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Zehntes Kapitel.

Kosmos, als Abriß wissenschaftlicher Lebensresultate Humboldt's. – Gemeinverständliche Erklärung des Inhaltes jenes Werkes, in seinen bereits erschienenen und noch zu erwartenden Bänden.


Schon bei Erwähnung der im Winterhalbjahre 1827 bis 1828 von Humboldt fast gleichzeitig in einem Hörsaale der Universität und in der großen Halle der Singakademie zu Berlin gehaltenen öffentlichen Vorträge über physische Weltbeschreibung wurde bemerkt, daß er die Absicht gehegt habe, diese in der That epochemachenden Darstellungen in einer Schrift: »Kosmos« herauszugeben, daß er aber durch neue Zwischenfälle des Lebens zu einer Verzögerung der Bearbeitung und öffentlichen Herausgabe gezwungen worden sei. Er betrachtete diese Vorträge vor einem großen, allen intellektuellen Graden angehörigen Publikum als ein leichtes entscheidendes Mittel, um die gute oder schlechte Verkettung einzelner Theile einer Lehre zu prüfen; deshalb hatte er auch vor jenen Berliner Vorträgen ähnliche in französischer Sprache viele Monate lang in Paris gehalten. – Wie er die Wissenschaft auffaßte, das gab er ohne schriftliche Aufzeichnung in freier Rede wieder, und wie sehr das Publikum den Wunsch hegte, dies flüchtige Wort festzuhalten, geht schon daraus hervor, daß mehrere befähigte Zuhörer theils wirkliche Kollegienhefte nachschrieben, theils aus Notizen und einem glücklichen Gedächtnisse jene freien Vorträge bearbeiteten und drucken ließen. – Erst in den Jahren 1843 und 1844 schrieb Humboldt selbst zum ersten Male nieder, was er damals vorgetragen hatte; aber wie hätte er dasselbe vollenden können, da in der dazwischen liegenden Zeit die Fülle und das Verständniß der Beobachtungen so bedeutend zugenommen, die Meinungen und Anschauungen so auffallende weitere Ausbildung, Reife und Sicherheit erlangt hatten! – Um aber seinen späteren Schilderungen Einheit, Frische und inneres Leben zu geben, knüpfte er, gewiß nicht ohne freudige Erinnerung an den Winter von 1827-28, an jene Vorträge und die darin repräsentirte Epoche der Wissenschaft an und führte, von seinen damaligen Thematen ausgehend, dieselben vom Standpunkte der fortschreitenden Erkenntniß weiter aus. – Dieses ist die äußere Geschichte jenes großen Werkes, welches als »Kosmos« in neuerer Zeit und in größeren Zwischenräumen erschienen ist.

Der erste Band wurde von der Cotta'schen Buchhandlung im Jahre 1845 ausgegeben, der zweite Band erschien 1847, der dritte 1850, der vierte1858; er reicht in seiner Darstellung bis an das Ende der dem Inhalte entsprechenden, vierten Vorlesung über die Vulkane. Das ganze Werk, das noch seiner weiteren Vollendung entgegensieht und Sr. Majestät dem Könige Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gewidmet ist, ist in die Hände aller Gebildeten gekommen und selbst sein Besitz ein nothwendiges Zeichen der Bildung geworden; aber wer nicht gerade tiefer in die höhere Naturwissenschaft eingedrungen ist, hat doch bei aller sonstigen Bildung nicht unerhebliche Schwierigkeiten des Verständnisses gefunden, und dies hat bereits Schriftsteller angeregt, erklärende und erläuternde Bücher darüber zu verfassen, unter denen Cotta's Briefe über den Kosmos die beste Verständigung gewähren und auch die größte Verbreitung gefunden haben. Indessen auch diese »Briefe« erfordern schon eine weitere Vorkenntniß von der Natur, als sie der größeren Masse des gebildeten Volkes möglich geworden ist, und da nun die Cotta'sche Buchhandlung das Kosmoswerk, durch Einverleibung in eine Volksbibliothek, zum Gemeingute der gesammten Nation zu machen wünscht, so dürfte es auch nothwendig sein, dem Volke im Allgemeinen den Inhalt des Werkes so verständlich als irgend möglich zu machen, was in dieser unseren Schrift über Humboldt's Leben, unserer besten Meinung nach, um so mehr erreicht wird, als wir schon im ganzen Verlaufe der Lebensdarstellung Humboldt's die Gegenstände erklärend und im Werden vorgetragen haben, welche nunmehr im »Kosmos« als Resultate niedergelegt sind.

Das Kosmos-Werk hat aber auch eine innere Geschichte, welche das Leben Humboldt's in geistiger Entwickelung abspiegelt. Wir haben vorhin dieses Werk ein Testament, ein Vermächtniß an die Welt genannt, und Humboldt sagt selbst davon, daß er am späten Abend seines vielbewegten Lebens dem deutschen Publikum ein Werk darbiete, dessen Bild in unbestimmten Umrissen ihm fast ein halbes Jahrhundert lang vor der Seele geschwebt habe.

Er erkannte die Bedeutung seines wissenschaftlichen Vermächtnisses, denn er wußte ja, daß er seine eignen Lebensresultate zu einem Abschluß zu bringen hatte; er hielt oft dies Unternehmen für unausführbar, und doch, im Drange nach dem Gesammtresultate seiner Lebensarbeit und im Gefühle, der Welt ein allgemeines Resumv seiner mehr als sechzigjährigen Forschungen schuldig zu sein, kehrte er immer wieder an dieses Werk zurück, um die Schätze seiner bevorzugten geistigen Natur, durch glückliche Lebensverhältnisse begünstigt, zum Gemeingute seines deutschen Vaterlandes zu machen und diesem ein hoch verzinsbares Erbgut zu hinterlassen. Das liegt schon darin ausgesprochen, daß er dieses Werk ursprünglich in deutscher Sprache schrieb. – Er hatte zum Hauptzweck seines Lebens: alle Erscheinungen der körperlichen Dinge in ihrem allgemeinen Zusammenhänge, die Natur als ein durch innere Kräfte bewegtes und belebtes Ganzes aufzufassen; – durch die Erforschung eines Einzelnen im Naturwissen wußte er die Erkenntniß anderer Einzelheiten zu eröffnen; bei ihm befruchteten sich die besonderen Gebiete der Wissenschaft gegenseitig; er erklärte die verwickelten Ursachen der manchfaltigen Daseinsformen und führte Alles auf die durchgreifenden Gesetze der Einheit des Naturwesens zurück.

Dieser große Zweck seiner Bestrebungen wurde, wie wir bereits darstellten, durch die glücklichsten Lebensverhältnisse, wie sie nur wenigen wissenschaftlichen Reisenden dargeboten werden, ganz besonders gefördert; denn er fand Gelegenheit, nicht nur Küstenländer zu sehen, wie es bei den meisten Erdumseglern der Fall ist, sondern auch tief und auf weiten Räumen in das Innere zweier Welttheile vorzudringen, wo er die auffallendsten Gegensätze des Naturlebens – die südamerikanische Tropenlandschaft und die Steppen Nordasiens – erblickte, durch sie zu Vergleichen und allgemeinen Anschauungen ermuntert und so befähigt wurde, Himmel- und Erdraum in ihrem Ganzen als ein physisches Weltgemälde aufzufassen.

Die ungeheure Menge seines wissenschaftlichen Materials wurde ein Geschenk für alle Männer der Wissenschaft; denn ihnen hat Humboldt dasselbe nicht nur in reicher Fülle, sondern auch vom ordnenden Geiste beherrscht, in seinen Werken dargeboten; den Gesammtüberblick seines Wissens aber, dieses Errungene seines Lebens, wollte er – ein Mann am Abend seines reichen Werktages – seinem Vaterlande widmen, und indem er dies that, knüpfte er da wieder an, wo er zum ersten Male dem deutschen Volke unmittelbar ein öffentlicher Lehrer wurde, nämlich an seine Vorträge in Berlin, welche Dasjenige begonnen haben, was die Schrift »Kosmos« nunmehr vollenden soll. Vorträge und Kosmos haben indessen nicht mehr mit einander gemein, als die Reihefolge der behandelten Gegenstände – denn seit 1827 hatte die Wissenschaft nothwendig durch die fortschreitende Ergründung der Naturerscheinungen und physischen Gesetze, durch zunehmende Vervollkommnung der Beobachtungsinstrumente und davon abhängige Erweiterung der sinnlichen Grenzen, eine andere Gestaltung angenommen, das Unklare war geläutert, das Undurchdrungene allmählich gelichtet, der Geist selbst hatte einen höheren Standpunkt durch das Zusammenwirken aller neuen Anschauungen gewonnen. – Humboldt fühlte, wie wol kein Anderer, die große Schwierigkeit, ein Werk zu liefern, welches ein treues, dauernd richtiges Abbild einer ewig fortrollenden Welt und weiter blickenden Erkenntniß sein könnte, denn je höher der Beschauer im Aufsteigen der von Zeit und Raum abhängigen Entwickelung des menschheitlichen Geistes gelangt, um so mehr erweitert sich der Horizont mit neuen Strecken der Anschauung. Naturwissenschaftliche Schriften veralten mit den Jahren und werden dann vergessen; aber Humboldt, von der erhabenen Würde des Naturstudiums und von ächter Liebe zu ihr beseelt, fühlte sich nicht entmuthigt, wenn er an eine künftige Vervollkommnung des menschlichen Wissens erinnert wurde, denn er wußte, daß er für viele wichtige Theile desselben die festen, schwer zu erschütternden Grundlagen zu bauen mitgewirkt hat. Und mag auch das nur als einzelne Erscheinung fürerst Erkannte künftighin einem allgemeinen Gesetze untergeordnet werden müssen, sollten neue Naturkräfte entdeckt und ergründet, scheinbar noch einfache Stoffe dereinst an Zahl vermehrt oder als zusammengesetzte erkannt werden – so sind dennoch Humboldt's Lebensresultate auch für die spätesten Zeiten wichtig, denn sie zeigen uns die Natur in ihrer Lebendigkeit und weisen auf das ewig Beharrende und Gesetzmäßige im Wechsel physischer Veränderlichkeit hin.

Die Reihefolge von Humboldt's früheren Vorträgen ist der Darstellung des Kosmos zu Grunde gelegt. Hieraus kann man schon die Art und Folge des Kosmos-Inhaltes im Allgemeinen überblicken; eine Welt – im wissenschaftlichen, streng objectiven, aber zugleich vom Lebenshauche des auffassenden Geistes beseelten Bilde der unendlichen Manchfaltigkeit und doch erhabensten Einheit, der Bewegung und der Ruhe beharrender Gesetze, eröffnet sich in diesem Werke Humboldt's vor unseren Sinnen und unserem höheren Bewußtsein.

Folgen wir Humboldt zunächst in das allgemeine Naturgemälde, in dem er uns eine Uebersicht der Erscheinungen darbietet. Schon in dem Worte »Kosmos« will er das All, das Universum, mit seiner Weltordnung und seinem Weltschmuck umfassen. Bei den entferntesten Nebelflecken in den Tiefen des Himmelsraums beginnend, steigt er stufenweise bis zur Lebensfülle unserer kleinen Erde herab. In diesem All hat Humboldt über ein halbes Jahrhundert lang mit scharfen Sinnen und hellem Geiste geforscht, und was er zu einem Weltgemälde zusammenstellt, das zeichnet er treu nach der Erfahrung. Glauben wir in diesem lebensvollen Bilde das All von einem Weltäther, einer dunstartigen Materie, gefüllt, so sehen wir denselben zunächst verdichtet in den Nebelflecken des Himmels, und in den Kometen noch dichter geworden, aber doch immer noch vom Lichte durchdringbar, bis in den Planeten allmählich alle Grade der Dichtigkeit (von der der Antimon-Metalle zu der des Honigs, des Wassers und Tannenholzes) erreicht sind, indem der eine Planet diese dichtere, der andere Planet jene lockerere Masse darstellt. Diese Formen in den von der Aethermaterie gefüllten Welträumen bezeichnet Humboldt als » geballte Materien

Es wird den mit astronomischem Wissen Unbekannten befremden, wenn Humboldt den Ort unseres Sonnensystems und die von der Summe aller Bahnen der um die Sonne sich in elliptischen Kreisen bewegenden Körper beschriebene Linsengestalt desselben im unermeßlichen Sternenhimmel anzugeben wagt – aber es ist diese Frage längst durch Sternmessungen und Beobachtungen ihrer Bewegungen und Lichtveränderungen von der Astronomie beantwortet worden. Es ist ferner erkannt, daß die fälschlich Fixsterne genannten selbstleuchtenden Sonnen ebenfalls ihren Ort verändern, daß, obgleich unser Sonnensystem (oder wie Humboldt sich ausdrückt: unsere Weltinsel) nur aus einem Centralkörper, den wir Sonne nennen, und aus Planeten, Kometen und aërolithenartigen Asteroiden (aus jenen Massen, die bisweilen als Feuerkugeln, Meteorsteine, Sternschnuppen etc. auf die Erde stoßen) besteht – doch andere Sonnensysteme zwei und mehrere solcher selbstleuchtender Centralkörper haben, was durch die Erforschung der sogenannten Doppelsterne näher erkannt worden ist – und daß solche mehrfache Sonnen nun wieder um ihren gemeinsamen im Aether liegenden, also nicht durch einen sichtbaren Körper angedeuteten Schwerpunkt kreisen. – Zu unserm Sonnensystem rechnet Humboldt außer den Hauptplaneten, Monden, unzähligen Kometen (wovon drei, mehr planetarisch gebildet, das enge Gebiet der Hauptplanetenbahnen nicht verlassen, während die anderen weit in den Weltraum hinausschweifen) noch einen dunstartigen, kreisenden Ring, welcher zwischen Venus- und Marsbahn liegen, die Erdbahn überschreiten und uns in pyramidaler Gestalt als Zodiakallicht erscheinen soll; – ferner eine Schaar kleiner planetarischer Körper, deren Bahnen unsere Erdbahn schneiden oder ihr sehr nahe kommen und dann, von der Erde angezogen, und im Uebertritte aus dem sehr kalten Weltraume in unsere Atmosphäre durch die Reibung bei ungeheurer Schnelligkeit sich entzünden, verbrennen und als Feuerkugeln im Zustande der Schlacke, oder als Sternschnuppen, völlig verbrannt und zerstäubt, niederfallen.

Die Kometen hat Humboldt immer mit großem Interesse beobachtet und das Wesen und die Eigenschaften an diesen wunderbaren Weltkörpern näher zu verstehen gesucht. Schon der alte Astronom Kepler sagte einst, daß es in den Welträumen mehr Kometen gäbe, als Fische in den Tiefen des Oceans, und doch sind deren, wie die neuere Astronomie lehrt, kaum 150 in ihren Bahnen berechnet. Es ließ sich erwarten, daß Humboldt diese merkwürdigen Körper, welche bei der kleinsten Masse (oft kaum den ???1/5000 Theil der Erdmasse betragend) mit ihrem oft Millionen Meilen langen Schweife den größten Raum einnehmen, nicht oberflächlich in seinem Weltgemälde schildern würde. Ihre Gestalt ist manchfaltig, oft nur eine Lichtwolke, ein runder, schimmernder Nebel mit dichterer Mitte, in den größeren Kometen dagegen ein Kopf, Kern und Schweif, oft veränderlich in der Form, wie in einem Gestaltungsprozesse begriffen. Die Besorgniß, daß ein Komet einmal mit der Erde Zusammentreffen könne, sucht Humboldt durch die Wissenschaft zu beruhigen; da die Beruhigungsgründe, welche der Wahrscheinlichkeitsrechnung entnommen werden, allein auf die denkende Betrachtung, den Verstand, und nicht auf die dumpfe Stimmung der Gemüther und auf die Einbildungskraft wirken, so hat allerdings die neuere Wissenschaft nunmehr Besorgnisse zu zerstören, welche sie einst selbst erregt hat. Es sind genug Beispiele vorhanden, daß wiederkehrende Kometen der Erde sehr nahe gekommen sind, wie der 1770 dagewesene Lexall-Burkhardt'sche Komet, welcher damals am 28. Juni nur um 6 Mondfernen an der Erde vorüberging und 1767 und 1779 durch das System der vier Jupitermonde lief, ohne die geringste Störung in deren Verhältnissen untereinander und zum Jupiter hervorzubringen; indessen aus den wissenschaftlichen Thatsachen, daß Jupiter und Saturn durch ihre bedeutende Anziehungskraft, die ihrer Masse entspricht, beträchtliche Abweichungen eines Kometen von seiner Bahn zu bewirken vermögen, daß es mehrere in kurzen Zeiten wiederkehrende Kometen giebt, daß der Biela'sche sogar unsere Erdbahn durchschneidet und die Kometen sehr verschieden in ihrer Eigenthümlichkeit sind, dürften manchfaltige Motive hervorgehen, welche unschädlich scheinende Weltkörper zu gefahrdrohenden machen und die unbestimmte Furcht früherer Jahrhunderte in einer wissenschaftlichen Richtung weiter begründen können.

Man erinnert sich, daß Humboldt schon auf seiner Reise nach Amerika merkwürdige Sternschnuppenregen beobachtet hat. Im »Kosmos« giebt er uns nunmehr seine Resultate über diesen stets mit Vorliebe behandelten Gegenstand. Er nennt die Sternschnuppen und die dahin gehörenden Feuerkugeln und Meteorsteine die kleinsten aller Asteroiden und rechnet sie damit zu den um die Sonne kreisenden Weltkörpern. Er betrachtet sie mit großer Wahrscheinlichkeit als kleine, mit planetarischer Schnelligkeit sich bewegende Massen, die im Weltraume nach den Gesetzen der allgemeinen Schwere (in Kegelschnitten, also elliptisch, hyperbolisch etc.) um die Sonne kreisen. Wenn diese Massen auf ihrem Wege um die Sonne der Erde begegnen und von ihr angezogen an den Grenzen unserer Atmosphäre leuchtend werden, so lassen sie oft eine mehr oder weniger heiße, mit einer schwarzen, glänzenden Rinde überzogene, steinartige Masse fallen. Solche Sternschnuppenschwärme sind als periodisch beobachtet worden (von Humboldt 1799 in Cumana, ferner 1833 und 1834 in Nordamerika; außerdem jährlich im November vom 12. – 14. und im August vom 9. – 14. wiederkehrend und als »Novemberschwärme« und »St. Laurentiusschwärme« bezeichnet), und in den Tropenländern sah sie Humboldt, wegen der großen Durchsichtigkeit der dortigen Atmosphäre, heller, farbiger, von längeren, glänzenderen Lichtbahnen begleitet, als in der gemäßigten und kalten Zone. Den Zusammenhang der Meteorsteine mit den Feuerkugeln, daß erstere, oft von 7 Fuß Länge, aus letzteren niederfallen, und oft bis 15 Fuß in den Erdboden einschlagen, hält Humboldt für erwiesen, und die nahe Verwandtschaft zwischen Feuerkugeln und Sternschnuppen ist ihm aus redenden Thatsachen ebenfalls unzweifelhaft geworden. Nicht so erwiesen ist das Wesen dieser Körper, ihre formbildende Kraft, ihr physisch-chemischer Prozeß, ob die Theile, welche die dichte Masse der Meteorsteine bilden, dunstförmig von einander entfernt liegen und sich erst im Entflammen verdichten; – was in der schwarzen Wolke der Meteore vorgeht, in der es minutenlang donnert, ehe die Steine herabstürzen, ob aus den kleinen Sternschnuppen wirklich etwas Festes oder nur ein höhenrauchartiger, eisen- und nickelhaltiger Meteorstaub niederfällt, das konnte auch Humboldt bislang nicht enträthseln. Aus der Bewegung und Richtung der Bahn dieser Meteorerscheinungen geht hervor, daß dieselben von Außen her, aus dem Welträume in unsere Atmosphäre gelangen; sie gehen immer von einer Gegend des Himmels aus, unabhängig von der Umdrehungsrichtung der Erde; – ihre relative Geschwindigkeit ist 4½ – 9 Meilen in der Sekunde, also Planeten-Schnelle; ihre Höhe (Anfang und Ende ihrer Sichtbarkeit) schwankt zwischen 4-35 Meilen. – Humboldt glaubt, daß die Meteorströme, welche periodisch in Schwärmen, namentlich alle halbe Jahr im November und August niederfallen und aus Myriaden kleiner Weltkörper zusammengesetzt sind, unsere Erdbahn eben so durchschneiden, wie der Biela'sche Komet, und einen geschlossenen, kreisenden Ring darstellen, in welchem diese Körper (Asteroiden) dergestalt ungleich vertheilt sind, daß es nur wenige dicht gedrängte und meist lockere Gruppen darin giebt; die Erde kommt dann zu periodischen Zeiten mit diesen dichteren Gruppen zusammen, und es ist dies die Zeit der Meteor schwärme.

Wie schon vorhin angedeutet wurde, so rechnet Humboldt außer den Kometen und Meteor-Asteroiden noch einen Ring zu unserem Sonnensysteme, den er den Ring des Thierkreislichtes nennt und dem er die Erscheinung des Zodiakallichtes zuschreibt. Er erinnert sich, bei Gelegenheit dieser Darstellung, seines Aufenthaltes in der »Palmenzone«, wo er das Zodiakallicht, pyramidal aufsteigend und einen Theil der immer gleich langen Tropennächte erleuchtend, oft gesehen hat, und nicht nur in der dünnen und trockenen Atmosphäre der Andes-Gipfel auf 12-14 000 Fuß Höhe, sondern auch in den großen Grasfluren von Venezuela, am Meerufer unter dem ewig heiteren Himmel von Cumana, oft mächtiger leuchtend, als die Milchstraße im Sternbilde des Schützen. Eine Stelle aus Humboldt's Tagebuche, welches er auf der Schifffahrt von Lima nach der westlichen Küste von Mexiko geführt hat, beschreibt diese Erscheinung des Zodiakallichtes. Es heißt hier: »Seit drei bis vier Nächten (zwischen 10-14 Grad nördlicher Breite) sah ich das Zodiakallicht in einer Pracht, wie es mir noch nie erschienen ist. In diesem Theile der Südsee ist, auch nach dem Glanze der Gestirne und Nebelflecke zu urtheilen, die Durchsichtigkeit der Atmosphäre wundervoll groß. Vom 14-19. März war sehr regelmäßig dreiviertel Stunden, nachdem die Sonnenscheibe sich in das Meer getaucht hatte, keine Spur vom Zodiakallichte zu sehen, obgleich es völlig finster war. Eine Stunde nach Sonnenuntergang wurde es plötzlich sichtbar, in großer Pracht zwischen Aldebaran (dem schönen rothen Sterne im Sternbilde des Stiers) und den Plejaden (dem Siebengestirn); schmale, langgedehnte Wolken erscheinen zerstreut im lieblichen Blau tief am Horizonte, wie vor einem gelben Teppich; die oberen spielen von Zeit zu Zeit in bunten Farben, man glaubt, es sei ein zweiter Untergang der Sonne. Gegen diese Seite des Himmelsgewölbes hin scheint uns dann die Helligkeit der Pracht zuzunehmen, fast wie im ersten Viertel des Mondes. Gegen 10 Uhr war das Zodiakallicht hier in der Südsee gewöhnlich schon sehr schwach, um Mitternacht sah ich nur eine Spur desselben.« – (In unserer trüben, sogenannten gemäßigten, nördlichen Zone ist das Thierkreislicht freilich nur im Anfange des Frühlings nach der Abenddämmerung über dem westlichen, am Ende des Herbstes vor der Morgendämmerung über dem östlichen Horizonte deutlich sichtbar.)

Hören wir nun Humboldt's Erklärung dieser auffallenden Naturerscheinung, welche erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der Physiker und Astronomen auf sich gelenkt hat. Die Ansichten darüber waren so manchfach verschieden als unvollkommen. Humboldt aber widerspricht der bisher gültig gewesenen Meinung, als sei es die leuchtende Sonnenatmosphäre selbst, die das Zodiakallicht veranlasse, sondern hält es für höchst wahrscheinlich, daß dessen materielle Ursache aus dem Vorhandensein eines zwischen Venus- und Marsbahn frei im Weltraume kreisenden, sehr abgeplatteten Ringes aus dunstartiger Materie erklärt werden müsse. Doch vermag er uns keine Aufklärung zu geben von den körperlichen Dimensionen dieses Ringes, von seiner Vergrößerung durch Ausströmung der Schweife vieler Myriaden von Kometen, welche in die Sonnennähe kommen; er kann uns nichts Gewisses sagen, weder über die sonderbare Veränderlichkeit der Ausdehnung dieses Ringes (da er sich bisweilen weit über unsere Erdbahn hinaus zu erstrecken scheint), noch von seinem muthmaßlichen Zusammenhange mit dem in der Nähe der Sonne mehr verdichteten Aether (nach Humboldt: Weltdunste). Er vermuthet, daß die dunstförmigen Theile dieses Ringes, welche nach planetarischen Gesetzen um die Sonne kreisen, entweder selbstleuchtend oder auch nur von der Sonne erleuchtet sind. (Daß dergleichen Zustände des Selbstleuchtens vorkommen können, bekräftigt Humboldt durch eine Thatsache, daß im Jahre 1743 ein irdischer Dunstring zur Zeit des Neumondes mitten in der Nacht so phosphorescirte, daß man Gegenstände erkennen konnte, die 600 Fuß entfernt waren. So waren auch im Jahre 1831 die Nächte merkwürdig hell, daß man z. B. im nördlichen Deutschland kleine Schrift um Mitternacht lesen konnte, und eben so zeigten sich die Morgen- und Abenddämmerung ungewöhnlich verlängert.) Als Humboldt noch in den amerikanischen Tropenländern lebte, hat ihn oft die veränderliche Lichtstärke des Zodiakallichtes in Erstaunen gesetzt, namentlich während er Monate lang die Nächte in den Grasebenen und an den Flußufern im Freien zubrachte, wo er oft ein Zucken und Flimmern beobachtete, und er glaubt, daß diese Erscheinungen namentlich von Lichtentwickelung an der Grenze unserer irdischen Atmosphäre abhängig seien.

Hier sind wir dem forschenden Humboldt in scheuer Ferne, um uns nicht, bei unserem Zwecke allgemeinen Ueberblickes, in die Tiefen seiner wissenschaftlichen Anschauungen zu verlieren, in das weite astronomische Gebiet seiner Weltdeutung gefolgt, wo er das Ahnen und Vermuthen auf bestimmte Gesetze zu stützen sucht. Er zeigt aber auch in der Anschauung des gestirnten Himmels auf die landschaftliche Anmuth des Firmaments hin, indem er auf die Lage der Gestirne und ihre Abhängigkeit von der im Laufe der Jahrtausende gleichmäßigen Bewegung und den Veränderungen der Sterne selbst aufmerksam macht. Was uns am Himmel Ruhe zu sein dünkt, ist nur eine scheinbare, durch ungeheure Entfernungen und nach vielen Jahrtausenden zählende Ortsveränderungen für unsere beschränkten Sinne vermittelte; auf jedem Punkte des Himmelsgewölbes waltet dieselbe Bewegung, wie auf der Oberfläche der Erde, denn eben in der Bewegung findet und unterhält die ganze Natur des Weltalls ihr Leben.

In diesen astronomischen Wissenschaften fand Humboldt allerdings bedeutende Zeitgenossen und Mitarbeiter; – in die Zeit seines Lebens fällt eben die große Erweiterung der menschlichen Blicke in das Firmament, so wie die Verbesserung und Vervollkommnung der Instrumente; deshalb hat Humboldt diese Entwickelung der Astronomie in den letzten sechszig Jahren mit erlebt, seine Stellung ließ ihn mit den größeren Forschern in näheren Verkehr treten, er sah auf den Sternwarten Alles selbst, was tausend Männer höherer Bildung nur aus der Beschreibung kennen, er erlebte am Himmel und auf der Erde die Entdeckungen seit länger als einem halben Jahrhundert persönlich mit. Daher kommt seine Kenntniß des Weltalls, seine Vorliebe für das Wiedererkennen der von ihm gefundenen Gesetze dieser Erde im großen Weltraume, sein geniales Deuten seither unerklärter Thatsachen.

Der Himmel hat für jeden Menschen einen geheimnißvollen Zauber der Anziehung; überall, wo mit mächtigen, raumdurchdringenden Fernrohren hingeschaut werden kann, da trifft man auf Sterne oder leuchtende Nebel, von denen ein Theil sich bereits in Sterne auflösen ließ; aber es giebt auch sternenlose Regionen, von denen Herschel einst sagte, daß dort bereits Verwüstungen durch die Zeit stattgefunden hätten; – Humboldt nennt sie » Oeffnungen des Himmels« und glaubt, daß es Fernblicke wären in eine unermeßliche Tiefe des Weltraumes, in deren Hintergrunde ein neuer Sternenteppich liege, dessen Licht nicht mehr unser Auge erreiche – was für unsere Sinne gewiß unvorstellbare Entfernungen sind, wenn man weiß, daß das Licht mit einer Schnelligkeit von 41,518 geographischen Meilen in einer Sekunde durchs den Weltraum fliegt, und doch das Licht von sehr bekannten und deshalb verhältnißmäßig nahen Sternen zwölf Jahre braucht, um zu uns zu gelangen, und Herschel durch sein berühmtes Fernrohr Lichtnebel entdeckte, deren Strahl, um die Erde zu erreichen, nach seiner Berechnung fast 2 Millionen Jahre gebraucht haben müsse. Und wenn wir jetzt, wie die Astronomen mehrfach beobachten, von einem Sterne hören, der sein Licht verdunkele oder plötzlich bedeutend verstärke, so sind dieses Begebenheiten, die, wie Humboldt trefflich sagt, in ihrer historischen Wirklichkeit anderen Zeiten angehören, als denen, in welchen wir durch jene Lichtveränderungen den ersten Anfang davon erfahren – es sind Stimmen der Vergangenheit, die uns erreichen; eine Stunde Weges, die wir machen, ist für den Lichtstrahl bereits ein Raum von mehr als 149 Mill. Meilen, und vielleicht freuen wir uns heute noch über einen Stern, dessen Licht in seinen letzten Strahlen noch auf dem Wege zu uns ist, während der Stern selbst schon vor Jahrhunderten erloschen sein kann.

Zu solchen Betrachtungen wird man geleitet, wenn man mit Humboldt den gestirnten Himmel anschaut; wir lernen in dem Lichte der fernen Weltkörper das älteste sinnliche Zeugniß vom Dasein der Materie kennen.

So vorbereitet führt uns der geniale Forscher auf das eigentliche Gebiet seiner Erfahrung, auf die Erde zurück. Den Blick zunächst auf die Gestalt derselben, ihre mittlere Dichtigkeit und deren Vertheilung, den Wärmegehalt und die elektromagnetische Kraft hinlenkend, erkennt er aus den Verhältnissen des Raumes und deren von Innen nach Außen wirkenden Kräfte eine allverbreitete Naturmacht, die unterirdische Wärme, welche die Erdbeben, das Erscheinen heißer Quellen und vulkanischer Prozesse bewirkt. Die durch diese innere Kraft von Unten erschütterte, gehobene oder durchbrochene Erdrinde hat im Laufe der Jahrhunderte die Höhenverhältnisse des festen Landes zum Wasser und die Gestalt des Meerbodens gebildet; zeitweise und permanente Spalten dieser Erdrinde dienen zum Verkehr des Erdinnern mit dem Luftkreise, aus unbekannten Tiefen erheben sich sanft- oder stoßweise feurige Quellen geschmolzener Massen und erstarren dampfend zu Lava, und während alte Felsen durch die Kraft des Wassers umgewandelt werden, bilden sich unter unseren Augen neue; die Gewässer bieten Thier- und Pflanzenreste, Niederschläge, Aggregate, zermalmte Gebirgsarten dar, vermischt mit dem knochenhaltigen Schutte einer untergegangenen Thierwelt. In dieses bunte Gemälde der Erde brachte Humboldt durch denkende Vergleichung des Gegenwärtigen und Vergangenen, des Gleichartigen und Ungleichartigen, durch Kombination der wirklichen Erscheinungen und idealer Anschauung des Einzelnen im Spiegel des Ganzen, ein wissenschaftliches Bewußtsein, er führt dunkel geahnte Wahrheiten auf den selbstbegründeten Boden einer Geognosie (Lehre von der Bildung der Erdschichten). Und während man in der That von anderen Planeten mehr ihr Inneres als ihr Aeußeres kennt (ihr Gewicht, ihren Rauminhalt, ihre Dichtigkeit), kannte man von der Erde selbst nur das Aeußere, und Humboldt erschloß der Wissenschaft erst die bildende Werkstatt des Erdinnern. – Man kennt die Dicke der zunächst oberflächlich gelegenen Schichten unserer Erde, ihre Rinde, die man durch Spalten derselben oder durch Bergbau und Bohrlöcher kennen lernte, aber die größte Tiefe, welche Menschen in diese Rinde eingedrungen sind, erreichte in senkrechter Linie nicht viel mehr als 2000 Fuß oder ???1/11 Meile unter dem Spiegel des Meeres, also durchbohrte sie nur ???1/9800 des Erdhalbmessers. – Das, was die Vulkane an Massen auswerfen, die meist den oberflächlichen Gebirgsarten ähnlich sind, kommt ohne Zweifel aus sechszigmal größeren Tiefen, als die, welche Menschenhände bisher erreicht haben, ja gewisse Einsenkungen erweisen, daß Steinkohlenflötze mit ihren vorweltlichen Ueberresten (wie z. B. in Belgien) 5000-6000 Fuß unter dem jetzigen Niveau des Meeres liegen und der Bergkalk wol noch eine doppelte Tiefe hat. Vergleicht man damit die Berggipfel, als die am höchsten gehobenen Theile der Erdrinde, so hat man einen Abstand von 1 ???7/10 Meilen, gleich 37,000 Fuß oder beinahe ???1/524 Erdhalbmesser.

So viel kennt man nur von der Dicke der Erde, und der an einzelnen Stellen durch das Senkblei erreichte Meergrund, der oft mit einem 25,400 Fuß langen Faden nicht gefunden zu werden vermag, ist so gut, wie völlig unbekannt. Daher kommt es, daß man von der Erde auch nur aus Vergleichung der oberen, zugänglichen Schichten, die Masse der ganzen Planetenkugel und ihre mittlere Dichtigkeit anzugeben weiß. – Nichts ist zugänglich geworden, was unter jener angedeuteten Erddecke liegt, nichts erfuhr man bis jetzt über die Tiefe, wo die Gebirgsmassen noch flüssig sind, über die Höhlen von elastischen Dämpfen gefüllt, über den Zustand der Flüssigkeiten unter dem Drucke der Eingeschlossenheit, über das Gesetz der Dichtigkeitszunahme von der Oberfläche nach der Erdmitte hin.

Dieses Alles gesteht Humboldt ein, und dennoch hat er uns eine Wissenschaft von der Erde gegeben, die den rechten Weg des einstigen vollen Erkennens, aber auch schon jetzt das Mittel allgemeinen Verständnisses der Gesetze anzeigt, welche auf ihre noch unentdeckten Wirkungen analog schließen lassen. Seine Betrachtung der mit zunehmender Tiefe sich steigernden Wärme des Erdinnern und die Rückwirkung dieses Innern gegen die Oberfläche leitete ihn zu der Deutung vulkanischer Erscheinungen, als Kräfte und Ursachen der Gestalt der Erdrinde, deren einzelne Theile bis zur Schneeregion gehoben oder von hervordringenden Dämpfen und glühenden Flüssigkeiten durchbrochen wurden. Festes Land und Meer treten in thätige Wechselwirkung, und der Dunstkreis – ein »Luftocean«, wie Humboldt sich ausdrückt – bedeckt Wasser und Land, das mittelst seiner Hochebenen und Bergketten hoch in die Atmosphäre hineinragt und durch strömende Wasser Bewegung und Leben in die tieferen Bodenflächen führt.

Meer- und Ländervertheilung, Oberflächengestalt, Richtung der isothermischen Linien (die Punkte gleicher, mittlerer Jahreswärme auf der Erde verbindend) bedingen, wie uns Humboldt gezeigt hat, die geographische Vertheilung der Pflanzen und Thiere auf der Oberfläche unseres Planeten – dagegen aber sind von jenen Naturverhältnissen die unterscheidenden Charaktere der Menschenstämme und ihre Verbreitung auf der Erde durchaus unabhängig.

So führt Humboldt in allen diesen Gebieten des Forschens zu jener Einheit der Anschauung, welche immer eine Verkettung der Erscheinungen nach ihrem inneren Zusammenhange voraussetzt. Nie ist es sein Zweck gewesen, nur einzelne Erfahrungen an einander zu reihen, wie auf einer Tabelle; seine Schilderung beginnt mit der Gestalt und den Raumverhältnissen der Erde, aber er suchte deren Geschichte der Entstehung nicht nur in Erforschung mineralogischer Eigenschaften, versteinerter Körper und Krystalle in den Gebirgsarten, sondern er fand in der geometrischen Gestalt der Erde selbst das Zeugniß ihrer Entstehung, z. B. er erkannte, daß ein elliptisches, sich um seine Achse rollendes Sphäroid (ein runder, nicht völlig kugelförmiger Körper) auf eine einst weiche und flüssige Masse deuten muß, also die Erde einst eine flüssige und allmählich weiche Beschaffenheit hatte. Das beweist Humboldten zunächst die Abplattung an den Polen, die vermehrte Anhäufung der Masse auf der Linie, welche der Mond um die Erde beschreibt, die Anhäufung in der Aequatorgegend, als Linie der stärksten Schwungkraft, welcher die früher weiche Erdmasse nothwendig folgen mußte. Die Oberfläche der Meere nennt er die mathematische Gestalt der Erde, so wie sie als rotirende Kugel sich formen mußte; aber Zufälligkeiten, innere Kräfte, welche Unebenheiten und Aufwürfe veranlaßten und den starren Theil der Erde bildeten, verwandelten diese mathematische in eine physische Gestalt der Oberfläche. Auf die erstere (mathematische) Gestalt hat die Wissenschaft alle Gradmessungen der Erde bezogen; sie hat durch 11 solcher Gradbestimmungen der Krümmung dieser Oberfläche (von denen 9 erst in diesem Jahrhundert gemacht wurden, während die beiden anderen der alten peruanischen Zeit und der ostindischen Astronomie angehören) die Größe des Erdkörpers ermittelt und es hat sich auch dadurch erwiesen, daß die Abplattung des Erdkörpers (in welchem die Dichtigkeit der Masse gegen das Centrum hin zunehmen muß) nahe an den dreihundertsten Theil beträgt. Man hat diese Messungen zur Ermittelung der Krümmung der Erdoberfläche sowol aus Gradmessungen wie aus Beobachtungen der Pendelschwingungen und der Ungleichheiten in der Mondbahn geschlossen, also einmal auf geometrisch-astronomischem Wege, dann aber auch aus Schlüssen von den beobachteten Bewegungen auf die Kräfte, welche jene erzeugt haben und von den Kräften wieder auf die Ursache derselben, nämlich auf die Abplattung der Erde.

Nach den gemachten Messungen der Oberflächenkrümmung selbst, die, bis auf drei, sämmtlich in Europa gemacht wurden, ist der Halbmesser vom Centrum der Erde nach den Polen um 2 ???7/8 geographische Meilen kürzer, als der Halbmesser von dem Mittelpunkte der Erde nach dem Aequator; es geht also daraus hervor, daß die Erdoberfläche von den Polen zum Aequator um etwas mehr als die 4 ???3/7 malige Höhe des Montblanc anschwillt. – Was die Beobachtungen durch die Pendelschwingungen betrifft, so sind dieselben für die Wissenschaft von erstaunlicher Wichtigkeit geworden, und Humboldt sagt mit Recht: »Als Galiläi während des Gottesdienstes, wahrscheinlich etwas zerstreut, als Knabe erkannte, daß durch die Dauer der Schwingungen von Kronleuchtern die ganze Höhe eines Kirchengewölbes zu messen sei, da konnte er nicht ahnen, daß das Pendel einst von Pol zu Pol getragen werden würde, um die Gestalt der Erde zu bestimmen, oder vielmehr um die Ueberzeugung zu geben, daß die ungleiche Dichtigkeit der Erdschichten die Länge des Sekunden-Pendels durch verwickelte, aber in großen Länderstrecken sich fast gleichmäßig äußernde Oertlichkeitseinflüsse afficire.« – So wurde dieses zeitmessende Instrument in der Hand des Geognosten eben so wichtig wie das Senkblei in der Hand des Seefahrers, um ungesehene Tiefen zu ermitteln; man lernte sogar durch die Veränderungen der Pendelschwingungen erkennen, ob in der Tiefe der Erdrinde Höhlungen oder dichte Basaltmassen sich befinden.

Wie es endlich möglich wurde, aus der Bewegung des Mondes die physische Gestalt der Erde zu ermitteln, das ist ebenfalls ein Triumph der Wissenschaft, und Laplace konnte mit Recht sagen, daß ein Astronom, ohne seine Sternwarte zu verlassen, durch Vergleichung der Mondtheorie mit den wirklichen Beobachtungen nicht nur Gestalt und Größe der Erde, sondern auch ihre Entfernung von der Sonne und dem Monde zu bestimmen im Stande sei, Resultate freilich, die erst durch lange und mühevolle Expeditionen nach den entlegensten Gegenden beider Erdhälften möglich gemacht worden sind. Es ist Thatsache, daß die Gestalt eines Planeten auf die Bewegung anderer Weltkörper, namentlich auf die immer nahen Monde, einen bedeutenden Einfluß ausübt, und es läßt sich deshalb aus der genauen Kenntniß der Mondbewegung auch auf die Gestalt der Erde zurückschließen. Und was Gradmessungen und Pendelversuche nicht ermittelten, das gewährten diese Beobachtungen der Ungleichheit in der Mondbewegung, indem daraus nicht nur die mittlere Abplattung der Erde erkannt, sondern auch bewiesen wurde, daß die Erdschichten von der Oberfläche gegen den Mittelpunkt hin an Dichtigkeit zunehmen, und »so berechtigt« – sagt Humboldt – »die Kenntniß äußerer Gestaltung zu Schlüssen über die innere Beschaffenheit eines Weltkörpers.« – Die wirkliche Figur der Erde (abhängig von den Unebenheiten der starren Oberfläche) verhält sich aber zu einer regelmäßigen, mathematisch reinen Gestalt, wie die unebene Oberfläche eines bewegten Wassers zu einer ruhigen Wasserfläche.

Die Erde wurde aber nicht nur gemessen, sie wurde auch gewogen, und zwar ebenfalls durch Pendel und Bleiloth. Vermochte man durch diese einfachen Instrumente die mittlere Dichtigkeit der Erde zu bestimmen (welche sich als viele Male größer als reines Wasser, nämlich 5,44 ergab), so kannte man damit auch ihre mittlere Schwere. Ueber das Innere des Erdkörpers, dessen Masse in gleichem Grade an Dichtigkeit zunehmen muß, als sie dem Mittelpunkte näher liegt, sind, selbst von Naturforschern, Hypothesen laut geworden, welche Humboldt theils als unerwiesen, theils als Mährchen entschieden zurückweist. So wollte man berechnen, in welchen Tiefen der Erde flüssige und luftförmige Stoffe so fest durch den Druck der überliegenden Schichten verdichtet wären, daß sie an Härte das Platin überträfen; – man wollte den Kern der Erde andererseits als eine Hohlkugel, mit unwägbaren Stoffen von ungeheurer Zurückstoßungskraft gefüllt, sich vorstellen; man dachte sich sogar Thiere und Pflanzen auf die innere Oberfläche dieser Erdhohlkugel, und zwei unterirdische, kreisende Planeten, Pluto und Proserpina, welche diesen inneren Raum erleuchten sollten; – nahe am Nordpol sollte eine Oeffnung sein, durch welche der Weg in das Innere der Erde führe, und Humboldt erzählt, daß der Kapitän Symmer, welcher mit diesen Phantasieen umging, ihn und Humphry Davy wiederholt aufgefordert habe, eine solche unterirdische Expedition zu machen!! – »So mächtig« – sagt Humboldt – »ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugniß wohlbegründeter Thatsachen und allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.«

Das Forschungsresultat, welches Humboldt über das Innere der Erde gewonnen hat, ist ein durchaus anderes und wissenschaftliches; seine Anschauungen sind die maßgebenden der heutigen Lehre geworden. Von dem erfahrungsmäßigen Grundsatze ausgehend, daß Gestalt und Dichtigkeit der jetzigen Erde in naher Verbindung mit den Kräften stehen müssen, welche das Erdleben durchdringen (abgesehen von denjenigen Kräften, welche von außen her durch den Einfluß der Sonne geweckt und unterhalten werden), gelangte Humboldt zu seinen Resultaten. – Die Abplattung der Erde, in Folge der Schwungkraft einer kreisenden Kugel, giebt zu erkennen, daß unsere Erde einst flüssig gewesen ist; bei dem allmählichen Erstarren der ursprünglichen Masse, die Humboldt als eine dunstförmige im hohen Hitzegrade befindliche anzunehmen geneigt ist, muß Wärme frei geworden sein; während die Oberfläche zuerst erstarrte, mußte der Mittelpunkt der Erde flüssig und glühend bleiben, bis endlich durch langwährende Wärmeausstrahlung gegen die Oberfläche hin ein gewisser Temperaturzustand beharrend (stabil) geworden ist und also mit zunehmender Tiefe auch die unterirdische Wärme um so höher geblieben sein muß. (Das beweisen die heißen Wasser aus den tiefen Bohrlöchern der artesischen Brunnen, die Wärmegrade tief in Bergwerken ruhender Gesteine, die glühenden Massen, welche Vulkane aus der Tiefe der Erde auswerfen.) Wo die Grenze zwischen erhärteter Erdmasse und flüssiger Tiefe liegt, das wagt Humboldt nicht anzudeuten, er vermuthet aber, daß auch in diesen mehr flüssigen Theilen Bewegungen vor sich gehen, die dem Einflusse von Sonne und Mond (Ebbe und Fluth) unterworfen sind; und wenn die Erfahrung lehrte, daß die Wärme in senkrechter Linie mit je 120 Pariser Fuß um 1 Grad des hunderttheiligen Celsius-Thermometers zunimmt, so müßte danach in einer Tiefe von 5½ geographischen Meilen (also 4-5 Mal so tief als die höchste Spitze des Himalayagebirges hoch ist) bereits der Granit im geschmolzenen Zustande sich befinden.

Humboldt unterscheidet drei Bewegungs-Aeußerungen der inneren Erdwärme. Einmal werden die Erdschichten durch die Sonne und die davon abhängige Jahreszeiten-Temperatur periodisch erwärmt und abgekühlt; es entsteht also ein Wärmestrom einmal von Außen nach Innen, dann aber wieder von Innen nach Außen. Diese Wärme dringt nicht sehr tief ein; in der gemäßigten Zone beginnt die Schicht der Erde, welche unveränderliche Temperatur zeigt, bereits in einer Tiefe von 55-60 Fuß und schon in der Hälfte dieser Tiefe haben Winter- und Sommerwärme auf das Thermometer kaum noch ½ Grad Einfluß. In der Tropengegend liegt die unveränderliche Temperatur schon 1 Fuß tief unter der Oberfläche. – Zweitens aber dringt in den heißen Aequatorgegenden ein Theil Wärme in die Erde und strömt innerhalb derselben gegen die kühlen Pole hin ab, wo sie der Luft wieder zugeführt wird; endlich aber ist unsere Erde, noch von unberechenbaren Jahrtausenden her, im langsamen Abkühlen begriffen, die innere Centralwärme, welche in den Urzeiten den Erdkörper glühend machte, verliert durch ihre allmähliche Ausströmung gegen Oberfläche und Weltraum hin immer mehr, wenn auch Jahrtausende dafür nicht hinreichen, diesen Verlust zu messen. Wir leben demnach, wie Humboldt sich ausdrückt, auf der Oberfläche der Erde »zwischen der Glühhitze der unteren Erdschichten und dem kalten Weltraume, dessen Temperatur wahrscheinlich unter dem Gefrierpunkte des Quecksilbers ist« – (40 Grad Kälte nach Celsius = 32 Grade nach Réaumur). Andere Naturforscher vermuthen sogar, daß die Kälte im Weltraume, in welchem unsere Erde schwebt, 142 Grade unter dem Gefrierpunkte des Wassers sei.

Es giebt aber auch berühmte Forscher, welche die ununterbrochene Zunahme der Erdwärme von der Oberfläche nach dem Mittelpunkte zu in Abrede gestellt haben, wie z. B. Poisson, der alle Wärme als eine, von Außen nach Innen eingedrungene erklärt; doch kann solche Hypothese die Humboldt'sche Lehre nicht mehr erschüttern, denn diese, selbst wäre sie auch nur eine Voraussetzung, führt auf eine Menge zusammenhängender Erscheinungen, welche sich darin ungezwungen erklären.

Eine wichtige geheimnißvolle Kraft der Erde, welche wie ein wunderbares Band alle Kräfte der Atome umfaßt, ist der Magnetismus der Erde, dem daher Humboldt auch einen großen Theil seiner Lebensarbeit gewidmet hat. Jede Temperaturveränderung bewirkt magnetische und elektrische Strömungen, und diesen forschte Humboldt Jahre lang mittelst Beobachtungen an der Magnetnadel nach. – In einer fortwährenden an bestimmte Zeiträume gebundenen Veränderlichkeit ihrer Kraftäußerung kreisen die magnetisch-elektrischen Ströme auf geheimnißvolle Weise durch den Erdkörper, und ihre Veränderungen, welche die empfindsame Nadel anzeigt, treffen, nach Maßgabe von Ort, Sonnenstand und Wärme, auf die Stunde ein und werden oft plötzlich nur durch das Nordlicht verändert. Die Störung des fortwährend ruhig strömenden Erdmagnetismus, welche während eines Nordlichts entsteht, tritt, und wären die Beobachter auch Tausende von Meilen entfernt, gleichzeitig ein, gleich einem Zucken des Gesammtkörpers unserer Erde, oder sie pflanzt sich wie ein Pulsschlag nach allen Richtungen über die Erdoberfläche mit einer großen Regelmäßigkeit der Zeit im Durcheilen des Raumes fort, so daß man danach die Entfernung der Oerter von einander messen könnte.

Ueber die Ursachen dieser plötzlichen Schwankungen der Magnetnadel, als Zeichen von geschehenden Störungen und Revolutionen im Erdmagnetismus, welche Humboldt »magnetische Ungewitter« nennt, hat derselbe bisher keine Auskunft erhalten. Es ist bekannt, daß alle Stoffe magnetisch (d. h. anziehend) sind, so lange sie von Elektricität durchströmt werden, und diese Thatsache könnte auf eine künftige Erklärung vorbereiten. Humboldt beobachtete namentlich die Veränderlichkeit in der Kraftäußerung, die Neigung (Inklination) und horizontale Abweichung (Deklination) vom Nordpole, als jene drei Erscheinungen des Erdmagnetismus, die diese Kraft an der Oberfläche der Erde wahrnehmen läßt; er stellte dazu drei wissenschaftliche Linien zur Bezeichnung gleicher Kraft, gleicher Neigung und gleicher Abweichung auf, welche er isodynamische, isoklinische und isogonische nannte, und indem er diese Linien graphisch über die Erdkugel gezogen dachte, bezeichnete er damit die stets in Schwankung und Fortschreiten begriffenen Richtungen (Curven) jener geheimnißvollen Kraft. Die Beobachtungen dieser Art sind erstaunlich schwierig und mühsam, und erst nach Jahrhunderten, glaubt Humboldt, wird es möglich werden, durch genaue systematische Beobachtungen eine Geschichte dieser magnetischen, vielfach verzweigten Linien zu verstehen. Bei dem großen Interesse, womit er diesen Gegenstand stets verfolgt hat, suchte er denn auch regelmäßige Beobachtungen einzuleiten. Durch seine Bemühungen ist, wie dieses schon früher bei Darstellung seines persönlichen Lebens angedeutet wurde, seit 1828 nunmehr ganz Europa, Asien, Afrika etc., von Torento in Ober-Canada bis zum Vorgebirge der guten Hoffnung und Vandiemensland, von Paris bis Peking, mit einem correspondirenden Netze magnetischer Observatorien bedeckt. Die Entdeckungen Oerstedt's über den Elektromagnetismus und die damit zusammengreifenden Beobachtungsresultate von Arago und Faraday kamen Humboldts Forschungen sehr willkommen. Oerstedt fand nämlich, daß Elektricität in der Umgebung eines die Elektricität fortleitenden Körpers Magnetismus errege – während Faraday bemerkte, daß umgekehrt freigewordener Magnetismus auch elektrische Strömungen hervorrufe. – Es geht also daraus hervor, daß Magnetismus eine von den vielartigen Formen ist, in denen die Elektricität sich äußert, und die Wissenschaft erkannte, daß beide Kräfte identisch, d. h. eine und dieselbe seien, was schon in alten Zeiten Plinius geahnt hatte. Indessen sind die Fragen nach den letzten physischen Ursachen der vielfachen und verwickelten Erscheinungen des Erdmagnetismus noch nicht beantwortet, es ist noch unerklärt, ob der ewige Wechsel der Bewegungen in den magnetischen Erscheinungen (welcher verschiedene Systeme von elektrischen Strömungen in der Erdrinde vermuthen läßt) unmittelbar durch ungleiche Wärmevertheilung erregt oder durch die Sonnenwärme eingeführt wird, ob die Planetenumdrehung Einfluß darauf hat, ob die Strömungen in den Luftkreisen, in den Räumen zwischen den Planeten, in der Polarität (den gegensätzlichen Wirkungen) der Sonne oder des Mondes ihren Ursprung nehmen. – Die von Humboldt vermittelten magnetischen Observatorien werden aber die Einsicht in dieses Geheimniß fördern helfen, denn es wird jetzt auf den weitesten Raumen der Erdkugel jede regelmäßige oder unregelmäßige Regung dieser Erdkraft beobachtet, und Instrumente sowol wie Sinne sind bereits so geschärft, daß, wie Humboldt versichert, die auf den Observatorien angestellten Personen zu gewissen Zeiten 24 Stunden lang alle drittehalb Minuten beobachten und im Stande sind, eine Abnahme der magnetischen Kraft um ???1/40,000 zu Messen.

Das Nordlicht (Polarlicht) nennt Humboldt die Schlußerscheinung eines »magnetischen Ungewitters«, denn er erkennt es als eine Erscheinung an, die, seitdem Faraday entdeckt hatte, daß magnetische Kraft auch Licht entwickelt, im innigsten Verkehre mit dem Erdmagnetismus steht, zumal schon am Morgen der abendliche Eintritt jener Lichtentwickelung durch Unregelmäßigkeit im Gange der Magnetnadel vorher verkündigt und dadurch angezeigt wird, daß in der gleichmäßigen Vertheilung der magnetischen Kraft eine Störung eingetreten sein muß. Es ist nach Humboldt das Nordlicht eine Art von magnetischer Entladung – gleichwie der Blitz das gestörte Gleichgewicht der Elektricität wieder herstellt –, die zuweilen so heftig ist, daß man sie schon bei hellem Sonnenscheine (z. B. 1786 zu Lowenörn) bemerkt hat. Nicht nur am Nord- und Südpole sind diese Lichterscheinungen gesehen worden, sondern Humboldt hat bestimmt erfahren, daß sie auch in den Tropengegenden, selbst in Mexiko und Peru gegen Norden hin gesehen worden sind, so daß also der Beobachter immer von seinem Standpunkte aus (wie beim Anblicke des Regenbogens) sein eigenes Nordlicht je nach dem Winkel seiner Gesichtslinie sieht.

Um unsern Lesern ein von Humboldt's naturgetreuer, malerischer Feder entworfenes Bild vom Nordlichte zu geben, schalten wir hier folgendes Gemälde ein. »Tief am Horizonte, ungefähr in der Gegend, wo derselbe vom magnetischen Meridiane durchschnitten wird, schwärzt sich der vorher heitere Himmel; es bildet sich anscheinend eine dicke Nebelwand, die allmählich aufsteigt und eine Höhe von 8-10 Graden erreicht; die Farbe dieses Theils vom Horizonte geht in das Braune und Violette über; Sterne sind in dieser, wie durch einen dichten Rauch verfinsterten Himmelsgegend sichtbar. Ein breiter, aber hell leuchtender Lichtbogen, erst weiß, dann gelb, begrenzt den dunkeln Abschnitt; da aber der glänzende Bogen später entsteht, als der rauchgraue Theil des Horizontes, so ist er nicht nur ein bloßer Kontrast mit dem helleren Lichtsaume. Im hohen Norden, dem Magnetpole sehr nahe, erscheint der rauchähnliche Abschnitt des Himmels weniger dunkel, bisweilen gar nicht. Der Lichtbogen, im steten Aufwallen und seine Form verändernden Schwanken, bleibt bisweilen stundenlang stehen, ehe Strahlen und Strahlenbündel daraus hervorschießen und bis zum Scheitelpunkte hinaufsteigen. Je stärker die Entladungen des Nordlichtes sind, desto lebhafter spielen die Farben vom Violetten und bläulich Weißen durch alle Abstufungen bis in das Grüne und Purpurrothe; die magnetischen Feuersäulen steigen bald aus dem Lichtbogen allein hervor, selbst mit schwarzen, einem dicken Rauche ähnlichen Strahlen gemengt, bald erheben sie sich gleichzeitig an vielen entgegengesetzten Punkten des Horizontes und vereinigen sich in ein zuckendes Flammenmeer, dessen Pracht keine Schilderung erreichen kann, da es in jedem Augenblicke seinen leuchtenden Wellen neue und andere Gestalten giebt. Diese Bewegung vermehrt die Sichtbarkeit der Erscheinung. Um den Punkt des Himmelsgewölbes, welcher der Richtung der magnetischen Inklinationsnadel entspricht, schaaren sich endlich die Strahlen zusammen und bilden die sogenannte Krone des Nordlichtes. Nur in seltenen Fällen gelangt die Erscheinung bis zur vollständigen Bildung der Krone, womit sie aber auch stets ihr Ende erreicht hat. Die Strahlen werden nun seltener, kürzer und farbloser, Krone und alle Lichtbögen brechen auf, bald sieht man, am ganzen Himmelsgewölbe unregelmäßig zerstreut, nur breite, blasse, fast aschgrau leuchtende, unbewegliche Flecke; auch diese verschwinden früher, als die Spur des dunkeln Kreisabschnittes, der noch tief am Horizonte steht. Es bleibt oft zuletzt von dem ganzen Schauspiele nur ein weißes, zartes Gewölk übrig, an den Rändern gefiedert, oder in kleine, rundliche Häufchen getheilt.«

Von höchstem Interesse ist aber der Aufschluß, welchen Humboldt über das Wesen dieses Polarlichtes giebt, das seinen Namen nur von der örtlichen Richtung erhielt, wo es am häufigsten beobachtet wird. Er sieht darin ein Selbstleuchtendwerden der Erde, ein eigenes Lichtausstrahlen des Planeten – also mit einem Worte – im Gegensatze zum Sonnenlichte – ein Erdlicht – eben so wie oft der Planet Venus auf seiner von der Sonne nicht beschienenen Seite mit eigenem Lichte phosphorescirt, und Humboldt hält es für sehr wahrscheinlich, daß Planeten und Monde, außer dem empfangenen und reflektirten Lichte der Sonne, noch selbst erzeugtes Licht ausströmen Außer dem Erdlichte dieser Art giebt es noch andere Formen irdischer Lichterzeugung. Humboldt rechnet hierzu, abgesehen von dem noch nicht vollständig erklärten Wetterleuchten, z. B. den bei Nacht leuchtenden trockenen Nebel 1783 und 1831, das flimmerlose Leuchten großer Wolken (welches Rozier und Beccaria beobachteten), ferner die Nachthelle in Herbst- und Winterzeiten etc..

Während Humboldt einerseits die magnetischen und leuchtenden Erscheinungen der inneren Erdwärme erforschte, ging er aber auch andererseits den Erscheinungen nach, welche die Erdwärme auf die Erdmasse und deren Bildung selbst hervorbrachte. Hier gelangte er auf das mit so vieler Vorliebe zeitlebens bearbeitete Gebiet der vulkanischen Erscheinungen. Aus dieser inneren Erdwärme leitete er auf erfahrungsmäßigem Wege die Erderschütterungen, die frühere Erhebung ganzer Länder und Gebirgsmassen, die Bildung ihrer Schichten und Mineralien, so wie der gasförmigen und tropfbar flüssigen Erdformen ab; er erkannte die innere Wärme als die Ursache der räumlichen Veränderungen des Erdstoffs durch Erschütterung und Hebung, wie des Aufbrausens heißer Quellen, des Ausströmens von Kohlensäure oder Schwefeldämpfen, des Auswerfens von vulkanischem Schlamm und der Eruption feuerspeiender Berge. In allen diesen Erscheinungen erblickt er nichts Anderes, als eine Reaktionsthätigkeit des Erdinnern gegen die Rinde und Oberfläche der Erde, – er schließt aus den Resten und erstarrten Formen vorweltlichen Erdlebens, daß einst diese Reaktionen mächtiger als jetzt gewesen sein müssen, daß das Erdinnere einst das kohlensaure Gas weit stärker in die Atmosphäre ausgeströmt habe, als jetzt, und dadurch dem Pflanzenleben durch Abgabe des Kohlenstoffs an dasselbe zur üppigen Vegetation fördersam gewesen sein müsse, wie deren letzte, untergegangene Spuren einstiger Waldüppigkeit, die ungeheuren Steinkohlenlager und andere begrabene Brennstoffe, davon Zeugniß geben.

Das Erdbeben – diese entweder senkrechten, horizontalen oder kreisförmig sich drehenden Erschütterungen der Erdoberfläche und Rinde, welche die Wissenschaft ziemlich genau in Richtung und Stärke durch Pendel und Sismometer (Erdbebenmesser) zu bestimmen vermag, die mit dumpfem Getöse und unterirdischem Donner begleitet sind, während dessen oft Quellen versiegen und große räumliche Verheerungen stattfinden, – wurden durch Humboldt's Forschungen zu einem bedeutsamen Mittel der Kenntniß vom Erdinnern. Seine Erfahrungen führten ihn zu der Ueberzeugung, daß immer und in jedem Augenblicke an irgend einem Punkte der Erde Erschütterungen stattfänden, mithin das Erdinnere in einer beständigen Reaktion gegen die Oberfläche hin begriffen sei; daß wahrscheinlich die hohe Wärme der tiefen, im geschmolzenen Zustande befindlichen Erdmassen die Ursache davon und deshalb die Erschütterung nicht von besonderen Gebirgsarten abhängig sein müsse, sondern auf jedem Punkte der Erde vorkommen könne. Aber aus dem Zusammenhänge gleichzeitiger, räumlich von einander entfernt liegender Erschütterungen, aus den Richtungen der Erschütterungsstöße und Wellen, die sich oft durchkreuzen, aus dem unterirdischen Getöse, welches oft meilenweit von einem thätigen Vulkane oder einem erbebenden Theile der Erdoberfläche entfernt gehört wird, erkannte Humboldt gewisse unterirdische Verbindungsadern vulkanischer Thätigkeit, die ihre Sicherheitsventile in den Feuerspeiern haben und hier aus den Kratern ihre explodirenden Massen entladen oder, wenn diese Vulkane verstopft sind, anderweitig und gefahrvoll für die Bewohner des Erdbodens an irgend einer Stelle der vulkanischen Gänge mit ihren von Hitze ausgedehnten Flüssigkeiten durchbrechen, oder endlich nicht bis zum Entladen, sondern nur zu Erschütterungen kommen. – Elastische Flüssigkeiten (Wasser, Gase), von Wärme ausgedehnt, sind nach Humboldt die Ursachen aller vulkanischen Erscheinungen, vom leisen Erzittern an bis zu der schrecklichsten Explosion. – Diese ausgedehnten Dämpfe von siedendem Wasser und geschmolzenen Metallen und Gesteinen aufsteigend, wälzen sich in den vulkanischen Gängen des Erdinnern weiter, finden oft ihre Ausgangsspalten mit heraufgequollenen und krystallisirten Massen verstopft, und der Druck der Ausdehnung hebt die Erdschichten empor oder pflanzt den Wellenschlag der wogenden, elastischen Flüssigkeiten auf die festere Masse fort.

Aber auch die chemischen Veränderungen in der Erdrinde und in der Atmosphäre erkannte Humboldt in ihrer Abhängigkeit von der inneren Lebenswärme unserer Erde; – die bekannten aufsteigenden Wasserdämpfe und das kohlensaure Gas, welches die Erde, fast ganz frei von Stickstoff, gleichsam in ihre Atmosphäre ausathmet – viele andere eigenthümliche Gasarten, welche aus verschiedenen Spalten der Erde aufsteigen, wurden für Humboldt deutliche Verkünder eines im Erdinnern fortbrennenden Prozesses. Diese »Luftquellen« schlagen oft Stoffe, die ihnen beigemischt sind, nieder, und finden sich auch in solchen Gegenden, wo die vulkanischen Spuren nicht einmal oberflächlich sichtbar liegen. – Es wurde schon angedeutet, wie Humboldt das einstige, vorweltliche Pflanzenreich für weit üppiger entwickelt erklärt, weil es mehr Kohlenstoff zugeführt erhielt, der namentlich von den Kohlensäure-Quellen, von denen wir noch gegenwärtig viele haben (Mofetten), in die Luft aufstieg und den Gewächsen Lebensregung und Nahrungsüberfluß zuführte. Was die Pflanzen aber nicht an Kohlensäure konsumiren konnten, verband sich mit den Kalkgebirgen der Erdrinde und wurde so allmählich der Luft geraubt, wodurch diese für Thiere und Menschen athembar geworden ist. Wie die Kohlensäure und andere Gase, so steigen noch jetzt aus dem Erdinnern Flüssigkeiten, Schlamm und, durch die Krater, geschmolzene Erdmassen auf, deren Hitzegrad der Tiefe ihrer Heimat im Innern des Planeten entspricht. Man hat, eben so wie Humboldt auf der Oberfläche die Punkte gleicher mittlerer Jahreswärme durch isothermische Linien verband, auch gewisse Linien gleicher innerer Erdwärme (Isogeothermen) bestimmen wollen, und zwar aus den Temperaturen der Gewässer, welche aus der Erdtiefe und von der Bergeshöhe kommen; aber Humboldt's Beobachtungen haben solcher Methode, als einer nur unsichere Resultate erzielenden, nicht das Wort reden können, da der Temperaturgrad ausbrechender Wasserquellen immer ein sehr beziehungsweiser und von vielen Nebenumständen abhängiger ist. – Die kalten Quellen haben nur dann einen mittleren Temperaturgrad, wenn sie, ohne mit tiefer kommenden wärmeren, oder von Berghöhen fließenden kälteren Wasseradern gemischt zu werden, eine bedeutende Strecke lang in derjenigen Schicht fortgelaufen sind, wo die früher bezeichnete unveränderliche Temperatur der Erdschichten begonnen, also die Luftwärme nach Jahreszeit, Tag und Nacht keinen variirenden Einfluß mehr hat. (In den gemäßigten Breitegraden etwa 40-60 Fuß – in den Aequinoktialgegenden einen Fuß unter der Oberfläche.) – In Betreff der heißen Quellen erklärt Humboldt, daß alle, welche er und Andere entdeckt haben, fern von allen Vulkanen sich befinden, daß nur die innere Erdwärme sie zum dauernden oder veränderlichen Hitzgrade (selbst bis zu 95-97 Graden) bringe, daß die heißesten auch immer die reinsten seien und daß der Grund der heißeren Quellen allein in ihrer um so näheren Lage am unterirdischen Feuer gesucht werden müsse.

In Betreff des aus der Erdtiefe aufsteigenden Schlammes hat namentlich Humboldt durch seine nähere Bekanntschaft mit den amerikanischen und den am kaspischen Meere befindlichen »Salsen« (Schlammvulkanen) interessante Aufschlüsse gegeben; er erkannte in diesen, nicht durch Erdbeben und vorübergehenden Flammenausbruch entstandenen, einen mittleren Uebergang zwischen heißen Quellen und Feuerspeiern bildenden Formen der innern Reaktion der Erde gegen ihre Oberfläche, gleichsam die Organe einer ununterbrochen fortwirkenden, aber schwächeren Thätigkeit unseres Planeten, wodurch eine Kommunikation zwischen den tiefen, heißen Schichten und der Oberfläche früher vermittelt, aber allmählich wieder verstopft wurde, und nunmehr die kalten Schlammmassen aus nur unbedeutender Tiefe aufsteigen können, während die feuerspeienden Berge noch mit dem glühenden Erdinnern in direkter Verbindung stehen. Ueber ihre Entstehung hat Humboldt vielfache Studien angestellt; er hält sie für durch elastische Dämpfe gewölbartig aufgetriebene Erhebungen der Erdrinde, deren Schichten durchbrochen und auseinander geworfen wurden. Hierdurch entstand ein Becken oder Kesselthal, in dessen Mitte nun ein Krateraufwurf und Aschenkegel aus den emporgetriebenen Massen sich bildete. Hört die Verbindung dieser Oeffnung mit dem inneren Erdkörper auf, so ist der Vulkan erloschen. – Auf ähnliche Weise sind Vulkane vom Boden des Meeres aus entstanden und jetzt bewohnbare Inseln geworden.

Einer von Humboldt namentlich erforschten vulkanischen Erscheinung haben wir noch vorübergehend zu erwähnen – nämlich der von ihm so genannten » vulkanischen Gewitter.« – Dieses sind Ausströmungen von dem heißen Wasserdampfe, welcher während des Ausbruches aus dem Krater in die Luft steigt und beim Erkalten ein Gewölk bildet, welches die oft viele tausend Fuß hohe flammende Aschensäule umgiebt, aus welcher (in Folge der durch so schnelle Verdichtung der Dämpfe zu Wolken bedingten zunehmenden elektrischen Spannung) Blitze hervorbrechen und Donner erschallen.

Wir müssen, um nicht zu sehr bei Aufzählung der Humboldt'schen Wissenschaftsresultate (insofern sie von ihm im »Kosmos« resumirt sind) in das Detail einzugehen, die weitere Unterscheidung in Central- und Reihenvulkane hier übergehen, zumal da dieselbe eigentlich von anderen Naturforschern mit Scharfsinn in die Wissenschaft eingeführt worden ist. Dagegen aber treten wir wieder auf das unmittelbare Forschungsgebiet Humboldt's zurück, indem wir nach seinen Resultaten in Bezug auf die Gebirge bildende und Gebirgsarten umwandelnde Kraft der vulkanischen Thätigkeit fragen.

Es eröffnet sich mit diesen Fragen das große Gebiet der mineralogischen Geognosie, in welcher Humboldt namentlich mit seinem vieljährigen Freunde Leopold von Buch zeitlebens mit Vorliebe gearbeitet hat und welche sich mit der formellen Zusammensetzung und der Aufeinanderfolge der Erdschichten beschäftigt und so zu der geographischen Form der Erdoberfläche hinleitet. – Die Erdschichten wurden ihm Blätter eines großen Buches, aus denen er die Vorgänge der Vergangenheit las und verstand; die Arten und Formen der Gebirge wußte er als große Schriftzeichen einer vieltausendjährigen Entstehungsgeschichte zu deuten. – Er erkannte den Entstehungsprozeß der Gebirge (welche die frühere Wissenschaft nur nach den äußerlichen Unterscheidungsmerkmalen als geschichtete und ungeschichtete, schiefrige und massige, normale und abnorme eintheilte) als einen vierfachen: – das von dem Erdinnern einst in geschmolzenen Massen hervorgebrochene und mehr oder weniger erstarrte Gestein bezeichnet er als das vulkanische »Eruptionsgestein« –; das aus dem Flüssigen, in kleinen Theilen darin aufgelöst gewesene und allmählich niedergeschlagene Gebirge nennt er »Sedimentgestein«, welches den größten Theil der Flötzgebirge und der sogenannten Tertiärgruppen (über der Kreide liegend und durch fossile Reste von Säugethieren, Schalthieren etc. charakterisirt) darstellt; – unter »umgewandeltem Gestein« versteht er die durch Berührung mit vulkanischem oder niedergeschlagenem Gestein, oder durch dampfartige Verflüchtigung und Wiederabsetzung von Stoffen aus der Tiefe veränderten Gebirgsarten, während er die aus mechanisch zertheilten Massen der drei vorigen Arten gebildeten Sand- und Trümmergesteine mit dem Namen »Conglomerate« bezeichnet. Alle vier Gesteinarten erkannte Humboldt noch stets in ihrer Bildung fortschreitend, indem die Thätigkeiten des Feuers und Wassers, freilich nicht mehr so heftig, sondern in milderer Weise dabei fortwirken. Zu der ersten Form, dem Eruptionsgestein, zählt Humboldt den Granit und Syenit (letzterer eine aus Feldspath und Hornblende gemengte Masse, nach der Stadt Syene in Oberägypten so genannt), die Quarz-Porphyre, die Grünsteine, den Hypersthenfels, Euphotid und Serpentin, die Melaphyr-, Augit-, Uralit- und Oligoklas-Porphyre und den Basalt, Porphyrschiefer, Trachyt und Dolomit; – Alles, was die alte Lehre zu Uebergangs-, Flötz- oder Secundär- und Tertiärformationen der Erdrinde zählte, rechnet Humboldt zu dem »Sedimentgestein«, zu den Absetzungen und Niederschlägen von tropfbaren Flüssigkeiten, wie Kalkstein, Thonschiefer, gleichviel ob der Stoff vorher im Wasser chemisch aufgelöst oder demselben nur fein zertheilt beigemengt war. – Hierher gehören Schiefer, Steinkohlenablagerungen, Kalksteine, Travertino (Süßwasserkalkstein, Kieselguhre – fast ganz aus den Kieselpanzern mikroskopischer Infusorien der Vorwelt bestehend) und die eigentlichen Infusorienlager – eine Gebirgsart, die, wie Ehrenberg zuerst enthüllte, ganz aus Infusions-Thierleibern gebildet wird und große Strecken der Erdoberfläche einnimmt. – Die Sandsteinbildungen endlich stellen die Gebirge dar, welche Humboldt »Conglomerate« genannt hat – und daß eine Umwandlung von früher anders zusammengesetzten Gesteinmassen möglich geworden ist und noch fortdauert, das bewies Humboldt zuerst durch vergleichende Beobachtungen der langsam fortschreitenden Veränderungen in der großen Werkstatt der Natur, sowie durch direkte chemische Experimente, die, im Kleinen den großen Prozeß des Laboratoriums der Erde nachahmend, einfache, klare Aufschlüsse gaben.

Was nun die geographische Verbreitung der Gebirgsarten in der Erdrinde betrifft, so ist Kieselsäure der am meisten und allgemeinsten vorkommende Stoff –, nach ihm ist es kohlensaurer Kalk dann sind es die Verbindungen von Kieselsäure mit Thonerde, von Kali und Natron mit Kalkerde, Magnesia und Eisenoxyd. – In Hinsicht auf das Alter der Gesteine sind die Eruptionsgebirge – diese Resultate feuriger Hitze des Erdkörpers – unstreitig die ältesten, und wenn in einem Gestein die Reste vorweltlicher Pflanzen und Thiere vorkommen, dann ist damit auch sein späteres Alter der Entstehung dokumentirt. Ein untergegangenes Thier- und Pflanzenleben liegt in den oberen und mittleren Schichten begraben. – Humboldt sagt sehr treffend: »Wir steigen aufwärts in die Zeit der Vergangenheit, indem wir, die räumlichen Lagerungsverhältnisse ergründend, von Schicht zu Schicht abwärts dringen.«

Das bis jetzt (Ende des Jahres 1858) erschienene Kosmoswerk reicht in seinem vierten Bande nur bis zur Darstellung der vulkanischen Erderscheinungen und giebt größtentheils Erweiterungen und Ausführungen der Naturgemälde, welche mehr skizzenhaft der erste Band andeutet. Mit dem gelehrten Material, welches mit bewunderungswürdiger Reichhaltigkeit und umfassender Gründlichkeit in Humboldt's Geiste und unter seinen Händen aufschwillt und das Kosmoswerk mit einem Schatze von Citaten und Anmerkungen schmückt, der oft über den Raum des darstellenden Textes hinauswächst, hat aber auch für das größere Publikum die Grenze des Verständnisses sich mehr und mehr beengt. Volksthümliche Erklärungen werden dadurch immer nothwendiger, und da wir bereits aus Humboldt's Forschungen und durch seine einst gehaltenen Vorlesungen, so wie namentlich durch die Ueberschau, welche er im ersten Bande gab, von dem ferneren, noch erwarteten Inhalte des Kosmoswerkes, in Betreff der darin abgehandelten Gegenstände, unterrichtet sind, so fahren wir bei unserem Abrisse der Humboldt'schen Kosmos-Anschauung fort, unseren Lesern ein Verständniß der hervorragendsten Gegenstände zu vermitteln.

Mit gleichem geistigen Auge, wie auf die Gesammtheit der Erde und die Bildungsgesetze ihrer Gestalt, blickt Humboldt auch über ihre räumliche Oberfläche und deutet uns die räumliche Vertheilung vom festen Lande und Wasser aus dem Zusammenhange aller Bildungsprozesse des Planeten; er verknüpft auf geniale Weise die geographische Erdkunde mit der Erdgeschichte. Die gegenwärtige Form des Festlandes sieht er als eine Hebung über das Niveau des Wassers an, die vorzugsweise durch Eruption von Quarzporphyren entstanden sei, die einst die erste irdische Vegetation, die nunmehrigen Steinkohlenlager, durchbrochen habe. Was wir als »Flachland« bezeichnen, deutet uns Humboldt als breite Hügel- und Gebirgsrücken, deren Basis auf dem Boden des Meeres liegt, also als eine Hochebene, – das feste Land (das sich wie 1 zu 2 ???4/5 zur Quantität des Wassers verhält, und auf der nördlichen Halbkugel dreimal mehr an Masse vorhanden ist, als auf der südlichen, vorherrschend oceanischen Halbkugel) hat in seiner horizontalen Gestaltung um so eher Humboldt's Forschersinn fesseln müssen, als dasselbe schon in den Zeiten des griechischen Alterthums zu sinnreichen Betrachtungen angeregt hatte. Die Richtung, welche alte und neue Welt (das feste Land auf östlicher und westlicher Halbkugel) in ihrer Längenachse darbieten, leitet Humboldt auf weitere Erklärungen; da unsere alte Continentalmasse eine Längenachse in der Richtung von Osten nach Westen, die amerikanische aber eine von Norden nach Süden zeigt, und während im Norden beide Kontinente in der Richtung einer höchsten Breitelinie abgeschnitten erscheinen, enden sie südlich in pyramidalische Spitzen, was Humboldt um so charakteristischer findet, da diese südliche Form sich auch im Kleinen an den einzelnen Welttheilen und Halbinseln wiederholt, und es hat sich herausgestellt, daß je einfacher die Küstenform und Gliederung eines Festlandes erscheint, auch die Entwickelung und Kultur seiner Bewohner um so einförmiger geblieben ist. Humboldt weist auf das vielgegliederte Europa, das ungegliederte Asien, Afrika und Südamerika hin. Als wirkende Ursache aller Länderbildung erkennt Humboldt aber eine unterirdische Kraft an, die nicht auf einmal und zu gleicher Zeit alle jetzigen Kontinentalformen geschaffen, sondern in weiten Epochen durch Ausdehnung und Spannkraft heißer Dünste und Flüssigkeiten, hier und da zufällig (d. h. wir kennen die Nothwendigkeitsgesetze davon nicht) die Erdrinde über das Wasser erhoben und dann durch spätere Erdbeben und Vulkanthätigkeiten das Detail von Thal und Berg gebildet habe. Diese Erhebung und Umwandlung der Kontinente hält Humboldt nach allen von ihm selbst und seinen geologischen Zeitgenossen gemachten Erfahrungen nicht für beendet, sondern noch fortdauernd; so wie es noch Theile der Erdoberfläche giebt, welche tiefer als der Meeresspiegel liegen (z. B. kaspisches Meer Humboldt bemerkt, daß das periodische, unregelmäßige Steigen und Fallen des Wassers im kaspischen Meere, was er selbst beobachtet hat, ein Beweis zu sein scheine, wie, ohne eigentliche Erdbeben, noch jetzt der Boden zu schwachen Schwankungen fähig sei, welche in der Urzeit, wo die Erdrinde noch weniger dick war, ziemlich allgemein gewesen sein müßten., todtes Meer – ersteres 625, letzteres 1230 Fuß tiefer als das Niveau des mittelländischen Meeres), so heben sich auch noch unter unseren Augen, wenn auch binnen der Zeit eines Menschenalters kaum merkbar, ganze Landstrecken. – (So ist seit 8000 Jahren das östliche Ufer Skandinaviens vielleicht um 320 Fuß gestiegen, und Humboldt meint, daß in 12 000 Jahren Theile des Meerbodens, in der Nähe des Ufers, die heute noch mit 50 Faden Wassertiefe bedeckt sind, an die Oberfläche kommen und trocken werden würden.) Es wäre damit das Fortwachsen des festen Landes bewiesen! – Aber wenn sich auf einer Seite neues Land über den Wasserspiegel erhebt, so ist auch andererseits ein allmähliches Sinken denkbar, und Humboldt kann sich recht gut vorstellen, wie nordwestlich liegende Theile Europa's im allmählichen Sinken der Landfläche einst unter den Wasserspiegel gerathen und bleibend überschwemmt werden können. – Für eine wirkliche Ab- und Zunahme des Meeres selbst fehlt es an allen Beweisen, obgleich in früheren Jahrtausenden unstreitig das Niveau des Meeres ein anderes, vielfach verändertes gewesen sein muß.

Auf Berg und Hochebenen, wie auf dem beweglichen Spiegel des Oceans ruhet das die Erde umhüllende Luftmeer, dem das oceanische Wasser nicht gern seine Wärme abgiebt, da die kälter gewordenen Wassertheile zugleich schwerer sind und wieder in die wärmere Tiefe hinabsinken. Wie aber das Luftmeer seine Windströmungen hat, welche nach regelmäßigen Gesetzen wiederkehren (was namentlich Dove aufgefunden hat), so giebt es auch oceanische Strömungen, welche von Humboldt zum Gegenstände interessanter Forschungen gemacht worden sind. Abgesehen von den bekannten Erscheinungen der Ebbe und Fluth, der Bewegung der Wellen durch herrschende Windrichtungen, durch periodischen Luftdruck etc., giebt es auch Strömungen, die flußartig die Meerräume durchkreuzen und merkwürdiger Weise gleichsam wie an ruhigen Ufern, an den nicht mit strömenden Wassertheilen vorbeiziehen – sogenannte »oceanische Flüsse«, die von Humboldt besonders aufmerksam untersucht worden sind. Der atlantische Golfstrom ist hier zunächst zu nennen. Er nimmt seinen Anfang südlich vom Vorgebirge der guten Hoffnung, läuft durch das Meer der Antillen und den mexikanischen Meerbusen durch die Bahamastraße, richtet sich immer mehr-gegen Nordwest von den vereinigten Staaten Amerika's ab, wird bei der Bank von Neufundland, wo er einen Arm gegen Süden abgiebt, ostwärts abgelenkt und stößt auf die Küsten von Irland und Norwegen, denen er außer seiner Wärme oft Gegenstände der Tropenwelt zuführt. Auch im Südmeere zeigt sich eine ähnliche Strömung, die aber einen niederen Wärmegrad besitzt, während der Golfstrom eine höhere Temperatur mit sich führt. Schon bei Gelegenheit der Skizzirung von Humboldt's amerikanischer Reise haben wir seiner Aufmerksamkeit auf die Natur des Golfstromes vorübergehend erwähnt.

Das große, unseren Planeten umhüllende Luftmeer hat Humboldt in den Veränderungen seines Druckes, seiner klimatischen Wärmevertheilung, in seinen Feuchtigkeits- und Elektricitäts-Verhältnissen, so wie in den allgemeinen Witterungserscheinungen näher erforscht. Die wunderbaren, von Dove erkannten Drehungsgesetze der Winde (die derselbe in seinen »Meteorologischen Untersuchungen« ziemlich populär darstellt) beschäftigten Humboldt vorzugsweise, denn sie leiteten wieder auf allgemeine Gesetze zurück, die Humboldt bereits in anderen Erscheinungen des Erdlebens erkannt hatte. Die von ihm verursachte Einrichtung der bereits mehrfach erwähnten magnetischen Observatorien, welche jetzt die Erde überziehen, hat Humboldt auch zu Beobachtungen über die Gesetze der Winde nutzbar zu machen gesucht, und er verspricht sich durch diese zusammengreifenden, viele hundert Meilen von einander entfernten, aber gleichzeitig angestellten Beobachtungen wichtige Resultate über das Verständniß der Windrichtungen. Schon bei Gelegenheit der asiatischen Reise Humboldt's haben wir die allgemeinen Einflüsse der herrschenden Winde auf das Klima angedeutet, und da dieselben auf die Wärmevertheilung hinwirken, deren nähere Bestimmung durch die 1817 zuerst aufgestellten isothermischen Linien eine besondere Aufgabe Humboldt's gewesen ist, so treten wir hiermit wieder in ein neues Gebiet seiner besonders hervorstechenden Thätigkeit ein, nämlich in das der vergleichenden Klimatologie.

Humboldt faßt den Begriff: »Klima« weit allgemeiner auf, als es früher wol geschehen ist; in seiner Auffassung gehören dazu alle näher oder entfernter mitwirkende Erdkräfte, und die Gesammtwissenschaft hilft ihm zu der Erklärung des örtlich verschiedenen Klima's und dessen Ursachen. – Die von ihm durch »isothermische Linien« verbundenen Orte gleicher mittlerer Temperatur bilden aber von der Parallel-Richtung des Aequators sehr abweichende Linien, denn die vielen Ursachen, welche Temperatur erhöhen und vermindern, werden maßgebend für den Lauf derselben. – Die Temperatur wird erhöhet, in der gemäßigten Zone durch Nähe der Westküste, der Meerbusen und Binnenmeere, durch die Lage des Ortes zu anderen ausgedehnten Landstrecken oder oceanischen eisfreien Wasserflächen, durch Vorherrschen von Süd- und Westwinden, durch schützende Gebirgsketten, durch gänzliches Fehlen oder die Seltenheit von Sümpfen, die lange mit Eis bedeckt bleiben würden, durch Waldmangel auf trockenem Sandboden, durch Himmelsreinheit und durch Nähe einer warmen Meerströmung. Die Gegensätze dieser Verhältnisse müssen natürlich die Temperatur kühler machen, im Allgemeinen zeigen sich aber in der gemäßigten Zone, namentlich in Europa, die Ostküsten kälter als die Westküsten, weil die Ostwinde über abkühlende Landstrecken, die Westwinde über die See kommen. Humboldt erklärt, daß er zu solchen Resultaten namentlich durch die Vorarbeiten seines Freundes Georg Forster, angeregt worden sei.

Da die Temperatur gesetzmäßig mit der Höhe der Breiten, also mit der Entfernung vom Aequator kälter wird, so nahm Humboldt darauf besondere Rücksicht bei seiner Erforschung meteorologischer Vorgänge, bei Aufstellung seiner Pflanzengeographie und anderen wissenschaftlichen Ausgaben, und er erklärt, daß bei allen seinen vielen Bergreisen innerhalb und außerhalb der Tropenländer die Ergründung dieses Gesetzes der Temperaturabnahme mit zunehmenden Breitegraden stets ein vorzüglicher Gegenstand seiner Untersuchungen gewesen sei. – Dahin gehören denn auch seine Resultate über die Schneegrenze, die Feuchtigkeit und den Thaupunkt der Luft und die Elektricität des Luftkreises.

Auf dem Boden des gleichsam vor unseren Blicken entstandenen Planeten erforschte Humboldt aber auch das organische Leben der Pflanzen und Thiere; die belebte Erdoberfläche wurde nicht minder Gegenstand seines Forschens wie das feurige, flüssige oder erstarrte Innere des Planeten und seine Rindenbildung.

Das Infusionstierchen eröffnet den Kreis des Thierreichs, die mikroskopische Pflanzenzelle, als eine ganze, vollendete Pflanze, den Kreis des vegetabilischen Lebens. – Und gerade in der allgemeinen, mit den Weltgesetzen übereinstimmenden Anschauung dieser organischen Welt wurde Humboldt von bedeutenden Zeitgenossen unterstützt, die ihm durch das Mikroskop die Gesetze der Welt im kleinsten Raume nachwiesen, indem sie in jeder, dem gewöhnlichen Auge unsichtbaren Pflanzenzelle, in jedem, erst nur als Zellchen auftretenden Thierorganismus Leben, Bewegung und Wiederholung allgemeiner kosmischer Daseinsbedingungen erkannten. – Ueberall auf der Oberfläche der Erde, in ihren Bergschluchten und atmosphärischen Höhen ist Leben, ist organische Natur thätig; das große Weltmeer birgt das kleinste mikroskopische Leben bis tief in die Polarkreise des Eismeeres hinein. Selbst im Rückstande des geschmolzenen, in rundlichen Stücken umherschwimmenden Eises, unter einer Breite von 78º 10', wurden über fünfzig Arten kieselschaliger Polygastern (vielmagige Infusionsthierchen), selbst Coscinodisken mit ihren grünen Eierstöcken, also auch für die Extreme der Kälte lebensfähig organisirte Wesen entdeckt. Es hat sich durch direkte Beobachtungen erweisen lassen, daß »in der ewigen Nacht der oceanischen Tiefen« – wie Humboldt sich ausdrückt – vorzugsweise das Thierleben und auf dem festen Lande das Pflanzenleben am meisten verbreitet ist, obgleich der Masse nach das letztere bedeutend das erstere überwiegt, trotz dem, daß das feste Land geringer als das Meer vorhanden ist. Aber auch in der Luft glauben neuere Forscher Infusorien entdeckt zu haben (Meteor-Infusorien). Humboldt nennt diese Entdeckung allerdings noch zweifelhaft, hält es aber für nicht unmöglich, daß, so gut jährlich Fichtenblüthenstaub, wie thatsächlich nachgewiesen, aus der Atmosphäre herniederfällt, eben so auch kleine Infusionsthiere mit dem Wasserdampf empor getrieben und eine Zeitlang in den Luftschichten schwebend erhalten werden können. (Einige Infusionsthierchen haben eine wunderbare Ausdauer des Lebens, das durch ein längeres Schweben in der Lust nicht gefährdet werden würde, wenn man bedenkt, daß sie nach 28tägiger Eintrocknung im luftleeren Raume durch Chlorkalk und Schwefelsäure, selbst nach Erhitzung von 120 Grad, aus ihrem Scheintode wieder auflebten.) Indessen hat Ehrenberg gefunden, daß der nebelartig die Luft trübende, in der Nähe der capverdischen Inseln bis 380 Seemeilen weit von der afrikanischen Küste entfernt vorkommende Staubregen aus den Resten von achtzehn verschiedenen Arten kieselschaliger, vielmagiger Infusionsthierchen besteht.

Humboldt unterschied Pflanzen und Thiere zuerst nach ihrem geselligen oder isolirten Lebenscharakter. – Schon in seiner »Freibergischen Flora«, welche 1793 erschien, nannte er die Pflanzen gesellig, welche stets in Gruppen auftreten und dann große Flächen einförmig zu bedecken pflegen und dadurch, indem sie vorherrschend eine Gegend bewohnen, gerade das Meiste zu dem physiognomischen Charakter einer Landschaft beitragen, wozu eigentlich die beweglichen, oft weit in andere Breitegrade hineinschweifenden Thiere nicht mitwirken. Von hohem Interesse wird aber noch Humboldt's geographische Auffassung des Pflanzenlebens dadurch, daß er auf die gesetzmäßige Vertheilung desselben je nach den Klimaten hinwies, die an den Bergen mit deren zunehmender Höhe schichtenweise übereinander gelagert sind – wo also die Pflanzen verschiedener Klimate übereinander vorkommen, je nachdem die Höhe des Berggürtels ein wärmeres, gemäßigteres oder kälteres Klima hat. Humboldt sagt in späteren Jahren von sich selbst: »Es ist ein glücklicher Umstand meines Lebens gewesen, daß zu einer Zeit, in welcher ich mich fast ausschließlich mit Botanik beschäftigte, meine Studien, durch den Anblick einer großartigen, klimatisch-contrastirten Natur begünstigt, sich auf diesen Gegenstand – (nämlich: die Geographie der Pflanzen mit der Lehre von der Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper zu verbinden, die Gewächse nach natürlichen Familien zu ordnen und danach numerisch zu unterscheiden) – richten konnten.«

Die Grundsätze, welche Humboldt hier leiteten (wonach namentlich den Richtungen der »isothermischen Linien«, welche er bekanntlich über die Erde gezogen denkt, auch die Pflanzengeographie sich anschließen muß), suchte er auch auf die geographische Verbreitung der Thiere anzuwenden, obgleich diese mehr nach Willkür ihren Verbreitungsbezirk zwischen dem Aequator und Pol verändern, während die Pflanzen »im Eie wandern« (als umherfliegender Samen) und einmal festgewurzelt, vom Boden und von der Temperatur der Luftschicht abhängig bleiben.

In ein vollendetes Naturgemälde gehört aber vor Allem auch der Mensch. – Auch das Menschengeschlecht hat Humboldt in allen physischen Abstufungen (Rassen, Abarten) und in der geographischen Verbreitung desselben näher erforscht und zwar auf dem Wege eines tieferen Eingehens in die Bildungsgeschichte der Menschheit, namentlich ihre Abstammung, Gemeinschaft der Sprache und. Umwandelbarkeit ihrer ursprünglichen Richtung des Geistes und Gemüthes. – Auch er kam zu der Ueberzeugung von der Einheit des Menschengeschlechts, deren Rassen nur Formen einer einzigen Art sind, was bereits andere Forscher ebenfalls anerkannt hatten. Auch ihm – und wie hätte er vor Allem bei den gemeinschaftlichen Studien mit seinem Bruder Wilhelm nicht die Bedeutung des Gegenstandes erkennen sollen! – auch ihm erschienen die Sprachen als geistige Schöpfungen der Menschheit, die, in ihre geistige Entwickelung tief verschlungen, eine nationale Form offenbaren und dadurch für Erkennung von Aehnlichkeit und Unterschied der Menschenrassen wichtig werden; ihm ist die Sprache ein Theil der »Naturkunde des Geistes« – eine Sphäre, die die Menschen wie ein geistiges Band als Formen einer Art umschlingt – aber er findet auch hier zugleich die Grenzen seines physischen Naturgemäßes, das er nicht überschreiten mag.


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