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Katharina

»Du wirst närrisch«, sagte Lapa, »du darfst nicht mehr allein in einer Kammer schlafen, sonst flennst und betest du die ganze Nacht, statt nach rechtschaffen erfüllter Tagesarbeit und einem kurzen, Gott wohlgefälligen Gebet – Gott liebt die langen Gebete nicht, sie schmecken ihm wie übermäßig verdünnter Wein – den traumlosen Schlaf der guten Menschen zu schlafen. Ich werde eine Magd entlassen, damit du im Hause zu tun bekommst und keine Zeit hast, deinen Schrullen nachzujagen, in feuchte Grotten zu kriechen, die dich nichts angehen, und Berge zu sehen, wo keine sind.«

Katharina neigte das Haupt.

Ein Lächeln wiegte sich auf ihren schmalen Schultern.

Lapa schrie böse: »Jakob Benincasa, das Schwein, dein Vater, ist wieder einmal besoffen nach Hause gekommen. Er hat unser Bett beschmutzt und die ganze Stube verunreinigt. Ich habe in der Küche auf einem Stuhl schlafen müssen. Du wirst das Zimmer sogleich in Ordnung bringen. Carlotta, die Magd, kann sofort gehen.«

Katharina erhob das Haupt. Sie sah, wie ihre Mutter sich entfaltete: eine goldene Blüte, und sah die heilige Maria als Biene summend dem Kelch entschweben.

Wenn ich meiner Mutter diene, diene ich der Muttergottes, dachte sie. Mein Vater sei Christus, meine Brüder gleichen den Aposteln und Bonaventura, meine Schwester, entflieht im Mönchsgewand dem väterlichen Hause, sich selig so zur Euphrosyne wandelnd. Ich aber, ihre Zwillingsschwester, weihe meine Dienste unter dem Namen Smaragdus dem Kloster meines elterlichen Hauses, und erst, wenn ich gestorben bin, wird man begreifen und erfahren, daß ich ein Weib war...

Als Jakob Benincasa in das Schlafzimmer trat, wo Katharina mit Feudel und Eimer beschäftigt war, die Spuren seiner Trunkenheit emsig zu entfernen, schien es ihm, als ob eine weiße Taube sich von ihrem Scheitel erhebe und leise schwingend durch das geöffnete Fenster verwehe.

Er eilte sogleich in das Wirtshaus »Zum fröhlichen Federigo« zurück und lud die dort versammelte Gesellschaft zu einem kräftigen Trunk auf seine Kosten ein. »Will sich deine Tochter Katharina nun endlich vermählen«, lachte der bucklige Schuster Ciseri, »oder welche Freude treibt dir den Zapfen aus dem Spundloch?«

»Ich weiß«, wisperte der lange Steinmetz Bosco, »seine Frau bekommt in neun Monaten das dreizehnte Kind. Eben hat er es ihr und sie es ihm mitgeteilt. Da weiß seine Seligkeit keine Grenzen ...«

»Ich glaube«, am Fasse dröhnte der Hammer des Wirtes, »er hat ein gutes Geschäft gemacht. Die hohen Damen von Siena haben ihm Auftrag gegeben, ihre ergrauten, vom Liebesaussatz zerfressenen Haare blond zu färben oder ihnen, wo sie überhaupt keine Haare mehr haben, den Schädel am Schöpf schwarz anzustreichen. Wenn er nur von jeder Dame einen Taler erhält, so macht das sicherlich ein kleines Vermögen.«

»Komödie«, wieherte Jakob Benincasa. »Euch sind die Sinne irre. Ihr tappert, Maulesel gleich, gesenkten Kopfes durchs Gebirge. Freßt biedere Kräuter, die um eure Hufe wachsen. Seht ihr den Wasserfall am Felsensturz? Die leise Gemse braun im Horizont? Den Geier Blitz? Die blaue Blume Schnee? Der Menschen Dörfermoos?«

»Junge«, der Maler Simon Martini warf seine Worte wie Farbenklexe in den grauen Raum, »du dichtest wie Petrarca. Mußt es drucken lassen.«

»Meine Tochter Katharina ist eine Heilige«, Jakob Benincasa brüllte. Er stieß mit seinen Ellenbogen rings am niedern Gewölbe. »Deshalb wollen wir uns alle heute betrinken. Denn ich, Jakob Benincasa, bin der Vater dieser Heiligen. Und wenn sie heilig ist, so steckt der Same der Heiligkeit wohl auch in mir. Denn von Lapa kann sie die Heiligkeit nicht haben. Lapa ist eine bösartige Hündin.« Der Maler, der bucklige Schuster und der lange Steinmetz klatschten in die Hände. Der Hammer des Wirtes dröhnte den letzten Schlag. Jetzt flog der Zapfen aus dem Spundloch.

»Wenn deine Tochter Katharina eine Heilige ist«, sagte der kleine Goldschmied Ambra, »dann mußt du ihr bei mir einen Heiligenschein machen lassen. Ganz aus Gold.«

»Hat sie schon Wundmale an den Händen und Füßen?« fragte Pedamonte, welcher mit Edelsteinen handelte. »Du mußt ihr Rubinen in die Wunden setzen lassen.«

»Wenn sie sich geißeln will, wie es alle rechten Heiligen tun, so bedarf sie einer dauerhaften Geißel oder einer Peitsche mit Nägeln. Ich halte mich der heiligen Kundschaft bestens empfohlen«, dienerte der Waffenschmied Marchetti.

Der Maler Simon Martini zeichnete Katharinens Bild mit Kreide auf den Tisch.

»Sie ist so schön, wie wenige Frauen in Siena sind«, sagte er leise.

Jakob Benincasa bebte.

Der Diditer Petrarca trat an Martini heran, legte die Hand auf seine Schulter und beugte sich zart vor, die Zeichnung zu betrachten.

Seine Stirn leuchtete wie eine ewige Lampe, und seine Lippen bewegten sich wie zwei Schmetterlingsflügel.


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