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Der deutsche Mann, dessen Geschichte ich, aus mir selbst aufgelegter Pflicht, zu schreiben unternommen habe, ist durch seine ihm eigne Denkungsart und besondere Stimmung des Herzens eben so merkwürdig als durch sein Schicksal. Für mich war er eine Erscheinung in der moralischen Welt, einem Luftzeichen ähnlich, das durch seinen strahlenden Ausfluß die Augen so lange ergötzt, als es sich noch am fernen Horizont bildet; zieht es aber im düstern Dunstkreise den Bogen des Himmels herauf, so fliehet der Haufen vor der ihm zweideutigen Erscheinung, und nur der Kundige freut sich, wenn auch unter kleinem Schauder, eine nicht alltägliche Wirkung der Natur gesehen zu haben. Unter diesem Bilde stelle ich euch Ernst von Falkenburg, als Jüngling und Mann, dar. Als er in blühender Jugend die Bahn des thätigen Lebens betrat, zog er die Blicke der Menschen auf sich; als er aber die Mitte derselben kaum erreicht hatte und Bosheit und Wahnsinn seinen Glanz verdunkelten, ward er eben diesen Menschen ein Gegenstand des Schreckens, des Abscheus. Was er dem Kundigen werden wird, hängt von dieser Geschichte ab. Hier, wo nur Wahrheit spricht, wo nur sie Zweck ist, zieht sich der Schriftsteller zurück.
Von ihr allein geleitet, soll und muß ich darthun, warum, wie und wodurch Ernst von Falkenburg aus dem mildesten, freundlichsten und edelsten Jüngling ein Mann geworden ist, den man in den Gegenden seines Aufenthalts nur zu nennen braucht, um die Herzen erkalten oder ergrimmen zu sehen; den man nie nennt, ohne daß eben die Lippen, welche einst nie ermüdeten, ihn lobzupreisen, den Spruch des Hasses und der Verwerfung über ihn aussprechen.
Ich muß der Welt zeigen, warum ihn seine Lästerer verkennen, und es soll aus seiner Geschichte hervorgehen, daß keiner der ihn so schnöde und schonungslos Richtenden je nur das erhabene Gefühl geahnet hat, das sein Führer im Leben war, welches ihn nun auf einen Punkt des moralischen Daseins geführt hat, worauf ich ihn zwar mit ängstlichem Schauder, aber mit dem Schauder, den Bewunderung erzeugt, stehen sehe. Seine Lästrer sollen einsehen, daß er sich selbst nie untreu ward, daß er sich noch jetzt treu ist und daß sie, in dem Verdammungsspruch über ihn, nur sich, ihrem Wahne und ihrem gesammten Wesen, Denken und Thun das Urtheil sprechen. Doch Diejenigen, mit welchen er nie etwas gemein hatte, als die Erde, die sein Fuß nur betrat, sie, deren Weg von dem seinen so weit entfernt liegt, als die Heerstraße, die der Karrenführer im nassen Herbste durchackert, von der Sonnenbahn, auf welcher der Gott des Lichts seinen fliegenden, feurigen Wagen lenkt, werde ich ihm schwerlich zuführen. Auch kümmert mich ihr Urtheil eben so wenig, als den Mann, von dem ich zu euch rede, und ich halte mich für belohnt genug, wenn ich für ihn die Theilnahme, das Mitleiden, die richtige Erkenntniß seines Zustands, einiger Edlen unseres Volks gewinne. Mit ihnen war er immer verwandt und ist es jetzt noch, da er, getragen von dem Gefühl, wodurch er ihnen gleicht, über der Brandstätte seines herrlichen jugendlichen Gebäudes emporgehalten schwebt und sein düstrer männlicher Geist über die Leiche des Jünglings stille klagt, der unter dem dampfenden Moder in Asche zerfiel. Nie konnte er ganz fallen, weil er fühlte, was er als Jüngling war, was ihn als Jüngling beglückte; weil er über den Schauplatz von seinem einsamen Schlosse hinsieht, auf welchem seine schönen blühenden Jugendträume, seine edlen Entwürfe und die versprechenden Keime uneigennütziger Tugenden entstanden, sich bildeten und entwickelten.
In diesen muß ich euch führen; denn der Schauplatz der Jugend hat auf Menschen der Art, wie der Mann ist, dessen Seele ich euch nun zu enthüllen beginne, nicht mindern Einfluß, als die Felsenklippen in der Einöde, zwischen welchen der Adler nistet, und der Myrtenbusch im geselligen Rosengarten, auf welchem die Nachtigall den jungen Sänger der Liebe erzieht, auf die Brut des Königs der Luft und die Brut des Sängers der zärtlichen Gefühle.