Vergütungen Pferde zur Weiterbeförderung der Reisenden beizustellen haben.
Die erste historisch wichtigere Betätigung des Postwagenwesens wurde in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts in Angriff genommen, indem der im Jahre 1649 ernannte erste Ober-Postdirektor von England, Edmund Prideaux, alsbald eine regelmäßige »Kurier«-Post einführte. Dieselbe machte ihrem Namen freilich wenig Ehre; sie huldigte dem Grundsatze »Eile mit Weile« so sehr, daß sie eine volle Stunde brauchte, um eine deutsche Meile zurückzulegen; doch erhielt sie sich in Ermanglung von etwas Besserem volle 135 Jahre, bis schließlich ihre Langsamkeit den Bristoler Theaterdirektor John Palmer so sehr ärgerte, daß er die Errichtung von Malleposten beantragte. Er stieß auf hartnäckige Opposition bei den Postautoritäten, allein der dem Plane günstig gestimmte Premierminister Pitt wußte die Genehmigung bei der Gesetzgebung durchzusetzen. Die ersten » mails« gingen 1784 ab; die Geschwindigkeit betrug 1½ bis 1¾ Meilen pro Stunde, also schon ein erheblicher Fortschritt. Palmer wurde Postsekretär und erhielt von der Regierung ein namhaftes Ehrengeschenk. Sein System blieb in England bis 1837 in Kraft und kam auch auf dem Kontinent in Anwendung. Die rapide Entwicklung des damals noch ganz jungen Eisenbahnwesens legte den Gedanken nahe, statt der schwachen vierfüßigen die starken vierräderigen Rosse, Lokomotiven genannt, behufs rascherer Beförderung der Post in Kontribution zu setzen. Seitdem dies das erstemal geschah – der erste Postwaggon, der je auf einer Eisenbahnschiene sich bewegte, ging am 1. Juli 1837 von London ab – ist, wo immer eine Eisenbahn entsteht, die Post ihr erster und getreuester Fahrgast. Die Verwaltungen der beiden großen, nahe verwandten Verkehrszwecken dienenden Institute sind der Natur der Sache nach darauf angewiesen, bei Lösung ihrer wichtigen Aufgaben mit vereinten Kräften vorzugehen.
Die Gestaltung der Beziehungen zwischen den Postverwaltungen und den Eisenbahnen ist allenthalben, wo die Leitung der letzteren nicht ebenfalls in den Händen des Staates ruht, eine schwierige Aufgabe, die auf verschiedene Art gelöst wird, je nachdem in dem betreffenden Lande die Rücksichten auf das Privatrecht oder die auf das öffentliche Recht vorwiegen. In Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo ersteres der Fall ist, einigt sich die Post mit den Eisenbahnen jeweilig über deren Leistungen und die ihnen dafür zu gewährenden Entschädigungen. Die englische Postverwaltung zahlt den Eisenbahnen gegenwärtig jährlich rund eine Million Pfund Sterling und wird durch die übertriebenen Forderungen der Gesellschaften in manchen Fällen geradezu außer Stand gesetzt, die im Interesse des Postverkehrs wünschenswerten Verbindungen einzurichten. Eine noch weit höhere Summe zahlt die Postverwaltung der Union den amerikanischen Bahnverwaltungen, und doch sind die Gesellschaften damit so unzufrieden, daß die meisten von ihnen erklärt haben, den Dienst sehr ungern und nur dem Publikum zuliebe fortzusetzen. In anderen Ländern, namentlich Deutschland, Österreich-Ungarn, Frankreich, Rußland, Schweiz ist bei Regelung dieser Verhältnisse wesentlich von der Anschauung ausgegangen worden, daß die Bahnen – als Gegenleistung für die bedeutenden Privilegien, die ihnen der Staat bei der Konzessionierung verleiht – zu Leistungen für den Postverkehr im öffentlichen Interesse verpflichtet seien.
Der Bahnpostdienst ist ein heikler und schwieriger, erfordert daher große Aufmerksamkeit und Emsigkeit. In die Eisenbahnzüge, welche zur Beförderung von Postsendungen bestimmt sind – »Postzüge« – werden einige Postwaggons eingestellt, die mit einer, dem postdienstlichen Bedürfnis und der unterwegs zu verrichtenden Arbeit entsprechenden Bureau- und Packraumeinrichtung versehen sind. Auf dem Kontinent genügt bei jedem »Postzug« in der Regel ein einziger Postwaggon. Anders in England und den Vereinigten Staaten; dort ist eine ganze Reihe solcher Wagen nötig und sie heißen zusammen » travelling post-office«, ambulantes Postamt. Einige Wagen werden mit dem Inhalt der von den Postämtern herbeieilenden Karriolwagen gefüllt und in die übrigen steigt eine große Anzahl von Beamten. Sämtliche Postwaggons auf solchen Zügen sind durch Gänge miteinander verbunden; statt durch Fenster werden sie durch Lampen erleuchtet und zugleich erwärmt. Die Zweckmäßigkeit dieser Einrichtungen zu erhöhen, den ambulanten Beamten den möglichsten Schutz gegen die Erschütterung durch die Fahrt, sowie jede sonstige angemessene Bequemlichkeit zu gewähren – das ist eine Aufgabe, auf deren Erfüllung glücklicherweise von den Postverwaltungen fast aller Länder ohne Unterlaß hingestrebt wird. Die den Karriolwägelchen abgenommenen Postsäcke und -beutel werden unverzüglich geöffnet, und die Bediensteten stürzen sich darauf, um die Arbeit zu ergänzen, die in den Stadtpostämtern unvollendet gelassen wurde. Daselbst wird nämlich nur nach Routen sortiert, während in den Postbahnbureaus endgültig nach Städten und kleinen Postbezirken sortiert wird.
Die Geschwindigkeit, mit der man in den Ambulanzen arbeitet, ist erstaunlich. Die englischen Sortierwagen enthalten auf ihren enormen Tischen Kästchen mit den Stationsnamen der betreffenden Bahnlinien, sowie eine Menge genau gehender Uhren. Die eigentlichen englischen Postzüge – bei denen das Mitnehmen der Passagiere so sehr Nebensache ist, daß solche oft gar nicht mitgeführt werden – fahren stundenlang ohne anzuhalten. Nachdem nämlich die Stücke aus den Kästchen genommen, umbunden und in Säcke gewickelt sind, werden die letzteren, sobald man sich ihrer Bestimmungsstation nähert, in einen eigenartig konstruierten Wagen gebracht, der eine Maschine enthält, welche einer Vorrichtung auf dem Perron des Bahnhofs derart entspricht, daß in dem Augenblick, da der Zug dort vorbeikommt, die Säcke aus dem Wagen hinunterfallen und gleichzeitig die auf dem Bahnsteig in Bereitschaft gehaltenen, die Korrespondenz des betreffenden Bezirkes enthaltenden Säcke in den Waggon hinaufschnellen. Nur an Stationen, welche Knotenpunkte für mehrere Linien bilden, wird Halt gemacht.
Der Umfang, in welchem die Eisenbahnen die Postbeförderung vermitteln, ist ein sehr beträchtlicher und steigt bei der raschen Ausdehnung der Schienennetze so rasch, daß im Jahre 1904 die reichsdeutschen Bahnposten 221,7 Mill. Kilometer zurücklegten.
China ist das einzige Land, welches sich noch immer vielfach gegen die Einführung von Eisenbahnen sträubt. Dagegen geht die japanische Regierung in der Entwicklung des Bahnpostdienstes mit derselben Energie vor, die sie in der Umgestaltung ihrer Posteinrichtungen nach europäisch-amerikanischem Muster überhaupt an den Tag legt. Die vorhandenen Bahnlinien Japans werden für die Postbeförderung so stark benützt, daß die Jahressumme des Bahnpostenlaufes sich trotz der verhältnismäßigen Geringfügigkeit des Schienennetzes schon auf über 3½ Millionen Kilometer beläuft. Auch Britisch-Indiens wachsendes Bahnnetz wird dem Postverkehr in erheblichem Maße dienstbar gemacht; dasselbe gilt von Britisch-Amerika. In Südamerika folgt die Post dem Dampfwagen auf Pfaden, deren kühne Bauten das Staunen der Alten Welt erregen; in Brasilien geht sie durch die mächtige Tunnelreihe der Sierra do Mar und im südlichen Peru überschreitet sie den Hauptstock des Andengebirges in der schwindelnden Höhe von fast 5000 Metern.
Es kann als zweifellos betrachtet werden, daß in der Römerzeit sowohl amtliche wie private Briefschaften zu Schiffe befördert wurden. Heutzutage sieht sich der Postverkehr auf Segel- und Ruderbooten zufolge der Überflügelung durch die Dampfschiffahrt im wesentlichen auf Lokalverbindungen beschränkt, doch bietet er noch immer eine sehr verbreitete Erscheinung. Die chinesische Reichspost besitzt in neun Provinzen ständige, aber nur für den Verkehr auf Binnengewässern berechnete Postschiffe, deren Matrosen von den Chinesen »Postschiff-Wasserhände« genannt werden. Daß sich in Ostindien ein nicht unbedeutender Teil des Postverkehrs auf den Flüssen bewegt, ist bei der Erheblichkeit der Wasserläufe dieses Reiches natürlich. Auf den Philippinen wird der Postdienst zwischen den einzelnen Inseln durch kleine » vilos«, schnellsegelnde Boote, versehen, und die gleiche Beförderungsweise wiederholt sich überall, wo ähnliche geographische Bedingungen vorliegen; im griechischen und im dänischen Archipel, in den Inselgruppen im Norden und Westen von Großbritannien, in der die norwegische Küste umsäumenden Schärenkette ist das Segelboot ein treuer Diener der Post.
Selbst in Deutschland liegt der Segelschiffahrt eine zwar nicht ausgedehnte, aber desto schwierigere Rolle im Postbeförderungsdienste ob. »Die durch wilde Sturmfluten vom Festlande abgerissenen Inseln Ost- und Westfriesland«, heißt es bei P. D. Fischer, »werden, soweit nicht im Sommer wegen der Badeverhältnisse Dampfschiffe zwischen ihnen und der Küste verkehren, durch Postboote bedient, denen im Winter die mühevolle Aufgabe gestellt ist, sich in Sturm und Nebel durch die Untiefen des Watt hindurch zu arbeiten. Werden die Gefahren durch Treibeis erhöht, so suchen die braven Friesen, solange irgend möglich, ihr Ziel auf Eisbooten zu erreichen. Die Postbeutel werden in eine mit Eisen beschlagene Eichenkiste, die Pakete in einen Ölsack getan; ein kleines Boot mit eisenbeschlagenem Kiel nimmt die Ladung auf. Drei oder vier wetterfeste Männer setzen sich ans Ruder, solange das Watt eisfrei ist, und bahnen sich, wenn dies nicht mehr der Fall, ihren Weg durch das Eis, indem sie die Schollen mit Eisstangen oder mit dem Boote selbst zu brechen suchen. Ist das Eis ganz fest, so wird das Boot auf die Scholle gezogen. Brechen während dieser sauren Arbeit Nacht und Nebel herein, so kostet das Vorrücken wahrhaft heroische Anstrengungen.«
Im Seepostwesen ist der vollständige Sieg des Dampfschiffes längst entschieden. Die interkontinentalen Dampferlinien, in deren Betrieb sich England, Frankreich, Deutschland, Österreich-Ungarn, Holland, Italien, die pyrenäische Halbinsel, Japan und die Vereinigten Staaten teilen, sind die eigentlichen Träger der Weltpost. Von allen diesen Unternehmungen ist die umfangreichste und berühmteste die englische » Peninsular and Oriental Steam Navigation Company«; ihre Schiffe verbinden auf zwei Linien Europa mit Afrika, dringen ferner durch den Suezkanal ins Rote und Indische Meer über Aden nach Bombay und stellen auf nur dreißigtägiger, fast siebentausend Seemeilen langer Fahrt über Hongkong nach Yokohama die Hauptverbindung zwischen Süd- und Ostasien her, an welche sich die kaum minder bedeutende Verbindung mit den australischen Besitzungen Großbritanniens anschließt. Auf den Wasserpalästen dieser, allgemein schlechtweg » P. und O.« genannten Gesellschaft gehen die für den Welthandel so wichtigen Sendungen des Londoner Generalpostamts nach Ostindien und den Küsten des Indischen und des Großen Ozeans. Bei der Verbindung Europas mit Süd- und Westasien wetteifert mit der » P. und O.« die hervorragende französische » Compagnie des Messageries Maritimes«, die ihre Fahrten seit der Eröffnung des Suezkanals von Marseille über Aden und Hongkong bis Yokohama ausgedehnt hat und von diesem gewaltigen, fast zehntausend Seemeilen umfassenden Laufe aus noch ausgedehnte Zweigfahrten nach Mauritius, Kalkutta, Batavia und Schanghai unterhält. Der Österreichische Lloyd in Triest setzt seine allbekannten Mittelmeerfahrten ebenfalls durch den Suezkanal und das Rote Meer bis Bombay fort. Die Postverbindungen zwischen Europa und Amerika werden außer von englischen namentlich von deutschen Unternehmungen hergestellt, die samt und sonders in den Hansestädten ihren Sitz haben und unter denen der Norddeutsche Lloyd in Bremen die wichtigste ist, welcher nach Nordamerika drei, nach Südamerika zwei große Kurse unterhält. Hervorzuheben sind noch: die » Pacific Mail Steamship Company« in San Francisco, die »Cunard« und die »Union« in London, sowie die »Hamburg-Amerika-Linie«.
Selbstverständlich sind diese riesigen und kostspieligen Transport-Unternehmungen für ihr Bestehen nicht ausschließlich auf den Postverkehr angewiesen; ihre Haupteinnahmen beziehen sie aus der Mitführung von Handelsgütern und Passagieren. Doch sind die Vergütungen für ihre Leistungen im Interesse des Postwesens sehr beträchtlich.
Während auf den meisten Seepostlinien – namentlich solchen, die ohne Berührung von Zwischenhäfen den Ausgangs- mit dem Endpunkt verbinden – die Post im Abgangshafen aufs Schiff gebracht, dort sicher verschlossen und im Bestimmungshafen abgeholt wird, geben einzelne Postverwaltungen auf größeren Kursen den Dampfschiffen Beamte zur ambulanten Bearbeitung der Postsendungen bei. Im Anschluß hieran hat sich auf einer nicht geringen Zahl von Linien das Bedürfnis herausgestellt, in den Zwischenhäfen Postämter derjenigen Nation einzurichten, von deren Verwaltung die Dampfschiffe benützt werden. Die noch jetzt ziemlich zahlreich vorhandenen Postanstalten fremder Nationalität im Auslande führen sich meistens auf den Postdampferverkehr zurück. So besitzt Österreich im Anschlusse an die Fahrten der Triester Lloyddampfer auf türkischem Gebiete 45 größere und 43 kleinere Postämter; England unterhält solche in Konstantinopel, Ägypten, China und Sansibar, Italien in Ägypten und Tunis, Deutschland in der Türkei und in Marokko.
Hat sich nun die überseeische Dampfschiffahrt auf den Handel und die Industrie der durch sie verbundenen Länder als belebend und befruchtend erwiesen, so ist sie für die Tätigkeit der Post als Weltverkehrsanstalt von geradezu epochemachender Bedeutung. Was konnten Briefe nach Ostasien, Südamerika oder Australien nützen, solange ihre Beförderung den unberechenbaren Verzögerungen und Fährlichkeiten der Segelschiffahrt ausgesetzt war? Heute vermag ein Briefschreiber in Europa leicht zu berechnen, in welcher Frist er aus Schanghai, Sydney oder Rio de Janeiro mit annähernder Wahrscheinlichkeit Antwort haben kann. Um die Regelmäßigkeit und Schnelligkeit der Weltpostverbindung auf die Probe zu stellen, hat man aus Europa bekanntlich zu wiederholten Malen Postkarten und Briefe auf die Reise um die Welt gesandt; dieselben sind jedesmal, mit den Stempeln der unterwegs passierten Postämter bedeckt, rechtzeitig wieder in Europa eingetroffen. »Freilich,« bemerkt P. D. Fischer, »beweisen andererseits Katastrophen, wo mit den Schiffen auch die gesamte überseeische Post in der Tiefe des Ozeans versinkt, daß ungeachtet aller Fortschritte der Wissenschaft und trotz der erprobten Tüchtigkeit der Kapitäne, denen die Führung der Postdampfschiffe obliegt, auch diese kostbaren Fahrzeuge den Gefahren, von denen die Schiffahrt umgeben ist, nicht immer gewachsen sind.«
Wenden wir uns zunächst der Taubenpost zu. Einen regelrechten Taubendienst richtete bereits Sultan Mureddin (12. Jahrhundert) ein; von seinen Nachfolgern weiter ausgebildet, war dieser Dienst schon um die Mitte des 13. Säkulums zu einer gutorganisierten Post geworden, die sich streckenweise noch im Anfang des 17. wegen ihrer Schnelligkeit eines guten Rufes erfreute. Als in späteren Zeiten die Brieftaubenzucht auch in Europa aufkam, entstanden zwischen einzelnen wichtigen Handelsstädten Taubenposten, die alle dringenden Mitteilungen politischer und geschäftlicher Natur beförderten. Noch 1848 verkehrten zahlreiche Tauben zwischen Paris, Brüssel und Antwerpen, um die belgische Presse von den französischen Neuigkeiten zu unterrichten, und dies geschah so rasch, daß die belgischen Zeitungen die betreffenden Ereignisse zumeist gleichzeitig mit den Parisern bringen konnten. In neuester Zeit hat man mit Brieftauben so ungemein günstige Erfahrungen gemacht, daß man jetzt mit Sicherheit weiß, man dürfe auf diese reizenden Vögel als auf eines der schnellsten Nachrichtenversendungsmittel rechnen, so oft sich das Bedürfnis zur Heranziehung eines so außergewöhnlichen Behelfs einstellt. Das moderne Postwesen hat dies in Fällen der Not wiederholt erprobt, in ausgedehntestem Maße während der Belagerung von Paris im Jahre 1870/71.
Damals wurden nur ganz kurze und auf dünnstem Seidenpapier möglichst kleinen Formats geschriebene Briefe angenommen und anfänglich im Original befördert (in Beutelchen, die man den Tauben mitgab). Aber wenn auch sehr viele Absender ihre Briefe auf den dritten oder vierten Teil der zulässigen Größe beschränkten, so würde die Anzahl der zur Beförderung gelangenden Sendungen bei der geringen Zahl der vorhandenen Tauben verhältnismäßig eine kleine geblieben sein, hätte Dagron nicht zu guter Zeit einige Apparate erfunden, die durch ein sinnreiches Verkleinerungsverfahren die Massenverschickung von Taubenbriefen der »provisorischen Regierung«, ermöglichen. In Tours, dem Sitze, wurden alle aus den Provinzen einlaufenden Schreiben gesammelt und ohne weiteres in sehr kleinen Buchstaben spaltenweise hintereinander abgedruckt. Die gedruckten Spalten übertrug man dann, zu Seiten von je vier Spalten à drei Kolumnen à vier Unterabteilungen vereinigt, auf photomikroskopischem Wege auf ein recht dünnes und durchsichtiges Kollodium- oder Gelatinehäutchen. Auch das amtliche Blatt wurde in dieser Weise nach Paris befördert, und die Tatsache, daß eine ganze Seite dieser Zeitung in der Verkleinerung nur ein Sechstel eines Quadratzolles beanspruchte, zeugt laut für den hohen Wert jener Erfindung. Schließlich rollte man die Häutchen zusammen, schloß sie – im Durchschnitt 18 Stück pro Taube – in einen kleinen Federkiel und befestigte diesen an der Mittelschwanzfeder des Vogels, der somit hunderttausende von Worten in die Hauptstadt entführte. Im Pariser Taubenpostamt wurden die eingetroffenen Massendepeschen durch eine mit elektrischem Licht versehene Vergrößerungsvorrichtung derart wiedergegeben, daß das Gedruckte in der Größe von Plakatlettern auf einer weißen Wand erschien, um sofort abgeschrieben zu werden, worauf die Bestellung der einzelnen Zuschriften erfolgen konnte. Die Benützung der Taubenpost war ein teueres Vergnügen, denn jedes Wort kostete einen halben Frank. Auch Postanweisungen wurden befördert.
Angeregt durch diese zwar problematischen, aber doch nicht abzuleugnenden Erfolge, hat man die Züchtung dieser Spezies von Posttransportmitteln seither zum Gegenstande eifriger Pflege gemacht, und zahlreiche Versuche haben die Möglichkeit der Taubenpost und die außerordentliche Schnelligkeit dieser Beförderungsart in mitunter überraschender Weise dargetan. Der regelmäßigen Verwendung der Tauben zu Postzwecken stellen sich jedoch mancherlei Hindernisse entgegen, deren Überwindung noch nicht gänzlich gelungen ist. Gerade der erstaunliche Orts- und Heimatssinn, der allein die Taube zur Briefbeförderung befähigt, läßt sie mit einer für Postbeamte während des Dienstes unstatthaften Vorliebe an ihr wohlbekannten Orten verweilen. Überdies werden die kleinen Luftbriefträger nicht selten die Beute gefiederter Piraten (Habichte usw.), die im Kampfe ums Dasein vor der Verletzung des Briefgeheimnisses nicht zurückscheuen. Die im Pariser Akklimatisiergarten für militärische Zwecke gehaltenen Brieftauben werden mit kleinen Glöckchen versehen, deren durchdringend heller Ton beim Fliegen lebhaft erklingt. Dieses Mittel soll sich in China als zweckmäßig erwiesen haben, um die Tauben vor den Angriffen der Raubvögel zu schützen.
Die Verwendbarkeit des Luftballons zu Postzwecken ist ebenfalls von gar mancher Seite eingehenden Erörterungen unterzogen worden, und die Aktenbände verschiedener Postverwaltungen bekunden, daß es nicht an erfinderischen Meistern mangelt, denen die Lösung der noch zu überwindenden Schwierigkeiten am Herzen liegt. P. D. Fischer prognostiziert der Ballonpost eine bedeutende Zukunft, weist aber, was die Gegenwart betrifft, auf die bekannte Tatsache hin, daß das entscheidende Problem, die Lenkbarkeit des Luftschiffes, seiner Lösung noch nicht wesentlich näher gerückt ist. Solange diese Lösung nicht gefunden ist, wird der Ballon für den regelmäßigen Postbeförderungsdienst ungeeignet sein. Daß er in Notfällen ein wertvolles Hilfsmittel bildet, weiß man von der 1871er Pariser Belagerung her. Die französische Postverwaltung ließ die ersten Postballons anfertigen, die es je gegeben, gab eigene Ballonkuverts und -karten aus dünnem Papier und in kleinem Formate aus; das Gewicht des Briefes war auf 4 Gramm beschränkt. Im ganzen wurden 65 Ballons abgelassen, welche 91 Personen, 363 Brieftauben, 2½ Mill. Briefe und Postkarten, sowie zahlreiche amtliche Schriftstücke und Zeitungen beförderten. Nur 17 von den 65 Ballons verfehlten ihren Zweck, teils durch Unglücksfälle, teils durch Erbeutung seitens der Deutschen, teils durch Niedergehen in fremden Ländern. Alle übrigen taten ihre Pflicht. Ein nach Norwegen verschlagener Ballon legte die fast 1400 km lange Strecke von Paris nach Christiania in 15 Stunden zurück! Gewiß wird nach vollendeter Entdeckung der Lenkbarkeit der amerikanische Luftschiffer Wise recht behalten, der sagt: »Unsere Kinder werden jeden Erdenwinkel ohne Dampf, Rauch und Seekrankheit erreichen können, und zwar mit einer Geschwindigkeit von 100 engl. Meilen (160 km) in der Stunde.«
Sind im Bereiche der eigentlichen Luftpost nur geringe Fortschritte zu verzeichnen, so ist es gelungen, eine gute und verläßliche unterirdische Luftpost zu ersinnen: die in Europa, besonders in London, Paris, Wien und Berlin eingeführte Rohr- oder pneumatische Post. Die erste entstand 1854 in London; doch wurde die übrigens recht kurze Linie nach zwanzig Jahren außer Betrieb gesetzt, weil dieser infolge beträchtlicher Mängel der Maschinerie häufig gestört worden war. Später entstanden in der Themsemetropole und einigen anderen Großstädten Englands andere, allerdings ebenfalls nur für den dienstlichen Verkehr der Post- und Telegraphenämter bestimmte Röhrenlinien, die in ihrer technischen Einrichtung den pneumatischen Posten von Berlin, Wien und Paris ähneln. Das 1867 angelegte Röhrennetz der Seinestadt umfaßt jetzt bereits über 200 km; das Berliner wurde dem Verkehr am 1. Dezember 1876 mit 26 km übergeben und hat es schon aufs Dreifache gebracht. Die schmiedeeisernen Röhren liegen mindestens 1 m unter dem Straßenpflaster.
Zur Aufnahme der Rohrpostkarten, -briefe und -telegramme dienen Büchsen aus getriebenem Stahlblech, die durch einen Lederüberzug verschlossen werden. Sie sind 15 cm lang und können je 20 Sendungen aufnehmen; zehn bis zwölf Büchsen bilden, hintereinander gelegt, einen Zug, der durch den »Treiber« abgeschlossen wird, d. i. ein der Gestalt nach den Büchsen gleichender, massiver, ebenfalls mit Leder überzogener und überdies mit einer ledernen Manschette versehener Holzzylinder, durch den das Rohr ziemlich dicht geschlossen wird.
Die Beförderung der Rohrpostzüge erfolgt entweder nach dem Blasrohr- oder dem Heberprinzip, d. h. durch Stöße mit verdichteter oder Ansaugen mit verdünnter Luft. Die Beförderungsgeschwindigkeit beträgt 1000 m in der Minute; dennoch ist es durch die Einrichtung der Apparate ermöglicht, daß die Züge, die in Berlin jede Viertelstunde, in Wien jede 20 Minuten abgelassen werden, ohne Anprall einlaufen, vielmehr langsam in die Maschine gleiten. Die einzelnen Teile der letzteren sind aus unserer Abbildung ersichtlich. Die Büchsen kommen in der Empfangskammer K an. Unter dem Fußboden bei M treten die von weiterher kommenden Röhren ein. Z ist eine für das Ein- und Ausströmen der Luft vom oder in den Röhrenstrang bestimmte Abzweigekammer, die durch das Rohr N mit dem Hauptbeförderungshahn B in Verbindung steht. R ist das Zuführungsrohr, das die Empfangskammer mit den unterirdischen Rohrleitungen verbindet. In die Klappe H werden die Büchsen gelegt. A ist der Luftwechselhahn, der durch die Röhren T und T1 mit den Behältern für verdünnte und verdichtete Luft in Verbindung steht. Das Rohrstück S vermittelt Luftwege durch A und B und ist durch das kleine Rohr u mit der Einlegeklappe H verbunden. Die übrigen Bestandteile des Apparats sind zu sehr fachtechnischer Natur, als daß wir sie hier berücksichtigen könnten. Bei Beförderung eines Zuges durch verdichtete Luft wird der den Luftbehälter von der Rohrleitung abschließende Hahn A geöffnet, so daß die Luft ungehindert auf den Zug wirken kann. Kommt verdünnte Luft zur Anwendung, so wird beim absendenden Amt die das Beförderungsrohr R schließende Scheibe f durch die Zugstange F in die Höhe gezogen und sodann durch Umlegen des Hahns D das Rohr u mit dem Rohre r verbunden; sobald der Zug abgegangen, wird der Hahn D geschlossen und der Hahn B geöffnet.
Eine großartige Ausgestaltung hat das Prinzip der Rohrpost in Nordamerika erfahren. Im Jahre 1903 lief durch die gesamte Presse die telegraphische Nachricht, die Gesetzgebung der Vereinigten Staaten habe statt der von der Postverwaltung geforderten 500 000 Dollar deren 800 000 »behufs Erweiterung des Batchellerschen Postrohrnetzes in den Großstädten« bewilligt. Aber wohl nur äußerst wenige Leser konnten den Sinn oder gar die Tragweite dieser Depesche verstehen, denn die allermeisten hatten keine Ahnung von der Ausdehnung, die die Anwendung des pneumatischen Prinzips »drüben« bereits gewonnen hat. Kennt man doch in Europa – und zwar auch bloß in London, Paris, Berlin und Wien – nur die vorhin geschilderte kleine »Rohrpost«, die in Berlin, Paris und Wien lediglich Postkarten und kleine Briefe befördert, in London aber nur dem inneren Postdienst dient, namentlich zur Beförderung von örtlichen Telegrammen.
Der Telegraph und das Telephon arbeiten schnell, eignen sich aber nicht zur Beförderung greifbarer Dinge. Die pneumatische Röhre dagegen besitzt den Vorzug, ein Beförderungsmittel zu sein. Die findigen Yankees haben seit 1895 immer wieder erfahren, daß ein gutes Rohrnetz für kurze Strecken – also etwa innerhalb einer und derselben Stadt – sogar das schnellste und zuverlässigste Beförderungsmittel für Schriftstücke, Pakete usw. bildet, wozu noch die größte Einfachheit des Betriebes kommt. Demgemäß nimmt jenseits des »großen Heringsteichs« das Einfangen des Windes zu Zwecken des Handels, der Post und des allgemeinen Verkehrs immer mehr überhand.
Der Erfinder des pneumatischen Pakettransports ist der amerikanische Ingenieur I. C. Batcheller. Sein Rohrsystem dient zwei Hauptzwecken. Die schleunige Beförderung der Post zwischen den Bahnhöfen und den Postämtern einerseits und der Stadtbriefpost zwischen den einzelnen Stadtteilen andererseits bildet die Hauptaufgabe, während die Nebenaufgabe in der Verteilung der Einkaufspakete der großartigen Warenhäuser an die Käufer im Weichbilde der Großstadt besteht. Das größte Rohrnetz für Post- und das bisher einzige für Handelszwecke hat Philadelphia, der Sitz der » Batcheller Pneumatic Tube Company«, aufzuweisen. Beschränktere Netze hatten Neuyork, Chicago und Boston; diese wurden auf Grund der vorhin erwähnten staatlichen Neubewilligung – die, nebenbei bemerkt, bloß die jährliche Pachtsumme darstellt, welche die Postverwaltung nunmehr an die genannte Gesellschaft zu zahlen hat – weiter ausgebaut, und gleichzeitig erfolgte die Anlegung ganz neuer Netze in Baltimore und St. Louis. Neuestens schweben Unterhandlungen mit den Regierungen von Australien und – Japan über den in Aussicht genommenen Bau von Anlagen.
Wie man sieht, steht Alt-Europa, wie schon in manchen anderen Dingen, im Begriff, sich auch in so außerordentlich fortschrittlichen Neuerungen von Neu-Japan überflügeln zu lassen. Es war zwar wiederholt zu lesen, daß seit längerer Zeit auch mit Berlin, Paris und London unterhandelt wird, allein die Sache scheint nicht vorwärts zu kommen. Sicher ist nur, daß ein Abgesandter der deutschen Reichspostverwaltung 1903 in der Union weilte, um den Gegenstand an Ort und Stelle zu studieren. Vielleicht kommt also dabei doch noch etwas heraus. Übrigens machen die Patentinhaber es den Regierungen sehr leicht, denn sie bauen die Linien auf eigene Rechnung und rüsten sie auf eigene Kosten aus, um sie dann in Pacht zu geben; selbstverständlich wird dabei den Postverwaltungen das Recht gegeben, die betreffenden Netze jederzeit zu einem bestimmten Preise anzukaufen.
Die Beförderung von Briefen und dergleichen erfolgt durch die Batchellerschen Röhren so verblüffend rasch, daß eine schriftliche Mitteilung den Empfänger viel schneller erreicht, als ein auf dem raschesten Wege befördertes Telegramm. So werden die Stadtdepeschen überflüssig. Während z. B. in Neuyork früher zwischen dem Aufgeben und dem Abliefern eines Telegramms vom Hauptpostamt an die Produktenbörse notgedrungen eine Stunde verfloß, genügt hierzu heute eine einzige Minute! Ebenso für einen Brief. Der Transport der von auswärts ankommenden und nach auswärts abgehenden Post von bzw. nach den Bahnhöfen beseitigt die schwerfälligen, veralteten Postwagen aus dem Straßenverkehr der Großstadt, was auch noch den Wert hat, denselben zu entlasten – bei der Verkehrsdichtigkeit puncto Fuhrwerk ein nicht zu unterschätzender Vorteil! Und da auch die Zeitungen und, wie gesagt, die Einkaufspakete durch die Rohrpost – rascher und billiger! – verschickt werden können, bedeutet Batchellers herrliche Erfindung einen erheblichen Beitrag zur Lösung des vielfach bereits sehr akut gewordenen Straßenproblems – eine wahre Umwälzung!
Ein philadelphisches Blatt berechnet die Zeit der Briefzustellung innerhalb Philadelphias nach der alten Methode mit 2-10 Stunden, nach der neuen mit 1,38-10,45 Minuten. Wodurch wird diese Zeitersparnis und jene beim Verkehr zwischen den Bahnhöfen und den Postämtern erzielt? Dadurch, daß die Tragbüchsen mit einer Geschwindigkeit von 96 km pro Stunde durch die pneumatischen Röhren jagen. Mit dieser verblüffenden Schnelligkeit treibt ein künstlich erzeugter Wirbelwind vollgepackte Zylinder (mit Zeitungen, Briefen, Paketen usw. usw.) bis zum Gewicht von 180 kg vor sich her. Der ganze Verkehr wickelt sich ohne jede Verwirrung, fast automatisch ab. Das ist natürlich nur mit Hilfe wunderbar sinnreicher, dabei aber einfacher Vor- und Einrichtungen möglich. Wenn z. B. – um ein kleines Detail zu erwähnen – mehrere Büchsen gleichzeitig in der Röhre sind, werden sie durch ein eigenartiges »Zeitschloß« abgehalten, einander zu nahe zu kommen. Man stelle sich ein Telephonsystem vor, bei welchem jeder Draht ein 8-12zölliges Rohr ist, in dem ein gefangener Orkan 7-11zölligen Warenbomben nachjagt, und man hat einen ungefähren Begriff von der Batchellerschen Erfindung. Die ursprünglich 8-, dann 10zölligen Röhren werden künftig durchweg 12zölligen weichen; während diese 90 Prozent aller Einkaufspakete der Warenhäuser befördern können, gehen in jene nur 60 bzw. 70 Prozent hinein, weil die übrigen zu groß sind.
Wieviel Geld und Zeit wird der Neuyorker Detailhandel nach Fertigstellung des dortigen Paketnetzes ersparen! Gegenwärtig kostet ihm die Ablieferung der Pakete an die Käufer täglich 100 000 Dollar, wobei die Lieferung ins Haus durchschnittlich erst zehn Stunden nach dem Einkaufen erfolgt. Mittels Rohr geschieht die Zustellung in allerkürzester Zeit und für weniger als die Hälfte der gegenwärtigen Kosten. Dabei können Haustiere und die empfindlichsten Gegenstände – wie Eier, Porzellan u. dgl. – ohne jede Gefahr befördert werden. Vielleicht wird man über kurz oder lang durch die Pneumatik kleine Kinder zu Besuch in entfernte Stadtteile schicken oder sich warme Mahlzeiten aus künftigen Riesenrestaurants ins Haus kommen lassen können?
Die Hauptsache bei diesem System ist die Zentralstation, von der das Netz ausgeht. Dieses besteht im wesentlichen in zwei nebeneinander liegenden Parallelröhren, deren Inneres so glatt ist wie ein Gewehrlauf. Die verdichtete Luft strömt ins erste Rohr und rast darin weiter, wobei sie immer mehr an Druckstärke abnimmt, bis sie schließlich, durchs zweite Rohr zurückgekehrt, sich mit einem Druck, der den der Atmosphäre nicht übersteigt, in einen im Maschinenraum befindlichen Behälter ergießt, so daß in dem Röhrenpaar ein unablässiger Luftstrom zirkuliert, in welchen die Beförderungsbüchsen (Stahlzylinder im Eigengewicht von 6 kg) gelangen, die ebenso schnell forteilen, wie der Luftstrom selbst. Jede Büchse wird von einer trogartigen Vorrichtung, auf die sie zunächst zu liegen kommt, automatisch in den Aufnahmeapparat gestoßen. Sodann schwingt der bedienende Arbeiter ein Gestell, bis der die Büchse enthaltende Apparat in eine Linie mit der Hauptröhre kommt, deren Luftstrom in diesem Augenblick die Büchse ergreift und mitreißt. Das Schwingen des Gestells bewirkt ein zylindrischer, mit einem Kolben versehener Luftmotor, wobei es genügt, daß der Mann durch das Anziehen eines Hebels eine Klappe in Bewegung setzt. Nach dem Anziehen und Zuklinken des Hebels gerät das Gestell ins Schaukeln. Sobald die Büchse den Apparat verläßt, berührt sie den Hebel, worauf das Gestell selbsttätig wieder die zur Aufnahme einer anderen Büchse erforderliche Stellung annimmt.
Ebenso bemerkenswert und technisch kühn wie die Art, in der Batcheller die scheinbar unüberwindliche Schwierigkeit, die Büchsen in den eingesperrten Orkan hinein zu bekommen, bewältigt, ist die Weise, wie er sie dem Wirbelwind wieder entreißt, ohne daß sie bei ihrer Ankunft heftig an den Boden des Rohres schlügen oder ohne daß er das letztere öffnen und dadurch die Luft mit einem Heidenspektakel entweichen bzw. die Büchsen 12 m hoch emporschießen ließe. All dies wird durch die geistvoll erdachte Empfangsvorrichtung vermieden – einen Röhrenabschnitt, dessen eines Ende geschlossen ist und einen Luftpolster bildet, der als »Empfangskammer« bezeichnet wird. Die eintreffenden Büchsen laufen mechanisch und ganz ruhig in diese auf Zapfen ruhende Kammer hinein, die mit einem Kolben verbunden ist, durch dessen Bewegungen sie – die Kammer – genügend umgelegt wird, um die Büchse auf eine mit Zapfen versehene Wiege fallen zu lassen, die dann durch das Gewicht der Büchse in eine wagerechte Lage geschaukelt wird. Die Einzelheiten sind im höchsten Maße sinnreich. Geradezu genial jedoch sind und eine erstaunliche technische Kunstleistung bilden die Mittel, die der große Erfinder anwendet, um die scheinbar allerschwierigste Aufgabe, die Stahlzylinder unterwegs anzuhalten und automatisch an den Zwischenstationen abzuliefern, zu lösen. Diese vermeintliche Unmöglichkeit besiegt er mit Meisterschaft fast spielend und in einfachster Weise.
Obgleich nur lokalen Postzwecken dienend, bezeichnet die pneumatische Post vorläufig den Höhepunkt der Entwicklung der modernen Postverkehrsmittel. Doch vermögen wir bei den rastlosen Fortschritten der Technik, namentlich der Elektrotechnik, nicht zu ermessen, welchen umwälzenden Neuerungen auf dem Gebiete der Mittel und Wege für den Postverkehr wir bald gegenüberstehen können.