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Brief eines rheinbündischen Offiziers an seinen Freund
Auf meine Ehre, mein vortrefflicher Freund, Sie irren sich. Ich will ein Schelm sein, wenn die Schlacht von Jena, wie Sie zu glauben scheinen, meine politischen Grundsätze verändert hat. Lassen Sie uns wieder einmal, nach dem Beispiel des schönen Sommers von 1806, ein patriotisches Konvivium veranstalten (bei Sala schlag ich vor; er hat frische Austern bekommen und sein Burgunder ist vom Besten): so sollen Sie sehen, daß ich noch ein ebenso enthusiastischer Anhänger der Deutschen bin, wie vormals. Zwar, der Schein, ich gestehe es, ist wider mich. Der König hat mich nach dem Frieden bei Tilsit, auf die Verwendung des Reichsmarschalls, Herzogs von Auerstädt, dem ich einige Dienste zu leisten Gelegenheit, zum Obristen avanciert. Man hat mir das Kreuz der Ehrenlegion zugeschickt, eine Auszeichnung, mit welcher ich, wie Sie selbst einsehen, öffentlich zu erscheinen, nicht unterlassen kann; ich würde den König, dem ich diene, auf eine zwecklose Weise, dadurch kompromittieren. Aber was folgt daraus? Meinen Sie, daß diese Armseligkeiten mich bestimmen werden, die große Sache, für die die Deutschen fechten, aus den Augen zu verlieren? Nimmermehr! Lassen Sie nur den Erzherzog Karl, der jetzt ins Reich vorgerückt ist, siegen, und die Deutschen, so wie er es von ihnen verlangt hat, en masse aufstehen; so sollen Sie sehen, wie ich mich alsdann entscheiden werde.
Muß man denn den Abschied nehmen, und zu den Fahnen der Österreicher übergehen, um dem Vaterlande in diesem Augenblick nützlich zu sein? Mitnichten! Ein Deutscher, der es redlich meint, kann seinen Landsleuten, in dem Lager der Franzosen selbst, ja, in dem Hauptquartier des Napoleon, die wichtigsten Dienste tun. Wie mancher kann der Requisition, an Fleisch oder Fourage, vorbeugen; wie manches Elend der Einquartierung mildern?
Ich bin mit wahrer Freundschaft etc.
N. S.
Hierbei erfolgt, feucht, wie es eben der Kurier überbringt, das erste Bulletin der französischen Armee. Was sagen Sie dazu? Die österreichische Macht total pulverisiert, alle Korps der Armee vernichtet, drei Erzherzöge tot auf dem Platz! – Ein verwünschtes Schicksal! Ich wollte schon zur Armee abgehn. Herr von Montesquiou hat, wie ich höre, das Bulletin nunmehr anhero gebracht, und ist dafür, von Sr. Majestät, mit einer Tabatiere, schlecht gerechnet 2000 Dukaten an Wert, beschenkt worden. –
Brief eines jungen märkischen Landfräuleins an ihren Onkel
Teuerster Herr Onkel,
Die Regungen der kindlichen Pflicht, die mein Herz gegen Sie empfindet, bewegen mich, Ihnen die Meldung zu tun, daß ich mich am 8. d. von Verhältnissen, die ich nicht nennen kann, gedrängt, mit dem jungen H. Lefat, Kapitän bei dem 9. französischen Dragonerregiment, der in unserm Hause zu P . . . einquartiert war, verlobt habe.
Ich weiß, gnädigster Onkel, wie Sie über diesen Schritt denken. Sie haben sich gegen die Verbindungen, die die Töchter des Landes, solange der Krieg fortwährt, mit den Individuen des französischen Heers vollziehn, oftmals mit Heftigkeit und Bitterkeit erklärt. Ich will Ihnen hierin nicht ganz unrecht geben. Man braucht keine Römerin oder Spartanerin zu sein, um das Verletzende, das, allgemein betrachtet, darin liegen mag, zu empfinden. Diese Männer sind unsere Feinde; das Blut unserer Brüder und Verwandten klebt, um mich so auszudrücken, an ihren Röcken; und es heißt sich gewissermaßen, wie Sie sehr richtig bemerken, von den Seinigen lossagen, wenn man sich auf die Partei derjenigen herüberstellt, deren Bemühen ist, sie zu zertreten, und auf alle ersinnliche Weise, zu verderben und zu vernichten.
Aber sind diese Männer, ich beschwöre Sie, sind sie die Urheber des unseligen Kriegs, der, in diesem Augenblick, zwischen Franzosen und Deutschen, entbrannt ist? Folgen sie nicht, der Bestimmung eines Soldaten getreu, einem blinden Gesetz der Notwendigkeit, ohne selbst oft die Ursach des Streits, für den sie die Waffen ergreifen, zu kennen? Ja, gibt es nicht einzelne unter ihnen, die den rasenden Heereszug, mit welchem Napoleon von neuem das deutsche Reich überschwemmt, verabscheuen, und die das arme Volk, auf dessen Ausplünderung und Unterjochung es angesehen ist, aufs innigste bedauern und bemitleiden?
Vergeben Sie, mein teuerster und bester Oheim! Ich sehe die Röte des Unwillens auf Ihre Wangen treten! Sie glauben, ich weiß, Sie glauben an diese Gefühle nicht; Sie halten sie für die Erfindung einer satanischen List, um das Wohlwollen der armen Schlachtopfer, die sie zur Bank führen, gefangenzunehmen. Ja diese Regung selbst, wenn sie vorhanden wäre, versöhnt Sie nicht. Sie halten den Ihrer doppelten Rache für würdig, der das Gesetz des göttlichen Willens anerkennt, und gleichwohl, auf eine so lästerliche und höhnische Weise, zu verletzen wagt.
Allein, wenn die Ansicht, die ich aufstellte, allerdings nicht gemacht ist, die Männer, die das Vaterland eben verteidigen, zu entwaffnen, indem sie unmöglich, wenn es zum Handgemenge kömmt, sich auf die Frage einlassen können, wer von denen, die auf sie anrücken, schuldig ist, oder nicht: so verhält es sich doch, mein gnädigster Onkel, mit einem Mädchen anders; mit einem armen, schwachen Mädchen, auf dessen leicht betörte Sinne, in der Ruhe eines monatlangen Umgangs, alle Liebenswürdigkeiten der Geburt und der Erziehung einzuwirken Zeit finden, und das, wie man leider weiß, auf die Vernunft nicht mehr hört, wenn das Herz sich bereits, für einen Gegenstand, entschieden hat.
Hier lege ich Ihnen ein Zeugnis bei, das H. v. Lefat sich, auf die Forderung meiner Mutter, von seinem Regimentschef zu verschaffen gewußt hat. Sie werden daraus ersehen, daß das, was uns ein Feldwebel von seinem Regiment von ihm sagte, nämlich daß er schon verheiratet sei, eine schändliche und niederträchtige Verleumdung war. H. v. Lefat ist selbst, vor einigen Tagen, in B . . . gewesen, um das Attest, das die Deklaration vom Gegenteil enthält, formaliter von seinem Obristen ausfertigen zu lassen.
Überhaupt muß ich Ihnen sagen, daß die niedrige Meinung, die man, hier in der ganzen Gegend, von diesem jungen Manne hegt, mein Herz auf das empfindlichste kränkt. Der Leidenschaft, die er für mich fühlt, und die ich, als wahrhaft zu erkennen, die entscheidendsten Gründe habe, wagt man die schändlichsten Absichten unterzulegen. Ja mein voreiliger Bruder geht so weit, mich zu versichern, daß der Obrist, sein Regimentschef, gar nicht mehr in B . . . sei –
– und ich bitte Sie, der Sie sich in B . . . aufhalten, dem ersteren, darüber, nach angestellter Untersuchung, die Zurechtweisung zu geben.
Ich leugne nicht, daß der Vorfall, der sich, vor einiger Zeit, zwischen ihm und der Kammerjungfer meiner Mutter zutrug, einige Unruhe über seine sittliche Denkungsart zu erwecken, geschickt war. Abwesend, wie ich an diesem Tage von P . . . war, bin ich gänzlich außerstand, über die Berichte dieses albernen und eingebildeten Geschöpfs zu urteilen. Aber die Beweise, die er mir, als ich zurückkam, und in Tränen auf mein Bette sank, von seiner ungeteilten Liebe gab, waren so eindringlich, daß ich die ganze Erzählung als eine elende Vision verwarf, und, von der innigsten Reue bewegt, das Band der Ehe, von dem bis dahin noch nicht die Rede gewesen war, jetzt allererst knüpfen zu müssen glaubte. – Wären sie es weniger gewesen, und Ihre Laura noch frei und ruhig wie zuvor!
Kurz, mein teuerster, und bester Onkel, retten Sie mich!
In 8 Tagen soll, wenn es nach meinen Wünschen geht, die Vermählung sein.
Inzwischen wünscht H. v. Lefat, daß die Anstalten dazu, auf die meine gute Mutter bereits, in zärtlichen Augenblicken, denkt, nicht eher auf entscheidende Weise gemacht werden, als bis Sie die Güte gehabt haben, ihm das Legat zu überantworten, das mir aus der Erbschaft meines Großvaters bei dem Tode desselben zufiel, und Sie, als mein Vormund, bis heute gefälligst verwalteten. Da ich großjährig bin, so wird diesem Wunsch nichts im Wege stehn, und indem ich es, mit meiner zärtlichsten Bitte, unterstütze, und auf die schleunige Erfüllung desselben antrage, indem sonst die unangenehmste Verzögerung davon die Folge sein würde, nenne ich mich mit der innigsten Hochachtung und Liebe etc.
Schreiben eines Burgemeisters in einer Festung an einen Unterbeamten
Sr. Exzellenz, der H. Generalleutnant von F., Kommandant der hiesigen Garnison, haben sich auf die Nachricht, daß der Feind nur noch drei Meilen von der Festung stehe, auf das Rathaus verfügt, und daselbst, in Begleitung eines starken Detaschements von Dragonern, 3000 Pechkränze verlangt, um die Vorstädte, die das Glacis embarrassieren, daniederzubrennen.
Der Rat der Stadt, der, unter solchen Umständen, das Ruhmvolle dieses Entschlusses einsah, hat, nach Abführung einiger renitierenden Mitglieder, die Sache in pleno erwogen, und, mit einer Majorität von 3 gegen 2 Stimmen, wobei meine, wie gewöhnlich, für 2 galt, und Sr. Exzellenz die 3 supplierten, die verlangten Pechkränze, ohne Bedenken, bewilligt.
Inzwischen ist nun die Frage, und wir geben Euch auf, Euch gutachtlich darüber auszulassen.
Unseres Wissens liegt ein großer Vorrat von Pech und Schwefel, bei dem Kaufmann M . . . in der N . . . schen Vorstadt, P . . . sche Gasse, Num. 139.
Inzwischen ist dies ein, auf Bestellung der dänischen Regierung, aufgehäufter Vorrat, und wir besitzen bereits, in Relation, wie wir mit derselben stehen, den Auftrag, dem Kaufmann M . . . den Marktpreis davon mit 3000 fl. zuzufertigen.
Indem wir Euch nun, diesem Auftrage gemäß, die besagte Summe, für den Kaufmann M . . ., in guten Landespapieren, demselben auch sechs Wägen oder mehr und Pässe, und was immer zur ungesäumten Abführung der Ingredienzen an den Hafenplatz erforderlich sein mag, bewilligen, beschließen wir zwar, von diesem Eigentum der dänischen Regierung, behufs einer Niederbrennung der Vorstädte, keine Notiz zu nehmen.
Indessen habt Ihr das gesamte Personale der unteren Polizeibeamten zusammenzunehmen, und alle Gewölbe und Läden der Kauf- und Gewerksleute, die mit diesen Kombustibeln handeln oder sie verarbeiten, aufs strengste und eigensinnigste zu durchsuchen, damit, dem Entschluß Sr. Exzellenz gemäß, unverzüglich die Pechkränze verfertigt, und mit Debarrassierung des Glacis, verfahren werden möge.
Nichts ist notwendiger, als, in diesem Augenblick der herannahenden Gefahr, alles aufzubieten, und kein Opfer zu scheuen, das imstande ist, dem Staat diesen, für den Erfolg des Kriegs höchst wichtigen, Platz zu behaupten. Sr. Exzellenz haben erklärt, daß wenn ihr, auf dem Markt befindlicher, Palast, vor dem Glacis läge, sie denselben zuerst niederbrennen, und unter den Toren der Festung übernachten würden.
Da nun unser sowohl, des Burgemeisters, als auch Euer, des Unterbeamten, Haus in dem angegebenen Fall sind, indem sie, von der Q . . . schen Vorstadt her, mit ihren Gärten und Nebengebäuden, das Glacis beträchtlich embarrassieren: so wird es bloß von Euren Recherchen, und von dem Bericht abhängen, den Ihr darüber abstatten werdet, ob wir den andern ein Beispiel zu geben, und den Pechkranz zuerst auf die Giebel derselben zu werfen haben.
Brief eines politischen Pescherä über einen Nürnberger Zeitungsartikel
Erlaube mir, Vetter Pescherä, daß ich dir, in der verwirrten Sprache, die kürzlich ein Deutscher mich gelehrt hat, einen Artikel mitteile, der in einer Zeitung dieses Landes, wenn ich nicht irre, im Nürnberger Korrespondenten, gestanden hat, und den ein Grönländer, der in Island auf einem Kaffeehause war, hierhergebracht hat.
Der Zeitungsartikel ist folgenden sonderbaren Inhalts:
»Es sind nicht sowohl die Franzosen, welche die Freiheitsschlacht, die bei Regensburg gefochten ward, entschieden haben, als vielmehr die Deutschen selbst.
Der tapfre Kronprinz von Bayern hat zuerst, an der Spitze der rheinbündischen Truppen, die Linien der Österreicher durchbrochen. Der Kaiser Napoleon hat ihn, am Abend der Schlacht, auf dem Walplatz umarmt, und ihn den Helden der Deutschen genannt.«
Ich versichere dich, Vetter Pescherä, ich bin hinausgegangen, auf den Sandhügel, wo die Sonne brennt, und habe meine Nase angesehen, stundenlang und wieder stundenlang: ohne imstande gewesen zu sein, den Sinn dieses Zeitungsartikels zu erforschen. Er verwischt alles, was ich über die Vergangenheit zu wissen meine, dergestalt, daß mein Gedächtnis wie ein weißes Blatt aussieht, und die ganze Geschichte derselben von neuem darin angefrischt werden muß.
Sage mir also, ich bitte dich,
Vetter Pescherä, vergib mir diese Fragen!
Ein Europäer wird ohne Zweifel, wenn er den Artikel liest, wissen was er davon zu halten hat. Einem Pescherä aber müssen, wie du selbst einsiehst, alle die Zweifel kommen, die ich dir vorgetragen habe.
Bekanntlich drücken wir mit dem Wort: Pescherä, alles aus, was wir empfinden oder denken; drücken es mit einer Deutlichkeit aus, die den andern Sprachen der Welt fremd ist. Wenn wir z. B. sagen wollen: es ist Tag, so sagen wir: Pescherä; wollen wir hingegen sagen: es ist Nacht, so sagen wir: Pescherä. Wollen wir ausdrücken: dieser Mann ist redlich, so sagen wir: Pescherä; wollen wir hingegen versichern: er ist ein Schelm, so sagen wir: Pescherä. Kurz, Pescherä drückt den Inbegriff aller Erscheinungen aus, und eben darum, weil es alles ausdrückt, auch jedes einzelne.
Hätte doch der Nürnberger Zeitungsschreiber in der Sprache der Pescheräs geschrieben! Denn setze einmal, der Artikel lautete also: Pescherä; so würde dein Vetter, nicht einen Augenblick, bei seinem Inhalt angestoßen sein. Er würde alsdann, mit völliger Bestimmtheit und Klarheit, also gelesen haben:
»Es sind nicht sowohl die Franzosen, welche die Schlacht, die das deutsche Reich dem Napoleon überliefern sollte, gewonnen haben, als vielmehr die bemitleidenswürdigen Deutschen selbst.
Der entartete Kronprinz von Bayern hat zuerst, an der Spitze der rheinbündischen Truppen, die Linien der braven Österreicher, ihrer Befreier, durchbrochen. Sie sind der Held der Deutschen! rief ihm der verschlagenste der Unterdrücker zu; aber sein Herz sprach heimlich: ein Verräter bist du; und wenn ich dich werde gebraucht haben, wirst du abtreten!«